Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung IV

D-3465/2011/was

Urteil vom 3. September 2013

Richterin Nina Spälti Giannakitsas (Vorsitz),

Besetzung Richter Fulvio Haefeli, Richter Gérard Scherrer,

Gerichtsschreiberin Anne Kneer.

A._______,geboren (...),

Sri Lanka,

Parteien vertreten durch Barbara Frei-Koller,

(...),

Beschwerdeführer,

gegen

Bundesamt für Migration (BFM),

Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Asyl und Wegweisung;
Gegenstand
Verfügung des BFM vom 18. Mai 2011 / N (...).

Sachverhalt:

A.
Der Beschwerdeführer - ein sri-lankischer Staatsangehöriger tamilischer Ethnie - verliess das Heimatsland eigenen Angaben zufolge am 30. Januar 2010 per Flugzeug in Richtung Italien. Von dort reiste er mit dem Auto am 1. Februar 2010 in die Schweiz ein, wo er gleichentags im Empfangs- und Verfahrenszentrum (EVZ) Basel um Asyl nachsuchte. Am 3. Februar 2010 wurde er summarisch zu seinen Asylgründen befragt und am 16. Februar 2010 eingehend angehört.

Zur Begründung seines Asylgesuches brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er habe zusammen mit seinen Eltern und seiner Schwester in Z._______ (Bezirk Jaffna) gelebt. Er habe mit seinem Vater in der Landwirtschaft gearbeitet und zusätzlich mithilfe eines Traktors Sand transportiert. Sein Vater habe dabei einige Male unter dem Sand Waffen für die Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) geschmuggelt. Im Jahr 2007 sei er (der Beschwerdeführer) per Zufall bei einem solchen Transport dabei gewesen und habe die Waffen entdeckt. Er sei dann mit seinem Vater zur Übergabe der Waffen mitgegangen. Genau an diesem Tag sei aber die sri-lankische Armee (SLA) gekommen und habe beim Durchwühlen des Sandes zwei Waffen gefunden, welche die LTTE in der Eile vergessen hätten, aus dem Sand zu nehmen. Die Armee habe seinen Vater und ihn zu einem Camp gebracht und sie dort zwei Tage lang verhört und misshandelt. Nach zwei Tagen seien sie freigelassen, jedoch einer Meldepflicht unterstellt worden. Jedes Mal wenn er zum Camp gegangen sei, sei er misshandelt worden. Als der Vater von der Meldepflicht befreit worden sei, sei er am gleichen Abend von Personen in ziviler Kleidung abgeholt worden. Er sei wenig später an einer Kreuzung misshandelt und tot aufgefunden worden. Seine Schwester, welche dem Vater hinterher gerannt und auch mitgenommen worden sei, sei im Camp vergewaltigt und am nächsten Tag wieder freigelassen worden. Da er sich an diesem Abend bei den Nachbarn versteckt habe, hätten die Männer ihn nicht gefunden. Er sei dann zuerst zu seinem Onkel nach Y._______ und dann nach Südafrika geflohen. Ende 2008 sei er wieder nach Sri Lanka zurückgekehrt. Gegen Ende 2009 habe die Armee Waffen in einem Brunnen auf seinem Grundstück gefunden. Er sei zu einem Camp mitgenommen worden und zwei Nächte lang schwer misshandelt worden. Danach sei ihm wiederum eine Meldepflicht auferlegt worden. Als diese aufgehoben worden sei, habe er befürchtet, ihm passiere das gleiche wie seinem Vater und sei aus Angst zunächst zu seinem Onkel nach Y._______ gegangen. Er habe von seiner Grossmutter erfahren, dass tatsächlich Leute in Zivilkleidung nach ihm gefragt hätten. Sie hätten auch gesagt, dass sie ihn überall finden und ihn erschiessen würden. Sein Onkel habe daraufhin einen Schlepper für die Ausreise organisiert.

Zur Stützung seiner Vorbringen reichte der Beschwerdeführer ein Schreiben des General Hospital in Jaffna, welches die Behandlung der Schwester am 7. August 2007 bestätigt, den Totenschein des Vaters, seinen Geburtsschein (alle inkl. englische Übersetzung) sowie ein Schreiben der Human Rights Commission of Sri Lanka, ein Schreiben des Bischoffs von Jaffna sowie ein Schreiben eines Notars (alle in englischer Sprache), welche den Tod des Vaters und die Vergewaltigung der Schwester bestätigen und erläutern, dass bei einer Rückkehr, das Leben des Beschwerdeführers in Gefahr sei.

B.
Mit Verfügung vom 18. Mai 2011 - eröffnet am 20. Mai 2011 - lehnte das BFM das Asylgesuch ab und ordnete die Wegweisung aus der Schweiz sowie den Vollzug an.

C.
Mit Eingabe vom 20. Juni 2011 erhob der Beschwerdeführer - handelnd durch seine Rechtsvertreterin - gegen diesen Entscheid Beschwerde und beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Asylgewährung, eventualiter die Feststellung der Unzulässigkeit und Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzuges und die Anordnung einer vorläufigen Aufnahme in der Schweiz. In formeller Hinsicht beantragte er unentgeltliche Rechtspflege und den Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses.

Zur Stützung seiner Vorbringen reichte er diverse Fotos seiner Mutter sowie ein Schreiben des General Hospitals in Jaffna betreffend die Behandlung der Mutter zu den Akten.

