Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6B 503/2011
Urteil vom 7. Februar 2012
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Schöbi,
Gerichtsschreiber Boog.
Verfahrensbeteiligte
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern,
Beschwerdeführerin,
gegen
Y.________,
vertreten durch Fürsprecherin Sabine Schmutz,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Grundsatz von Treu und Glauben, Anspruch auf rechtliches Gehör, Verbot des überspitzten Formalismus' (Freiheitsberaubung),
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, Strafabteilung, 2. Strafkammer, vom 21. Juni 2011.
Sachverhalt:
A.
A.a Das Kreisgericht V Burgdorf-Fraubrunnen erklärte Y.________ mit Urteil vom 26. November 2010 der falschen Anschuldigung schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 20.--, mit bedingtem Strafvollzug bei einer Probezeit von zwei Jahren, sowie zu einer Verbindungsbusse von Fr. 600.--. Die Ersatzfreiheitsstrafe bei schuldhaftem Nichtbezahlen der Busse setzte es auf 30 Tage fest. Gegenstand des Schuldspruchs bildet die von Y.________ zwischen dem 25. und dem 27. Mai 2009 gegenüber der Polizei und dem Institut für Rechtsmedizin (bzw. dem Notfallzentrum des Inselspitals Bern) vorgebrachte Behauptung, er sei von A.________ und B.________ gegen seinen Willen und unter Anwendung von Gewalt oral und anal penetriert worden (Ziff. II des erstinstanzlichen Dispositivs).
Von der Anklage der falschen Anschuldigung, eventuell Irreführung der Rechtspflege, angeblich zwischen dem 25. und dem 27. Mai 2009 dadurch begangen, dass er über seine Mutter der Polizei mitteilen liess, er sei von zwei Männern sexuell missbraucht worden, sowie von der Anklage der Freiheitsberaubung sprach das Kreisgericht Y.________ frei (Ziff. I./1 und 2 des erstinstanzlichen Dispositivs).
A.b Auf Appellation der Staatsanwaltschaft hin stellte das Obergericht des Kantons Bern mit Urteil vom 21. Juni 2011 fest, das erstinstanzliche Urteil sei hinsichtlich sämtlicher Schuld- und Freisprüche sowie in Bezug auf den Strafpunkt in Rechtskraft erwachsen. Ferner entschied es über die Verlegung der erst- und zweitinstanzlichen Verfahrenskosten und die Ausrichtung einer Entschädigung für die Verteidigerkosten an Y.________.
B.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern führt Beschwerde in Strafsachen, mit der sie beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
C.
Das Obergericht des Kantons Bern hat auf Stellungnahme verzichtet. Y.________ beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde. Ferner ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Erwägungen:
1.
Seit dem 1. Januar 2011 ist die Schweizerische Strafprozessordnung (StPO; SR 312.0) in Kraft. Soweit ein Entscheid noch vor Inkrafttreten der StPO gefällt worden ist, werden dagegen erhobene Rechtsmittel nach bisherigem Recht und von den bisher zuständigen Behörden beurteilt (Art. 453 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 453 Vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällte Entscheide - 1 Ist ein Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt worden, so werden Rechtsmittel dagegen nach bisherigem Recht, von den bisher zuständigen Behörden, beurteilt. |
|
1 | Ist ein Entscheid vor Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt worden, so werden Rechtsmittel dagegen nach bisherigem Recht, von den bisher zuständigen Behörden, beurteilt. |
2 | Wird ein Verfahren von der Rechtsmittelinstanz oder vom Bundesgericht zur neuen Beurteilung zurückgewiesen, so ist neues Recht anwendbar. Die neue Beurteilung erfolgt durch die Behörde, die nach diesem Gesetz für den aufgehobenen Entscheid zuständig gewesen wäre. |
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung StPO Art. 454 Nach Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällte Entscheide - 1 Für Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Entscheide, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt werden, gilt neues Recht. |
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1 | Für Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Entscheide, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes gefällt werden, gilt neues Recht. |
2 | Für Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Entscheide höherer Gerichtsinstanzen, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes nach bisherigem Recht gefällt werden, gilt das bisherige Recht. |
2.
