Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal
Abteilung I
A-1698/2006
{T 0/2}
Urteil vom 7. Februar 2007
Mitwirkung:
Richter Daniel Riedo; Richterin Salome Zimmermann; Richter Markus Metz; Gerichtsschreiberin Iris Widmer.
G._______ GmbH,
Beschwerdeführerin,
gegen
Eidgenössische Oberzolldirektion, Monbijoustrasse 40, 3003 Bern,
Vorinstanz
betreffend
Zollnachass.
Sachverhalt:
A. Die M._______AG, handelnd für die G._______GmbH, meldete am 12. August 2004 dem Zollamt Thayngen eine Sendung Herrenhosen zur Abfertigung mit Geleitschein Nr. 5995 an. Die Ware war zum Transit nach dem Zollamt Schaffhausen vorgesehen. Nachdem innert der im Geleitschein festgesetzten Frist dieser beim Bestimmungszollamt Schaffhausen nicht zur Löschung angemeldet wurde, verzollte das Zollamt Thayngen die Sendung nach Angabe der Zollkreisdirektion Schaffhausen am 30. September 2004 in der Höhe von Fr. 6237.40, zuzüglich eines Verzugszinses von Fr. 41.40, definitiv zur Einfuhr.
B. Die G._______GmbH ersuchte mit Schreiben vom 28. Oktober 2004 das Zollamt Thayngen um Überprüfung der Abfertigung, vorab um Herabsetzung der Zollabgaben, allenfalls um nachträgliche Verzollung zum Präferenzansatz (zollfrei). Die zuständige Zollkreisdirektion Schaffhausen wies mit Entscheid vom 3. März 2005 das Gesuch ab.
C. Mit Eingabe vom 30. März 2005 beantragte die G._______GmbH bei der Eidgenössischen Oberzolldirektion (OZD) den Erlass der Zollabgaben wegen besonderer finanzieller Härte. In ihrer Begründung brachte sie unter anderem vor, der Geleitschein sei nicht als amtliches Dokument zu erkennen gewesen, weshalb ihr Fahrer eher einen Lieferschein für die Empfängerin in der Schweiz vermutete. Die OZD lehnte mit Entscheid vom 24. Mai 2005 das Erlassgesuch hauptsächlich mit der Begründung ab, es seien keine besonderen bzw. ausserordentlichen Verhältnisse im Sinne von Art. 127 Abs. 1 Ziff. 3 und 4 des Zollgesetzes ersichtlich, die einen Zollerlass rechtfertigen könnten. Die Ware sei widerrechtlich, nämlich ohne vorgängige Einfuhrzollbehandlung, in der Schweiz dem Empfänger ausgeliefert worden. Ein Recht auf zollbegünstigte Abfertigung stehe dem Zollpflichtigen aber nicht vorbehaltlos zu. Die Einfuhrzollabfertigung könne nur dann zum Präferenzzollansatz erfolgen, wenn die Ware gemäss dem gesetzlich vorgeschriebenen Abfertigungsverfahren in den freien Verkehr überführt werde. Entstehe eine Zollschuld auf andere Weise, z.B. durch den Entzug der Ware oder durch ein Verfahrensversäumnis, sei das Recht auf eine zollbegünstigte Einfuhrabfertigung verwirkt und die Einfuhrabgaben seien zum Normaltarif geschuldet. Die Auffassung der G._______GmbH, der Geleitschein sei nicht deutlich als amtliches Dokument zu erkennen gewesen, könne im Übrigen nicht geteilt werden.
D. Gegen den Entscheid der OZD führt die G._______GmbH (Beschwerdeführerin) mit Eingabe vom 13. Juni 2005 Beschwerde an die Eidgenössische Zollrekurskomission (ZRK) und beantragt einen Erlass, eventuell einen Teilerlass der Zollabgabe. Zur Begründung bringt sie vor, das Verhalten des Fahrers sei ein einmaliges Versehen, das auf mangelnde Kenntnis über die Bedeutung des Geleitscheins zurückzuführen sei. Alle anderen Zollpapiere seien denn auch ordnungsgemäss abgehandelt worden. Die dadurch entstandenen Kosten würden für die Beschwerdeführerin im kompromisslosen Wettbewerb des Transportwesens eine grosse finanzielle Belastung und eine besondere finanzielle Härte bedeuten.
In der Vernehmlassung vom 19. August 2005 beantragt die OZD die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Sie macht insbesondere geltend, die ordnungsgemässe Abwicklung des Geleitscheinverfahrens sei auf Nachlässigkeit der Beschwerdeführerin zurückzuführen. Selbst wenn es sich nach Angaben der Beschwerdeführerin um ein einmaliges Versehen ihres Mitarbeiters handeln sollte, so habe sie dafür die volle Verantwortung zu tragen.