D.
Mit Verfügung vom 22. Juni 2011 stellte die zuständige Instruktionsrichterin fest, der Beschwerdeführer dürfe den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten, verschob den Entscheid über das Gesuch um Erlass der Verfahrenskosten auf einen späteren Zeitpunkt und verzichtete auf die Erhebung eines Kostenvorschusses. Gleichzeitig wurde das BFM eingeladen, sich zur eingereichten Beschwerde vernehmen zu lassen.

E.
In seiner Vernehmlassung vom 12. Juli 2011 hielt das BFM vollumfänglich an seinen Erwägungen fest und beantragte die Abweisung der Beschwerde. Die Vernehmlassung wurde dem Beschwerdeführer am 12. Juli 2011 zur Kenntnisnahme zugestellt.

F.
Mit Schreiben vom 9. Februar 2012 reichte der Beschwerdeführer eine Beschwerdeergänzung ein und wies nochmals auf seine Gefährdung in Sri Lanka hin. Zudem reichte er ein ärztliches Zeugnis (...) sowie die Honorarnote seiner Rechtsvertreterin zu den Akten.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021). Das BFM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht ist daher zuständig für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde und entscheidet auf dem Gebiet des Asyls in der Regel - so auch vorliegend - endgültig (Art. 105 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG, SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).

1.2 Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG, dem VGG und dem BGG, soweit das AsylG nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG und Art. 6 AsylG).

1.3 Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und Art. 108 Abs. 1 AsylG, Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.
Mit Beschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 106 Abs. 1 AsylG).

3.

3.1 Gemäss Art. 2 Abs. 1 AsylG gewährt die Schweiz Flüchtlingen grundsätzlich Asyl. Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden. Als ernsthafte Nachteile gelten namentlich die Gefährdung des Leibes, des Lebens oder der Freiheit sowie Massnahmen, die einen unerträglichen psychischen Druck bewirken (Art. 3 AsylG).

3.2 Wer um Asyl nachsucht, muss die Flüchtlingseigenschaft nachweisen oder zumindest glaubhaft machen. Diese ist glaubhaft gemacht, wenn die Behörde ihr Vorhandensein mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für gegeben hält. Unglaubhaft sind insbesondere Vorbringen, die in wesentlichen Punkten zu wenig begründet oder in sich widersprüchlich sind, den Tatsachen nicht entsprechen oder massgeblich auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt werden (Art. 7 AsylG).

4.

4.1 Zur Begründung seiner Verfügung führte das BFM im Wesentlichen aus, die Vorbringen des Beschwerdeführers seien zu unsubstanziiert und erfahrungswidrig sowie widersprüchlich, um geglaubt werden zu können. So habe er einmal gesagt, er habe bis im Dezember 2009 in Z._______ gewohnt, habe aber an anderen Stellen angegeben, er sei von 2007 bis Ende 2008 in Südafrika gewesen, ohne allerdings genau angeben zu können, in welchem Ort er dort gewesen sei. In diesem Zusammenhang sei er auch nicht imstande gewesen, seine angeblich wiederholten Aufenthalte beim Onkel in Y._______ zeitlich genau anzugeben und kohärente sowie konzise Angaben zur jeweiligen Aufenthaltsdauer zu machen. Ferner sei mehr als erstaunlich, dass er als angeblich von den sri-lankischen Behörden misshandelter und gesuchter sri-lankischer Staatsangehöriger tamilischer Ethnie Ende 2008 von Südafrika nach Sri Lanka zurückgekehrt sei, weil er geglaubt habe, dass der Krieg zu Ende sei. Es sei in Anbetracht der heftigen Kämpfe Ende 2008 und Anfang 2009 auch nicht vorstellbar, dass er Y._______ verlassen habe und nach Z._______ bei Jaffna zurückgekehrt sei, weil er gedacht habe, der Krieg sei zu Ende. Im Übrigen seien auch seine Aussagen erfahrungswidrig, wonach die sri-lankischen Militärbehörden ihn im Jahr 2009 beschuldigt hätten, Waffen in einem Brunnen versteckt zu haben, ihn aber bereits nach ein bis zwei Tagen wieder freigelassen hätten. Bezeichnenderweise seien seine diesbezüglichen Vorbringen auch widersprüchlich, da er im EVZ wiederholt gesagt habe, die sri-lankischen Soldaten hätten die Waffen auf seinem Grundstück gefunden, während er bei der einlässlichen Anhörung erklärt habe, diese seien auf dem Grundstück des Nachbarn gefunden worden. Er sei zudem auch nicht fähig gewesen anzugeben, wann genau diese Waffen gefunden worden seien und wann die sri-lankischen Militärbehörden ihn deswegen festgenommen hätten. Unter diesen Umständen erstaune es auch nicht, dass es auch Ungereimtheiten zwischen den Aussagen des Beschwerdeführers und den ins Recht gelegten Beweismitteln gäbe. Aus dem Schreiben der Human Rights Commission of Sri Lanka vom 5. Januar 2010, dem Schreiben der Diocese Of Jaffna Sri Lanka vom 6. Januar 2010 und dem Schreiben des Attorney at Law vom 7. Januar 2010 gehe nämlich hervor, dass der Beschwerdeführer Sri Lanka nach den tragischen Ereignissen vom Juli 2007 entgegen seinen Behauptungen nicht verlassen habe. Es sei zudem notorisch, dass Beweismittel dieser Art einfach zu beschaffen seien, oft auch gegen Bezahlung, so dass ihnen auch schon deshalb kaum Beweiswert zukomme. Somit führten die hier nicht abschliessend aufgezählten Ungereimtheiten in zentralen Bereichen zum Schluss, dass die Vorbringen des Beschwerdeführers
bezüglich der angegebenen Verfolgung durch die sri-lankischen Behörden seit dem Tod seines Vaters im Juli 2007 unglaubhaft seien und den Anforderungen an Art. 7 AsylG nicht genügten.

