Bundesstrafgericht

Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal

Geschäftsnummer: BH.2014.17

Beschluss vom 4. Dezember 2014 Beschwerdekammer

Besetzung

Bundesstrafrichter Stephan Blättler, Vorsitz, Andreas Keller und Patrick Robert-Nicoud, Gerichtsschreiber Martin Eckner

Parteien

A., Beschwerdeführer

gegen

Bundesanwaltschaft, Beschwerdegegnerin

Bezirksgericht Zürich, 10. Abteilung, Zwangsmassnahmengericht,

Vorinstanz

Gegenstand

Verlängerung der Untersuchungshaft (Art. 227 i.V.m. Art. 222 StPO)

Sachverhalt:

A. Die Zweigstelle Zürich der Bundesanwaltschaft (nachfolgend "BA") führt u. a. gegen A. eine Untersuchung u. a. wegen des Verdachts des Betrugs (Art. 146 Abs. 1 StGB), der qualifizierten Geldwäscherei (Art. 305bis Ziff. 2 lit. b und c StGB), der Veruntreuung (Art. 138 StGB) sowie der qualifizierten ungetreuen Geschäftsbesorgung (Art. 158 Ziff. 1 Abs. 3 /Ziff. 2 StGB; vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BH.2014.11 vom 8. Septem­ber 2014, lit. A).

Im Wesentlichen beschuldigt die BA eine Gruppe von Personen, darunter den Beschuldigten, u. a. des Betrugs an der E. Holding. Die E. Holding sei ein grosses Industrieunternehmen in Russland. Am Betrug namhaft mitbeteiligt sei auch zumindest eine bei und angeblich für die E. Holding wirkende Person gewesen (R.). Die E. Holding sollte um EUR 100 Mio. betrogen werden (vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BH.2014.11 vom 8. Sep­tember 2014, E. 4.2.1).

B. Das Zwangsmassnahmengericht am Bezirksgericht Zürich (nachfolgend "ZMG") versetzte den Beschuldigten mit Verfügung vom 30. Juni 2011 in Untersuchungshaft. Die Untersuchungshaft wurde seitdem mehrfach verlängert und im Rechtsmittelzug bestätigt (vgl. Beschluss des Bundesstrafgerichts BH.2014.11 vom 8. September 2014, lit. B).

C. Mit Verfügung vom 30. Oktober 2014 verlängerte das ZMG die Untersuchungshaft bis 28. Januar 2015 (act. 2).

D. Dagegen erhebt der Beschuldigte persönlich Beschwerde (act. 1). Er beantragt zusammengefasst:

· Sofortige Entlassung aus der Untersuchungshaft.

· Untersuchung der BA wegen grober Verfahrensführung.

und erhebt die folgenden Beweisanträge:

· Einvernahme des Beschuldigten als Zeuge.

· Alle notariell beglaubigten Dokumente der E. Holding zwischen 1. Januar 2010 und 15. Juni 2011 seien zu erheben und auf dem Rechtshilfeweg zu überprüfen. Die Notarin sei einzuvernehmen und ihre Siegel und Stempel seien zu überprüfen.

· Überprüfung der angeblichen Kreditverträge von der E. Holding mit Bezug auf die EUR 100 Mio.

· Gewisse Kontoauszüge seien zu erheben und gewisse Personen seien einzuvernehmen.

· Überprüfung der Aussagen des für die E. Holding handelnden R.

· Überprüfung der Überweisungen vom 4. November 2010 über EUR 999'895.-- und vom 10. Januar 2011 über EUR 12 Mio.

· Überprüfung und Erhebung sämtlicher Unterlagen eines Kundenberaters der Bank C.

· Überprüfung aller in diesem Verfahren an Schweizer Banken, Partner etc. ausgestellten russischen Dokumente.

Eingabe und Fristansetzungen wurden auch dem amtlichen Verteidiger des Beschuldigten im Hauptverfahren in Kopie zugestellt.

Das ZMG verzichtete auf eine Stellungnahme (act. 4). Die BA beantragt mit Eingabe vom 19. November 2014, die Beschwerde sei abzuweisen (act. 6). Der Beschuldigte persönlich hält mit Schreiben vom 24. November 2014 an seinen Anträgen fest (act. 7).

Auf die Ausführungen der Parteien und die eingereichten Akten wird, soweit erforderlich, in den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen Bezug genommen.

Die Beschwerdekammer zieht in Erwägung:

1.

