Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B 215/2011

Urteil vom 6. September 2011
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Raselli, Merkli,
Gerichtsschreiber Störi.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Vera Delnon,

gegen

Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstraffälle und Organisierte Kriminalität des Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 323, 8510 Frauenfeld,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Entsiegelung,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 29. März 2011 des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Thurgau.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft (bzw. zu Beginn des Verfahrens bis Ende 2010: das Kantonale Untersuchungsrichteramt) des Kantons Thurgau führt gegen X.________ eine Strafuntersuchung wegen Urkundendelikten, Geldwäscherei und Veruntreuung.

Am 30. August 2010 verfügte das Kantonale Untersuchungsrichteramt,
die Bank M.________ habe ihm Kopien von Unterlagen von verschiedenen Konti und Geschäftsvorfällen zuzustellen und Auskünfte zu bestimmten Zahlungseingängen zu erteilen. Am 1. September 2010 wurden auf Anordnung des Kantonalen Untersuchungsrichteramts die Büroräumlichkeiten von X.________ durchsucht und verschiedene Unterlagen, ein Personalcomputer und Sicherungen von Serverfestplatten sichergestellt.

Am 6. September 2010 teilte die Bank M.________ dem Präsidenten der Anklagekammer mit, sie habe dem Kantonalen Untersuchungsrichteramt die verlangten Unterlagen geschickt und verlange deren Siegelung.

Am 8. Oktober 2010 beantragte das Kantonale Untersuchungsrichteramt die Entsiegelung und Durchsuchung der bei der Bank M.________ beschlagnahmten Kontounterlagen und verlangte, verschiedene Bankunterlagen zu den Untersuchungsakten zu nehmen.

Am 25. Oktober 2010 ordnete der Präsident der Anklagekammer in zwei separaten Entscheiden eine Sichtung und vorübergehende Entsiegelung der Akten zur Durchführung einer Triage an. X.________ beantragte einerseits den Beizug von Prof. Dr. A.________ zur Entsiegelung und anderseits, die Verfügungen vom 25. Oktober 2010 wiedererwägungsweise aufzuheben.

X.________ erhob gegen die Verfügungen des Anklagekammerpräsidenten vom 25. Oktober 2010 zwei separate Beschwerden, auf welche das Bundesgericht mit Urteil vom 14. Januar 2011 nicht eintrat.
Am 31. Januar 2011 teilte das Zwangsmassnahmengericht, an welches das Verfahren zuständigkeitshalber übergegangen war, X.________ mit, das Entsiegelungsverfahren würde nach Massgabe der neuen eidgenössischen Strafprozessordnung wieder aufgenommen, wobei als erstes über die grundsätzliche Zulässigkeit der Entsiegelung entschieden werde. Am 2. Februar 2011 ergänzte die Staatsanwaltschaft ihr Entsiegelungsgesuch.

Am 29. März 2011 verfügte der Zwangsmassnahmenrichter, die von der Bank M.________ der Staatsanwaltschaft zugestellten Unterlagen (Dispositiv-Ziff. 1) sowie die bei der Hausdurchsuchung vom 1. September 2010 sichergestellten Unterlagen inkl. der Daten der elektronischen Datenverarbeitungsanlage (Dispositiv-Ziff. 2) blieben beschlagnahmt. Das Gesuch von X.________ um unbelastete Herausgabe der beschlagnahmten Unterlagen, Anwaltsakten und elektronischen Datenverarbeitungsanlagen wies es ab (Dispositiv-Ziff. 3). Es werde eine Entsiegelungsverfahren durchgeführt; die gesiegelten Bankunterlagen, physischen und elektronischen Daten würden vom Zwangsmassnahmengericht im Beisein der Parteien daraufhin geprüft, ob schützenswerte Geheimhaltungsinteressen einer Weitergabe an die Strafuntersuchungsbehörden entgegenstünden (Dispositiv-Ziff. 4).

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, diesen Entscheid des Zwangsmassnahmenrichters aufzuheben, das Entsiegelungsgesuch vom 8. Oktober 2010 abzuweisen, auf das Entsiegelungsgesuch vom 2. Februar 2011 nicht einzutreten und ihm die gesamten Papiere, elektronischen Datenträger und Daten in versiegeltem Zustand auszuhändigen.