Die tragischen und mit Beweismitteln belegten Ereignisse wie der Tod seines Vaters und die Vergewaltigung seiner Schwester im Jahr 2007 seien die Folgen des Jahre dauernden Bürgerkriegs in Sri Lanka gewesen. Die Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er und sein Vater im Jahr 2007 festgenommen und misshandelt worden seien, müssten vor dem Hintergrund der allgemein angespannten Situation betrachtet werden, welche während des Bürgerkriegs geherrscht habe. Der Krieg zwischen der sri-lankischen Regierung und den separatistischen LTTE sei im Mai 2009 mit deren Niederlage zu Ende gegangen. Die LTTE stellten damit auch für den Beschwerdeführer keine unmittelbare Bedrohung mehr dar. Es treffe zwar durchaus zu, dass die sri-lankischen Behörden auch nach dem Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen alles daran setzten, ein Wiedererstarken der LTTE zu verhindern und deshalb nach wie vor gegen ehemalige Kämpfer und Führungspersönlichkeiten der LTTE vorgingen. Der Beschwerdeführer habe allerdings nie geltend gemacht, ein aktives oder sogar führendes Mitglied der LTTE gewesen zu sein. Er habe im Jahr 2007 lediglich seinem Vater bei gelegentlichen Waffentransporten für die LTTE geholfen. Danach sei er nicht mehr für die LTTE tätig gewesen. Im Weiteren seien die angeblichen Verfolgungsmassnahmen der sri-lankischen Behörden seit dem Tod des Vaters wie erwähnt nicht glaubhaft. Somit bestehe kein Grund zur Annahme, dass die sri-lankischen Behörden heute ein ernsthaftes Interesse daran haben sollten, gerade ihn zu verfolgen. Angesichts seines geringen beziehungsweise inexistenten politischen Profils sei nicht davon auszugehen, dass er zum jetzigen Zeitpunkt mit erheblicher Wahrscheinlichkeit von asylrelevanten Schwierigkeiten bedroht sei. Die Vorbringen seien daher asylrechtlich unbeachtlich und hielten den Anforderungen an die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG nicht stand.

4.2 In der Beschwerde brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, die ungenügende Sachverhaltsfeststellung sowie die daraus gezogenen, unsubstanziierten und ebenso unzutreffenden Folgerungen der Vorinstanz stellten ohne Weiteres eine erhebliche Rechtsverletzung dar. Daraus resultiere in der Folge auch die Verletzung der Art. 3 und 7 AsylG. So werfe das BFM ihm vor, seine Vorbringen seien zu unsubstanziiert und erfahrungswidrig sowie widersprüchlich, um geglaubt werden zu können. An seinen Behauptungen über seinen Aufenthalt in Südafrika gäbe es nichts auszusetzen. Er habe alle Fragen, die ihm hinsichtlich seines Südafrikaaufenthaltes gestellt worden seien, einwandfrei beantwortet. Seine Antworten seien widerspruchslos und genügend substanziiert gewesen. Dies lasse sich anhand der Tatsache belegen, dass die befragende Person nach Beantwortung der Fragen hinsichtlich des Südafrikaaufenthaltes nicht weiter habe nachfragen müssen, da diese genügend substanziiert und widerspruchslos beantwortet worden seien. Er habe einmal irrtümlicherweise während der Befragung im EVZ gesagt, dass er bis 2009 in Z._______ gelebt habe, was er noch in derselben Befragung korrigiert habe und explizit darauf hingewiesen habe, dass er erst nach seiner Rückkehr aus Südafrika wieder nach Z._______ gegangen sei. Somit seien seine Vorbringen in Bezug auf seinen Südafrikaaufenthalt widerspruchslos und genügend substanziiert. Ferner sei er aufgrund der Aussagen seines Onkels aus Südafrika zurückgekehrt, wo er in einem bescheidenen Zimmer eingesperrt gewesen sei. Er habe sich nicht selber einen Überblick über die damalige Sicherheitslage in Sri Lanka verschaffen können. Zudem sei der Onkel zum damaligen Zeitpunkt seine einzige Vertrauensperson gewesen. Es sei daher nicht erstaunlich, dass er seinem Onkel geglaubt habe und nach Sri Lanka zurück gereist sei. Er sei nach Beendigung des Bürgerkriegs nach Z._______ zurückkehrt. Da er nach dem Tod seines Vaters keinen Kontakt mehr zur LTTE gehabt habe, sei es somit absolut nachvollziehbar, dass er im Jahre 2009 von Y._______ nach Z._______ zurückgekehrt sei. Zusammenfassend könne festgehalten werden, dass seine Vorbringen widerspruchslos seien und eindeutig der allgemeinen Lebenserfahrung entsprächen. Aufgrund der geringeren Beweisanforderungen, die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gälten, seien somit die Anforderungen an die Glaubwürdigkeit erfüllt. Weiter sei er als ehemaliger LTTE-Kollaborateur in Sri Lanka nach wie vor in höchstem Masse gefährdet. Neuere Berichte zur Situation in Sri Lanka zeigten, dass sich die Situation für die tamilische Bevölkerung und insbesondere für mutmassliche LTTE-Sympathisanten keineswegs verbessert habe. So sei die
Notstandsgesetzgebung nach wie vor in Kraft, welche Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen und Haft ohne Gerichtsverfahren erlaube. Es käme auch regelmässig zu Tötungen von Personen in Polizeigewahrsam und zu Folter. Tamilen seien generell einem erhöhten Risiko willkürlicher Polizeimassnahmen ausgesetzt und noch immer werde jede Person mit vermuteter Verbindung zu den LTTE gesucht und unter Druck gesetzt. Dies gelte insbesondere auch für Rückkehrer, sei es nun aus dem In- oder aus dem Ausland. Diese würden von der sri-lankischen Regierung als LTTE-Sympathisanten gesehen, da sie während einer langen Zeit unter LTTE-Kontrollen gestanden seien. Dies führe dazu, dass Familienangehörige, welche bislang ohne Probleme gelebt hätten, äusserst unwillig seien für rückkehrende Verwandte mit erwiesenen Verbindungen zu den LTTE, ihre eigene Sicherheit und die ihrer Kinder aufs Spiel zu setzen. Somit sei er auch zum heutigen Zeitpunkt vor ernsthaften Verfolgungsmassnahmen durch das sri-lankische Militär gefährdet, weshalb er die Flüchtlingseigenschaft gemäss Art. 3 AsylG erfülle.