1.1 Die verhaftete Person kann Entscheide über die Anordnung, die Verlängerung und die Aufhebung der Untersuchungs- oder Sicherheitshaft bei der Beschwerdeinstanz anfechten (Art. 222 und 393 Abs. 1 lit. c StPO). Die Zuständigkeit der Beschwerdekammer zur Beurteilung von Beschwerden gegen Entscheide kantonaler Zwangsmassnahmengerichte im Bereich der Bundesgerichtsbarkeit ergibt sich aus Art. 65 Abs. 1 und 3 i.V.m. Art. 37 Abs. 1 StBOG. Zur Beschwerde berechtigt ist, wer ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides hat (Art. 382 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 2 StPO; Guidon, Die Beschwerde gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung, Berner Diss., Zürich/St. Gallen 2011, N. 247 ff.).

Die Beschwerde gegen schriftlich oder mündlich eröffnete Entscheide ist innert zehn Tagen schriftlich und begründet einzureichen (Art. 396 Abs. 1 StPO). Mit ihr können Rechtsverletzungen gerügt werden, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, Rechtsverweigerung und Rechtsverzögerung (Art. 393 Abs. 2 lit. a StPO), sowie die unvollständige oder unrichtige Feststellung des Sachverhalts (Art. 393 Abs. 2 lit. b StPO) und die Unangemessenheit (Art. 393 Abs. 2 lit. c StPO).

1.2 Beweisanträge sind nicht Gegenstand des Haftprüfungsverfahrens; die konkreten Anträge wären zudem ohnehin deshalb unzulässig, weil sie ohne Rechtsnachteil vor dem erstinstanzlichen Gericht wiederholt werden können (vgl. Art. 394 lit. b StPO). Insoweit ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.

Die Beschwerdekammer kann sodann keine Untersuchung gegen die BA wegen grober Verfahrensführung anordnen. Auf diesen Antrag des im Hauptverfahren amtlich verteidigten Beschuldigten ist ohne Weiterungen nicht einzutreten.

1.3 Damit ist auf die Beschwerde soweit einzutreten, als sie die Entlassung des Beschuldigten aus der Untersuchungshaft beantragt.

2. Nach Art. 221 Abs. 1 StPO ist Untersuchungshaft nur zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt ist und zusätzlich einer der (besonderen) Haftgründe Fluchtgefahr (Iit. a), Kollusionsgefahr (Iit. b) oder Wiederholungsgefahr (Iit. c) vorliegt. Haft ist auch zulässig, wenn ernsthaft zu befürchten ist, eine Person werde ihre Drohung, ein schweres Verbrechen auszuführen, wahrmachen (Art. 221 Abs. 2 StPO). Wie andere Zwangsmassnahmen auch, hat die Untersuchungshaft dem Verhältnismässigkeitsprinzip zu genügen (Art. 197 Abs. 1 lit. c und d StPO). Demnach ordnet das zuständige Gericht gemäss Art. 237 Abs. 1 StPO eine oder mehrere mildere Massnahmen an, wenn sie den gleichen Zweck wie die Haft erfüllen. Zudem darf die Untersuchungshaft nicht länger dauern als die zu erwartende Freiheitsstrafe (Art. 212 Abs. 3 StPO).

3.

3.1 Der Beschuldigte bestreitet den dringenden Tatverdacht. Er legt in seiner Beschwerde dar, ohne sein Zutun in die Strafuntersuchung verstrickt worden zu sein. Er sei nur Dolmetscher des weder englisch noch deutsch sprechenden R. gewesen. Er habe ein reines Gewissen und sei getäuschtes Opfer. Andere, insbesondere der Mitbeschuldigte B., hätten die Order zu den untersuchten Überweisungen gegeben.

3.2 Vorliegend ist der dringende Tatverdacht in einer Untersuchung zu prüfen, die zahlreiche Beweismittel erhoben hat und kurz vor dem Abschluss steht.

Das Haftgericht hat bei der Überprüfung des dringenden Tatverdachts keine erschöpfende Abwägung sämtlicher belastender und entlastender Beweisergebnisse vorzunehmen. Zu prüfen ist vielmehr, ob genügend konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat und eine Beteiligung des Beschwerdeführers daran vorliegen, die Untersuchungsbehörden somit das Bestehen eines dringenden Tatverdachts mit vertretbaren Gründen bejahen durften. Im Haftprüfungsverfahren genügt der Nachweis von konkreten Verdachtsmomenten, wonach das inkriminierte Verhalten mit erheblicher Wahrscheinlichkeit die fraglichen Tatbestandsmerkmale erfüllen könnte. Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen lässt keinen Raum für ausgedehnte Beweismassnahmen. Zur Frage des dringenden Tatverdachts hat das Haftgericht weder ein eigentliches Beweisverfahren durchzuführen, noch dem erkennenden Strafgericht vorzugreifen. Vorbehalten bleibt allenfalls die Abnahme eines liquiden Alibibeweises (zum Ganzen: BGE 137 IV 122 E. 3.2/3.3; Urteil des Bundesgerichts 1B_180/2014 vom 10. Juni 2014, E. 3.3).