2.1 Nach den Feststellungen der Vorinstanz zum Verfahrensgang appellierte die Staatsanwaltschaft mit Eingabe vom 24. März 2011 vollumfänglich gegen das erstinstanzliche Urteil (Strafakten act. 18/178). Mit Verfügung der Vorinstanz vom 4. April 2011 wurde die Beschwerdeführerin zur Erklärung aufgefordert, ob sie die Appellation der Staatsanwaltschaft in vollem Umfang aufrecht erhalte, beschränke oder fallen lasse (Akten des Obergerichts act. 182). Daraufhin beschränkte die Beschwerdeführerin ihre Appellation am 8. April 2011 mittels handschriftlich ausgefülltem Standardformular auf den "Freispruch gemäss Ziff. I./1 sowie die Kosten- und Entschädigungsfolge" (Akten des Obergerichts act. 184; vgl. auch S. 195). In seinem schriftlich eingereichten Parteivortrag vom 1. Juni 2011 stellte der stellvertretende Generalstaatsanwalt demgegenüber Antrag, es sei festzustellen, dass das erstinstanzliche Urteil in Bezug auf den Schuldspruch wegen falscher Anschuldigung [sc. Ziff. II] und in Bezug auf den Freispruch von der Anklage der falschen Anschuldigung, zum Teil eventuell Irreführung der Rechtspflege [sc. Ziff. I./1], in Rechtskraft erwachsen sei. Ferner beantragte er, der Beschwerdegegner sei in Bezug auf die Anklage der
Freiheitsberaubung, begangen in mittelbarer Täterschaft zum Nachteil von A.________ und B.________ [scil. Ziff. I./2], schuldig zu erklären (Akten des Obergerichts act. 194).
2.2 Die Vorinstanz nimmt an, die Ausführungen der Beschwerdeführerin seien widersprüchlich. Einerseits beschränke sie die Appellation auf den Freispruch von der Anklage der falschen Anschuldigung, zum Teil eventuell Irreführung der Rechtspflege gemäss Ziff. I./1, andererseits beantrage sie in ihrem schriftlichen Parteivortrag, es sei festzustellen, dass das angefochtene Urteil in Bezug auf eben diesen Freispruch in Rechtskraft erwachsen sei. Nach dem kantonalen Verfahrensrecht sei die Erklärung der Appellationsbeschränkung nach Ablauf der Rechtsmittelfrist definitiv und unwiderruflich. Die übrigen Parteien müssten sich auf eine Beschränkung verlassen können. Die Erklärung der Beschwerdeführerin sei denn auch dem Beschwerdegegner eröffnet worden. Demnach sei das erstinstanzliche Urteil aufgrund der erklärten Appellationsbeschränkung mit Ausnahme des Freispruchs gemäss Ziff. I./1, der Strafzumessung sowie der Kosten- und Entschädigungsfolgen in Rechtskraft erwachsen. In ihrem schriftlichen Parteivortrag habe die Beschwerdeführerin jedoch entgegen der erklärten Appellationsbeschränkung die Feststellung verlangt, dass das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich des Freispruchs gemäss Ziff. I./1 rechtskräftig sei. Bei der
Beschränkungserklärung des stellvertretenden Generalstaatsanwalts am 8. April 2011 könne nicht von einem Irrtum oder von einer offensichtlichen Missschreibung ausgegangen werden, denn ein solcher oder eine solche hätten zumindest im schriftlichen Parteivortrag erwähnt werden müssen. Ausserdem habe der stellvertretende Generalstaatsanwalt in der Begründung seiner Anträge die Beschränkung auf den "Freispruch gemäss Ziff. I./1 sowie den Kosten- und Entschädigungspunkt" wiederholt und bekräftigt. Massgebend für die Frage der Rechtskraft sei einzig der gestellte Antrag in der oberinstanzlichen Verhandlung, nicht dessen Begründung. Die Beschwerdeführerin sei daher auf ihrer Beschränkung zu behaften. Damit sei das erstinstanzliche Urteil auch in Bezug auf den Freispruch von der Anklage der Freiheitsberaubung gemäss Ziff. I./1 in Rechtskraft erwachsen (angefochtenes Urteil S. 4 f.; Beschwerde S. 2 ff.).