4.3 In der Eingabe vom 9. Februar 2012 machte der Beschwerdeführer darauf aufmerksam, dass gemäss den zuständigen Ärzten eine mittelschwere depressive Episode vor dem Hintergrund einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und einer anhaltenden schweren psychosozialen Belastungssituation vorliege. Eine psychotherapeutische und medikamentöse Weiterbehandlung sei dringend notwendig. Diese sei in Sri Lanka nicht möglich, da die Traumatisierung dort erfolgt sei. Zudem gehöre er - da er ein Folteropfer sei und Folter eine Menschenrechtsverletzung darstelle - zu der Gruppe der Opfer und Zeugen von Menschenrechtsverletzungen wie dies das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
E-6220/2006 vom 27. Oktober 2011 definiere. Des Weiteren seien ihm als mutmasslicher Waffenschmuggler, Kontakte zu den LTTE unterstellt worden, wobei er auch von der Armee gesucht worden sei. Es sei mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er immer noch in den Akten der Armee registriert sei. Somit liege ein weiterer Faktor vor, der eine drohende Verfolgung von staatlicher Seite wahrscheinlich mache. Es reiche für ein Gefährdungsprofil aus, dass der Verdacht bestehe, Handlungen zugunsten der LTTE vorgenommen zu haben, was bei ihm aufgrund des Verdachts des Waffenschmuggels der Fall sei. Im Mai 2011 sei seine Mutter von Armeeangehörigen nach seinem Aufenthaltsort befragt worden. Dies beweise, dass die Armee noch immer ein Interesse am Beschwerdeführer habe und ihn bei einer allfälligen Rückkehr verfolgen würde. Er habe damit auch heute noch eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne von Art. 3 AsylG.

5.

Zunächst ist die Frage der Glaubhaftigkeit der Vorbringen des Beschwerdeführers zu klären.

5.1 Grundsätzlich sind Vorbringen dann glaubhaft, wenn sie genügend substanziiert, in sich schlüssig und plausibel sind; sie dürfen sich nicht in vagen Schilderungen erschöpfen, in wesentlichen Punkten widersprüchlich sein oder der inneren Logik entbehren und auch nicht den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung widersprechen. Darüber hinaus muss die asylsuchende Person persönlich glaubwürdig erscheinen, was insbesondere dann nicht der Fall ist, wenn sie ihre Vorbringen auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abstützt (vgl. Art. 7 Abs. 3 AsylG), aber auch dann, wenn sie wichtige Tatsachen unterdrückt oder bewusst falsch dar-stellt, im Laufe des Verfahrens Vorbringen auswechselt, steigert oder unbegründet nachschiebt, mangelndes Interesse am Verfahren zeigt oder die nötige Mitwirkung verweigert. Glaubhaftmachung bedeutet ferner - im Gegensatz zum strikten Beweis - ein reduziertes Beweismass und lässt durchaus Raum für gewisse Einwände und Zweifel an den Vorbringen des Gesuchstellers. Eine Behauptung gilt bereits als glaubhaft gemacht, wenn das Gericht von ihrer Wahrheit nicht völlig überzeugt ist, sie aber überwiegend für wahr hält, obwohl nicht alle Zweifel beseitigt sind. Für die Glaubhaftmachung reicht es demgegenüber nicht aus, wenn der Inhalt der Vorbringen zwar möglich ist, aber in Würdigung der gesamten Aspekte wesentliche und überwiegende Umstände gegen die vorgebrachte Sachverhaltsdarstellung sprechen. Entscheidend ist im Sinne einer Gesamtwürdigung, ob die Gründe, die für eine Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht; dabei ist auf eine objektivierte Sichtweise abzustellen (vgl. BVGE 2012/5 E. 2.2 S. 43 f.; BVGE 2010/57 E. 2.3 S. 826 f.).

