Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}

1B 437/2016

Urteil vom 5. Dezember 2016

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Chaix,
Gerichtsschreiber Störi.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Peter Fäs,

gegen

Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau, Seetalplatz, Bahnhofstrasse 4, 5600 Lenzburg 1.

Gegenstand
Untersuchungshaft,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 14. Oktober 2016 des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau führt gegen A.________ ein Strafverfahren wegen versuchten Diebstahls (Art. 139 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 139 - 1. Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    ...197
3    Der Dieb wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wenn er:
a  gewerbsmässig stiehlt;
b  den Diebstahl als Mitglied einer Bande ausführt, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat;
c  zum Zweck des Diebstahls eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt oder eine Explosion verursacht; oder
d  sonst wie durch die Art, wie er den Diebstahl begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart.198
4    Der Diebstahl zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
i.V.m. Art. 22 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 22 - 1 Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern.
1    Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern.
2    Verkennt der Täter aus grobem Unverstand, dass die Tat nach der Art des Gegenstandes oder des Mittels, an oder mit dem er sie ausführen will, überhaupt nicht zur Vollendung gelangen kann, so bleibt er straflos.
StGB), Hausfriedensbruchs (Art. 186
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 186 - Wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus, in eine Wohnung, in einen abgeschlossenen Raum eines Hauses oder in einen unmittelbar zu einem Hause gehörenden umfriedeten Platz, Hof oder Garten oder in einen Werkplatz unrechtmässig eindringt oder, trotz der Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB) sowie geringfügigen Diebstahls (Art. 139 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 139 - 1. Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    ...197
3    Der Dieb wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wenn er:
a  gewerbsmässig stiehlt;
b  den Diebstahl als Mitglied einer Bande ausführt, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat;
c  zum Zweck des Diebstahls eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt oder eine Explosion verursacht; oder
d  sonst wie durch die Art, wie er den Diebstahl begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart.198
4    Der Diebstahl zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
i.V.m. Art. 172ter
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 172ter - 1 Richtet sich die Tat nur auf einen geringen Vermögenswert oder auf einen geringen Schaden, so wird der Täter, auf Antrag, mit Busse bestraft.
1    Richtet sich die Tat nur auf einen geringen Vermögenswert oder auf einen geringen Schaden, so wird der Täter, auf Antrag, mit Busse bestraft.
2    Diese Vorschrift gilt nicht bei qualifiziertem Diebstahl (Art. 139 Ziff. 2229 und 3), bei Raub und Erpressung.
StGB). Sie verdächtigt ihn, am 28. August 2016 im Restaurant M.________ in Lenzburg in die Personalgarderobe eingedrungen zu sein und dort ein Portemonnaie (Inhalt: 8 Euro) entwendet sowie versucht zu haben, ein Sparschwein (Inhalt: rund 100 Franken) zu stehlen. Zudem soll er am 30. August 2016 im Ladengeschäft N.________ in Aarau Waren im Wert von 12 Franken gestohlen haben.
A.________ wurde am 9. September 2016 festgenommen und am 12. September 2016 vom Zwangsmassnahmengericht des Kantons Aargau einstweilen für drei Monate bis zum 8. Dezember 2016 in Untersuchungshaft versetzt.
Am 14. Oktober 2016 wies das Obergericht des Kantons Aargau die Beschwerde von A.________ gegen diese Haftanordnung ab. Es erwog, es bestehe der dringende Tatverdacht bezüglich eines Verbrechens und eines Vergehens sowie Wiederholungsgefahr.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________, diesen Entscheid des Obergerichts aufzuheben und ihn umgehend aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

C.
Das Obergericht verzichtet unter Hinweis auf den angefochtenen Entscheid auf Vernehmlassung. Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
In seiner Replik hält A.________ an der Beschwerde fest.