Die Verdachtslage unterliegt einer umso strengeren Prüfung, je weiter das Verfahren fortgeschritten ist (TPF 2010 22 E. 2.1 S. 24 f.; Beschluss des Bundesstrafgerichts BB.2011.25 vom 30. Mai 2011, E. 3.2; vgl. hierzu anschaulich Baumann, Basler Kommentar, 3. Aufl., Basel 2013, Art. 72 StGB N. 21). Nach Durchführung der in Betracht kommenden Untersuchungshandlungen muss eine Verurteilung als wahrscheinlich erscheinen. Dabei ist eine summarische Würdigung der Beweise zulässig (BGE 137 IV 122 E. 3.3; Urteil des Bundesgerichts 1B_100/2009 vom 20. März 2009, E. 3.2.2).

3.3 Wie im jüngst ergangenen Beschluss des Bundesstrafgerichts BH.2014.11 vom 8. September 2014, E. 4.2.5 und 4.5.2, dargelegt, war die Beteiligung des Beschuldigten nicht diejenige eines typischen Dolmetschers. Er erschien als tief in die Geschehnisse verstrickt. So erhielten die im Zusammenhang mit dem Beschuldigten stehenden F. Trust und J. namhafte Beträge aus den zu investierenden Geldern der E. Holding. Solche Gelder flossen auch an die Tochter des Beschuldigten. Eine Verurteilung des Beschuldigten erschien als wahrscheinlich. Wie das ZMG zutreffend entschied, besteht auch heute noch gegen den Beschuldigten der dringende Tatverdacht des Betrugs und der Geldwäscherei. Auch die vor der Beschwerdekammer gemachten Ausführungen des Beschuldigten können ihn davon nicht entlasten.

4. Der Beschuldigte macht keine spezifischen Ausführungen zu den besonderen Haftgründen oder zur Verhältnismässigkeit der Untersuchungshaft. Auch in diesem Punkt sind die Darlegungen des ZMG jedenfalls zutreffend.

5. Insgesamt gehen die erhobenen Rügen fehl. Soweit auf die Beschwerde überhaupt einzutreten ist, ist sie daher abzuweisen.

6. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der unterliegende Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 428 Abs. 1 StPO). Die unter den vorliegenden Umständen zu erhebende Gerichtsgebühr ist auf Fr. 1'500.-- festzusetzen (Art. 73 StBOG i.V.m. Art. 5 und 8 Abs. 2 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren [BStKR, SR 173.713.162]).

Demnach erkennt die Beschwerdekammer:

1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

2. Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

Bellinzona, 4. Dezember 2014

Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Zustellung an

- A.

sowie je unter Beilage einer Kopie von act. 7 an

- Zwangsmassnahmengericht

- Bundesanwaltschaft

- Rechtsanwalt Adrian Ramsauer

Rechtsmittelbelehrung

Gegen Entscheide der Beschwerdekammer über Zwangsmassnahmen kann innert 30 Tagen nach der Eröffnung der vollständigen Ausfertigung beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden (Art. 79 und 100 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005; BGG). Das Verfahren richtet sich nach den Artikeln 90 ff. BGG.

Eine Beschwerde hemmt den Vollzug des angefochtenen Entscheides nur, wenn der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin es anordnet (Art. 103 BGG).
Informazioni decisione   •   DEFRITEN
Documento : BH.2014.17
Data : 04. dicembre 2014
Pubblicato : 16. dicembre 2014
Sorgente : Tribunale penale federale
Stato : Inedito
Ramo giuridico : Corte dei reclami penali: procedimenti penali
Oggetto : Verlängerung der Untersuchungshaft (Art. 227 i.V.m. Art. 222 StPO).


Registro di legislazione
CP: 72  138  146  158  305bis
CPP: 105  197  212  221  222  227  237  382  393  394  396  428
LOAP: 37  65  73
LTF: 103
Registro DTF
137-IV-122
Weitere Urteile ab 2000
1B_100/2009 • 1B_180/2014
Parole chiave
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