5.2 Wie schon das BFM in der angefochtenen Verfügung feststellte, ist an den Vorbringen betreffend den Vorfällen im Jahre 2007 in Bezug auf die Tötung seines Vaters und der Vergewaltigung seiner Schwester nicht zu zweifeln, womit diese auch vom Bundesverwaltungsgericht als glaubhaft angesehen werden. Jedoch sind entgegen den Ausführungen des BFM auch die übrigen Ereignisse nach dem Jahr 2007 vorliegend als überwiegend glaubhaft zu werten. Auffallend ist zunächst, dass bei der Erzählung des Beschwerdeführers zwischen den geglaubten Ereignissen im Jahr 2007 und den übrigen Vorbringen kein Bruch in der Logik, der Erzählweise und der Detaildichte entsteht. Er schildert das Erlebte gleich substanziiert und in derselben Art und Weise, so dass eine Konstruktion der Geschichte, respektive eine Aufbauschung oder Übertreibung nicht auszumachen ist. Insgesamt formuliert er seine Asylgründe ausführlich und - auch ohne explizite Nennung von Daten - chronologisch stimmig. Er schildert insbesondere in der freien Erzählung der Anhörung, welche sich im Protokoll alles in allem über gut vier Seiten erstreckt (vgl. BFM Akten A17 S. 10 bis 14), detailreich und gespickt mit Realkennzeichen. Als Beispiel kann hierfür der Ablauf seiner Verhaftung genannt werden: "Als die Armee zu mir nach Hause ging und nach mir fragte, erzählte man der Armee, es gebe ein Tempelfest, und ich sei beim Tempel. Man zerrte mich dort weg, als ich dort die Zeremonie leitete. In der Nähe gibt es eine Bibliothek. Man brachte mich in diesen Raum und befragte mich." (vgl. A17 F96 S. 13) oder auch seine Ausführungen bezüglich seiner Freilassung: "Etwa um 12.30 Uhr mittags liessen sie mich frei. Ich ging dann nach Hause, aber ich konnte nicht mehr essen. Ich weinte, und erzählte meiner Grossmutter, wie ich geschlagen worden war. Meine Grossmutter behandelte die Schwellungen mit Öl (GS weint)." (vgl. A17 F96 S. 13). Dabei ist zu bemerken, dass der Beschwerdeführer während der gesamten Anhörung Gefühle zeigte und die Anhörung auch aufgrund heftigen Weinens unterbrochen werden musste (vgl. A17 F95 S. 12). Weiter sind die Vorbringen des Beschwerdeführers in der Anhörung und in der Befragung identisch und weisen keine wesentlichen Widersprüche auf. So ist die ungenaue Angabe von Daten und Aufenthaltsdauern, angesichts der sonst chronologisch logischen und substanziierten Aussagen, nicht als wesentlich zu erachten und erklärt sich unter anderem auch durch den schlechten psychischen Zustand des Beschwerdeführers. Zudem versuchte der Beschwerdeführer nicht, genaue Daten zu konstruieren, sondern gab unumwunden zu, dass er nicht genau wisse, wann etwas geschehen sei (vgl. zum Beispiel A17 F138 ff.). Hingegen vermochte er Daten, an die er sich erinnern konnte, in
beiden Befragungen übereinstimmend anzugeben (vgl. A1 S. 7; A17 F38 und F109 oder auch A1 S. 8; A17 F108). Zum Vorbringen des BFM, es sei erfahrungswidrig, dass ihn die Armee nach ein bis zwei Tagen wieder freigelassen habe, ist zu bemerken, dass auch diesbezüglich die Aussagen des Beschwerdeführers stimmig und detailliert sind. So konnte er Namen der Armee-Camps angeben, schildert die ihm widerfahrenen Misshandlungen detailliert und vermochte sich auch an Uhrzeiten zu erinnern. Zudem wurde er im Anschluss an die Haft einer Meldepflicht unterlegt (vgl. A17 F96 S. 13). Somit ist nicht nachvollziehbar, warum das BFM dieses Vorgehen als erfahrungswidrig ansah. Auch der vermeintliche Widerspruch, auf welchem Grundstück die Waffen von der sri-lankischen Armee gefunden wurden, erscheint in der ansonsten widerspruchslosen Aussage nebensächlich und kann leicht durch ein Missverständnis entstanden sein, insbesondere da in der Befragung auf den Ort, wo die Waffen gefunden wurden, nicht näher eingegangen wurde. Überdies ist es durchaus nachvollziehbar, dass die Armee den Beschwerdeführer nach den Ereignissen im Jahr 2007 in Bezug auf seinen Vater verdächtigte, die Waffen versteckt zu haben (vgl. A17 F126). Alles in allem beantwortete der Beschwerdeführer somit auch nach der freien Erzählung die Fragen zwar im Allgemeinen knapp, aber doch schlüssig und nachvollziehbar.

5.3 Wie schon erwähnt, können die Ungenauigkeiten in der Erzählung darüber hinaus auch durch das eingereichte ärztliche Zeugnis (...) vom 18. Januar 2012 erklärt werden. Dieses attestiert dem Beschwerdeführer unter anderem Konzentrationsstörungen, Störungen des Gedächtnisses und ein bewusstes, aktives Vermeiden von Gedanken, Gefühlen oder Gesprächen in Bezug auf das Trauma. Es liege eine mittelschwere depressive Episode vor dem Hintergrund einer PTBS sowie eine anhaltende schwere psychosoziale Belastungssituation vor.

5.4 Nach Abwägung der Argumente, die für die Glaubhaftigkeit, und denjenigen, die dagegen sprechen, kommt das Bundesverwaltungsgericht insgesamt zum Schluss, dass die Wahrscheinlichkeit, die zu beurteilende Verfolgungsgeschichte entspreche in den wesentlichen Punkten den Tatsachen, höher ist, als die - wenn auch nicht restlos auszuschliessende - Möglichkeit, sie sei vom Beschwerdeführer zum Teil bloss erfunden worden. Bei einer Gesamtbeurteilung aller massgeblichen Aspekte überwiegen die für die Richtigkeit der Asylvorbringen des Beschwerdeführers sprechenden Elemente gegenüber den Unglaubhaftigkeitsindizien (vgl. BVGE 2012/5 E. 2.2 S. 43f.).

