Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
9C 328/2017
Urteil vom 9. November 2017
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Parrino,
Gerichtsschreiber Furrer.
Verfahrensbeteiligte
IV-Stelle des Kantons St. Gallen,
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Werner Rechsteiner,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision),
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 17. März 2017 (IV 2015/6).
Sachverhalt:
A.
A.________, geboren 1978, meldete sich am 17. Februar 2003 wegen einer Panik- und einer posttraumatischen Belastungsstörung bei der Invalidenversicherung an und beantragte eine Umschulung auf eine neue Tätigkeit. Da der Regionale Ärztliche Dienst sowie der Eingliederungsberater Eingliederungsmassnahmen für (noch) nicht erfolgversprechend einstuften, prüfte die IV-Stelle des Kantons St. Gallen (fortan: IV-Stelle) den Rentenanspruch. Die in der Folge mit Verfügung vom 25. September 2003 mit Wirkung per 1. September 2002 zugesprochene ganze Invalidenrente (Invaliditätsgrad von 100 %), ergänzt durch drei Kinderrenten, bestätigte die IV-Stelle am 29. Juni 2004 und 24. September 2007. Aufgrund eines anonymen Hinweises im März 2010, wonach der Versicherte "kerngesund" sei, stellte ihm die IV-Stelle einen Fragebogen zu und veranlasste medizinische Abklärungen. Wegen Inkonsistenzen liess die IV-Stelle den Versicherten an sieben Tagen zwischen dem 2. und 21. Dezember 2012sowie am 15. und 18. März 2013 observieren, wodurch sie Kenntnis von dessen Arbeitstätigkeit erhielt. Nach erwerblichen Abklärungen gab die IV-Stelle eine psychiatrische Begutachtung in Auftrag (Expertise des Dr. med. B.________ vom 7. April 2014). Gestützt darauf und nach
durchgeführtem Vorbescheidverfahren hob die IV-Stelle mit Verfügung vom 4. Dezember 2014 die Invalidenrente rückwirkend per 31. Juli 2012 auf (Invaliditätsgrad von 0 %), weil der Versicherte die Meldepflicht verletzt habe. Sodann forderte sie mit Verfügungen vom 5. Dezember 2014 zu Unrecht ausgerichtete Rentenbetreffnisse zurück.
B.
Auf Beschwerde des A.________ hin hob das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 17. März 2017 die Verfügungen vom 4. und 5. Dezember 2014 auf und wies die Sache zu weiteren Abklärungen im Sinne der Erwägungen an die IV-Stelle zurück. Zudem ordnete es an, das Observationsmaterial und sämtliche darauf beruhenden Aktenstücke, darunter auch das Gutachten des Dr. med. B.________, seien aus den Akten zu entfernen.
C.
Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt die Aufhebung des kantonalen Entscheids vom 17. März 2017 und die Bestätigung ihrer Verfügungen vom 4. und 5. Dezember 2014.
Das kantonale Gericht und der Beschwerdegegner tragen auf Abweisung der Beschwerde an, soweit darauf eingetreten werden könne; Letzterer ersucht zudem um unentgeltliche Rechtspflege. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme.
Erwägungen:
1.
Beim angefochtenen Rückweisungsentscheid handelt es sich, da das Verfahren noch nicht abgeschlossen wird und die Rückweisung auch nicht einzig der Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten dient (SVR 2008 IV Nr. 39 S. 131, 9C 684/2007 E. 1.1), um einen selbstständig eröffneten Vor- oder Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 93 Andere Vor- und Zwischenentscheide - 1 Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig: |
|
1 | Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig: |
a | wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder |
b | wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde. |
2 | Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dem Gebiet des Asyls sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.85 Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind. |
3 | Ist die Beschwerde nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken. |
Grundsätzlich ist nur das Dispositiv, nicht aber die Begründung eines Entscheides anfechtbar. Dispositiv-Ziffer 1 des vorinstanzlichen Entscheids weist die Sache an die IV-Stelle "zur Vornahme weiterer Abklärungen im Sinn der Erwägungen" zurück. Mit diesem Verweis bezieht sich der Entscheid auch auf die in den Erwägungen angeordnete Entfernung des Observationsmaterials und derjenigen Dokumente, die darauf abstellten, aus den Akten. Das kantonale Gericht erachtete diese Aktenstücke, namentlich das nach der Observation erstellte Gutachten des Dr. med. B.________, als unrechtmässig erlangtes Beweismaterial. Mit der vorinstanzlichen Ausschliessung der Verwertung all dieser Akten ist die Eintretensvoraussetzung von Art. 93 Abs. 1 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 93 Andere Vor- und Zwischenentscheide - 1 Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig: |
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1 | Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig: |
a | wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder |
b | wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde. |
2 | Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dem Gebiet des Asyls sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.85 Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind. |
3 | Ist die Beschwerde nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken. |
2.
