Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: RP.2012.57 (Hauptverfahren: RR.2012.201-205)

Zwischenentscheid vom 5. Oktober 2012 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Stephan Blättler, Vorsitz, Andreas J. Keller und Roy Garré, Gerichtsschreiberin Chantal Blättler Grivet Fojaja

Parteien

1. A., 2. B. AG, 3. C. AG, 4. D. AG, 5. E. AG, Gesuchsteller 1-5 vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Holenstein, Gesuchsteller 1-5

gegen

Staatsanwaltschaft Bischofszell, Poststrasse 5b, 9220 Bischofszell, Gesuchsgegnerin

Gegenstand

Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Deutschland

Vorsorgliche Massnahmen (Art. 56
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 56 - Nach Einreichung der Beschwerde kann die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter von Amtes wegen oder auf Begehren einer Partei andere vorsorgliche Massnahmen treffen, um den bestehenden Zustand zu erhalten oder bedrohte Interessen einstweilen sicherzustellen.
VwVG)

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung, dass:

- die Staatsanwaltschaften Konstanz bzw. Mannheim unter anderem gegen A. und F. ein Strafverfahren wegen Bestechlichkeit im amtlichen Verkehr und wettbewerbsbeschränkender Absprachen führen;

- in diesem Zusammenhang die deutschen Behörden mit drei Rechtshilfeersuchen vom 17. November 2010, 19. Januar und 2. März 2011 an die Staatsanwaltschaft Thurgau gelangten und um Durchsuchung der von A., der G. GmbH und weiteren Gesellschaften genutzten Räume in U. und V. sowie um Beschlagnahme und Herausgabe diverser anlässlich der Hausdurchsuchungen aufzufindender Unterlagen ersuchten;

- die Staatsanwaltschaft Thurgau mit Eintretens- und Zwischenverfügungen vom 3. Dezember 2010 und 4. Februar 2011 den Rechtshilfeersuchen entsprach und zudem die Anwesenheit deutscher Polizeibeamter an den Hausdurchsuchungen bewilligte;

- die Hausdurchsuchungen am 2. März 2011 durchgeführt wurden;

- anlässlich der Einigungsverhandlung vom 13. Januar 2012 die Staatsanwaltschaft Mannheim der Aussonderung einzelner Aktenstücke und deren Rückgabe an A. zustimmte (Verfahrensakten Urk. 158);

- der beschuldigte A. am 28. März 2012 die Zustimmung zur vereinfachten Ausführung betreffend die Herausgabe derjenigen Dokumente, hinsichtlich derer keine Einigung gefunden werden konnte, verweigerte (Verfahrensakten Urk. 181);

- die Staatsanwaltschaft Bischofszell mit Schlussverfügung vom 17. Juli 2012 die Herausgabe aller anlässlich der Hausdurchsuchungen vom 2. März 2011 beschlagnahmter Dokumente, mit Ausnahme jener, die am 13. Januar 2012 ausgesondert wurden, und einer Festplatte Nr. ext-157 verfügte (Verfahrensakten Urk. 264);

- A., B. AG, C. AG, D. AG und E. AG mit Eingabe vom 17. August 2012 bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts Beschwerde gegen die Schlussverfügung vom 17. Juli 2012 erhoben und gleichzeitig ein Gesuch um Anordnung vorsorglicher Massnahme stellen, wobei sie beantragen, es sei die Staatsanwaltschaft Bischofszell anzuweisen, vom Landgericht Mannheim unverzüglich den Auswertebericht EDV-Daten Schweiz/A. und zwei Beweismittelordner 5/1 und 5/2 herauszuverlangen, und es sei ein einstweiliges Beweisverwertungsverbot zu verfügen (act. 1);

- die Staatsanwaltschaft Bischofszell sowie das Bundesamt für Justiz (nachfolgend "BJ") vom Gericht aufgefordert wurden, die Beschwerde zu beantworten (vgl. separates Verfahren RR.2012.201-205) und sich zum Begehren um Anordnung vorsorglicher Massnahmen zu äussern (act. 5);

- die Gesuchsgegnerin darauf verzichtete, sich zu den beantragten vorsorglichen Massnahmen zu äussern (act. 7);

- das BJ beantragte, es sei die Gesuchsgegnerin anzuweisen, bei der ersuchenden Behörde abzuklären, ob sich auf der bereits herausgegebenen Festplatte ext-157 Dateien betreffend den Gesuchsteller 1 befinden und bis zur Klärung des Sachverhalts vorsorglich deren Verwendung zu Ermittlungs- und Beweiszwecken bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtshilfeverfahrens zu untersagen (act. 8);

- die Gesuchsteller dem Gericht ein Schreiben der Gesuchsgegnerin an die Staatsanwaltschaft Mannheim vom 18. April 2012 zukommen liessen, mit welchem jene der Staatsanwaltschaft Mannheim die anlässlich der Hausdurchsuchung bei der G. GmbH in V. im Verfahren betreffend F. […] auf der Festplatte ext-157 gesicherten Daten" zusandte (act. 1.8);