5.5 Nach dem Gesagten ist somit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2007 von der sri-lankischen Armee zusammen mit seinem Vater festgenommen und misshandelt wurde. Nach Beendigung der darauffolgenden Meldepflicht wurde der Vater ermordet und die Schwester vergewaltigt. Im Jahr 2009 wurde der Beschwerdeführer zwei Tage in einem Camp inhaftiert und misshandelt, da die Armee den Beschwerdeführer verdächtigte, Waffen versteckt zu haben. Bei der Freilassung wurde er wiederum einer Meldepflicht unterstellt. Als er die Nachricht erhielt, dass diese aufgehoben werde, verliess er aus Angst, wie sein Vater umgebracht zu werden, Sri Lanka.

6.

6.1 Somit bleibt zu prüfen, ob der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling gemäss Art. 3 AsylG zu erfüllen vermag. Zur übrigen Gefährdungslage des Beschwerdeführers gilt es Folgendes festzuhalten.

6.2 Entsprechend der Lehre und Praxis ist für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderlich, dass die asylsuchende Person ernsthafte Nachteile von bestimmter Intensität erlitten hat, beziehungsweise solche im Fall einer Rückkehr in den Heimatstaat befürchten muss. Die Nachteile müssen der asylsuchenden Person gezielt und aufgrund bestimmter Verfolgungsmotive drohen oder zugefügt worden sein. Eine Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 3 AsylG kann von staatlichen oder nichtstaatlichen Akteuren ausgehen. Die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft setzt zudem voraus, dass die betroffene Person einer landesweiten Verfolgung ausgesetzt ist und sich nicht in einem anderen Teil
ihres Heimatstaates in Schutz bringen kann. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft ist die Frage nach der im Zeitpunkt der Ausreise bestehenden Verfolgung oder begründeten Furcht vor einer solchen. Die Situation im Zeitpunkt des Asylentscheides ist jedoch im Rahmen der Prüfung nach der Aktualität der Verfolgungsfurcht ebenfalls wesentlich. Veränderungen der objektiven Situation im Heimatstaat zwischen Ausreise und Asylentscheid sind deshalb zugunsten und zulasten der ein Asylgesuch stellenden Person zu berücksichtigen (vgl. BVGE 2008/12 E. 5 S. 154 f. und BVGE 2010/57 E. 2 S. 826 ff., beide mit weiteren Hinweisen).

6.3 Begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 AsylG liegt vor, wenn ein konkreter Anlass zur Annahme besteht, letztere hätte sich - aus der Sicht im Zeitpunkt der Ausreise - mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit und in absehbarer Zeit verwirklicht oder werde sich - auch aus heutiger Sicht - mit ebensolcher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zukunft verwirklichen. Es müssen damit hinreichende Anhaltspunkte für eine konkrete Bedrohung vorhanden sein, die bei jedem Menschen in vergleichbarer Lage Furcht vor Verfolgung und damit den Entschluss zur Flucht hervorrufen würden. Dabei hat die Beurteilung einerseits aufgrund einer objektivierten Betrachtungsweise zu erfolgen, und sie ist andererseits durch das von der betroffenen Person bereits Erlebte und das Wissen um Konsequenzen in vergleichbaren Fällen zu ergänzen. Wer bereits staatlichen Verfolgungsmassnahmen ausgesetzt war, hat objektive Gründe für eine ausgeprägtere (subjektive) Furcht (vgl. BVGE 2010/57 E. 2.5 S. 827 f. mit weiteren Hinweisen).

7.

7.1 Seit Mai 2009 ist insgesamt von einer seit Beendigung des militärischen Konflikts zwischen der sri-lankischen Armee und den LTTE erheblich verbesserten Lage in Sri Lanka auszugehen. Militärisch gelten die LTTE als vernichtet; es gibt keine Anzeichen, dass sie heute noch in der Lage wären, Angriffe auf die Sicherheitskräfte oder sonstige Attentate auszuführen. Allerdings werden politisch Oppositionelle jeglicher Couleur seitens der sri-lankischen Regierung als Staatsfeinde betrachtet und müssen mit entsprechenden Verfolgungsmassnahmen rechnen (vgl. BVGE 2011/24 E. 7.6). Aus diesem Grunde definierte das Bundesverwaltungsgericht im Grundsatzurteil BVGE 2011/24 - im Sinne von Risikogruppen - Personenkreise, deren Zugehörige einer erhöhten Verfolgungsgefahr unterliegen. Zu diesen Risikogruppen gehören namentlich (1) Personen, die auch nach Beendigung des Bürgerkriegs verdächtigt werden, mit den LTTE in Verbindung zu stehen beziehungsweise gestanden zu sein, (2) kritisch auftretende Journalisten und Medienschaffende, (3) Menschenrechtsaktivisten und regimekritische Nichtregierungsorganisationen-Vertreter, ferner (4) Personen, die Opfer oder Zeuge schwerer Menschenrechtsverstösse wurden oder diesbezüglich juristische Schritte einleiten, sowie (5) Rückkehrer aus der Schweiz, denen nahe Kontakte zu den LTTE unterstellt werden beziehungsweise die über beträchtliche finanzielle Mittel verfügen (BVGE 2011/24 E. 8). Innerhalb der Risikogruppen muss im Einzelfall untersucht werden, ob die individuellen Begebenheiten eine asylrelevante Verfolgungsgefahr zu begründen vermögen. Diese Lageeinschätzung des Grundsatzurteils BVGE 2011/24 des Bundesverwaltungsgerichts ist weiterhin zutreffend und wird in der jüngsten Einschätzung des UNHCR und von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) bestätigt. Somit kann davon ausgegangen werden, dass rückkehrenden Tamilen gemäss der nach wie vor geltenden Rechtsprechung nicht in genereller Weise unmenschliche Behandlung droht (vgl. zum Ganzen: UNHCR: Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum Seekers from Sri Lanka, 21. Dezember 2012; SFH, Aktuelle Situation, Bern, 15. November 2012, S. 20 ff; Amnesty International [AI], Report 2012, London 2012, S. 314 ff. [AI-Index: POL 10/001/2012]; dies., Sri Lanka: Locked away: Sri Lanka's security detainees, London 2012 [AI-Index: ASA 37/003/2012]; Human Rights Watch, World Report 2012, New York 2012, S. 388 ff.; International Crisis Group, Sri Lanka's North I: The Denial of Minority Rights, Crisis Group Asia Report N°219, Colombo/Brüssel 2012; SFH, Sri Lanka: Aktuelle Situation; Situation für aus dem Norden oder Osten stammende TamilInnen in Colombo und für RückkehrerInnen nach Sri Lanka, Bern 2011
sowie BVGE 2011/24 E. 10.4.2 und Urteil des Bundesverwaltungsgerichts E-2625/2011 vom 22. Januar 2013 E.5.5.3).

