[AZA]
P 64/99 Gi

III. Kammer

Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer;
Gerichtsschreiber Schäuble

Urteil vom 4. Mai 2000

in Sachen

Ausgleichskasse des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, Zuch-
wil, Beschwerdeführerin,

gegen

C.________, 1943, Beschwerdegegner, vertreten durch die
I.________ AG,

und

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn

A.- Mit Verfügung vom 6. Oktober 1998 wies die Aus-
gleichskasse des Kantons Solothurn das Gesuch des 1943 ge-
borenen C.________, Bezüger einer halben Invalidenrente, um
Ergänzungsleistungen mit Wirkung ab 1. Juni 1998 ab, da das
anrechenbare Einkommen die Ausgaben um Fr. 5631.- über-
steige. Dabei berücksichtigte sie unter anderem ein hypo-
thetisches Erwerbseinkommen von Fr. 16'290.-.
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versi-
cherungsgericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom
15. September 1999 teilweise gut, indem es die angefochtene
Verfügung aufhob und die Sache an die Ausgleichskasse zu-
rückwies, damit sie nach erfolgter Neuberechnung im Sinne
der Erwägungen über den Anspruch auf Ergänzungsleistungen
neu befinde. Es erwog, dass im vorliegenden Fall von der
Anrechnung eines hypothetischen Einkommens abzusehen sei
und allenfalls auch die vom Versicherten geltend gemachten
Mietnebenkosten zu berücksichtigen seien.

C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die
Ausgleichskasse, in Aufhebung des vorinstanzlichen Ent-
scheides sei ihre Verfügung vom 6. Oktober 1998 zu bestäti-
gen.
Der Versicherte lässt Antrag auf Abweisung der Verwal-
tungsgerichtsbeschwerde und Zusprechung von Ergänzungsleis-
tungen ab Juni 1998 ohne Annahme eines hypothetischen Ein-
kommens stellen. Bei der vorzunehmenden Neuberechnung seien
ferner die effektiven Einnahmen aus der beruflichen Vorsor-
ge zu berücksichtigen. Das Bundesamt für Sozialversicherung
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.- Streitig ist aufgrund des Antrages in der Verwal-
tungsgerichtsbeschwerde einzig die Frage, ob der Berechnung
der Ergänzungsleistung ein hypothetisches Erwerbseinkommen
zugrundezulegen ist.

2.- Die Vorinstanz hat die vorliegend massgebende Ver-
ordnungsbestimmung des Art. 14a Abs. 2
SR 831.301 Verordnung vom 15. Januar 1971 über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELV)
ELV Art. 14a Anrechnung des Erwerbseinkommens bei Teilinvaliden - 1 Invaliden wird als Erwerbseinkommen grundsätzlich der Betrag angerechnet, den sie im massgebenden Zeitabschnitt tatsächlich verdient haben.
1    Invaliden wird als Erwerbseinkommen grundsätzlich der Betrag angerechnet, den sie im massgebenden Zeitabschnitt tatsächlich verdient haben.
2    Invaliden unter 60 Jahren ist als Erwerbseinkommen jedoch mindestens anzurechnen:
a  der um einen Drittel erhöhte Höchstbetrag für den Lebensbedarf von Alleinstehenden nach Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer 1 ELG bei einem Invaliditätsgrad von 40 bis unter 50 Prozent;
b  der Höchstbetrag für den Lebensbedarf nach Buchstabe a bei einem Invaliditätsgrad von 50 bis unter 60 Prozent;
c  zwei Drittel des Höchstbetrages für den Lebensbedarf nach Buchstabe a bei einem Invaliditätsgrad von 60 bis unter 70 Prozent.47
3    Absatz 2 ist nicht anwendbar, wenn:
a  die Invalidität von Nichterwerbstätigen aufgrund von Artikel 28a Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 195949 über die Invalidenversicherung (IVG) festgelegt wurde; oder
b  der Invalide in einer Werkstätte im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 200650 über die Institutionen zur Förderung der Eingliederung von invaliden Personen (IFEG) arbeitet.51
ELV über die Anrech-
nung von hypothetischen Erwerbseinkommen bei Teilinvaliden
sowie die hiezu ergangene Rechtsprechung zutreffend darge-
legt. Darauf kann verwiesen werden.
Zu wiederholen ist, dass bei der Prüfung der Frage, ob
dem teilinvaliden Versicherten die Ausübung einer Tätigkeit
in grundsätzlicher wie masslicher Hinsicht möglich und zu-
mutbar ist, entsprechend der Zielsetzung der Ergänzungs-
leistungen, sämtliche Verumständungen zu berücksichtigen
sind, welche die Realisierung eines Einkommens verhindern
oder erschweren, wie Alter, mangelnde Ausbildung oder
Sprachkenntnisse, aber auch persönliche Umstände, die es
dem Leistungsansprecher verunmöglichen, seine verbliebene
Erwerbsfähigkeit in zumutbarer Weise auszunützen (BGE 117 V
156
Erw. 2c und 204 Erw. 2a).