E. In der unaufgefordert eingereichten Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 7. September 2005 bestätigt diese ihren Antrag. Sie weist nochmals darauf hin, dass dem Fahrer das Verfahren mit Geleitschein nicht bekannt gewesen sei. Sein Verhalten sei als Versehen und nicht als Vorsatz zu qualifizieren. Auch habe dieser nach Befragen eines Zollbeamten die Auskunft erhalten, er könne weiterfahren. Von einer weiteren Behandlung durch den Schweizer Zoll sei ihm nichts bekannt gegeben worden. Den Geleitschein habe der Fahrer zusammen mit sämtlichen anderen Unterlagen beim Empfänger der Ware abgegeben und diesen - im Unterschied zu den anderen Papieren - anschliessend nicht wieder erhalten. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin hätte unter diesen Umständen die Warenannahme durch den Empfänger nicht erfolgen dürfen, sondern diese hätte den Fahrer zur ordnungsgemässen Abfertigung an den Zoll zurückschicken müssen.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1. Bis zum 31. Dezember 2006 unterlagen erstinstanzliche Verfügungen oder Beschwerdeentscheide der OZD der Beschwerde an die ZRK (aArt. 109 Abs. 1 Bst. c
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2.
2.1 Jede Wareneinfuhr über die schweizerische Zollgrenze unterliegt grundsätzlich der Zollpflicht (vgl. Art. 1 Abs. 1
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2.2 Die Ein- und Ausfuhrzölle werden nach Art. 21
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2.3 Das Zollgesetz sieht verschiedene Arten der Zollabfertigung vor. Sollen Waren aus dem Ausland nach einem anderen Zollamt an der Grenze oder im Inneren geleitet werden, so sind sie auf Antrag der Zollpflichtigen oder nach Anordnung der Zollverwaltung gegen Sicherstellung des Zolles und der anderweitigen Abgaben grundsätzlich mit Geleitschein (Geleitscheinwaren) abzufertigen (Art. 41 Abs. 1
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2.4 Die zollmeldepflichtige Person unterliegt besonderen gesetzlichen Mitwirkungspflichten (Art. 29 ff
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3.
3.1 Steht nach Abschluss des Veranlagungsverfahrens die Zollschuld rechtskräftig fest, kann diese aus den in Art. 127
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3.2 Ein ganzer oder teilweiser Zollnachlass ist, abgesehen von den hier nicht zutreffenden besonderen Fällen von Art. 127 Abs. 1 Ziff. 1 bis
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3.2.1 Die aussergewöhnlichen Verhältnisse müssen mit Bezug auf das Zollverfahren vorliegen (Entscheid der ZRK vom 18. Februar 2005 i.S. S. SA [ZRK 2004-028], E. 2b; vom 4. November 2003 i.S. S. [ZRK 2002-122], E. 3a.aa). Wann eine solche Situation im Sinne von Art. 127 Abs. 1 Ziff. 4
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3.2.2 Die aussergewöhnlichen Verhältnisse dürfen zudem nicht die Bemessung der Abgaben betreffen; ein Zollerlass darf nicht zur Korrektur des Zolltarifs führen (Entscheid der ZRK vom 28. Oktober i.S. M. AG [ZRK-2002-099], E. 2c/bb). Wer ein Gesuch um Zollnachlass stellt, hat daher nachzuweisen, dass die Gründe, das heisst die aussergewöhnlichen Verhältnisse, ausserhalb der Bemessung der Abgaben liegen.
3.2.3 Der Bezug der Abgabe muss sodann eine besondere Härte darstellen. Dieses Kriterium betrifft die persönliche Lage der zahlungspflichtigen Person (Entscheid der ZRK vom 18. September 2002 i.S. A. SA [ZRK 2002-020], E. 2b/cc).
3.2.4 Die drei Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein, damit einem Zollerlassgesuch stattgegeben werden kann. Liegen sie vor, greift kein behördliches Ermessen, sondern es besteht ein Anspruch auf Nachlass.