7.2 Mit der Gefährdungssituation, jedoch im Hinblick auf eine EMRK-widrige Behandlung namentlich für Tamilen, die aus einem europäischen Land nach Sri Lanka zurückkehren müssen, hat sich auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wiederholt befasst (vgl. NA. v. United Kingdom, Application no. 25904/07, Entscheid vom 17. Juli 2008; P.K. v. Denmark, Application no. 54705/08, Entscheid vom 20. Januar 2011; T.N. v. Denmark, Application no. 20594/08, Entscheid vom 20. Januar 2011; E.G. v. United Kingdom, Application no. 41178/08, Entscheid vom 31. Mai 2011). Auch der EGMR hält fest, dass nicht in genereller Weise davon auszugehen sei, zurückkehrenden Tamilen drohe unmenschliche Behandlung; eine entsprechende Risikoeinschätzung müsse vielmehr verschiedene Faktoren in Betracht ziehen, aus denen sich insgesamt im Einzelfall schliessen lasse, dass der Betreffende ernsthafte Gründe für die Befürchtung habe, die Behörden hätten an seiner Festnahme und Befragung ein Interesse. Als derartige risikobegründende Faktoren nennt der EGMR namentlich Aspekte wie eine frühere Registrierung als verdächtigtes oder tatsächliches LTTE-Mitglied, das Bestehen einer Vorstrafe oder eines offenen Haftbefehls, die Flucht aus der Haft oder aus Kautionsauflagen, die Unterzeichnung eines Geständnisses oder ähnlicher Dokumente, die Anwerbung als Informant der Sicherheitskräfte, die Existenz von Körpernarben, die Rückkehr nach Sri Lanka von London oder von einem anderen Ort, welcher als LTTE-Finanzmittelbeschaffungszentrum gilt, das Fehlen von Identitätspapieren oder anderen Dokumenten, die Asylgesuchstellung im Ausland oder die Verwandtschaft mit einem LTTE-Mitglied (vgl. BVGE 2011/24 E. 10.4.2).

7.3 Vor dem Hintergrund der vorstehend skizzierten aktuellen Lage in Sri Lanka und in Abwägung aller vom Beschwerdeführer vorgebrachten Sachverhaltselemente kommt das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Einzelfall zum Schluss, dass im Falle von dessen Rückkehr nach Sri Lanka von einer objektiv begründeten Furcht vor Verfolgung ausgegangen werden muss. Der Beschwerdeführer wurde von der sri-lankischen Armee festgenommen, misshandelt und beschuldigt, Waffen für die LTTE versteckt zu haben. Da schon sein Vater der Verbindungen zu den LTTE beschuldigt und deshalb auch umgebracht wurde, scheint es naheliegend, dass die sri-lankische Armee auch den Beschwerdeführer diesbezüglich verdächtigte und entsprechend registrierte. Gemäss den Angaben des Beschwerdeführers wurde er auch nach seiner Flucht von Personen in Zivil gesucht, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass er tatsächlich nach dem Ende der Meldepflicht Angriffen auf Leib und Leben ausgesetzt worden wäre. Dass er nach der Beendigung der Meldepflicht fürchtete umgebracht zu werden und deshalb geflüchtet ist, erscheint nachvollziehbar. Nach den mehrmaligen Mitnahmen des Beschwerdeführers durch die sri-lankische Armee muss überdies davon ausgegangen werden, dass er bei den sri-lankischen Behörden zumindest als LTTE-Kollaborateur registriert ist. Aufgrund des anhaltenden Bestrebens der sri-lankischen Regierung ein Wiedererstarken der LTTE zu verhindern, muss diese Verfolgung nach wie vor als aktuell gewertet werden. Weiter wurde der Beschwerdeführer durch die Ermordung seines Vaters sowie die Vergewaltigung seiner Schwester Zeuge von offensichtlichen Menschenrechtsverletzungen und wurde selber schwer misshandelt. Ferner ist er als Rückkehrer aus der Schweiz, welcher zudem ein Asylgesuch gestellt hat, insbesondere bei der Einreise nach Sri Lanka zusätzlich exponiert und gefährdet. Der Beschwerdeführer passt nach dem Gesagten in verschiedene der in BVGE 2011/24 genannten Risikogruppen. Eine Kumulation von verschiedenen Gefährdungspotentialen, die jede für sich genommen nicht ausreichen dürfte, lässt darauf schliessen, dass eine Verfolgungsgefahr für den Beschwerdeführer wahrscheinlich ist. Somit gelangt das Gericht zum Schluss, dass der Beschwerdeführer im Falle der Wiedereinreise wegen vorhandener beziehungsweise ihm unterstellter LTTE-Verbindungen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit der Festnahme, einem Verhör verbunden mit der Gefahr von erneuten Misshandlungen, und einer Inhaftierung rechnen müsste. Er hat somit eine objektiv und aufgrund der bereits in der Vergangenheit erlittenen Verfolgung und Misshandlungen auch subjektiv begründete Furcht vor zukünftiger Verfolgung in Sri Lanka im Sinne von Art. 3 AsylG.