Die Vorinstanz hat die Observation und die darauf gründenden Akten als unzulässig qualifiziert. Streitig ist, ob diese Beurteilung vor Bundesrecht standhält.
3.
3.1. Das kantonale Gericht hat - einzelrichterlich - vorab verneint, dass den angefochtenen Verfügungen ein rechtsgenüglich abgeklärter Sachverhalt zugrunde lag. Im Urteil Vukota-Bojic gegen Schweiz vom 18. Oktober 2016 (Nr. 61838/10) habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in einer Streitigkeit aus dem Bereich der obligatorischen Unfallversicherung erkannt, dass im schweizerischen Recht keine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Foto- und Videoüberwachung von versicherten Personen bestehte. Nach Auffassung des Gerichts und auch nach diversen Lehrmeinungen gelte dies gleichermassen im Bereich der Invalidenversicherung. Die Verwendung von verfassungs- und gesetzeswidrig beschafftem Datenmaterial käme einer neuerlichen Grundrechtsverletzung gleich. Da keine unabhängige fachpsychiatrische Beurteilung des Verlaufs der Arbeitsfähigkeit bis zum Zeitpunkt der angefochtenen Verfügungen vorliege, erweise sich die Sache nicht als spruchreif; es bedürfe einer neuerlichen psychiatrischen Begutachtung, weshalb die Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen sei.
3.2. Die beschwerdeführende IV-Stelle verweist auf BGE 137 I 327 E. 5.2 und Art. 59 Abs. 5
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 59 Organisation und Verfahren - 1 Die IV-Stellen haben sich so zu organisieren, dass sie ihre Aufgaben nach Artikel 57 unter Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und der Weisungen des Bundes fachgerecht und effizient durchführen können.331 |
|
1 | Die IV-Stellen haben sich so zu organisieren, dass sie ihre Aufgaben nach Artikel 57 unter Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und der Weisungen des Bundes fachgerecht und effizient durchführen können.331 |
2 | ...332 |
2bis | ...333 |
3 | Die IV-Stellen können Spezialisten der privaten Invalidenhilfe, Experten, medizinische und berufliche Abklärungsstellen, Fachstellen für die Integration von Ausländerinnen und Ausländern, Vermittlungsstellen für interkulturelles Übersetzen sowie Dienste anderer Sozialversicherungsträger beiziehen.334 |
4 | Die IV-Stellen können mit anderen Versicherungsträgern und den Organen der öffentlichen Sozialhilfe Vereinbarungen über den Beizug der regionalen ärztlichen Dienste abschliessen.335 |
5 | Zur Bekämpfung des ungerechtfertigten Leistungsbezugs können die IV-Stellen Spezialisten beiziehen.336 |
6 | Die IV-Stellen berücksichtigen im Rahmen ihrer Leistungen die sprachlichen, sozialen und kulturellen Besonderheiten der Versicherten, ohne dass diese einen Rechtsanspruch auf eine besondere Leistung ableiten können.337 |
4.