2.3 Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Treu und Glauben sowie des Verbots des überspitzten Formalismus. Sie macht geltend, sie habe ihre Appellation in Wirklichkeit auf den Freispruch des Beschwerdegegners von der Anklage der Freiheitsberaubung gemäss Ziff. I./2 des erstinstanzlichen Dispositivs beschränken wollen. In ihrem schriftlichen Parteivortrag habe sie denn auch den Antrag gestellt, der Beschwerdegegner sei der Freiheitsberaubung schuldig zu sprechen, und es sei festzustellen, dass das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich der übrigen beiden Anklagepunkte in Rechtskraft erwachsen sei. Die Vorinstanz habe sich indes über den beantragten Schuldspruch wegen Freiheitsberaubung mit dem überspitzt formalistischen Argument hinweggesetzt, sie (die Beschwerdeführerin) habe ihre per Formular erklärte Appellation auf Ziff. I./1 und nicht auf Ziff. 1./2 des erstinstanzlichen Dispositivs beschränkt. Sowohl aus der Prozessgeschichte als auch aus den Anträgen und deren Begründung im schriftlichen Parteivortrag ergebe sich unmissverständlich, dass es stets um den Freispruch von der Anschuldigung der Freiheitsberaubung gemäss Ziff. I./2 gegangen sei. Die Vorinstanz habe ihr nie Gelegenheit eingeräumt, sich zu dieser Frage zu
erklären, obwohl das kantonale Strafverfahrensrecht für den Fall einer unklaren Appellationsbeschränkung die Möglichkeit der Einholung einer Stellungnahme vorsehe. Die von der Vorinstanz angerufenen Widersprüche hätten lediglich zwischen der Formulareingabe und dem schriftlichen Parteivortrag bestanden. Anlässlich der vorinstanzlichen Verhandlung sei der Gegenstand der staatsanwaltschaftlichen Appellation klar und eindeutig gewesen. Im Übrigen habe die Verteidigung in ihrem Parteivortrag zu dem beantragten Schuldspruch wegen Freiheitsberaubung ausführlich Stellung genommen. Auch für diese sei damit augenfällig gewesen, dass dies der entscheidende Punkt der Rechtsmitteleingabe gewesen sei (Beschwerde S. 3 ff.).
3.