3.- Im Lichte dieser Rechtsprechung ist nicht zu bean-
standen, dass die Vorinstanz zum Schluss gelangt ist, dass
der Versicherte, der seit Anfang Mai 1998 bei der Arbeits-
losenversicherung ausgesteuert ist, aus invaliditätsfremden
Gründen ausserstande sei, die ihm verbliebene theoretische
Resterwerbsfähigkeit von 50 % tatsächlich zu verwerten bzw.
wirtschaftlich zu nutzen. Der Beschwerdegegner, der für die
Zeit von Dezember 1997 bis April 1998 zahlreiche erfolglose
Arbeitsbemühungen nachweist, hat in rechtsgenügender Weise
glaubhaft gemacht, dass er vorab angesichts seines Alters,
seiner fehlenden Ausbildung, der mangelnden Sprachkenntnis-
se und der Dauer der Abwesenheit vom Berufsleben keine zu-
mutbare Arbeit finden kann. Eine schwierige Vermittelbar-
keit auf dem Arbeitsmarkt wurde denn auch bereits in der
Abschlussqualifikation durch die Beschäftigungswerkstätte
O.________ im Mai 1996 prognostiziert.
Nicht stichhaltig ist der Einwand der Beschwerdeführe-
rin, der Versicherte habe für den Zeitraum ab 1. Juni 1998,
ab welchem er Ergänzungsleistungen beansprucht, keinen
Nachweis erbracht, dass er sich darum bemüht habe, die ihm
verbliebene Resterwerbsfähigkeit zu verwerten. Wäre, wie
die Ausgleichskasse zu meinen scheint, der Beschwerdegegner
nicht arbeitswillig und seine Stellenlosigkeit auf schlech-
ten Willen zurückzuführen, wäre es im vierjährigen Verlauf
des Taggeldbezuges bei der Arbeitslosenversicherung mit Si-
cherheit zu Einstellungen oder gar zur Verneinung der Ver-
mittlungsfähigkeit im Sinne der Vermittlungsbereitschaft
gekommen. Nichts weist in den Akten in diese Richtung. Die
Ausgleichskasse macht in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
auch keine entsprechenden Einwände. Damit muss es bei der
vorinstanzlich entschiedenen Nichtanrechnung hypothetischen
Erwerbseinkommens sein Bewenden haben.
Die Sache geht daher gemäss vorinstanzlichem Entscheid
an die Beschwerdeführerin zurück, damit sie das anrechenba-
re Einkommen neu ermittle und über den Anspruch des Versi-
cherten auf Ergänzungsleistungen mit Wirkung ab 1. Juni
1998 neu verfüge. Dabei wird sie auch über eine allfällige
Anrechnung der geltend gemachten Mietnebenkosten zu befin-
den haben. Ebenso wird sie prüfen müssen, wie es sich hin-
sichtlich der Vorbringen in der Vernehmlassung zur Verwal-
tungsgerichtsbeschwerde betreffend Einnahmen aus der beruf-
lichen Vorsorge verhält (vgl. zur Zulässigkeit dieser Vor-
bringen BGE 106 V 249 und ZAK 1986 S. 298 Erw. 1).

4.- Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134
SR 831.301 Verordnung vom 15. Januar 1971 über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELV)
ELV Art. 14a Anrechnung des Erwerbseinkommens bei Teilinvaliden - 1 Invaliden wird als Erwerbseinkommen grundsätzlich der Betrag angerechnet, den sie im massgebenden Zeitabschnitt tatsächlich verdient haben.
1    Invaliden wird als Erwerbseinkommen grundsätzlich der Betrag angerechnet, den sie im massgebenden Zeitabschnitt tatsächlich verdient haben.
2    Invaliden unter 60 Jahren ist als Erwerbseinkommen jedoch mindestens anzurechnen:
a  der um einen Drittel erhöhte Höchstbetrag für den Lebensbedarf von Alleinstehenden nach Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer 1 ELG bei einem Invaliditätsgrad von 40 bis unter 50 Prozent;
b  der Höchstbetrag für den Lebensbedarf nach Buchstabe a bei einem Invaliditätsgrad von 50 bis unter 60 Prozent;
c  zwei Drittel des Höchstbetrages für den Lebensbedarf nach Buchstabe a bei einem Invaliditätsgrad von 60 bis unter 70 Prozent.47
3    Absatz 2 ist nicht anwendbar, wenn:
a  die Invalidität von Nichterwerbstätigen aufgrund von Artikel 28a Absatz 2 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 195949 über die Invalidenversicherung (IVG) festgelegt wurde; oder
b  der Invalide in einer Werkstätte im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 200650 über die Institutionen zur Förderung der Eingliederung von invaliden Personen (IFEG) arbeitet.51
OG). Dem
Prozessausgang entsprechend hat der durch die I._______ AG,
qualifiziert vertretene Beschwerdegegner Anspruch auf eine
Parteientschädigung, da die diesbezügliche Rechtsprechung
bei einer Vertretung durch den Schweizerischen Invaliden-
verband (BGE 122 V 278 Erw. 3) oder durch den Rechtsdienst
für Behinderte der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft zur
Eingliederung Behinderter (SAEB; SVR 1997 IV Nr. 110 S. 341
Erw. 3) auf die Vertretung durch die genannte Gesellschaft
analog anzuwenden ist.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III.Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner für
das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsge-
richt eine Parteientschädigung von Fr. 2000.- zu be-
zahlen.

IV.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsge-
richt des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für So-
zialversicherung zugestellt.

Luzern, 4. Mai 2000

Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der III. Kammer:

Der Gerichtsschreiber:
Decision information   •   DEFRITEN
Document : P_64/99
Date : 04. Mai 2000
Published : 22. Mai 2000
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Ergänzungsleistungen
Subject : -


Legislation register
ELV: 14a
OG: 134
BGE-register
106-V-247 • 117-V-153 • 122-V-278
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P_64/99
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