Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 1/2}

1C 10/2014

Urteil vom 4. April 2014

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Karlen, Eusebio, Chaix,
Gerichtsschreiber Störi.

Verfahrensbeteiligte
1. Piratenpartei Zentralschweiz,
handelnd durch Florian Mauchle,
2. Florian Mauchle,
3. Stefan Thöni,
Beschwerdeführer,

gegen

Regierungsrat des Kantons Zug, Regierungsgebäude am Postplatz, Seestrasse 2, Postfach 156, 6301 Zug.

Gegenstand
Änderung vom 2. Mai 2013 des Gesetzes über die Wahlen und Abstimmungen des Kantons Zug,

Beschwerde gegen die Änderung des Gesetzes über die Wahlen und Abstimmungen des Kantons Zug des Kantonsrats des Kantons Zug vom 2. Mai 2013.

Sachverhalt:

A.
Am 2. Mai 2013 ordnete der Zuger Kantonsrat die Wahlen für das Kantonsparlament neu. Schwerpunkt der Revision war die Einführung der doppeltproportionalen Methode "Doppelter Pukelsheim" für die Sitzverteilung. Dazu änderte der Kantonsrat die §§ 38 und 78 der Verfassung des Kantons Zug sowie verschiedene Bestimmungen des Wahl- und Abstimmungsgesetzes (WAG). In § 52c Abs. 3 WAG führte er Sperrklauseln ein. Danach benötigt eine Listengruppe 5 % aller Parteistimmen in einem Wahlkreis oder 3 % im gesamten Kanton, um an der Sitzverteilung teilzunehmen.

Am 9. Juli 2013 stellte der Regierungsrat fest, dass gegen die Änderungen des WAG kein Referendum ergriffen worden sei und ordnete die Aufnahme der Gesetzesänderung in die kantonale Gesetzessammlung an. Dieser Erwahrungsbeschluss wurde am 12. Juli 2013 im Amtsblatt veröffentlicht; er enthielt die Belehrung, dass die Gesetzesänderungen innert 30 Tagen beim Bundesgericht angefochten werden können, wobei die Rechtsmittelfrist am Tag nach der Publikation im Amtsblatt zu laufen beginne, und den Hinweis, dass die Erlasse bei der Staatskanzlei bezogen werden könnten.

Am 22. September 2013 nahmen die Stimmberechtigten des Kantons Zug die Verfassungsänderung betreffend "neue Sitzzuteilung im Kantonsrat" an. Die Verfassungsänderung wurde auf den 2. November 2013 in Kraft gesetzt.

Am 17. Dezember 2013 setzte der Regierungsrat die Änderungen des WAG vom 2. Mai 2013 auf den 1. Januar 2014 in Kraft. Der Beschluss wurde im Amtsblatt vom 20. Dezember 2013 publiziert.

B.
Am 10. Januar 2014 erhoben die Piratenpartei Zentralschweiz, Florian Mauchle und Stefan Thöni beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sowie subsidiäre Verfassungsbeschwerde. Sie beantragen, § 52c Abs. 3 WAG sowie das Wahlergebnis der Gesamterneuerungswahlen 2014 für den Zuger Kantonsrat aufzuheben und die Wahl neu anzusetzen, falls die Wahl vor dem Ergehen des Bundesgerichtsurteils in dieser Sache stattgefunden habe. Eventualiter sei die Sitzverteilung der Gesamterneuerungswahlen 2014 für den Kantonsrat aufzuheben und neu zu berechnen, falls die Sitze bei Ergehen des bundesgerichtlichen Entscheids bereits verteilt worden sein sollten. Sollten in diesem Zeitpunkt die Wahlunterlagen verschickt sein, sei der Wahlgang abzubrechen und neu anzusetzen.

C.
Die Direktion des Innern beantragt in ihrer Vernehmlassung, auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und die Verfassungsbeschwerde nicht einzutreten oder sie eventuell abzuweisen. Der Kantonsrat beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten oder sie eventuell abzuweisen. Subeventuell sei eine Aufhebung von § 52c Abs. 3 WAG erst nach der Durchführung der Gesamterneuerungswahlen 2014 wirksam werden zu lassen. In prozessualer Hinsicht beantragt der Kantonsrat, das Urteil des Bundesgerichts zunächst lediglich im Dispositiv zuzustellen.