Erwägungen:

1.
Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Haftentscheid des Obergerichts. Dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen nach den Art. 78 ff
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 78 Grundsatz - 1 Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen.
1    Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden gegen Entscheide in Strafsachen.
2    Der Beschwerde in Strafsachen unterliegen auch Entscheide über:
a  Zivilansprüche, wenn diese zusammen mit der Strafsache zu behandeln sind;
b  den Vollzug von Strafen und Massnahmen.
. BGG gegeben. Der Beschwerdeführer ist durch die Verweigerung der Haftentlassung in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen und damit zur Beschwerde befugt (Art. 81 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 81 Beschwerderecht - 1 Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer:
1    Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer:
a  vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat; und
b  ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat, insbesondere:
b1  die beschuldigte Person,
b2  ihr gesetzlicher Vertreter oder ihre gesetzliche Vertreterin,
b3  die Staatsanwaltschaft, ausser bei Entscheiden über die Anordnung, die Verlängerung und die Aufhebung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft,
b4  ...
b5  die Privatklägerschaft, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann,
b6  die Person, die den Strafantrag stellt, soweit es um das Strafantragsrecht als solches geht,
b7  die Staatsanwaltschaft des Bundes und die beteiligte Verwaltung in Verwaltungsstrafsachen nach dem Bundesgesetz vom 22. März 197455 über das Verwaltungsstrafrecht.
2    Eine Bundesbehörde ist zur Beschwerde berechtigt, wenn das Bundesrecht vorsieht, dass ihr der Entscheid mitzuteilen ist.56
3    Gegen Entscheide nach Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b steht das Beschwerderecht auch der Bundeskanzlei, den Departementen des Bundes oder, soweit das Bundesrecht es vorsieht, den ihnen unterstellten Dienststellen zu, wenn der angefochtene Entscheid die Bundesgesetzgebung in ihrem Aufgabenbereich verletzen kann.
BGG). Er macht die Verletzung von Bundesrecht geltend, was zulässig ist (Art. 95 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten ist.

2.
Untersuchungshaft kann unter anderem angeordnet werden, wenn ein dringender Tatverdacht in Bezug auf ein Verbrechen oder Vergehen sowie Wiederholungsgefahr besteht (Art. 221 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 221 Voraussetzungen - 1 Untersuchungs- und Sicherheitshaft sind nur zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie:
1    Untersuchungs- und Sicherheitshaft sind nur zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie:
a  sich durch Flucht dem Strafverfahren oder der zu erwartenden Sanktion entzieht;
b  Personen beeinflusst oder auf Beweismittel einwirkt, um so die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen; oder
c  durch Verbrechen oder schwere Vergehen die Sicherheit anderer unmittelbar erheblich gefährdet, nachdem sie bereits früher gleichartige Straftaten verübt hat.
1bis    Untersuchungs- und Sicherheitshaft sind ausnahmsweise zulässig, wenn:
a  die beschuldigte Person dringend verdächtig ist, durch ein Verbrechen oder ein schweres Vergehen die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer Person schwer beeinträchtigt zu haben; und
b  die ernsthafte und unmittelbare Gefahr besteht, die beschuldigte Person werde ein gleichartiges, schweres Verbrechen verüben.112
2    Haft ist auch zulässig, wenn die ernsthafte und unmittelbare Gefahr besteht, eine Person werde ihre Drohung, ein schweres Verbrechen auszuführen, wahrmachen.113
StPO).

