Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1B 121/2022
Verfügung vom 7. Juni 2022
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Haag, als Einzelrichter,
Gerichtsschreiberin Kern.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Held,
gegen
Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich, Schwere Gewaltkriminalität,
Güterstrasse 33, Postfach, 8010 Zürich.
Gegenstand
Strafverfahren; vorzeitiger Massnahmenvollzug,
Beschwerde gegen die Präsidialverfügung des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, Präsidentin, vom 31. Januar 2022 (SB2100003-O/Z11/ad).
Erwägungen:
1.
A.________ wurde mit Urteil vom 18. November 2021 der II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich der versuchten vorsätzlichen Tötung in entschuldbarer Notwehr sowie der einfachen Körperverletzung in entschuldbarer Notwehr schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren sowie zu einer Landesverweisung für die Dauer von sechs Jahren bestraft. Zudem wurde eine ambulante Behandlung gemäss Art. 63
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 63 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn: |
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1 | Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn: |
a | der Täter eine mit Strafe bedrohte Tat verübt, die mit seinem Zustand in Zusammenhang steht; und |
b | zu erwarten ist, dadurch lasse sich der Gefahr weiterer mit dem Zustand des Täters in Zusammenhang stehender Taten begegnen. |
2 | Das Gericht kann den Vollzug einer zugleich ausgesprochenen unbedingten Freiheitsstrafe, einer durch Widerruf vollziehbar erklärten Freiheitsstrafe sowie einer durch Rückversetzung vollziehbar gewordenen Reststrafe zu Gunsten einer ambulanten Behandlung aufschieben, um der Art der Behandlung Rechnung zu tragen. Es kann für die Dauer der Behandlung Bewährungshilfe anordnen und Weisungen erteilen. |
3 | Die zuständige Behörde kann verfügen, dass der Täter vorübergehend stationär behandelt wird, wenn dies zur Einleitung der ambulanten Behandlung geboten ist. Die stationäre Behandlung darf insgesamt nicht länger als zwei Monate dauern. |
4 | Die ambulante Behandlung darf in der Regel nicht länger als fünf Jahre dauern. Erscheint bei Erreichen der Höchstdauer eine Fortführung der ambulanten Behandlung notwendig, um der Gefahr weiterer mit einer psychischen Störung in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen zu begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Behandlung um jeweils ein bis fünf Jahre verlängern. |
Am 21. Januar 2022 ersuchte A.________ die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich um Aufhebung des vorzeitigen Massnahmenvollzugs und Weiterführung des vorzeitigen Strafvollzugs. Eventualiter ersuchte er um Genehmigung des vorzeitigen Strafvollzugs, soweit dieser noch nicht angeordnet worden ist.
Mit Präsidialverfügung vom 31. Januar 2022 trat die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich auf das Gesuch um Aufhebung des Vollzugs der strafvollzugsbegleitenden ambulanten Massnahme nicht ein.
Mit Beschwerde in Strafsachen vom 4. März 2022 beantragt A.________ vor Bundesgericht die Aufhebung der Verfügung des Obergerichts des Kantons Zürich vom 31. Januar 2022 sowie des vorzeitigen Massnahmenvollzugs, eventualiter die Zurückweisung der Sache zur Neuentscheidung an die Vorinstanz. Zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Mit Eingabe vom 12. Mai 2022 hat der Beschwerdeführer die Präsidialverfügung der Vorinstanz vom 6. Mai 2022 eingereicht, mit welcher diese den vorzeitigen Massnahmenvollzug des Beschwerdeführers auf Antrag des Amts für Justizvollzug und Wiedereingliederung (JuWe) aufgehoben hat, und die Abschreibung des Verfahrens als gegenstandslos beantragt. Die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich hat sich nicht zu diesem Antrag vernehmen lassen. Die Vorinstanz hat mit Vernehmlassung vom 24. Mai 2022 Stellung genommen.
2.
Das Bundesgericht berücksichtigt Tatsachen, welche zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens führen, unabhängig vom Zeitpunkt ihres Eintretens, von Amtes wegen (Urteil 2C 1038/2020 vom 15. März 2022 E. 1.4 mit Hinweis). Dabei obliegt es grundsätzlich den für die Verfahrensleitung zuständigen Behörden (Art. 61
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 61 Zuständigkeit - Das Verfahren leitet: |
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a | bis zur Einstellung oder Anklageerhebung: die Staatsanwaltschaft; |
b | im Übertretungsstrafverfahren: die Übertretungsstrafbehörde; |
c | im Gerichtsverfahren bei Kollegialgerichten: die Präsidentin oder der Präsident des betreffenden Gerichts; |
d | im Gerichtsverfahren bei Einzelgerichten: die Richterin oder der Richter. |
Erklärt das Bundesgericht einen Rechtsstreit als gegenstandslos, entscheidet es mit summarischer Begründung über die Prozesskosten aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes (Art. 71
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 71 - Wo dieses Gesetz keine besonderen Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind die Vorschriften des BZP30 sinngemäss anwendbar. |
SR 273 Bundesgesetz vom 4. Dezember 1947 über den Bundeszivilprozess BZP Art. 72 - Wird ein Rechtsstreit gegenstandslos oder fällt er mangels rechtlichen Interesses dahin, so erklärt ihn das Gericht nach Vernehmlassung der Parteien ohne weitere Parteiverhandlung als erledigt und entscheidet mit summarischer Begründung über die Prozesskosten auf Grund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes. |
8.2 mit Hinweisen; Urteil 1B 465/2020 vom 7. Dezember 2020 E. 2.1).
