Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
8C 307/2010

Urteil vom 7. Juni 2010
I. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiber Batz.

Verfahrensbeteiligte
H.________, vertreten durch Dr. med. X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung (vorinstanzliches Verfahren; Prozessvoraussetzung),

Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 10. März 2010.

Sachverhalt:

A.
H.________ liess am 28. Januar 2010 gegen eine den Anspruch auf eine Invalidenrente verneinende Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 22. Dezember 2009 beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich Beschwerde erheben, wobei der Eingabe keine Vollmacht beigelegt war. Das Sozialversicherungsgericht setzte ihm bzw. seiner Vertretung mit Verfügung vom 2. Februar 2010 u.a. eine Frist von 10 Tagen an, um dem Gericht die Vollmacht einzureichen, ansonsten auf die Beschwerde nicht eingetreten werde. Nachdem die Vollmacht dem Gericht nicht eingereicht worden war, trat das Sozialversicherungsgericht androhungsgemäss auf die Beschwerde nicht ein (Beschluss vom 10. März 2010).

B.
Mit Eingabe vom 14. April 2010 lässt H.________ beim Bundesgericht Beschwerde führen und beantragen, der angefochtene Beschluss vom 10. März 2010 sei aufzuheben und der Sachverhalt sei "entsprechend (der) Beschwerde vom 28.1.2010 erneut" zu prüfen.
Die Vorinstanz schliesst im Falle des bei der IV-Stelle innert Frist erfolgten Eingangs einer gültigen Vollmacht auf Gutheissung der Beschwerde. Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde des Versicherten vom 14. April 2010 richtet sich gegen den vorinstanzlichen Nichteintretensentscheid (Beschluss vom 10. März 2010). Das Bundesgericht hat daher zu prüfen, ob die Vorinstanz zu Recht auf die bei ihr erhobene Beschwerde nicht eingetreten ist, wogegen die materiellen, den Anspruch auf eine Invalidenrente betreffenden Gesichtspunkte hier unerörtert zu bleiben haben (BGE 132 V 74 E. 1.1 S. 76, 117 V 121 E. 1 S. 122 f. mit Hinweisen).

2.
2.1 Das Sozialversicherungsgericht setzte dem Beschwerdeführer bzw. seiner Vertretung mit Verfügung vom 2. Februar 2010 eine Frist von 10 Tagen an, um dem Gericht die schriftliche Vollmacht einzureichen, ansonsten auf die Beschwerde nicht eingetreten werde. Nachdem die Vollmacht dem Gericht innerhalb der gesetzten Frist nicht eingereicht worden war, trat die Vorinstanz androhungsgemäss auf die Beschwerde nicht ein.

2.2 In der Folge stellte sich jedoch heraus, dass der Beschwerdeführer bzw. seine Vertretung nach der Einforderung der Vollmacht durch die Vorinstanz rechtzeitig eine gültige Vollmacht ausgefertigt, diese indessen irrtümlicherweise an die Sozialversicherungsanstalt / IV-Stelle Zürich gesandt hatten, was durch die Auflage von Kopien der entsprechenden - zulässigerweise vor Bundesgericht eingereichten (Art. 99 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 99 - 1 Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt.
1    Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt.
2    Neue Begehren sind unzulässig.
BGG) - Dokumente belegt worden ist. Damit hat als erwiesen zu gelten, dass innerhalb der mit Verfügung vom 2. Februar 2010 gesetzten Frist eine rechtsgültige Vollmacht - wenn auch an eine unzuständige Behörde, was jedoch nicht schadet, da eine Frist auch diesfalls als gewahrt gilt, wobei die unzuständige Behörde die Eingabe unverzüglich an die zuständige Amtsstelle weiterzuleiten hat (vgl. Art. 39 Abs. 2
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 39 Einhaltung der Fristen - 1 Schriftliche Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist dem Versicherungsträger eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden.
1    Schriftliche Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist dem Versicherungsträger eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden.
2    Gelangt die Partei rechtzeitig an einen unzuständigen Versicherungsträger, so gilt die Frist als gewahrt.
ATSG; BGE 121 I 93 E. 1c S. 95 f. und 120 V 413 E. 3a S. 415 mit weiteren Hinweisen; Urteile N. vom 20. Oktober 2008, 8C 596/2008 und D. vom 3. August 2001, U 179/01) - beigebracht worden war. Somit hatten der Beschwerdeführer bzw. seine Vertretung - wie auch das Sozialversicherungsgericht in seiner Vernehmlassung vom 19. Mai 2010 zutreffend darlegt - den ihnen gemäss Verfügung vom 2. Februar 2010 gemachten Auflagen im
Wesentlichen Genüge getan, woran der infolge allfälliger Verletzung der Weiterleitungspflicht durch die Verwaltung unterbliebene Eingang der Vollmacht beim kantonalen Gericht nichts ändert. Somit ist der auf die angeblich fehlende Prozessvoraussetzung gestützte vorinstanzliche Nichteintretensentscheid nach den zutreffenden Feststellungen des Sozialversicherungsgerichts in der Vernehmlassung zu Unrecht ergangen. Dieser muss demzufolge aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen werden, damit sie den Fall neu beurteile.

3.
Vor Bundesgericht werden keine Gerichtskosten erhoben (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
Satz 2 BGG).
Die Kostenfolgen des kantonalen Beschwerdeverfahrens wird die Vorinstanz im Rahmen ihres erneuten Entscheides entsprechend dem Ausgang des Prozesses zu regeln haben.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Beschluss des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 10. März 2010 aufgehoben. Die Sache wird an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie über die Beschwerde gegen die Verfügung vom 22. Dezember 2009 erneut entscheide.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 7. Juni 2010
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Ursprung Batz
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 8C_307/2010
Datum : 07. Juni 2010
Publiziert : 25. Juni 2010
Quelle : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Invalidenversicherung
Gegenstand : Invalidenversicherung


Gesetzesregister
ATSG: 39
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 39 Einhaltung der Fristen - 1 Schriftliche Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist dem Versicherungsträger eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden.
1    Schriftliche Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist dem Versicherungsträger eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden.
2    Gelangt die Partei rechtzeitig an einen unzuständigen Versicherungsträger, so gilt die Frist als gewahrt.
BGG: 66 
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
99
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 99 - 1 Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt.
1    Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt.
2    Neue Begehren sind unzulässig.
BGE Register
117-V-121 • 120-V-413 • 121-I-93 • 132-V-74
Weitere Urteile ab 2000
8C_307/2010 • 8C_596/2008 • U_179/01
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesamt für sozialversicherungen • bundesgericht • entscheid • frist • gerichtskosten • gerichtsschreiber • innerhalb • invalidenrente • iv-stelle • kopie • nichteintretensentscheid • prozessvoraussetzung • sachverhalt • tag • verfahrensbeteiligter • vorinstanz