3.1 Überspitzter Formalismus als besondere Form der Rechtsverweigerung liegt vor, wenn für ein Verfahren rigorose Formvorschriften aufgestellt werden, ohne dass die Strenge sachlich gerechtfertigt wäre, wenn die Behörde formelle Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt oder an ein Rechtsmittel überspannte Anforderungen stellt und dem Bürger den Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt (BGE 135 I 6 E. 2.1; 132 I 249 E. 5 je mit Hinweisen). Prozessuale Formen sind für einen ordnungsgemässen und rechtsgleichen Gang des Verfahrens sowie für die Verwirklichung des materiellen Rechts indes unerlässlich. Daher verletzt nicht jede prozessuale Formstrenge Art. 29
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
|
1 | Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
2 | Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör. |
3 | Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. |
Das Verbot des überspitzten Formalismus weist einen engen Bezug zum Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
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1 | Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. |
2 | Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. |
3 | Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben. |
4 | Bund und Kantone beachten das Völkerrecht. |
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
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1 | Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
2 | Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör. |
3 | Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. |
3.2 Ob eine exzessive prozessuale Formenstrenge im Sinne eines überspitzten Formalismus vorliegt, prüft das Bundesgericht frei. Die Auslegung und Anwendung des einschlägigen kantonalen Rechts untersucht es demgegenüber nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür (BGE 135 I 6 E. 2.1 mit Hinweisen). Willkür liegt vor, wenn ein Entscheid schlechterdings unhaltbar ist, d.h. mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, auf einem offenkundigen Versehen beruht oder sich sachlich in keiner Weise rechtfertigen lässt (BGE 135 I 313 E. 1.3 S. 316 mit Hinweisen). Eine willkürliche Anwendung des kantonalen Prozessrechts kann auch von der Staatsanwaltschaft gerügt werden (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 81 Beschwerderecht - 1 Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer: |
|
1 | Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer: |
a | vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat; und |
b | ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat, insbesondere: |
b1 | die beschuldigte Person, |
b2 | ihr gesetzlicher Vertreter oder ihre gesetzliche Vertreterin, |
b3 | die Staatsanwaltschaft, ausser bei Entscheiden über die Anordnung, die Verlängerung und die Aufhebung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft, |
b4 | ... |
b5 | die Privatklägerschaft, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann, |
b6 | die Person, die den Strafantrag stellt, soweit es um das Strafantragsrecht als solches geht, |
b7 | die Staatsanwaltschaft des Bundes und die beteiligte Verwaltung in Verwaltungsstrafsachen nach dem Bundesgesetz vom 22. März 197455 über das Verwaltungsstrafrecht. |
2 | Eine Bundesbehörde ist zur Beschwerde berechtigt, wenn das Bundesrecht vorsieht, dass ihr der Entscheid mitzuteilen ist.56 |
3 | Gegen Entscheide nach Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b steht das Beschwerderecht auch der Bundeskanzlei, den Departementen des Bundes oder, soweit das Bundesrecht es vorsieht, den ihnen unterstellten Dienststellen zu, wenn der angefochtene Entscheid die Bundesgesetzgebung in ihrem Aufgabenbereich verletzen kann. |
4.
4.1 Nach dem früheren kantonalen Strafverfahrensrecht des Kantons Bern werden Endurteile und andere Sachentscheide erster Instanz, gegen welche die Appellation oder der Rekurs zulässig ist, mit dem Verzicht auf das Rechtsmittel rechtskräftig (Art. 408 Abs. 1 Ziff. 1 StrV/BE). Wird ein erstinstanzliches Urteil mit Appellation weitergezogen, kann die Appellation gemäss Art. 338 Abs. 1 StrV/BE in vollem Umfang oder beschränkt auf einzelne Urteilsteile erklärt werden (vgl. zur Beschränkung des Rechtsmittels BGE 115 Ia 107 E. 2c). Gemäss Abs. 3 derselben Bestimmung ist in der Appellationserklärung anzugeben, auf welche Teile des angefochtenen Urteils sich die Appellation bezieht. Die Verfahrensleitung gibt den andern Parteien schriftlich von der Appellation Kenntnis (Art. 340 Abs. 1 StrV/BE). Liegt eine Appellation der Staatsanwaltschaft vor, hat die Generalprokuratur gemäss Art. 346 Abs. 1 Ziff. 1 StrV/BE innert zehn Tagen zu erklären, ob sie die Appellation in vollem Umfang aufrecht erhalte, beschränke oder fallen lasse (Abs. 1 Ziff. 1). Zudem kann, insbesondere in umfangreichen Fällen, eine schriftliche Begründung der Appellation verlangt werden. Gemäss Art. 354 Abs. 4 StrV/BE kann die Generalprokuratur in den Fällen, in denen im
Appellationsverfahren eine Parteiverhandlung stattfindet, anstelle des persönlichen Erscheinens einen schriftlichen Parteivortrag einreichen.