3.
Mit Aufhebung des vorzeitigen Massnahmenvollzugs ist der Streitgegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens dahingefallen. Das Verfahren ist vom Instruktionsrichter als Einzelrichter (vgl. Art. 32 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 32 Instruktionsrichter oder Instruktionsrichterin - 1 Der Präsident oder die Präsidentin der Abteilung leitet als Instruktionsrichter beziehungsweise Instruktionsrichterin das Verfahren bis zum Entscheid; er oder sie kann einen anderen Richter oder eine andere Richterin mit dieser Aufgabe betrauen. |
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1 | Der Präsident oder die Präsidentin der Abteilung leitet als Instruktionsrichter beziehungsweise Instruktionsrichterin das Verfahren bis zum Entscheid; er oder sie kann einen anderen Richter oder eine andere Richterin mit dieser Aufgabe betrauen. |
2 | Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin entscheidet als Einzelrichter beziehungsweise Einzelrichterin über die Abschreibung von Verfahren zufolge Gegenstandslosigkeit, Rückzugs oder Vergleichs. |
3 | Die Verfügungen des Instruktionsrichters oder der Instruktionsrichterin sind nicht anfechtbar. |
Ohne eingehende bundesgerichtliche Prüfung der Beschwerde lässt sich der mutmassliche Ausgang des Verfahrens vorliegend nicht feststellen. Anzumerken ist einzig, dass die Vorinstanz, nachdem sie sich für die Prüfung des Antrags des Beschwerdeführers vom 21. Januar 2022 als nicht zuständig erachtete, diesen an die aus ihrer Sicht zuständige Strafbehörde hätte weiterleiten müssen (vgl. Art. 91 Abs. 4
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 91 Einhaltung von Fristen - 1 Die Frist ist eingehalten, wenn die Verfahrenshandlung spätestens am letzten Tag bei der zuständigen Behörde vorgenommen wird. |
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1 | Die Frist ist eingehalten, wenn die Verfahrenshandlung spätestens am letzten Tag bei der zuständigen Behörde vorgenommen wird. |
2 | Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist bei der Strafbehörde abgegeben oder zu deren Handen der Schweizerischen Post, einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung oder, im Falle von inhaftierten Personen, der Anstaltsleitung übergeben werden. |
3 | Bei elektronischer Einreichung ist für die Wahrung einer Frist der Zeitpunkt massgebend, in dem die Quittung ausgestellt wird, die bestätigt, dass alle Schritte abgeschlossen sind, die auf der Seite der Partei für die Übermittlung notwendig sind.39 |
4 | Die Frist gilt auch dann als gewahrt, wenn die Eingabe spätestens am letzten Tag der Frist bei einer nicht zuständigen schweizerischen Behörde eingeht. Diese leitet die Eingabe unverzüglich an die zuständige Strafbehörde weiter. |
5 | Die Frist für eine Zahlung an eine Strafbehörde ist gewahrt, wenn der Betrag spätestens am letzten Tag der Frist zugunsten der Strafbehörde der Schweizerischen Post übergeben oder einem Post- oder Bankkonto in der Schweiz belastet worden ist. |
Für die Bestimmung der Kostenfolgen ist somit auf das Verursacherprinzip abzustellen. D ie Vorinstanz hat letztendlich die vom Beschwerdegegner angestrebte Aufhebung der vorzeitig vollzogenen Massnahme verfügt und damit die Gegenstandslosigkeit des vorliegenden Verfahrens verursacht.
Bei dieser Sachlage ist der Kanton Zürich grundsätzlich kostenpflichtig. Damit wird das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gegenstandslos. Der Kanton Zürich hat dem Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind. |
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1 | Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind. |
2 | Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen. |
3 | Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen. |
4 | Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar. |
5 | Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen. |
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 64 Unentgeltliche Rechtspflege - 1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. |
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1 | Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. |
2 | Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann. |
3 | Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entscheidet die Abteilung in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Vorbehalten bleiben Fälle, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 108 behandelt werden. Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann die unentgeltliche Rechtspflege selbst gewähren, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind. |
4 | Die Partei hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist. |
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
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1 | Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
2 | Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden. |
3 | Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht. |
4 | Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist. |
5 | Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen. |
Verfügt der Einzelrichter:
1.
Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden vom Geschäftsverzeichnis abgeschrieben.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Der Kanton Zürich hat Rechtsanwalt Thomas Held eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.- zu bezahlen.
4.
Diese Verfügung wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, Präsidentin, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 7. Juni 2022
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Einzelrichter: Haag
Die Gerichtsschreiberin: Kern