2.1. Wiederholungsgefahr im Sinne von Art. 221 Abs. 1 lit. c
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 221 Voraussetzungen - 1 Untersuchungs- und Sicherheitshaft sind nur zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie:
1    Untersuchungs- und Sicherheitshaft sind nur zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie:
a  sich durch Flucht dem Strafverfahren oder der zu erwartenden Sanktion entzieht;
b  Personen beeinflusst oder auf Beweismittel einwirkt, um so die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen; oder
c  durch Verbrechen oder schwere Vergehen die Sicherheit anderer unmittelbar erheblich gefährdet, nachdem sie bereits früher gleichartige Straftaten verübt hat.
1bis    Untersuchungs- und Sicherheitshaft sind ausnahmsweise zulässig, wenn:
a  die beschuldigte Person dringend verdächtig ist, durch ein Verbrechen oder ein schweres Vergehen die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer Person schwer beeinträchtigt zu haben; und
b  die ernsthafte und unmittelbare Gefahr besteht, die beschuldigte Person werde ein gleichartiges, schweres Verbrechen verüben.112
2    Haft ist auch zulässig, wenn die ernsthafte und unmittelbare Gefahr besteht, eine Person werde ihre Drohung, ein schweres Verbrechen auszuführen, wahrmachen.113
StPO liegt vor, "wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie durch schwere Verbrechen oder Vergehen die Sicherheit anderer erheblich gefährdet, nachdem sie bereits früher gleichartige Straftaten verübt hat". Nach der Rechtsprechung kann sich Wiederholungsgefahr ausnahmsweise auch aus Vortaten ergeben, die dem Beschuldigten im hängigen Strafverfahren erst vorgeworfen werden, wenn die Freilassung des Ersttäters mit erheblichen konkreten Risiken für die öffentliche Sicherheit verbunden wäre. Erweisen sich die Risiken als untragbar hoch, kann vom Vortatenerfordernis sogar ganz abgesehen werden. Aufgrund einer systematisch-teleologischen Auslegung von Art. 221 Abs. 1 lit. c
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 221 Voraussetzungen - 1 Untersuchungs- und Sicherheitshaft sind nur zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie:
1    Untersuchungs- und Sicherheitshaft sind nur zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie:
a  sich durch Flucht dem Strafverfahren oder der zu erwartenden Sanktion entzieht;
b  Personen beeinflusst oder auf Beweismittel einwirkt, um so die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen; oder
c  durch Verbrechen oder schwere Vergehen die Sicherheit anderer unmittelbar erheblich gefährdet, nachdem sie bereits früher gleichartige Straftaten verübt hat.
1bis    Untersuchungs- und Sicherheitshaft sind ausnahmsweise zulässig, wenn:
a  die beschuldigte Person dringend verdächtig ist, durch ein Verbrechen oder ein schweres Vergehen die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer Person schwer beeinträchtigt zu haben; und
b  die ernsthafte und unmittelbare Gefahr besteht, die beschuldigte Person werde ein gleichartiges, schweres Verbrechen verüben.112
2    Haft ist auch zulässig, wenn die ernsthafte und unmittelbare Gefahr besteht, eine Person werde ihre Drohung, ein schweres Verbrechen auszuführen, wahrmachen.113
StPO kam das Bundesgericht zum Schluss, es habe nicht in der Absicht des Gesetzgebers gelegen, mögliche Opfer von schweren Gewaltdelikten einem derart hohen Rückfallrisiko auszusetzen (BGE 137 IV 13 E. 2-4; Urteil 1B 103/2013 vom 27. März 2013 E. 6.3 und 6.4). Die Verhütung weiterer schwerwiegender Delikte ist ein verfassungs- und grundrechtskonformer Massnahmenzweck: Art. 5 Ziff. 1 lit. c
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 5 Recht auf Freiheit und Sicherheit - (1) Jede Person hat das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
a  rechtmässiger Freiheitsentzug nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht;
b  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug wegen Nichtbefolgung einer rechtmässigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung;
c  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern;
d  rechtmässiger Freiheitsentzug bei Minderjährigen zum Zweck überwachter Erziehung oder zur Vorführung vor die zuständige Behörde;
e  rechtmässiger Freiheitsentzug mit dem Ziel, eine Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern;
f  rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug zur Verhinderung der unerlaubten Einreise sowie bei Personen, gegen die ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist.
EMRK anerkennt ausdrücklich die
Notwendigkeit, Beschuldigte im Sinne einer Spezialprävention an der Begehung schwerer strafbarer Handlungen zu hindern (BGE 137 IV 84 E. 3.2 S. 85; 135 I 71 E. 2.2 S. 72 mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung kann die Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr auch dem Verfahrensziel der Beschleunigung dienen, indem verhindert wird, dass sich der Strafprozess durch immer neue Delikte kompliziert und in die Länge zieht.
Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr ist indessen restriktiv zu handhaben (BGE 137 IV 84 E. 3.2 S. 85 f.; 135 I 71 E. 2.3 S. 73; je mit Hinweisen). Seine Anwendung über den gesetzlichen Wortlaut hinaus auf Ersttäter muss auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben und setzt voraus, dass nicht nur ein hinreichender Tatverdacht besteht, sondern erdrückende Belastungsbeweise gegen den Beschuldigten vorliegen, die einen Schuldspruch als sehr wahrscheinlich erscheinen lassen. Zudem muss die Rückfallprognose ungünstig ausfallen (Zusammenfassung der Rechtsprechung im zur Publikation bestimmten Urteil 1B 373/2016 E. 2), und zwar in Bezug auf Delikte, die "die Sicherheit anderer erheblich" gefährden. Darunter fallen in erster Linie Gewalt-, aber auch schwere Betäubungsmitteldelikte (BGE 137 IV 84 nicht publ. E. 3.7), die unmittelbar gegen die psychische und physische Integrität ihrer Opfer gerichtet sind und damit deren Sicherheit beeinträchtigen können. Vermögensdelikte sind dagegen zwar - unter Umständen in hohem Mass - sozialschädlich, betreffen aber oft nicht unmittelbar die Sicherheit der Geschädigten. Anders kann es sich insbesondere bei besonders schweren Vermögensdelikten verhalten (vgl. Urteil 1B 379/2011 vom 2. August 2011 E. 2.6-2.9).
Die Anwendung von Art. 221 Abs. 1 lit. c
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 221 Voraussetzungen - 1 Untersuchungs- und Sicherheitshaft sind nur zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie:
1    Untersuchungs- und Sicherheitshaft sind nur zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie:
a  sich durch Flucht dem Strafverfahren oder der zu erwartenden Sanktion entzieht;
b  Personen beeinflusst oder auf Beweismittel einwirkt, um so die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen; oder
c  durch Verbrechen oder schwere Vergehen die Sicherheit anderer unmittelbar erheblich gefährdet, nachdem sie bereits früher gleichartige Straftaten verübt hat.
1bis    Untersuchungs- und Sicherheitshaft sind ausnahmsweise zulässig, wenn:
a  die beschuldigte Person dringend verdächtig ist, durch ein Verbrechen oder ein schweres Vergehen die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer Person schwer beeinträchtigt zu haben; und
b  die ernsthafte und unmittelbare Gefahr besteht, die beschuldigte Person werde ein gleichartiges, schweres Verbrechen verüben.112
2    Haft ist auch zulässig, wenn die ernsthafte und unmittelbare Gefahr besteht, eine Person werde ihre Drohung, ein schweres Verbrechen auszuführen, wahrmachen.113
StPO über den Wortlaut hinaus muss allerdings auch in dieser Beziehung restriktiv gehandhabt werden; sie fällt nur bei schweren, die Betroffenen besonders hart treffenden Vermögensdelikten in Betracht (Urteil 1B 247/2016 vom 27. Juli 2016 E. 2).

