2A.14/2004
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2A.14/2004 /leb
Urteil vom 4. Juni 2004
II. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Merkli,
Gerichtsschreiberin Diarra.
Parteien
A.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Ernst Kistler,
gegen
Migrationsamt des Kantons Aargau,
Bahnhofstrasse 86/88, Postfach, 5001 Aarau,
Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau, Bahnhofstrasse 70, Postfach, 5001 Aarau.
Gegenstand
Aufrechterhaltung bzw. Erlöschen der Niederlassungsbewilligung,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Rekursgerichts im Ausländerrecht des Kantons Aargau vom 28. November 2003.
Sachverhalt:
A.
A.________, geboren am **. ** 1949, libanesischer und uruguayischer Staatsangehöriger, reiste am 14. Juni 1978 in die Schweiz ein, erhielt im Kanton Aargau eine Aufenthaltsbewilligung, die regelmässig verlängert wurde, und arbeitete bei einem international tätigen schweizerischen Unternehmen. Nach einem längeren beruflichen Aufenthalt in Uruguay kehrte der inzwischen verheiratete A.________ mit seiner uruguayischen Ehefrau und seinen beiden Töchtern am 6. Juli 1987 wieder in die Schweiz zurück. Am 9 Januar 1990 wurde A.________ die Niederlassungsbewilligung erteilt. Die Ehefrau meldete sich und die inzwischen drei gemeinsamen Töchter am 20. Februar 1990 bei der damaligen Wohngemeinde X.________ ab und reiste gemeinsam mit den Kindern nach Uruguay.
B.
Am 27. Mai 1999 erlitt A.________ in Saudi-Arabien, wo er damals stationiert war, zusammen mit seiner Familie einen schweren Autounfall und befindet sich seither im Koma. Nachdem er (nach Entlassung aus dem Militärspital in Riyad) vom 14. Februar bis 13. April 2000 in der Y.________-Klinik in Z.________ gepflegt worden war, überführte ihn sein Bruder ins Centre Hospitalier de Bhannès in Beirut (Libanon). Am 21. Mai 2001 verlangte der von der Ehefrau von A.________ beauftragte Rechtsvertreter Informationen über den fremdenpolizeilichen Aufenthaltsstatus des Betroffenen. Mit Schreiben vom 15. August 2001 teilte die Fremdenpolizei des Kantons Aargau mit, die Niederlassungsbewilligung von A.________ sei erloschen. Nach weiterer Korrespondenz wies das Migrationsamt des Kantons Aargau, Sektion Aufenthalt, am 8. Januar 2003 mangels gehöriger Bevollmächtigung des Rechtsvertreters durch A.________ sämtliche Begehren betreffend Anerkennung oder Wiedererteilung eines Aufenthaltsrechtes ab, soweit es darauf eintrat.
C.
Das Migrationsamt (Rechtsdienst) des Kantons Aargau hiess die dagegen eingereichte Einsprache mit Entscheid vom 6. Januar 2003 teilweise gut (Anerkennung der Vertretungsbefugnis der Ehefrau) und stellte unter anderem fest, dass die Niederlassungsbewilligung von A.________ erloschen sei. Soweit mehr oder anderes verlangt wurde, wies es die Einsprache ab, soweit es darauf eintrat.
D.
Gegen den Einspracheentscheid erhob der Rechtsvertreter im Namen von A.________ erfolglos Beschwerde an das Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau mit dem Antrag, den Entscheid aufzuheben und A.________ die Niederlassungsbewilligung zu erteilen. In den Erwägungen seines Urteils vom 28. November 2003 stellte das Rekursgericht zugleich fest, dass die aargauischen Behörden für die Behandlung des allfälligen Gesuches um Erteilung einer neuen Anwesenheitsbewilligung örtlich nicht zuständig seien.
E.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht vom 8. Januar 2004 beantragt der Rechtsvertreter, das Urteil des Rekursgerichts vom 28. November 2003 aufzuheben und die Niederlassungsbewilligung aufrecht zu erhalten, eventualiter wieder zu erteilen. Zur Begründung wird ausgeführt, A.________ sei von seinem Bruder ohne Zustimmung der Ehefrau in ein Spital in Beirut überführt worden. Die Ehefrau möchte, dass ihr Ehegatte wieder in einer Klinik in der Schweiz gepflegt werde, da einerseits hier die Voraussetzungen für eine Genesung besser wären und andererseits der Betroffene von seiner Ehegattin und seinen Kindern in der Schweiz leichter besucht werden könnte.
Das Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Gegenstand des Verfahrens vor Bundesgericht bildet einzig die Frage, ob das Erlöschen der Niederlassungsbewilligung zu Recht festgestellt wurde. Gemäss Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3


1.2 Soweit indessen subsidiär um Erteilung einer neuen Niederlassungsbewilligung ersucht wird, kann darauf schon mangels eines Rechtsanspruches auf Erteilung einer Anwesenheitsbewilligung (Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3

1.3 Auf die Ausführungen in der Beschwerdeschrift bezüglich der Befugnis der Ehefrau zur Prozessführung für den im Koma liegenden Ehemann bzw. zur Frage des Vorliegens einer gültigen Vollmacht braucht nicht weiter eingegangen zu werden, nachdem die Vorinstanz auf die bei ihr eingereichte Beschwerde eingetreten ist und die Frage für das Bundesgericht im Hinblick auf den Ausgang des Verfahrens offen bleiben kann.
1.4 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung und Missbrauch des Ermessens, sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 104 lit. a



2.
2.1 Gemäss Art. 9 Abs. 3 lit. c

Lebensmittelpunkt verlegt hat bzw. verlegen wollte oder von Beginn an vorgesehen hatte, in die Schweiz zurückzukehren. Die Niederlassungsbewilligung erlischt somit auch etwa dann, wenn sich der Ausländer im Ausland in Haft befindet (Urteile 2A.365/1999 vom 10. Dezember 1999 E. 2a, 2A. 412/1996 vom 6. Dezember 1996 E. 2a, 2A.156/1996 vom 13. Mai 1996 E. 2b und 2A.141/1994 vom 14. Oktober 1994 E. 2a; vgl. auch Peter Kottusch, Die Niederlassungsbewilligung gemäss Art. 6

2.2 Der Beschwerdeführer, der sich seit seinem Unfall im Koma befindet und offenbar schon bis zu seinem Eintritt in die REHAB-Klinik in Basel am 14. Februar 2000 über acht Monate ausser Landes geweilt hatte, wurde am 13. April 2000 in den Libanon überführt und kehrte bis heute nicht in die Schweiz zurück. Seine Niederlassungsbewilligung dürfte daher bereits wegen mehr als sechs Monate dauernden Auslandsaufenthaltes untergegangen sein. Inwieweit allenfalls im Hinblick auf die Handlungsunfähigkeit des Beschwerdeführers auf ein nachträgliches Verlängerungsgesuch hätte eingetreten werden müssen, bedarf keiner weiteren Abklärung. Die maximale Zweijahresfrist ist inzwischen, selbst wenn für die Berechnung vom Datum der Ausreise aus der Y.________-Klinik in Z.________ nach Beirut als letztmöglichem Zeitpunkt ausgegangen wird, klarerweise überschritten. Die Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers ist folglich spätestens am 13. April 2002 aufgrund seines zweijährigen ununterbrochenen Aufenthalts im Ausland erloschen.
3.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1



Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsamt und dem Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons Aargau sowie dem Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 4. Juni 2004
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Registro DTF
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