3.3 Im vorliegenden Fall ist vorab festzuhalten, dass ein Zollnachlass nur in Frage kommen kann, wenn die entsprechende Zollschuld rechtskräftig feststeht. Mit anderen Worten bildet der Zollerlass eine Massnahme der Vollstreckung rechtskräftiger Zollentscheide und nicht der Veranlagung. Rügen bezüglich allfälliger Unbegründetheit der Zollerhebung bzw. eines fehlerhaften Veranlagungsverfahrens sind im entsprechenden Rechtsmittelverfahren geltend zu machen (Entscheid der ZRK vom 27. Juni 2005, i.S. F. AG [ZRK 2004-034], E. 4.a; Urteil des Bundesgerichts vom 9. Juni 2004 i.S. X. AG [2A.566/2003], E. 3.3). Entsprechend hat die Zollkreisdirektion in ihrem Veranlagungsentscheid vom 3. März 2005 in Ziff. 4 des Dispositivs angemerkt, die Verfügung könne mittels Beschwerde bei der OZD angefochten werden. Die Beschwerdeführerin hat auf dieses Rechtsmittel verzichtet und in ihrer Eingabe vom 30. März 2005 die OZD um Zollerlass wegen besonderer finanzieller Härte ersucht. Die Zollschuld ist folglich mit Entscheid der Zollkreisdirektion vom 3. März 2005 in Rechtskraft erwachsen. Die materielle Beurteilung der Zollforderung ist nicht mehr Gegenstand des Verfahrens.
3.4 Vor Bundesverwaltungsgericht begründet die Beschwerdeführerin das Vorliegen aussergewöhnlicher Verhältnisse vorwiegend mit der Einmaligkeit des Versehens sowie der mangelnden Kenntnis ihres Fahrers über die Bedeutung des Geleitscheins. Diese Umstände vermögen jedoch keine ausserordentlichen Umstände im Sinne von Art. 127 Abs. 1 Ziff. 4
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Daran ändert auch die angebliche Auskunft des Zollbeamten, der Fahrer "könne weiterfahren" nichts, falls die unaufgeforderte Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 7. September 2005 überhaupt zu berücksichtigen wäre. Im Geleitscheinverfahren dürfte die Zustimmung zur Weiterfahrt an der Zollgrenze nicht dahingehend verstanden werden, die Zollinformalitäten seien abgeschlossen. Es liegt ja gerade im Wesen des Geleitscheinverfahrens begründet, dass der Geleitschein nach der Weiterfahrt gelöscht werden muss.
Ebenfalls nicht entscheidwesentlich wäre die Auffassung der Beschwerdeführerin, die Empfängerin der Ware hätte nicht entladen, sondern den Fahrer an die Grenze zurückschicken müssen. Ob die Warenempfängerin allenfalls als Auftraggeberin zollmeldepflichtig ist, kann dahin gestellt bleiben. Denn das Verhalten des Fahrers als Hilfsperson wäre ihr ebenfalls zuzurechnen. Wie das vertragliche Verhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und der Warenempfängerin ausgestaltet ist sowie die Frage nach allfälligen Regressansprüchen, ist allerdings eine Frage des Zivilrechts und für das vorliegende Zollverfahren nicht relevant.
Weitere Vorkommnisse während des Zollverfahrens, die aussergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 127 Abs. 1 Ziff. 4
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3.5 Damit entfällt ein Zollerlass, ohne dass zu prüfen ist, ob die weiteren gesetzlichen Anforderungen erfüllt wären. Namentlich ist nicht zu prüfen, ob sich durch die fehlende Möglichkeit der Weiterbelastung des Zollbezuges eine besondere Härte ergibt. Die Voraussetzung der Härte allein schafft keinen Anspruch auf einen Zollerlass.
4. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen und der Entscheid der Oberzolldirektion vom 24. Mai 2005 zu bestätigen. Die Verfahrenskosten in der Höhe von Fr. 400.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 63 Abs. 1
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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Verfahrenskosten im Betrag von Fr. 400.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 400.- verrechnet.
3. Dieses Urteil wird eröffnet:
- der Beschwerdeführerin (mit Gerichtsurkunde)
- der Vorinstanz (Ref-Nr. OZD 391/05.013) (mit Gerichtsurkunde)
Bern, 7. Februar 2007
Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:
Daniel Riedo Iris Widmer
Rechtsmittelbelehrung
Urteile des Bundesverwaltungsgerichts können innert 30 Tagen seit der Eröffnung beim Schweizerischen Bundesgericht in Lausanne angefochten werden. Die Beschwerde ist unzulässig gegen Entscheide über die Zollveranlagung, wenn diese aufgrund der Tarifierung oder des Gewichts der Ware erfolgt; sowie gegen Entscheide über die Stundung oder den Erlass von Abgaben. Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Sie muss spätestens am letzten Tag der Frist beim Bundesgericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben werden (vgl.
Art. 42
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