2.2. Unbestritten ist der Beschwerdeführer dringend verdächtig, am 30. August 2016 einen Ladendiebstahl mit einem Deliktsbetrag von 12 Franken begangen zu haben. Dies stellt nach der Rechtsprechung eine Übertretung dar, da der Deliktsbetrag 300 Franken nicht übersteigt (Art. 139 Ziff. 1 i.V.m. Art. 172 ter Abs. 1 und Art. 103; BGE 142 IV 129 E. 3.1; 123 IV 113 E. 3d; 121 IV 261 E. 2d).
Der dringende Tatverdacht besteht indessen auch in Bezug auf den Vorfall vom 28. August 2016. Der Beschwerdeführer wurde vom Koch, der ihn in der Personalgarderobe angetroffen hatte, wiedererkannt, und am Sparschwein wurden zweifelsfrei dem Beschwerdeführer zuzuordnende Spuren sichergestellt. Fraglich ist nur, auf welche Straftat sich dieser Verdacht bezieht. Objektiv handelt es sich dabei um den Diebstahl eines geringfügigen Vermögenswerts (Portemonnaie mit 8 Euro Inhalt) und den Versuch eines Diebstahls eines geringfügigen Vermögenswerts (Sparschwein mit rund 100 Franken) sowie allenfalls Hausfriedensbruch. Für die Staatsanwaltschaft und das Obergericht bezieht sich der Tatverdacht dennoch auf ein Verbrechen (Diebstahl) und ein Vergehen (Hausfriedensbruch), da sich nach ihrer Auffassung der deliktische Wille des Beschwerdeführers auf einen höheren, nach oben offenen Deliktsbetrag bezog, da er gewillt gewesen sei, sich alle in der Personalgarderobe befindlichen Vermögenswerte anzueignen.
Entscheidend für die Anwendbarkeit von Art. 172ter
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 172ter - 1 Richtet sich die Tat nur auf einen geringen Vermögenswert oder auf einen geringen Schaden, so wird der Täter, auf Antrag, mit Busse bestraft.
1    Richtet sich die Tat nur auf einen geringen Vermögenswert oder auf einen geringen Schaden, so wird der Täter, auf Antrag, mit Busse bestraft.
2    Diese Vorschrift gilt nicht bei qualifiziertem Diebstahl (Art. 139 Ziff. 2229 und 3), bei Raub und Erpressung.
StGB ist die Absicht des Täters, nicht der eingetretene Erfolg; die Bestimmung ist nur anwendbar, wenn der Täter von vornherein bloss einen geringen Vermögenswert im Auge hatte (BGE 123 IV 113 E. 3f; 155 E. 1a; 122 IV 156 E. 2a). Die Auffassung der kantonalen Instanzen erscheint daher nicht von vornherein als unplausibel, wenn auch auf der andern Seite der Beschwerdeführer wohl nicht ernsthaft damit rechnen konnte, in der Personalgarderobe bzw. im Trinkgelder-Sparschwein des Personals hohe Geldbeträge zu finden. Die Qualifikation des Vorfalls kann indessen dem Sachgericht überlassen werden. So oder so geht es - wie sich aus den Akten ergibt - um einen typischen Fall von Klein- bzw. Beschaffungskriminalität eines randständigen, psychisch angeschlagenen, seit Jahren immer wieder straffällig gewordenen, notorischen Drogenkonsumenten.