4.1. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in seinem Urteil vom 18. Oktober 2016 in Sachen Vukota-Bojic gegen die Schweiz (Nr. 61838/10) über die EMRK-Konformität einer Observation, die im Auftrag eines (sozialen) Unfallversicherers durch einen Privatdetektiv erfolgt war, befunden. Er erkannte, dass eine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine Observation nicht besteht, weshalb er auf eine Verletzung von Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 6 Recht auf ein faires Verfahren - (1) Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder - soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält - wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde. |
|
a | innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihr verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen sie erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden; |
b | ausreichende Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung ihrer Verteidigung zu haben; |
c | sich selbst zu verteidigen, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls ihr die Mittel zur Bezahlung fehlen, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist; |
d | Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen zu erwirken, wie sie für Belastungszeugen gelten; |
e | unentgeltliche Unterstützung durch einen Dolmetscher zu erhalten, wenn sie die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder spricht. |
Das Bundesgericht hat unter Berücksichtigung der betreffenden Erwägungen des EGMR entschieden, dass es trotz Art. 59 Abs. 5
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 59 Organisation und Verfahren - 1 Die IV-Stellen haben sich so zu organisieren, dass sie ihre Aufgaben nach Artikel 57 unter Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und der Weisungen des Bundes fachgerecht und effizient durchführen können.331 |
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1 | Die IV-Stellen haben sich so zu organisieren, dass sie ihre Aufgaben nach Artikel 57 unter Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und der Weisungen des Bundes fachgerecht und effizient durchführen können.331 |
2 | ...332 |
2bis | ...333 |
3 | Die IV-Stellen können Spezialisten der privaten Invalidenhilfe, Experten, medizinische und berufliche Abklärungsstellen, Fachstellen für die Integration von Ausländerinnen und Ausländern, Vermittlungsstellen für interkulturelles Übersetzen sowie Dienste anderer Sozialversicherungsträger beiziehen.334 |
4 | Die IV-Stellen können mit anderen Versicherungsträgern und den Organen der öffentlichen Sozialhilfe Vereinbarungen über den Beizug der regionalen ärztlichen Dienste abschliessen.335 |
5 | Zur Bekämpfung des ungerechtfertigten Leistungsbezugs können die IV-Stellen Spezialisten beiziehen.336 |
6 | Die IV-Stellen berücksichtigen im Rahmen ihrer Leistungen die sprachlichen, sozialen und kulturellen Besonderheiten der Versicherten, ohne dass diese einen Rechtsanspruch auf eine besondere Leistung ableiten können.337 |
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 13 Schutz der Privatsphäre - 1 Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs. |
|
1 | Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs. |
2 | Jede Person hat Anspruch auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten. |
4.2. Was die Verwendung des im Rahmen der widerrechtlichen Observation gewonnenen Materials anbelangt, richtet sich diese allein nach schweizerischem Recht. Das Bundesgericht hat im erwähnten Urteil 9C 806/2016 im Wesentlichen erkannt, dass die Verwertbarkeit der Observationsergebnisse (und damit auch der gestützt darauf ergangenen weiteren Beweise) grundsätzlich zulässig ist, es sei denn, bei einer Abwägung der tangierten öffentlichen und privaten Interessen würden diese überwiegen (E. 5.1.1). Mit Blick auf die gebotene Verfahrensfairness hat es sodann in derselben Erwägung (mit Hinweisen) eine weitere Präzisierung angebracht: Eine gegen Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
5.
