Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

6B 1280/2020

Urteil vom 3. Februar 2021

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
Bundesrichter Muschietti,
nebenamtlicher Bundesrichter Kölz,
Gerichtsschreiber Weber.

Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokat Erich Züblin,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern,
Postfach 3439, 6002 Luzern,
2. X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Reto Marbacher,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Fahrlässige schwere Körperverletzung; Beschwerdelegitimation des Privatklägers,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, vom 3. August 2020 (4M 19 90).

Sachverhalt:

A.
A.________ verunfallte am 9. Juni 2014 im Strandbad B.________ in Luzern. Bei einem Sprung ins Wasser zog er sich derart schwere Verletzungen der Wirbelsäule zu, dass er seither unter einer kompletten Tetraplegie leidet. Am 7. Juli 2014 erstattete er Strafanzeige gegen Unbekannt. Die Staatsanwaltschaft Abteilung 1 Luzern eröffnete daraufhin ein Strafverfahren gegen den am 9. Juni 2014 diensthabenden Bademeister, C.________, und gegen den Geschäftsführer der Strandbad B.________ AG, X.________. Mit Verfügung vom 15. Dezember 2015 stellte sie das Strafverfahren gegen X.________ ein. Die von A.________ gegen die Einstellung erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern mit Beschluss vom 10. August 2016 ab. Dagegen gelangte A.________ an das Bundesgericht, welches seine Beschwerde mit Urteil 6B 1055/2016 vom 4. Juli 2017 guthiess, den Beschluss des Kantonsgerichts und die Verfügung der Staatsanwaltschaft aufhob und die Strafsache zur Anklageerhebung beim zuständigen Gericht an die Strafverfolgungsbehörde zurückwies.

B.
Mit Schreiben vom 13. August 2018 teilte A.________ mit, er beteilige sich künftig nur noch als Strafkläger, aber nicht mehr als Zivilkläger am Verfahren.
Am 19. Februar 2019 klagte die Staatsanwaltschaft C.________ und X.________ beim Bezirksgericht Luzern der fahrlässigen schweren Körperverletzung, begangen durch Unterlassen, an. Mit Urteil vom 3. September 2019 sprach das Bezirksgericht C.________ und X.________ frei. Auf Berufung von A.________ und Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft hin bestätigte das Kantonsgericht Luzern mit Urteil vom 3. August 2020 die Freisprüche.

C.
A.________ verlangt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil des Kantonsgerichts vom 3. August 2020 sei aufzuheben und X.________ sei wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung durch Unterlassen zu verurteilen.

Erwägungen:

1.

1.1. Nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 81 Beschwerderecht - 1 Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer:
1    Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer:
a  vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat; und
b  ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat, insbesondere:
b1  die beschuldigte Person,
b2  ihr gesetzlicher Vertreter oder ihre gesetzliche Vertreterin,
b3  die Staatsanwaltschaft, ausser bei Entscheiden über die Anordnung, die Verlängerung und die Aufhebung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft,
b4  ...
b5  die Privatklägerschaft, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann,
b6  die Person, die den Strafantrag stellt, soweit es um das Strafantragsrecht als solches geht,
b7  die Staatsanwaltschaft des Bundes und die beteiligte Verwaltung in Verwaltungsstrafsachen nach dem Bundesgesetz vom 22. März 197455 über das Verwaltungsstrafrecht.
2    Eine Bundesbehörde ist zur Beschwerde berechtigt, wenn das Bundesrecht vorsieht, dass ihr der Entscheid mitzuteilen ist.56
3    Gegen Entscheide nach Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b steht das Beschwerderecht auch der Bundeskanzlei, den Departementen des Bundes oder, soweit das Bundesrecht es vorsieht, den ihnen unterstellten Dienststellen zu, wenn der angefochtene Entscheid die Bundesgesetzgebung in ihrem Aufgabenbereich verletzen kann.
BGG ist die Privatklägerschaft zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. Als Zivilansprüche gelten Ansprüche, die ihren Grund im Zivilrecht haben und deshalb ordentlicherweise vor dem Zivilgericht durchgesetzt werden müssen. In erster Linie handelt es sich um Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung nach Art. 41 ff
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
1    Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
2    Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt.
. OR (BGE 146 IV 76 E. 3.1 S. 82; 141 IV 1 E. 1.1 S. 4).