7.4 Aufgrund dieser Gesamtwürdigung ergibt sich, dass der Beschwerdeführer insgesamt ein Profil aufweist, aufgrund dessen er für die sri-lankischen Behörden als LTTE-Anhänger wahrgenommen wird. Er ist daher einer aktuellen Verfolgungsgefahr ausgesetzt. Eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht offensichtlich nicht, da sich die Gefährdung bereits bei der Einreise ergeben würde.

8.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass in Bezug auf den Beschwerdeführer sämtliche Kriterien der in Art. 3 AsylG enthaltenen Definition als erfüllt zu betrachten sind und er demzufolge als Flüchtling anzuerkennen ist. Mangels Anzeichen für das Vorliegen eines Ausschlussgrundes (Art. 53 AsylG) ist ihm in der Schweiz Asyl zu gewähren (vgl. Art. 49 AsylG).

9.
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten gutzuheissen. Die vorinstanzliche Verfügung vom 18. Mai 2011 ist aufzuheben und das BFM anzuweisen, dem Beschwerdeführer in der Schweiz Asyl zu gewähren.

10.1 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten aufzuerlegen (Art. 63 VwVG), womit sich das Gesuch um Erlass der Verfahrenskosten im Urteilszeitpunkt als gegenstandslos erweist.

10.2 Obsiegende Parteien haben Anspruch auf eine Parteientschädigung für die ihnen erwachsenen notwendigen Kosten (Art. 64 VwVG und Art. 7 Abs. 1 des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Gemäss Kostennote vom 9. Februar 2012 werden ein zeitlicher Aufwand von insgesamt 13,5 Stunden bei einem Stundenansatz von Fr. 150.- und Auslagen in der Höhe von Fr. 200.- (Dossiereröffnungspauschale, Übersetzungskosten, Spesenpauschale) geltend gemacht. Das Gericht erachtet den zeitlichen Aufwand insgesamt nicht als vollumfänglich angemessen. 8 Stunden für das Verfassen der zweiundzwanzigseitigen Verwaltungsbeschwerde, welche in wesentlichen Teilen die allgemeine Situation in Sri Lanka behandelt, entspricht nicht einem praxisüblichem Aufwand, zumal daneben zusätzliche 2 Stunden für die Besprechung mit dem Klienten und 3 Stunden für das Aktenstudium in Rechnung gestellt wurden. Eine Kürzung des totalen zeitlichen Aufwands von 13,5 auf 10 Stunden erscheint adäquat. Der Aufwand für die Erstellung der Kostennote sowie die Dossiereröffnung werden praxisgemäss nicht entschädigt. Somit resultiert ein Gesamtaufwand von 10 Stunden zuzüglich die Übersetzungskosten und Spesenpauschale. Dem Beschwerdeführer ist somit unter Berücksichtigung der Bemessungsgrundsätze nach Art. 7 ff . VGKE eine Parteientschädigung zu Lasten des BFM in der Höhe von Fr. 1650.- (inkl. Auslagen, ohne Mehrwertsteuer) zuzusprechen.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen.

2.
Die Verfügung des BFM vom 18. Mai 2011 wird aufgehoben und das BFM angewiesen, dem Beschwerdeführer in der Schweiz Asyl zu gewähren.

3.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.

4.
Das BFM hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor der Beschwerdeinstanz eine Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 1650.- zu entrichten.

5.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das BFM und die zuständige kantonale Behörde.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Nina Spälti Giannakitsas Anne Kneer

Versand:
Informazioni decisione   •   DEFRITEN
Documento : D-3465/2011
Data : 03. settembre 2013
Pubblicato : 18. settembre 2013
Sorgente : Tribunale amministrativo federale
Stato : Inedito
Ramo giuridico : Asilo
Oggetto : Asyl und Wegweisung; Verfügung des BFM vom 18. Mai 2011


Registro di legislazione
LAsi: 2  3  6  7  49  53  105  106  108
LTAF: 31  32  33  37
LTF: 83
PA: 5  48  52  63  64
TS-TAF: 7
Parole chiave
Elenca secondo la frequenza o in ordine alfabetico
sri lanka • padre • tribunale amministrativo federale • obbligo d'annunciare • giorno • zio • decesso • autorità inferiore • quesito • accusato • espatrio • violenza carnale • stato d'origine • testimone • arresto • spese di procedura • vita • riporto • fuga • mezzo di prova
... Tutti
BVGE
2012/5 • 2011/24 • 2010/57 • 2008/12
BVGer
D-3465/2011 • E-2625/2011 • E-6220/2006