Tribunal federal
{T 0/2}
6P.100/2006
6S.211/2006 /rom
Urteil vom 9. August 2006
Kassationshof
Besetzung
Bundesrichter Wiprächtiger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Kolly, Zünd,
Gerichtsschreiber Weissenberger.
Parteien
C.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Walter A. Stöckli,
gegen
Staatsanwaltschaft I des Kantons Uri, Postfach 933, 6460 Altdorf UR,
Obergericht des Kantons Uri, Strafrechtliche Abteilung, Postfach 449, 6460 Altdorf UR.
Gegenstand
6P.100/2006
Strafverfahren, Willkür, "in dubio pro reo",
6S.211/2006
Nichtabgabe des entzogenen Fahrzeugausweises und der Kontrollschilder,
Staatsrechtliche Beschwerde (6P.100/2006) und Nichtigkeitsbeschwerde (6S.211/2006) gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Uri, Strafrechtliche Abteilung, vom 3. Februar 2006.
Sachverhalt:
A.
C.________ ist mit Einzelunterschrift zeichnungsberechtigter Geschäftsführer der "A.________ GmbH, Gebr. C.________" (nachfolgend A.________ GmbH), Hospental. Das Amt für Strassen- und Schiffsverkehr Uri (ASSV) stellte der A.________ GmbH am 10. Januar 2003 Rechnung für Verkehrssteuern für zwei ihrer Lastwagen. Die Rechnung wurde auch nach zweimaliger Mahnung nicht bezahlt. Mit Verfügungen vom 9. Juli 2003 ordnete das ASSV gegen die A.________ GmbH als Halterin der Fahrzeuge in Anwendung von Art. 106

SR 741.51 Ordonnance du 27 octobre 1976 réglant l'admission des personnes et des véhicules à la circulation routière (Ordonnance réglant l'admission à la circulation routière, OAC) - Ordonnance réglant l'admission à la circulation routière OAC Art. 106 Motifs de retrait - 1 Le permis de circulation est retiré:352 |
1. Fahrzeugausweis und die Eingangs erwähnten Kontrollschilder gelten mit sofortiger Wirkung als entzogen. Das Fahrzeug darf nicht mehr in Verkehr gesetzt werden!
2. Fahrzeugausweis und Kontrollschild/er sind innerhalb von 5 Tagen beim Amt für Strassen- und Schiffsverkehr Uri zu hinterlegen.
3. Nach unbenutztem Ablauf der eingeräumten Frist werden der Fahrzeugausweis und Kontrollschild/er durch die Polizei entzogen. Für den Einzugsauftrag der Verkehrspolizei wird eine Gebühr von Fr. 50.-- erhoben.
4. Die Abgabe des Fahrzeugausweises und der Kontrollschilder kann unterbleiben bzw. der Einzugsauftrag an die Verkehrspolizei entfällt, wenn Sie uns den ausstehenden Betrag und die Kosten dieses Verfahrens von Fr. 100.-- innert 5 Tagen überweisen. (Postquittung an unserem Schalter vorzulegen).
5. Die Anwendung von Art. 97 Ziff. 1

SR 741.01 Loi fédérale du 19 décembre 1958 sur la circulation routière (LCR) LCR Art. 97 - 1 Est puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire quiconque: |
Die Verkehrssteuern wurden in der Folge innerhalb der gesetzten Frist am 15. Juli 2003 bezahlt. Demgegenüber erfolgte die Einzahlung der Verfahrenskosten über insgesamt Fr. 200.-- erst am 13. Oktober 2003.
B.
Mit kantonal letztinstanzlichem Urteil von 3. Februar 2006 sprach das Obergericht des Kantons Uri C.________ der mehrfachen Nichtabgabe des entzogenen Fahrzeugausweises und der Kontrollschilder gemäss Art. 97 Ziff. 1 Abs. 2