In ihrer Replik halten die Piratenpartei Zentralschweiz, Florian Mauchle und Stefan Thöni sinngemäss an der Beschwerde fest und beantragen, den Subeventualantrag des Kantonsrats abzuweisen und eine mündliche Beratung gemäss Art. 58 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 58 Beratung - 1 Das Bundesgericht berät den Entscheid mündlich:
1    Das Bundesgericht berät den Entscheid mündlich:
a  wenn der Abteilungspräsident beziehungsweise die Abteilungspräsidentin dies anordnet oder ein Richter beziehungsweise eine Richterin es verlangt;
b  wenn sich keine Einstimmigkeit ergibt.
2    In den übrigen Fällen entscheidet das Bundesgericht auf dem Weg der Aktenzirkulation.
BGG durchzuführen.

In ihren unaufgefordert eingereichten Dupliken halten der Kantonsrat und die Direktion des Innern an ihren Standpunkten fest.

Die Piratenpartei Zentralschweiz, Florian Mauchle und Stefan Thöni verzichten auf weitere Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

1.1. Angefochten ist mit § 52c Abs. 3 WAG die Bestimmung eines kantonalen Erlasses über das Wahlverfahren des Kantonsrats. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten betrifft somit die politische Stimmberechtigung und ist zulässig, da kein kantonales Rechtsmittel dagegen offen steht (Art. 82 lit. c
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 82 Grundsatz - Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden:
a  gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts;
b  gegen kantonale Erlasse;
c  betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen sowie betreffend Volkswahlen und -abstimmungen.
, Art. 87 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 87 Vorinstanzen bei Beschwerden gegen Erlasse - 1 Gegen kantonale Erlasse ist unmittelbar die Beschwerde zulässig, sofern kein kantonales Rechtsmittel ergriffen werden kann.
1    Gegen kantonale Erlasse ist unmittelbar die Beschwerde zulässig, sofern kein kantonales Rechtsmittel ergriffen werden kann.
2    Soweit das kantonale Recht ein Rechtsmittel gegen Erlasse vorsieht, findet Artikel 86 Anwendung.
, Art. 88 Abs. 1 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 88 Vorinstanzen in Stimmrechtssachen - 1 Beschwerden betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen sowie betreffend Volkswahlen und -abstimmungen sind zulässig:
1    Beschwerden betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen sowie betreffend Volkswahlen und -abstimmungen sind zulässig:
a  in kantonalen Angelegenheiten gegen Akte letzter kantonaler Instanzen;
b  in eidgenössischen Angelegenheiten gegen Verfügungen der Bundeskanzlei und Entscheide der Kantonsregierungen.
2    Die Kantone sehen gegen behördliche Akte, welche die politischen Rechte der Stimmberechtigten in kantonalen Angelegenheiten verletzen können, ein Rechtsmittel vor. Diese Pflicht erstreckt sich nicht auf Akte des Parlaments und der Regierung.
BGG). Für eine subsidiäre Verfassungsbeschwerde besteht daher von vornherein kein Raum. Die Piratenpartei Zentralschweiz als (auch) im Kanton Zug aktive politische Partei sowie die beiden privaten Beschwerdeführer als Zuger Stimmberechtigte sind zur Beschwerde befugt (Art. 89 Abs. 3
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 89 Beschwerderecht - 1 Zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist berechtigt, wer:
1    Zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist berechtigt, wer:
a  vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat;
b  durch den angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders berührt ist; und
c  ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat.
2    Zur Beschwerde sind ferner berechtigt:
a  die Bundeskanzlei, die Departemente des Bundes oder, soweit das Bundesrecht es vorsieht, die ihnen unterstellten Dienststellen, wenn der angefochtene Akt die Bundesgesetzgebung in ihrem Aufgabenbereich verletzen kann;
b  das zuständige Organ der Bundesversammlung auf dem Gebiet des Arbeitsverhältnisses des Bundespersonals;
c  Gemeinden und andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, wenn sie die Verletzung von Garantien rügen, die ihnen die Kantons- oder Bundesverfassung gewährt;
d  Personen, Organisationen und Behörden, denen ein anderes Bundesgesetz dieses Recht einräumt.
3    In Stimmrechtssachen (Art. 82 Bst. c) steht das Beschwerderecht ausserdem jeder Person zu, die in der betreffenden Angelegenheit stimmberechtigt ist.
BGG; BGE 139 I 195 E. 1.4).