- sich auf der Festplatte ext-157 gemäss Auswertungsbericht der Kantonspolizei Thurgau vom 17. März 2011 die anlässlich der Hausdurchsuchungen vom 2. März 2011 sichergestellten Daten von A. befinden sollen (Verfahrensakten Urk. 17);

- die Landespolizeidirektion Freiburg in ihrem Schreiben an das Landgericht Mannheim vom 9. August 2012 ausführt, dass die Festplatte Nr. ext-157 bereits dem Landgericht Mannheim vorgelegt worden sei und dass sich die Festplatte in zwei Bereiche unterteile (20110302.0056 A. und 20110304.0062 F.), wobei die mit Spezialsoftware aufbereiteten Daten von A. grob ausgewertet, in einem Bericht zusammengefasst und bedeutende Dokumente ausgedruckt sowie in Beweismittelordnern 5/1 und 5/2 abgelegt worden seien; die Aufbereitung der Unterlagen F. noch nicht stattgefunden habe (act. 1.9; Verfahrensakten Urk. 274);

- vorliegend somit die Gefahr besteht, dass das Landgericht Mannheim im Strafverfahren gegen A. und F. etc. bereits Daten verwendet, welche gemäss der Schlussverfügung vom 17. Juli 2012 erst herauszugeben wären, wenn das Rechtshilfeverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist;

- gemäss Art. 56
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 56 - Nach Einreichung der Beschwerde kann die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter von Amtes wegen oder auf Begehren einer Partei andere vorsorgliche Massnahmen treffen, um den bestehenden Zustand zu erhalten oder bedrohte Interessen einstweilen sicherzustellen.
VwVG nach Einreichung der Beschwerde die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter von Amtes wegen oder auf Begehren einer Partei andere vorsorgliche Massnahmen treffen kann, um den bestehenden Zustand zu erhalten oder bedrohte Interessen einstweilen sicherzustellen;

- die Gesuchsgegnerin anzuweisen ist, innert Monatsfrist seit Zustellung dieses Zwischenentscheides bei der ersuchenden Behörde abzuklären, ob sich auf der bereits der Staatsanwaltschaft Mannheim zugestellten Festplatte ext-157 Dokumente gemäss Dispositiv Ziff. 2 der Schlussverfügung vom 17. Juli 2012 befinden;

- die Gesuchsgegnerin dafür zu sorgen hat, dass die auf der Festplatte ext-157 gespeicherten Dokumente ab sofort bis zur Klärung des Sachverhalts bzw. bis zur rechtskräftigen Erledigung des Rechtshilfeverfahrens (sofern es sich bei den Dokumenten auf der Festplatte ext-157 um solche gemäss Dispositiv Ziff. 2 der Schlussverfügung vom 17. Juli 2012 handelt) nicht als Beweismittel verwendet werden dürfen;

- das Beschwerdeverfahren (RR.2012.201-205) bis zur Klärung des Sachverhalts zu suspendieren ist;

- keine Kosten zu erheben sind.

Demnach beschliesst die Beschwerdekammer:

1. Die Gesuchsgegnerin wird angewiesen, innert Monatsfrist seit Zustellung dieses Entscheides bei der ersuchenden Behörde abzuklären, ob sich auf der bereits der Staatsanwaltschaft Mannheim zugestellten Festplatte ext-157 Dokumente gemäss Dispositiv Ziff. 2 der Schlussverfügung vom 17. Juli 2012 befinden.

2. Die Gesuchsgegnerin hat dafür zu sorgen, dass die auf der Festplatte ext 157 gespeicherten Daten im Sinne der Erwägungen ab sofort bis zur Klärung des Sachverhalts bzw. bis zur rechtskräftigen Erledigung des Rechtshilfeverfahrens nicht als Beweismittel verwendet werden.

3. Das Beschwerdeverfahren (RR.2012.201-205) wird bis zur Klärung des Sachverhalts suspendiert.

4. Es werden keine Kosten erhoben.

Bellinzona, 5. Oktober 2012

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Zustellung an

- Rechtsanwalt Daniel Holenstein

- Staatsanwaltschaft Bischofszell

- Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe

Rechtsmittelbelehrung

Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar (Art. 93 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 93 Andere Vor- und Zwischenentscheide - 1 Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
1    Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
a  wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder
b  wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.
2    Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dem Gebiet des Asyls sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.85 Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind.
3    Ist die Beschwerde nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken.
Satz 1 BGG).

Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : RP.2012.57
Datum : 05. Oktober 2012
Publiziert : 12. November 2012
Quelle : Bundesstrafgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Beschwerdekammer: Rechtshilfe
Gegenstand : Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Deutschland. Vorsorgliche Massnahmen (Art. 56 VwVG).


Gesetzesregister
BGG: 93
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 93 Andere Vor- und Zwischenentscheide - 1 Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
1    Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
a  wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder
b  wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.
2    Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dem Gebiet des Asyls sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.85 Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind.
3    Ist die Beschwerde nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken.
VwVG: 56
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG Art. 56 - Nach Einreichung der Beschwerde kann die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter von Amtes wegen oder auf Begehren einer Partei andere vorsorgliche Massnahmen treffen, um den bestehenden Zustand zu erhalten oder bedrohte Interessen einstweilen sicherzustellen.
Stichwortregister
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