SR 741.01 Loi fédérale du 19 décembre 1958 sur la circulation routière (LCR) LCR Art. 97 - 1 Est puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire quiconque: |
C.
C.________ führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts des Kantons Uri aufzuheben. Er erhebt überdies Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das erwähnte Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.
Das Obergericht des Kantons Uri hat auf Gegenbemerkungen zu beiden Beschwerden verzichtet.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
I. Staatsrechtliche Beschwerde
1.
Der Beschwerdeführer rügt, die Feststellung des Obergerichts, wonach er von den fraglichen Entzugsverfügungen Kenntnis erhalten und die Rechnungen selbst bezahlt habe, sei willkürlich (Beschwerde, S. 3 - 8).
2.
Es kann aus den nachfolgenden Gründen offen gelassen werden, ob die Beschwerde ingesamt den Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b

SR 741.01 Loi fédérale du 19 décembre 1958 sur la circulation routière (LCR) LCR Art. 97 - 1 Est puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire quiconque: |
Nicht zu beanstanden ist zunächst die Annahme, der Beschwerdeführer habe die Rechnung und die Mahnungen erhalten und zur Kenntnis genommen. Der Beschwerdeführer hat im Verfahren selbst zugegeben, die erste Rechnung erhalten, jedoch wegen eines Liquiditätsengpasses nicht bezahlt zu haben (Urteil Landgericht, E. 2.3.2). Ferner gab er vor der ersten Instanz nach anfänglichem Bestreiten zu, die Rechnung am 15. Juli 2003 mit einem Einzahlungsschein der zweiten Mahnung bezahlt zu haben (Urteil Landgericht, a.a.O.). Das durfte das Obergericht bei der Würdigung der Glaubhaftigkeit seiner Aussagen ohne Willkür zu seinen Ungunsten werten.
Unerfindlich ist, inwieweit die Annahme des Obergerichts, die beiden Verfügungen des ASSV seien von der Schwiegermutter des Beschwerdeführers bei der Post abgeholt und anschliessend dem Ehepaar C.________ ausgehändigt worden, willkürlich sein soll (angefochtenes Urteil, E. 5b; Urteil Landgericht Uri vom 19. Mai 2005, E. 2.3.2.2). Die Einwände des Beschwerdeführers erschöpfen sich diesbezüglich in einer unzulässigen appellatorischen Kritik am angefochtenen Urteil. Darauf ist nicht einzutreten.
Was die vom Obergericht bejahte Kenntnisnahme der Verfügungen durch den Beschwerdeführer betrifft, ist diesem einzuräumen, dass die Erwägungen im angefochtenen Urteil dazu sehr kurz ausgefallen sind (angefochtenes Urteil, E. 5b). Für die Beweiswürdigung des Obergerichts spricht aber, dass die Verkehrssteuern innerhalb der mit den Verfügungen angesetzten Frist am 15. Juli 2003 beglichen wurden. Da die Rechnung mit dem Einzahlungsschein der zweiten Mahnung bezahlt wurde, lässt dies ohne weiteres den Schluss zu, dieses Vorgehen sei im (irrigen) Glauben erfolgt, damit die Verfahrenskosten der Verfügungen nicht bezahlen zu müssen (vgl. angefochtenes Urteil, E. 5). Darüber hinaus hat das Landgericht Uri weitere Indizien berücksichtigt, aus denen das Obergericht im Ergebnis willkürfrei ableiten durfte, dass der Beschwerdeführer vor der Einzahlung der Verkehrssteuern tatsächlich Kenntnis von den Verfügungen des ASSV genommen hatte (Urteil Landgericht, E. 2.3.2.3; angefochtenes Urteil, E. 5b). Auf diese Erwägungen, mit denen sich der Beschwerdeführer nicht weiter auseinandersetzt, kann verwiesen werden. Ob die Zahlungen vom Beschwerdeführer selbst oder in seinem Auftrag von seiner Ehefrau vorgenommen wurden, ist bei dieser Sachlage für die
rechtliche Würdigung unerheblich und kann deshalb dahingestellt bleiben.
3.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer dessen Kosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1