2.3. Wie unter E. 2.1 dargelegt, fällt die Annahme von Wiederholungsgefahr in erster Linie bei Gewalt- und schweren Betäubungsmitteldelikten in Betracht, bei Vermögens- und Eigentumsdelikten dagegen nur in besonderen Fällen, die die Betroffenen besonders hart treffen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend offensichtlich nicht erfüllt. Die Beschwerde ist begründet.
Wie sich aus der Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft ergibt, hält sie den Beschwerdeführer indessen - unabhängig vom vorliegenden Verfahren - für gemeingefährlich. Sie hat deshalb versucht, die am 13. Juli 2015 abgelaufene 2½-jährige Freiheitsstrafe gestützt auf Art. 363 ff
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 363
. StGB in eine stationäre Massnahme umzuwandeln. Sie ist mit diesem Antrag vor Bezirksgericht gescheitert, aber vor Obergericht durchgedrungen. Dessen Entscheid hat das Bundesgericht am 13. Juni 2016 (zur Veröffentlichung bestimmtes Urteil 6B 171/2016) aufgehoben, worauf der Beschwerdeführer freikam. Auch wenn sich seither Neues ergeben hat, fällt ausser Betracht, den Beschwerdeführer durch eine vom Untersuchungszweck bzw. von den entsprechenden Haftvoraussetzungen nicht gedeckte Anordnung in Haft zu nehmen. Ob im vorliegenden Strafverfahren die Anordnung einer stationäre Massnahme angezeigt ist, wie sie die Staatsanwaltschaft offenbar beantragen will, wird das Sachgericht zu entscheiden haben.

3.
Die Beschwerde ist damit gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und der Beschwerdeführer aus der Haft zu entlassen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG), und der Kanton Aargau hat dem Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
BGG). Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der angefochtene Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau vom 14. Oktober 2016 aufgehoben. Der Beschwerdeführer ist aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Der Kanton Aargau hat Rechtsanwalt Peter Fäs, Zofingen, für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. Dezember 2016

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Störi
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 1B_437/2016
Date : 05. Dezember 2016
Published : 23. Dezember 2016
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Strafprozess
Subject : Untersuchungshaft


Legislation register
BGG: 66  68  78  81  95
EMRK: 5
StGB: 22  139  172ter  186  363
StPO: 221
BGE-register
121-IV-261 • 122-IV-156 • 123-IV-113 • 135-I-71 • 137-IV-13 • 137-IV-84 • 142-IV-129
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