1.2. Beschwerden gegen Erlasse sind innert 30 Tagen nach der nach dem kantonalen Recht massgebenden Veröffentlichung des Erlasses beim Bundesgericht einzureichen (Art. 101
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 101 Beschwerde gegen Erlasse - Die Beschwerde gegen einen Erlass ist innert 30 Tagen nach der nach dem kantonalen Recht massgebenden Veröffentlichung des Erlasses beim Bundesgericht einzureichen.
BGG). Massgebend für den Beginn des Fristenlaufs ist nach konstanter Praxis des Bundesgerichts die Publikation des Erlasses und der Feststellung, dass derselbe zustande gekommen ist und in Kraft treten kann; unerheblich ist, ob die angefochtene Norm im Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung bereits in Kraft stand oder nicht (BGE 130 I 82 E. 1.2 mit Hinweisen; Urteil 2C 53/2009 vom 23. September 2011 E. 1.2).

Unbestritten ist, dass der Beschluss vom 9. Juli 2013, mit dem der Regierungsrat feststellte, dass gegen die Änderungen des WAG kein Referendum ergriffen worden sei und anordnete, die Gesetzesänderung in die kantonale Gesetzessammlung aufzunehmen, nach den einschlägigen Vorschriften des Publikationsgesetzes am 12. Juli 2013 im Amtsblatt veröffentlicht wurde. Das Verfahren zur Änderung des WAG fand demzufolge mit der Publikation dieses Erwahrungsbeschlusses seinen Abschluss, womit die Beschwerdefrist entsprechend der korrekten Rechtsmittelbelehrung des Regierungsrates am 13. Juli 2013 zu laufen begann. Damit erweist sich die am 10. Januar 2014 eingegangene Beschwerde als verspätet.

Die Beschwerdeführer wenden in ihrer Replik zwar ein, dass die verfassungsmässige Grundlage für die hier umstrittene Revision des WAG am 12. Juli 2013 noch gar nicht bestanden habe und das Gesetz dementsprechend damals noch gar nicht hätte in Kraft gesetzt werden können. Das trifft zwar zu, ändert aber nichts daran, dass mit der Publikation des Erwahrungsbeschlusses vom 12. Juli 2013 die Gesetzesänderung definitiv verabschiedet war und - unter dem Vorbehalt des Ausgangs der Verfassungsabstimmung vom 22. September 2013 - in Kraft gesetzt werden konnte. Dementsprechend hat die Publikation des Erwahrungsbeschlusses vom 12. Juli 2013 die Beschwerdefrist von Art. 101
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 101 Beschwerde gegen Erlasse - Die Beschwerde gegen einen Erlass ist innert 30 Tagen nach der nach dem kantonalen Recht massgebenden Veröffentlichung des Erlasses beim Bundesgericht einzureichen.
BGG ausgelöst.

2.
Auf die Beschwerde ist somit wegen Verspätung nicht einzutreten. Da der vorliegende Entscheid anfangs April ergeht, besteht keine Gefahr, dass das damit abgeschlossene Verfahren die Kantonsratswahlen vom 5. Oktober 2014 beeinträchtigen könnte. Die auf eine Beschleunigung des Verfahrens abzielenden Anträge - es sei der Entscheid zunächst im Dispositiv zuzustellen bzw. es sein eine öffentliche Verhandlung durchzuführen -, erweisen sich insofern als überflüssig bzw. unbegründet.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern sowie dem Regierungsrat und dem Kantonsrat des Kantons Zug schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. April 2014

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Störi
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 1C_10/2014
Date : 04. April 2014
Published : 22. April 2014
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Politische Rechte
Subject : Änderung vom 2. Mai 2013 des Gesetzes über die Wahlen und Abstimmungen des Kantons Zug


Legislation register
BGG: 58  66  82  87  88  89  101
BGE-register
130-I-82 • 139-I-195
Weitere Urteile ab 2000
1C_10/2014 • 2C_53/2009
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