C.
Der Zwangsmassnahmenrichter beantragt in seiner Vernehmlassung, auf die Beschwerde nicht einzutreten. Staatsanwalt Wiedemann schliesst sich der Vernehmlassung des Zwangsmassnahmenrichters an.
X.________ hält in der Replik an der Beschwerde fest.

Erwägungen:

1.
Mit dem angefochtenen Entscheid hat der Zwangsmassnahmenrichter die umstrittenen Beschlagnahmen als rechtmässig anerkannt und die Durchführung des Entsiegelungsverfahrens angeordnet, in welchem geprüft werden soll, ob schützenswerte Geheimhaltungsinteressen einer Weitergabe der beschlagnahmten Unterlagen und Daten an die Strafverfolgungsbehörden entgegenstehen. Er schliesst das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht ab. Es handelt sich mithin um einen Zwischenentscheid in einer Strafsache, der vom Zwangsmassnahmenrichter als einziger kantonaler Instanz getroffen wurde (Art. 80 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 80 Vorinstanzen - 1 Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und gegen Entscheide der Beschwerdekammer und der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts.48
1    Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und gegen Entscheide der Beschwerdekammer und der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts.48
2    Die Kantone setzen als letzte kantonale Instanzen obere Gerichte ein. Diese entscheiden als Rechtsmittelinstanzen. Ausgenommen sind die Fälle, in denen nach der Strafprozessordnung vom 5. Oktober 200749 (StPO) ein Zwangsmassnahmegericht oder ein anderes Gericht als einzige kantonale Instanz entscheidet.50
BGG). Dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen zulässig, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 93 Andere Vor- und Zwischenentscheide - 1 Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
1    Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
a  wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder
b  wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.
2    Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dem Gebiet des Asyls sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.85 Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind.
3    Ist die Beschwerde nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken.
BGG) oder wenn - was hier ausser Betracht fällt - die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit und Kosten ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 93 Andere Vor- und Zwischenentscheide - 1 Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
1    Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
a  wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder
b  wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.
2    Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dem Gebiet des Asyls sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.85 Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind.
3    Ist die Beschwerde nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken.
BGG).

1.1 Mit dem angefochtenen Entscheid hält der Zwangsmassnahmenrichter einerseits die Beschlagnahme vorläufig aufrecht. Es ist nicht ersichtlich und wird vom Beschwerdeführer auch nicht dargelegt, inwiefern er dadurch einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil erleiden könnte. Damit ist die Beschwerde gegen die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme bis zur Durchführung des Entsiegelungsverfahrens unzulässig.

1.2 Im vom Zwangsmassnahmenrichter angeordneten Entsiegelungsverfahren wird nur geprüft, ob an den beschlagnahmten Akten und Daten oder einem Teil von ihnen möglicherweise schützenswerte Geheimhaltungsinteressen bestehen, die einer Aushändigung an die Staatsanwaltschaft zum Zwecke der Strafverfolgung entgegenstehen. Dabei erhalten der Zwangsmassnahmenrichter und die Gegenpartei - hier die Staatsanwaltschaft - vom Inhalt der zu prüfenden Akten und Daten nur summarisch Kenntnis, soweit dies für die Durchführung der Triage unumgänglich ist. Gerichtlich verwertet werden dürfen diese Beweismittel und allfällig darauf beruhende Erkenntnisse ohnehin nur, wenn und soweit das von der Staatsanwaltschaft eingeleitete Entsiegelungsverfahren abgeschlossen und über die der Staatsanwaltschaft konkret auszuhändigen Akten und Daten entschieden sein wird. Es ist damit nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer bereits durch die Durchführung des Entsiegelungsverfahrens einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil erleiden könnte.

2.
Auf die Beschwerde ist somit nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000 werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien sowie dem Zwangsmassnahmengericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 6. September 2011
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Störi
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 1B_215/2011
Date : 06. September 2011
Published : 24. September 2011
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Strafprozess
Subject : Entsiegelung


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