5.1. Ausgehend von dieser jüngsten Rechtsprechung steht mit dem kantonalen Gericht fest, dass die Observation unzulässig war, weshalb eine Verletzung von Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 13 Schutz der Privatsphäre - 1 Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs. |
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1 | Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs. |
2 | Jede Person hat Anspruch auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten. |
5.2. Die medizinischen Akten enthalten, was auch eine vertiefte Überprüfung des Falles im Rahmen der letzten Rentenrevision zutage förderte, zahlreiche Anhaltspunkte und Inkonsistenzen, welche Zweifel daran weckten, dass der Beschwerdegegner unter einem schweren, zu gänzlicher Arbeitsunfähigkeit führenden psychischen Leiden litt. Zunächst imponiert, dass sich die Ärzte im Wesentlichen auf die subjektiven Angaben des Versicherten stützten. Beispielsweise konnten die geschilderten Panikattacken im Rahmen des stationären Aufenthalts in der psychiatrischen Klinik C.________ im Januar 2003 nicht beobachtet werden und auch der behandelnde Arzt gab gegenüber der IV-Stelle im September 2005 an, er verfüge "praktisch nur über die Selbstauskünfte des Versicherten". Alsdann verhielt sich der Versicherte namentlich während des Aufenthalts in der Klinik C.________ im Juli 2006 auffällig bzw. nicht wie eine schwer leidende und eingeschränkte Person (nur teilweise Einnahme der verordneten Medikamente; Veränderung des Verhaltens bei Ablenkung [das Hyperventilieren des Versicherten sei "wie weggeblasen" gewesen, als sein Mobiltelefon geläutet und er dann problemlos telefoniert habe]; beobachtete Fähigkeit, mit dem Auto selbstständig
herumzufahren). Zweifel am Leidensdruck weckte auch die Feststellung des Hausarztes Dr. med. D.________ vom 6. Oktober 2010, wonach sich der Beschwerdegegner den therapeutischen Massnahmen weitgehend entziehe. Ferner stellte die Sachverständige bei der Begutachtung im Juni und Oktober 2012 u.a. ein "sehr theatralisch" wirkendes Verhalten dergestalt fest, dass der Versicherte während der Exploration plötzlich angab zu Hyperventilieren, was objektiv jedoch nicht wahrnehmbar war. Aufgrund dieser sowie weiterer aktenkundiger Auffälligkeiten bzw. Ungereimtheiten bestand die objektive Gebotenheit einer Observation ("Anfangsverdacht"; vgl. BGE 137 I 327 E. 5.4.2 S. 332 mit Hinweis auf BGE 136 III 410 E. 4.2 S. 416 ff.; 117 IV 67 E. 2c S. 74).
5.3. Die Observation - ausschliesslich im öffentlichen Raum - erfolgte an insgesamt 10 Tagen. Der Versicherte wurde im Wesentlichen dabei beobachtet, wie er am Arbeitsort bei der Werkhalle Materialien herumträgt, mit den Händen über Kopf arbeitet, ein Auto fährt und sich - auch rennend - alleine frei bewegt.
Im Rahmen der Überwachung wurden ausschliesslich alltägliche Verrichtungen im öffentlich einsehbaren Raum aufgezeichnet, welche aus eigenem Antrieb erfolgten; dem Versicherten wurden keine Fallen gestellt. Die Privatsphäre des Versicherten war dadurch geringfügig betroffen, weshalb nicht von einer schweren Verletzung der Persönlichkeit gesprochen werden kann. Dem gegenüberzustellen ist das Interesse des Versicherungsträgers und der Versichertengemeinschaft, unrechtmässige Leistungsbezüge zu verhindern. Dieses ist unter den hier gegebenen Umständen höher zu gewichten als das Interesse des Versicherten an einer unbehelligten Privatsphäre.
Damit können im vorliegenden Fall die ohne ausreichende gesetzliche Grundlage erhobenen Observationsergebnisse in Form des entsprechenden Berichts sowie der Foto- und Videoaufnahmen verwertet werden, zumal der Kerngehalt von Art. 13
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 13 Schutz der Privatsphäre - 1 Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs. |
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1 | Jede Person hat Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs. |
2 | Jede Person hat Anspruch auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten. |
5.4. Die Sache ist an das kantonale Gericht zurückzuweisen, damit es die übrigen Einwände des Versicherten prüfe und über die Beschwerde gegen die Verfügungen vom 4. und vom 5. Dezember 2014 betreffend Renteneinstellung und Rückforderung aufgrund der in den Akten liegenden Dokumente, insbesondere der psychiatrischen Expertise des Dr. med. B.________, entscheide.
6.
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdegegner grundsätzlich die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
|
1 | Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
2 | Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden. |
3 | Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht. |
4 | Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist. |
5 | Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen. |
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 64 Unentgeltliche Rechtspflege - 1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. |
|
1 | Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. |
2 | Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann. |
3 | Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entscheidet die Abteilung in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Vorbehalten bleiben Fälle, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 108 behandelt werden. Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann die unentgeltliche Rechtspflege selbst gewähren, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind. |
4 | Die Partei hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, und der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 17. März 2017 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
2.
Dem Beschwerdegegner wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwalt Werner Rechsteiner wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.
4.
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdegegners wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'400.- ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 9. November 2017
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Pfiffner
Der Gerichtsschreiber: Furrer