Der Zweck der Beschränkung der Appellation liegt in der Verfahrensökonomie. Der Appellationsinstanz soll bei unbestrittenen Taten beispielsweise ermöglicht werden, nur die Frage der Strafzumessung zu überprüfen, ohne dass sie das gesamte erstinstanzliche Verfahren neu aufrollen muss (THOMAS MAURER, Das bernische Strafverfahren, 2. Aufl. 2003, S. 526). Die Teile des erstinstanzlichen Urteils, welche durch keine Partei angefochten werden, erwachsen nach Ablauf der Appellationsfrist in Rechtskraft (MAURER, a.a.O., S. 527). Eine Erweiterung der Appellation ist nur innerhalb der Rechtsmittelfrist möglich und nur soweit sich aus dem Wortlaut der ersten Erklärung nicht ein Verzicht auf eine solche Ausdehnung ergibt (JÜRG AESCHLIMANN, Einführung in das Strafprozessrecht, 1997, N 1784; vgl. auch PETER STAUB, Kommentar zum Strafverfahren des Kantons Bern, 1992, aArt. 308 StrV/BE N 8).
4.2 Das angefochtene Urteil verletzt kein Bundesrecht. Dass die Vorinstanz formelle Vorschriften in übertriebener Strenge angewendet und an die Erhebung der Appellation überspannte Anforderungen gestellt hätte, ist nicht ersichtlich. Die vom stellvertretenden Generalstaatsanwalt am 8. April 2011 erklärte Beschränkung der Appellation auf den "Freispruch gemäss Ziff. I./1 sowie die Kosten- und Entschädigungsfolge" ist für sich allein klar und eindeutig. Namentlich besteht kein Widerspruch zwischen der Angabe der angefochtenen Ziffer des erstinstanzlichen Urteils und dem darin umschriebenen Sachverhalt, da die Beschwerdeführerin sich mit der Angabe der Dispositivziffer begnügt hat. Es liegt mithin keine ungenaue Äusserung über eine Beschränkung der Appellation vor, so dass für die Verfahrensleitung kein Anlass dafür bestand, die appellierende Person gemäss Art. 349 Abs. 1 StrV/BE zur Stellungnahme aufzufordern.
Eine Differenz zur Appellationsbeschränkung ist erst aufgrund des schriftlichen Parteivortrags der Beschwerdeführerin erkennbar geworden, in welchem sich die Beschwerdeführerin nicht gegen den Freispruch in Ziff. I./1, mithin von der Anklage der falschen Anschuldigung, z.T. eventuell Irreführung der Rechtspflege, sondern gegen denjenigen in Ziff. I./2, d.h. von der Anklage der Freiheitsberaubung wendet. Der schriftliche Parteivortrag vom 1. Juni 2011 wurde indes erst nach Ablauf der 10-tägigen Appellationsfrist gemäss Art. 339 Abs. 2 StrV/BE eingereicht. Mit der Beschränkung der Appellation auf den Freispruch gemäss Ziff. I./1 und die Kosten- und Entschädigungsfolge ist das erstinstanzliche Urteil somit in den nicht angefochtenen Punkten, mithin auch in Bezug auf den Freispruch von der Anklage der Freiheitsberaubung, in Rechtskraft erwachsen. Eine nachträgliche Erweiterung der Appellation schliesst das kantonale Verfahrensrecht aus.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Sie ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
5.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
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1 | Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
2 | Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden. |
3 | Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht. |
4 | Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist. |
5 | Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen. |
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind. |
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1 | Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind. |
2 | Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen. |
3 | Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen. |
4 | Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar. |
5 | Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Der Kanton Bern hat der Rechtsvertreterin des Beschwerdegegners für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- auszurichten.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Strafabteilung, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 7. Februar 2012
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Mathys
Der Gerichtsschreiber: Boog