Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
9C 612/2014
Urteil vom 5. November 2014
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner,
Gerichtsschreiber Traub.
Verfahrensbeteiligte
A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Alex Beeler,
Beschwerdeführerin,
gegen
IV-Stelle Zug, Baarerstrasse 11, 6300 Zug,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 21. August 2014.
Sachverhalt:
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug schrieb die Beschwerde der A.________ gegen eine Verfügung der IV-Stelle des Kantons Zug vom 9. April 2014 betreffend Leistungen der Invalidenversicherung vom Geschäftsverzeichnis ab. Das Verfahren sei gegenstandslos geworden, weil die Verwaltung die strittige Verfügung während des hängigen Beschwerdeverfahrens aufgehoben und weitere Abklärungen angeordnet habe. Das kantonale Gericht belegte A.________ mit einer Spruchgebühr in Höhe von Fr. 400.-. Ausserdem sprach es ihr keine Parteientschädigung zu (Entscheid vom 21. August 2014).
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Rechtsbegehren, die vorinstanzliche Spruchgebühr sei vollumfänglich der IV-Stelle aufzuerlegen und das kantonale Gericht zu verpflichten, ihr eine ungekürzte Parteientschädigung zuzusprechen. Die IV-Stelle und das kantonale Gericht beantragen Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen:
1.
Das kantonale Gericht begründete den Kostenentscheid mit leichtsinniger Prozessführung. Die Beschwerdeführerin habe es unterlassen, die IV-Stelle im Verwaltungsverfahren darüber zu informieren, dass ein Austrittsbericht der Psychiatrischen Klinik B.________ vom 20. August 2013 einen Verschrieb enthalte. Damit habe sie ihre Mitwirkungspflicht verletzt. Erst aufgrund der - gleichzeitig mit der Beschwerdeerhebung erfolgten - schriftlichen Anfrage des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin an die Klinik vom 21. Mai 2014 sei die versehentliche Angabe, sie sei bei Klinikaustritt (am 13. August 2013) "100 % arbeitsfähig" gewesen, dahin korrigiert worden, sie sei zu "0 % arbeitsfähig" gewesen (Schreiben vom 30. Mai 2014). Dieser Irrtum habe der Beschwerdeführerin von Beginn weg auffallen müssen. Hätte sie solche Zweifel im Einwandverfahren (nach dem Vorbescheid) kundgetan, wäre die IV-Stelle damals schon in der Lage gewesen, weitere Abklärungen durchzuführen; ein Beschwerdeverfahren hätte sich erübrigt. Dies sei im Kostenentscheid zu berücksichtigen.
2.
2.1. Die Beschwerdeführerin lässt dagegenhalten, von mutwilligem Verschweigen einer Tatsache könne nicht die Rede sein. Ohnehin sei der Austrittsbericht vom 20. August 2013 nur an den Hausarzt gegangen. Sie selber habe keine Kenntnis davon erhalten. Eine versicherte Person sei weder verpflichtet, im Vorbescheidverfahren Akteneinsicht zu nehmen, noch, sich bereits in diesem Stadium anwaltlich vertreten zu lassen.
2.2. Die IV-Stelle unterrichtete die Beschwerdeführerin mit Vorbescheid vom 26. Februar 2014 darüber, sie beabsichtige, das Leistungsbegehren abzulehnen, weil ihre "Arbeitsunfähigkeit" vor allem durch ein Abhängigkeitsverhalten begründet sei; somit liege keine Invalidität im Sinne des Gesetzes vor. Sprach die IV-Stelle also von einer "Arbeitsunfähigkeit", die rechtlich betrachtet nicht anspruchserheblich sei, so erschliesst sich schon von daher nicht, auf welchen erkennbaren tatsachenbezogenen Irrtum die Beschwerdeführerin hätte hinweisen müssen. Das Ausmass einer (nach Auffassung der behandelnden Ärzte auch durch eine rezidivierende depressive Störung bedingten) Arbeitsunfähigkeit spielte erst für die Rücknahme der Verfügung vom 9. April 2014 eine Rolle. Unter diesen Umständen ist unerheblich, ob die Beschwerdeführerin den Austrittsbericht vom 20. August 2013 schon während des nichtstreitigen Verwaltungsverfahrens kennen konnte und musste. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht ist jedenfalls nicht gegeben. Die so begründete Kostenverlegung der Vorinstanz hat keine Grundlage und verletzt damit Bundesrecht (Art. 95 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von: |
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a | Bundesrecht; |
b | Völkerrecht; |
c | kantonalen verfassungsmässigen Rechten; |
d | kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen; |
e | interkantonalem Recht. |
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ATSG Art. 61 Verfahrensregeln - Das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht bestimmt sich unter Vorbehalt von Artikel 1 Absatz 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 196846 nach kantonalem Recht. Es hat folgenden Anforderungen zu genügen: |
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a | Das Verfahren muss einfach, rasch und in der Regel öffentlich sein. |
b | Die Beschwerde muss eine gedrängte Darstellung des Sachverhaltes, ein Rechtsbegehren und eine kurze Begründung enthalten. Genügt sie diesen Anforderungen nicht, so setzt das Versicherungsgericht der Beschwerde führenden Person eine angemessene Frist zur Verbesserung und verbindet damit die Androhung, dass sonst auf die Beschwerde nicht eingetreten wird. |
c | Das Versicherungsgericht stellt unter Mitwirkung der Parteien die für den Entscheid erheblichen Tatsachen fest; es erhebt die notwendigen Beweise und ist in der Beweiswürdigung frei. |