SR 741.01 Loi fédérale du 19 décembre 1958 sur la circulation routière (LCR) LCR Art. 97 - 1 Est puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire quiconque: |
II. Nichtigkeitsbeschwerde
4.
Im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde ist der Kassationshof an die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Behörde gebunden (Art. 277bis Abs. 1

SR 741.01 Loi fédérale du 19 décembre 1958 sur la circulation routière (LCR) LCR Art. 97 - 1 Est puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire quiconque: |
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, wonach er die Entzugsverfügungen vom 9. Juli 2003 erhalten und zur Kenntnis genommen habe. Damit ist er nicht zu hören.
5.
Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei in Wahrheit für die Nichtbezahlung der Verfahrenskosten gebüsst worden. Gemäss Art. 106 Abs. 2 lit. c

SR 741.51 Ordonnance du 27 octobre 1976 réglant l'admission des personnes et des véhicules à la circulation routière (Ordonnance réglant l'admission à la circulation routière, OAC) - Ordonnance réglant l'admission à la circulation routière OAC Art. 106 Motifs de retrait - 1 Le permis de circulation est retiré:352 |
5.1 Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Bejahung seiner Handlungspflichten nach den Verfügungen des ASSV vom 9. Juli 2003 aufgrund seiner Stellung als Geschäftsführer mit Einzelunterschrift der A.________ GmbH (angefochtenes Urteil, E. 7). Darauf ist nicht zurückzukommen.
5.2
5.2.1 Gemäss Art. 16 Abs. 4

SR 741.01 Loi fédérale du 19 décembre 1958 sur la circulation routière (LCR) LCR Art. 16 - 1 Les permis et les autorisations seront retirés lorsque l'autorité constate que les conditions légales de leur délivrance ne sont pas ou ne sont plus remplies; ils pourront être retirés lorsque les restrictions ou les obligations imposées dans un cas particulier, lors de la délivrance, n'auront pas été observées. |

SR 741.51 Ordonnance du 27 octobre 1976 réglant l'admission des personnes et des véhicules à la circulation routière (Ordonnance réglant l'admission à la circulation routière, OAC) - Ordonnance réglant l'admission à la circulation routière OAC Art. 106 Motifs de retrait - 1 Le permis de circulation est retiré:352 |

SR 741.51 Ordonnance du 27 octobre 1976 réglant l'admission des personnes et des véhicules à la circulation routière (Ordonnance réglant l'admission à la circulation routière, OAC) - Ordonnance réglant l'admission à la circulation routière OAC Art. 107 Durée et exécution - 1 Le permis de circulation et les plaques doivent être retirés pour une durée indéterminée. Le retrait pour cause d'usage abusif ou d'inobservation des restrictions et conditions spéciales peut être prononcé pour une durée limitée. |

SR 741.51 Ordonnance du 27 octobre 1976 réglant l'admission des personnes et des véhicules à la circulation routière (Ordonnance réglant l'admission à la circulation routière, OAC) - Ordonnance réglant l'admission à la circulation routière OAC Art. 108 Procédure - 1 Avant de retirer le permis de circulation et les plaques, l'autorité compétente doit donner au détenteur la possibilité de s'exprimer verbalement ou par écrit. |
5.2.2 Nach Art. 97 Ziff. 1 Abs. 2