1.2. Gemäss ständiger Rechtsprechung setzt Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 81 Beschwerderecht - 1 Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer:
1    Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer:
a  vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat; und
b  ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat, insbesondere:
b1  die beschuldigte Person,
b2  ihr gesetzlicher Vertreter oder ihre gesetzliche Vertreterin,
b3  die Staatsanwaltschaft, ausser bei Entscheiden über die Anordnung, die Verlängerung und die Aufhebung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft,
b4  ...
b5  die Privatklägerschaft, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann,
b6  die Person, die den Strafantrag stellt, soweit es um das Strafantragsrecht als solches geht,
b7  die Staatsanwaltschaft des Bundes und die beteiligte Verwaltung in Verwaltungsstrafsachen nach dem Bundesgesetz vom 22. März 197455 über das Verwaltungsstrafrecht.
2    Eine Bundesbehörde ist zur Beschwerde berechtigt, wenn das Bundesrecht vorsieht, dass ihr der Entscheid mitzuteilen ist.56
3    Gegen Entscheide nach Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b steht das Beschwerderecht auch der Bundeskanzlei, den Departementen des Bundes oder, soweit das Bundesrecht es vorsieht, den ihnen unterstellten Dienststellen zu, wenn der angefochtene Entscheid die Bundesgesetzgebung in ihrem Aufgabenbereich verletzen kann.
BGG voraus, dass sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung der im Strafverfahren adhäsionsweise geltend gemachten bzw. noch geltend zu machenden Zivilforderungen auswirken kann (so etwa Urteile 6B 96/2019 vom 7. Juni 2019 E. 1.2; 6B 1134/2018 vom 24. April 2019 E. 1.2; 6B 1080/2018 vom 5. Dezember 2018 E. 3). Dagegen genügt es nicht, wenn sich die Privatklägerschaft bloss vorbehält, ihre Zivilansprüche später in einem anderen Verfahren geltend zu machen (Urteile 6B 1073/2018 vom 23. August 2019 E. 4.1.1; 6B 928/2018 vom 26. März 2019 E. 1.1; je mit Hinweis), oder wenn sie diese in einem parallelen Zivilverfahren verfolgt (Urteil 6B 996/2018 vom 31. Oktober 2018 E. 3.1).
Das Beschwerderecht der Privatklägerschaft fällt dahin, wenn das Strafverfahren im Zivilpunkt bereits erledigt ist, weil die Zivilforderungen z.B. rechtskräftig auf den Zivilweg verwiesen wurden (Urteile 6B 305/2020 und 6B 321/2020 vom 1. Oktober 2020 E. 2.1; 6B 92/2019 vom 21. März 2019 E. 3; 6B 595/2018 vom 28. November 2018 E. 3 und 4; 6B 1270/2017 und 6B 1291/2017 vom 24. April 2018 E. 2.5.3; 6B 467/2014 vom 6. Oktober 2014 E. 4). Dasselbe muss auch gelten, wenn die Privatklägerschaft sich wie vorliegend zunächst als Straf- und Zivilklägerin konstituiert, anschliessend aber erklärt hat, sich nicht mehr als Zivilklägerin am Strafverfahren zu beteiligen.

1.3. Demnach fehlt es dem Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren am Beschwerderecht gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 81 Beschwerderecht - 1 Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer:
1    Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer:
a  vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat; und
b  ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat, insbesondere:
b1  die beschuldigte Person,
b2  ihr gesetzlicher Vertreter oder ihre gesetzliche Vertreterin,
b3  die Staatsanwaltschaft, ausser bei Entscheiden über die Anordnung, die Verlängerung und die Aufhebung der Untersuchungs- und Sicherheitshaft,
b4  ...
b5  die Privatklägerschaft, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann,
b6  die Person, die den Strafantrag stellt, soweit es um das Strafantragsrecht als solches geht,
b7  die Staatsanwaltschaft des Bundes und die beteiligte Verwaltung in Verwaltungsstrafsachen nach dem Bundesgesetz vom 22. März 197455 über das Verwaltungsstrafrecht.
2    Eine Bundesbehörde ist zur Beschwerde berechtigt, wenn das Bundesrecht vorsieht, dass ihr der Entscheid mitzuteilen ist.56
3    Gegen Entscheide nach Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe b steht das Beschwerderecht auch der Bundeskanzlei, den Departementen des Bundes oder, soweit das Bundesrecht es vorsieht, den ihnen unterstellten Dienststellen zu, wenn der angefochtene Entscheid die Bundesgesetzgebung in ihrem Aufgabenbereich verletzen kann.
BGG, auch wenn dieses im Verfahren 6B 1055/2016 hinsichtlich der Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft noch zu bejahen war (siehe E. 1 des Urteils vom 4. Juli 2017). Dass der Beschwerdeführer den erstinstanzlichen Entscheid des Bezirksgerichts Luzern nach den Regeln der Strafprozessordnung (Art. 382
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 382 Legitimation der übrigen Parteien - 1 Jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheides hat, kann ein Rechtsmittel ergreifen.
1    Jede Partei, die ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheides hat, kann ein Rechtsmittel ergreifen.
2    Die Privatklägerschaft kann einen Entscheid hinsichtlich der ausgesprochenen Sanktion nicht anfechten.
3    Nach dem Tode der beschuldigten oder verurteilten Person oder der Privatklägerschaft können die Angehörigen im Sinne von Artikel 110 Absatz 1 StGB263 in der Reihenfolge der Erbberechtigung ein Rechtsmittel ergreifen oder das Rechtsmittelverfahren weiterführen, soweit sie in ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen sind.
StPO) unabhängig von allfälligen Zivilforderungen anfechten konnte, ändert daran nichts (siehe Urteil 6B 996/2018 vom 31. Oktober 2018 E. 3.1 mit Hinweis).

2.
Da der Beschwerdeführer keine formelle Rechtsverweigerung im Sinne der sogenannten "Star-Praxis" rügt (siehe dazu BGE 141 IV 1 E. 1.1 S. 5; 138 IV 78 E. 1.3; 136 IV 29 E. 1.9 mit weiteren Hinweisen), ist auf seine Beschwerde nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind ihm die Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG).
Dem Beschwerdegegner 2 ist keine Entschädigung zuzusprechen, da er im bundesgerichtlichen Verfahren nicht zur Einreichung einer Vernehmlassung eingeladen wurde.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. Februar 2021

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari

Der Gerichtsschreiber: Weber
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Document : 6B_1280/2020
Date : 03. Februar 2021
Published : 17. Februar 2021
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Straftaten
Subject : Fahrlässige schwere Körperverletzung; Beschwerdelegitimation des Privatklägers


Legislation register
BGG: 66  81
OR: 41
StPO: 382
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