d | Das Versicherungsgericht ist an die Begehren der Parteien nicht gebunden. Es kann eine Verfügung oder einen Einspracheentscheid zu Ungunsten der Beschwerde führenden Person ändern oder dieser mehr zusprechen, als sie verlangt hat, wobei den Parteien vorher Gelegenheit zur Stellungnahme sowie zum Rückzug der Beschwerde zu geben ist. |
e | Rechtfertigen es die Umstände, so können die Parteien zur Verhandlung vorgeladen werden. |
f | Das Recht, sich verbeiständen zu lassen, muss gewährleistet sein. Wo die Verhältnisse es rechtfertigen, wird der Beschwerde führenden Person ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bewilligt. |
fbis | Bei Streitigkeiten über Leistungen ist das Verfahren kostenpflichtig, wenn dies im jeweiligen Einzelgesetz vorgesehen ist; sieht das Einzelgesetz keine Kostenpflicht bei solchen Streitigkeiten vor, so kann das Gericht einer Partei, die sich mutwillig oder leichtsinnig verhält, Gerichtskosten auferlegen. |
g | Die obsiegende Beschwerde führende Person hat Anspruch auf Ersatz der Parteikosten. Diese werden vom Versicherungsgericht festgesetzt und ohne Rücksicht auf den Streitwert nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses bemessen. |
h | Die Entscheide werden, versehen mit einer Begründung und einer Rechtsmittelbelehrung sowie mit den Namen der Mitglieder des Versicherungsgerichts schriftlich eröffnet. |
i | Die Revision von Entscheiden wegen Entdeckung neuer Tatsachen oder Beweismittel oder wegen Einwirkung durch Verbrechen oder Vergehen muss gewährleistet sein. |
SR 831.20 Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (IVG) IVG Art. 69 Besonderheiten der Rechtspflege - 1 In Abweichung von den Artikeln 52 und 58 ATSG415 sind die nachstehenden Verfügungen wie folgt anfechtbar: |
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1 | In Abweichung von den Artikeln 52 und 58 ATSG415 sind die nachstehenden Verfügungen wie folgt anfechtbar: |
a | Verfügungen der kantonalen IV-Stellen: direkt vor dem Versicherungsgericht am Ort der IV-Stelle; |
b | Verfügungen der IV-Stelle für Versicherte im Ausland: direkt beim Bundesverwaltungsgericht.417 |
1bis | Das Beschwerdeverfahren bei Streitigkeiten über IV-Leistungen vor dem kantonalen Versicherungsgericht ist kostenpflichtig.418 Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von 200-1000 Franken festgelegt.419 |
2 | Absatz 1bis sowie Artikel 85bis Absatz 3 AHVG420 gelten sinngemäss für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.421 |
3 | Gegen Entscheide der kantonalen Schiedsgerichte nach Artikel 27quinquies kann nach Massgabe des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005422 beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden.423 |
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 109 Dreierbesetzung - 1 Die Abteilungen entscheiden in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder kein besonders bedeutender Fall vorliegt, wenn die Beschwerde nur unter einer dieser Bedingungen zulässig ist (Art. 74 und 83-85). Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung. |
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1 | Die Abteilungen entscheiden in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder kein besonders bedeutender Fall vorliegt, wenn die Beschwerde nur unter einer dieser Bedingungen zulässig ist (Art. 74 und 83-85). Artikel 58 Absatz 1 Buchstabe b findet keine Anwendung. |
2 | Sie entscheiden ebenfalls in Dreierbesetzung bei Einstimmigkeit über: |
a | Abweisung offensichtlich unbegründeter Beschwerden; |
b | Gutheissung offensichtlich begründeter Beschwerden, insbesondere wenn der angefochtene Akt von der Rechtsprechung des Bundesgerichts abweicht und kein Anlass besteht, diese zu überprüfen. |
3 | Der Entscheid wird summarisch begründet. Es kann ganz oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden. |
Aufhebung eines die Leistung ablehnenden Entscheids zugunsten weiterer Abklärung wird (auch) im kantonalen Verfahren hinsichtlich der Kostenfolgen einem vollumfänglichen Obsiegen gleichgestellt (vgl. Urteil 2C 60/2011 vom 12. Mai 2011 E. 2). Dies gilt sinngemäss auch bei einer Verfahrensabschreibung nach Rücknahme der strittigen Verfügung lite pendente. Die vorinstanzliche Kostenverteilung ist daher im Sinne der Anträge der Beschwerdeführerin zu korrigieren.
3.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten des letztinstanzlichen Verfahrens der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
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1 | Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
2 | Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden. |
3 | Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht. |
4 | Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist. |
5 | Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen. |
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind. |
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1 | Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind. |
2 | Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen. |
3 | Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen. |
4 | Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar. |
5 | Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 21. August 2014 wird in den Kostenpunkten aufgehoben. Die Gerichtskosten des kantonalen Beschwerdeverfahrens gehen zu Lasten der IV-Stelle. Die Sache wird zur Festsetzung der Parteientschädigung an das kantonale Gericht zurückgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 5. November 2014
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Kernen
Der Gerichtsschreiber: Traub