SR 741.01 Loi fédérale du 19 décembre 1958 sur la circulation routière (LCR) LCR Art. 97 - 1 Est puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire quiconque: |
Der Gesetzgeber trägt mit dieser Strafnorm einerseits der Notwendigkeit Rechnung, Ausweise und Kontrollschilder, die nicht mehr gültig sind, wegen des von ihnen ausgehenden Rechtsscheins möglichst rasch einzuziehen. Anderseits will er der Tendenz der von einem Entzug Betroffenen vorbeugen, die Abgabe möglichst lange hinauszuschieben. Dieses besondere Interesse an einem raschen und reibungslosen Einzug ungültiger oder entzogener Ausweise und Schilder erklärt, warum das Gesetz die Widerhandlung gegen die entsprechende behördliche Aufforderung nicht als blosse Übertretung, sondern als Vergehen qualifiziert (Urteil des Bundesgerichts 6S.233/2002 vom 11. Juli 2002, E. 1.1).
In objektiver Hinsicht setzt die Verwirklichung des Tatbestands voraus, dass ein Ausweis oder Schild für ungültig erklärt oder entzogen und zu dessen Abgabe aufgefordert wurde. Die Aufforderung zur Abgabe von Ausweis und Schildern muss vollstreckbar sein. Denn die Strafnorm dient ja gerade dazu, die Durchsetzung dieses behördlichen Befehls sicherzustellen und ihm Nachdruck zu verleihen (BGE 88 IV 116 E. 1 S. 118 und E. 4 S. 120). Wird der Entzug angefochten, so wird dieser in der Regel erst nach Abschluss des Verfahrens vor den Instanzen der Verwaltungsrechtspflege vollstreckbar.
5.3
5.3.1 Die Entzugsverfügungen vom 9. Juli 2003 sind von der zuständigen Behörde formell korrekt (vgl. Art. 107 f

SR 741.51 Ordonnance du 27 octobre 1976 réglant l'admission des personnes et des véhicules à la circulation routière (Ordonnance réglant l'admission à la circulation routière, OAC) - Ordonnance réglant l'admission à la circulation routière OAC Art. 107 Durée et exécution - 1 Le permis de circulation et les plaques doivent être retirés pour une durée indéterminée. Le retrait pour cause d'usage abusif ou d'inobservation des restrictions et conditions spéciales peut être prononcé pour une durée limitée. |
5.3.2 Als Verkehrsgebühren im Sinne von Art. 16 Abs. 4

SR 741.01 Loi fédérale du 19 décembre 1958 sur la circulation routière (LCR) LCR Art. 16 - 1 Les permis et les autorisations seront retirés lorsque l'autorité constate que les conditions légales de leur délivrance ne sont pas ou ne sont plus remplies; ils pourront être retirés lorsque les restrictions ou les obligations imposées dans un cas particulier, lors de la délivrance, n'auront pas été observées. |

SR 741.51 Ordonnance du 27 octobre 1976 réglant l'admission des personnes et des véhicules à la circulation routière (Ordonnance réglant l'admission à la circulation routière, OAC) - Ordonnance réglant l'admission à la circulation routière OAC Art. 106 Motifs de retrait - 1 Le permis de circulation est retiré:352 |
5.3.3 Der Beschwerdeführer war verpflichtet, die rechtskräftig entzogenen Fahrzeugausweise und Kontrollschilder spätestens bis zum 4. August 2003 beim ASSV zu hinterlegen. Davon wäre er gemäss Ziffern 4 der Verfügungen lediglich entbunden gewesen, wenn er bis zu diesem Zeitpunkt nicht nur die Verkehrssteuern, sondern auch die mit ihrer Einforderung verbundenen Verfahrenskosten bezahlt hätte. Diese Verknüpfung war, wie dargelegt, bundesrechtlich zulässig. Art. 97 Ziff. 1 Abs. 2

SR 741.01 Loi fédérale du 19 décembre 1958 sur la circulation routière (LCR) LCR Art. 97 - 1 Est puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire quiconque: |

SR 741.01 Loi fédérale du 19 décembre 1958 sur la circulation routière (LCR) LCR Art. 97 - 1 Est puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire quiconque: |
6.
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer dessen Kosten (Art. 278 Abs. 1

SR 741.01 Loi fédérale du 19 décembre 1958 sur la circulation routière (LCR) LCR Art. 97 - 1 Est puni d'une peine privative de liberté de trois ans au plus ou d'une peine pécuniaire quiconque: |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
3.
Die Gerichtsgebühren von insgesamt Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft I des Kantons Uri und dem Obergericht des Kantons Uri, Strafrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 9. August 2006
Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: