Bundesstrafgericht
Tribunal pénal fédéral Tribunale penale federale Tribunal penal federal
Geschäftsnummer: RP.2016.13
Zwischenentscheid vom 4. April 2016 Beschwerdekammer
Besetzung
Bundesstrafrichter Andreas J. Keller, Instruktionsrichter, Gerichtsschreiber Stefan Graf
Parteien
A. sa, vertreten durch Rechtsanwalt Edy Salmina,
Gesuchstellerin
gegen
Bundesanwaltschaft,
Gesuchsgegnerin
Gegenstand
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Brasilien
Herausgabe von Beweismitteln (Art. 74
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz IRSG Art. 74 Herausgabe von Beweismitteln - 1 Gegenstände, Schriftstücke oder Vermögenswerte, die zu Beweiszwecken beschlagnahmt wurden, sowie Akten und Entscheide werden der zuständigen ausländischen Behörde auf deren Ersuchen nach Abschluss des Rechtshilfeverfahrens (Art. 80d) zur Verfügung gestellt. |
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1 | Gegenstände, Schriftstücke oder Vermögenswerte, die zu Beweiszwecken beschlagnahmt wurden, sowie Akten und Entscheide werden der zuständigen ausländischen Behörde auf deren Ersuchen nach Abschluss des Rechtshilfeverfahrens (Art. 80d) zur Verfügung gestellt. |
2 | Macht ein Dritter, der gutgläubig Rechte erworben hat, eine Behörde oder der Geschädigte, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hat, Rechte an den Gegenständen, Schriftstücken oder Vermögenswerten nach Absatz 1 geltend, so werden diese nur herausgegeben, wenn der ersuchende Staat deren kostenlose Rückgabe nach Abschluss seines Verfahrens zusichert. |
3 | Die Herausgabe kann aufgeschoben werden, solange die Gegenstände, Schriftstücke oder Vermögenswerte für ein in der Schweiz hängiges Strafverfahren benötigt werden. |
4 | Für die fiskalischen Pfandrechte gilt Artikel 60. |
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Art. 56 - Nach Einreichung der Beschwerde kann die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter von Amtes wegen oder auf Begehren einer Partei andere vorsorgliche Massnahmen treffen, um den bestehenden Zustand zu erhalten oder bedrohte Interessen einstweilen sicherzustellen. |
Der Instruktionsrichter hält fest, dass:
- die Beschwerdekammer in ihrem Entscheid RR.2015.236 vom 20. Januar 2016 zum Schluss kam, dass die Herausgabe von Unterlagen betreffend ein auf die A. SA lautendes Bankkonto im Rahmen eines aktiven Ersuchens um internationale Rechtshilfe durch die Bundesanwaltschaft an brasilianische Strafbehörden eine Form der verpönten «entraide sauvage» darstelle (vgl. dort E. 5.5);
- die Bundesanwaltschaft diesbezüglich angewiesen wurde, ein nachträgliches Rechtshilfeverfahren durchzuführen, in dessen Rahmen das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen der gewährten Rechtshilfe zu überprüfen ist;
- die Bundesanwaltschaft mit partieller Schlussverfügung vom 29. Februar 2016 u. a. die Herausgabe der Unterlagen zur auf die A. SA lautenden Kontobeziehung Nr. 1 bei der Bank B. an die ersuchende brasilianische Behörde anordnete (RR.2016.60, act. 1.1);
- die A. SA hiergegen am 31. März 2016 bei der Beschwerdekammer Beschwerde erhob (RR.2016.60, act. 1);
- sie mit separater Eingabe vom 1. April 2016 in verfahrensrechtlicher Hinsicht folgenden Antrag stellt: «E' fatto ordine al Ministero pubblico della Confederazione (MPC) e/o all'Ufficio federale della Giustizia di comunicare all'Autorità brasiliana richiedente che la documentazione di A. SA di cui al ricorso 31.03.2016 rispettivamente delle procedure RR.2015.236 e RP.2015.45 del Tribunale penale federale non può in alcun modo essere utilizzata fino alla definizione della pendente procedura ricorsuale»;
- die Beschwerdekammer den Parteien im Rahmen der Eingangsanzeige mitteilte, die Beschwerde habe aufschiebende Wirkung, soweit die angefochtene Verfügung Unterlagen betreffe, die noch nicht an die brasilianischen Behörden herausgegeben worden seien (RR.2016.60, act. 2).
Der Instruktionsrichter zieht in Erwägung, dass:
- auf Beschwerdeverfahren in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten die Bestimmungen des VwVG anwendbar sind (Art. 39 Abs. 2 lit. b
SR 173.71 Bundesgesetz vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG) - Strafbehördenorganisationsgesetz StBOG Art. 39 Grundsatz - 1 Das Verfahren vor den Kammern des Bundesstrafgerichts richtet sich nach der StPO25 und nach diesem Gesetz. |
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1 | Das Verfahren vor den Kammern des Bundesstrafgerichts richtet sich nach der StPO25 und nach diesem Gesetz. |
2 | Ausgenommen sind Fälle nach: |
a | den Artikeln 35 Absatz 2 und 37 Absatz 2 Buchstabe b; auf sie ist das Bundesgesetz vom 22. März 197426 über das Verwaltungsstrafrecht anwendbar; |
b | Artikel 37 Absatz 2 Buchstabe a; auf sie sind das Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 196827 sowie die Bestimmungen der einschlägigen Rechtshilfeerlasse anwendbar; |
c | Artikel 37 Absatz 2 Buchstabe c; auf sie sind das Bundespersonalgesetz vom 24. März 200028 und das Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 1968 anwendbar; |
d | Artikel 37 Absatz 2 Buchstaben e-g; auf sie ist das Verwaltungsverfahrensgesetz anwendbar.29 |
SR 173.71 Bundesgesetz vom 19. März 2010 über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (Strafbehördenorganisationsgesetz, StBOG) - Strafbehördenorganisationsgesetz StBOG Art. 37 Zuständigkeiten - 1 Die Beschwerdekammern des Bundesstrafgerichts treffen die Entscheide, für welche die StPO13 die Beschwerdeinstanz oder das Bundesstrafgericht als zuständig bezeichnet. |
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1 | Die Beschwerdekammern des Bundesstrafgerichts treffen die Entscheide, für welche die StPO13 die Beschwerdeinstanz oder das Bundesstrafgericht als zuständig bezeichnet. |
2 | Sie entscheiden zudem über: |
a | Beschwerden in internationalen Rechtshilfeangelegenheiten gemäss: |
a1 | dem Rechtshilfegesetz vom 20. März 198114, |
a2 | dem Bundesgesetz vom 21. Dezember 199515 über die Zusammenarbeit mit den internationalen Gerichten zur Verfolgung schwerwiegender Verletzungen des humanitären Völkerrechts, |
a3 | dem Bundesgesetz vom 22. Juni 200116 über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof, |
a4 | dem Bundesgesetz vom 3. Oktober 197517 zum Staatsvertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen; |
b | Beschwerden, die ihnen das Bundesgesetz vom 22. März 197418 über das Verwaltungsstrafrecht zuweist; |
c | Beschwerden gegen Verfügungen des Bundesverwaltungsgerichts über das Arbeitsverhältnis seiner Richter und Richterinnen und seines Personals sowie des Personals der ständigen Sekretariate der eidgenössischen Schätzungskommissionen; |
d | Konflikte über die Zuständigkeit der militärischen und der zivilen Gerichtsbarkeit; |
e | Anstände, die ihnen das Bundesgesetz vom 21. März 199720 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit zum Entscheid zuweist; |
f | Anstände, die ihnen das Bundesgesetz vom 7. Oktober 199421 über kriminalpolizeiliche Zentralstellen des Bundes zum Entscheid zuweist; |
g | Konflikte über die Zuständigkeit nach dem Geldspielgesetz vom 29. September 201723. |
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz IRSG Art. 12 Im Allgemeinen - 1 Wenn dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, wenden die Bundesverwaltungsbehörden das Bundesgesetz vom 20. Dezember 196843 über das Verwaltungsverfahren, die kantonalen Behörden die für sie geltenden Vorschriften sinngemäss an. Für Prozesshandlungen gilt das in Strafsachen massgebende Verfahrensrecht. |
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1 | Wenn dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, wenden die Bundesverwaltungsbehörden das Bundesgesetz vom 20. Dezember 196843 über das Verwaltungsverfahren, die kantonalen Behörden die für sie geltenden Vorschriften sinngemäss an. Für Prozesshandlungen gilt das in Strafsachen massgebende Verfahrensrecht. |
2 | Die kantonalen und eidgenössischen Bestimmungen über den Stillstand von Fristen gelten nicht.44 |
- die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter nach Einreichung der Beschwerde von Amtes wegen oder auf Begehren einer Partei andere vorsorgliche Massnahmen treffen kann, um den bestehenden Zustand zu erhalten oder bedrohte Interessen einstweilen sicherzustellen (Art. 56
SR 172.021 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG) - Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Art. 56 - Nach Einreichung der Beschwerde kann die Beschwerdeinstanz, ihr Vorsitzender oder der Instruktionsrichter von Amtes wegen oder auf Begehren einer Partei andere vorsorgliche Massnahmen treffen, um den bestehenden Zustand zu erhalten oder bedrohte Interessen einstweilen sicherzustellen. |
- die Beschwerdekammer sich bereits in E. 6 des erwähnten Entscheides vom 20. Januar 2016 zu den Konsequenzen der teilweisen Gutheissung der Beschwerde geäussert hat;
- eine Verletzung von Art. 67a
SR 351.1 Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG) - Rechtshilfegesetz IRSG Art. 67a Unaufgeforderte Übermittlung von Beweismitteln und Informationen - 1 Eine Strafverfolgungsbehörde kann Beweismittel, die sie für ihre eigene Strafuntersuchung erhoben hat, unaufgefordert an eine ausländische Strafverfolgungsbehörde übermitteln, wenn diese Übermittlung aus ihrer Sicht geeignet ist: |
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1 | Eine Strafverfolgungsbehörde kann Beweismittel, die sie für ihre eigene Strafuntersuchung erhoben hat, unaufgefordert an eine ausländische Strafverfolgungsbehörde übermitteln, wenn diese Übermittlung aus ihrer Sicht geeignet ist: |
a | ein Strafverfahren einzuleiten; oder |
b | eine hängige Strafuntersuchung zu erleichtern. |
2 | Die Übermittlung nach Absatz 1 hat keine Einwirkung auf das in der Schweiz hängige Strafverfahren. |
3 | Die Übermittlung von Beweismitteln an einen Staat, mit dem keine staatsvertragliche Vereinbarung besteht, bedarf der Zustimmung des BJ. |
4 | Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für Beweismittel, die den Geheimbereich betreffen. |
5 | Informationen, die den Geheimbereich betreffen, können übermittelt werden, wenn sie geeignet sind, dem ausländischen Staat zu ermöglichen, ein Rechtshilfeersuchen an die Schweiz zu stellen. |
6 | Jede unaufgeforderte Übermittlung ist in einem Protokoll festzuhalten. |
- freilich keine grundsätzliche Verpflichtung des ersuchenden Staates besteht, in diesem Sinne zu kooperieren, da er nicht für fehlerhafte Handlungen der Schweizer Behörden einzustehen hat;
- sich das Ergreifen einer solchen Massnahme als überflüssig erweist, wenn die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung der Rechtshilfe erfüllt sind bzw. wenn sich deren Erfüllung bald abzeichnet (vgl. zum Ganzen den Entscheid des Bundesstrafgerichts RR.2015.236 vom 20. Januar 2016, E. 6.2 m.w.H.);
- die Rückforderung der übermittelten Beweismittel bzw. eine Aufforderung zu deren Nichtbeachtung angesichts dieser Voraussetzungen erst Sinn macht, wenn das Rechtshilfeverfahren ergibt, dass die materiellen Voraussetzungen der Rechtshilfe nicht erfüllt sind;
- demzufolge mit dem vorliegenden Rechtshilfeverfahren nachträglich zu überprüfen war bzw. ist, ob die materiellen Voraussetzungen für die (verfrüht) erfolgte Herausgabe von Beweismitteln erfüllt sind;
- der festgestellte Mangel geheilt wäre, wenn dies bejaht werden kann;
- es demgegenüber am BJ läge, gegenüber den brasilianischen Behörden die notwendigen Schritte einzuleiten, wenn – und nur dann – das Ergebnis der nachträglichen Überprüfung negativ ausfallen würde;
- das vorliegende Gesuch daher abzuweisen ist, soweit damit bereits zum jetzigen Zeitpunkt die sofortige Nichtbeachtung der bereits herausgegebenen Beweismittel durch die brasilianischen Behörden verlangt wird;
- die Kosten dieses Entscheids bei der Hauptsache verbleiben;
und erkennt:
1. Das Gesuch wird abgewiesen.
2. Die Kosten des vorliegenden Entscheids verbleiben bei der Hauptsache.
Bellinzona, 4. April 2016
Im Namen der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts
Der Instruktionsrichter: Der Gerichtsschreiber:
Zustellung an
- Rechtsanwalt Edy Salmina
- Bundesanwaltschaft
- Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe
Rechtsmittelbelehrung
Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar (Art. 93 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 93 Andere Vor- und Zwischenentscheide - 1 Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig: |
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1 | Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig: |
a | wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder |
b | wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde. |
2 | Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dem Gebiet des Asyls sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.85 Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind. |
3 | Ist die Beschwerde nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken. |