Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung V

E-4375/2018

Urteil vom 3. April 2020

Richterin Muriel Beck Kadima (Vorsitz),

Besetzung Richter Simon Thurnheer, Richter Grégory Sauder,

Gerichtsschreiberin Alexandra Püntener.

A._______, geboren am (...),

Tunesien,
Parteien
(...),

Beschwerdeführer,

gegen

Staatssekretariat für Migration (SEM),

Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Wegweisungsvollzug

Gegenstand (Beschwerde gegen Wiedererwägungsentscheid);

Verfügung des SEM vom 27. Juni 2018.

Sachverhalt:

A.

A.a Der Beschwerdeführer suchte am 17. Februar 2015 in der Schweiz um Asyl nach. Mit Verfügung des SEM vom 30. Juni 2015 wurde das Asylgesuch abgelehnt, der Beschwerdeführer aus der Schweiz weggewiesen und der Vollzug der Wegweisung angeordnet. Der Beschwerdeführer erhob dagegen am 30. Juli 2015 Beschwerde. Mit Urteil E-4694/2015 vom 31. August 2015 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde teilweise gut und wies die Sache im Wegweisungsvollzugspunkt zur weiteren Abklärung des Sachverhalts sowie zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück. Hinsichtlich der Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft und der Gewährung von Asyl sowie der Anordnung der Wegweisung wurde die Beschwerde abgewiesen.

A.b Mit Verfügung vom 1. November 2015 hielt das SEM fest, dass die Wegweisung des Beschwerdeführers nach Tunesien zulässig, zumutbar und möglich sei und ordnete den Vollzug der Wegweisung an. Es begründete seinen Entscheid damit, eine Botschaftsabklärung habe ergeben, dass der Beschwerdeführer entgegen seinen Angaben in Tunesien eine Familie habe. Zudem sei das Grundstück, welches der Beschwerdeführer zuletzt als Wohnort angegeben habe, auf den Namen der Familie eingetragen. Entsprechend würden dort Familienangehörige wohnen. Es handle sich sehr wahrscheinlich um seine Eltern. Angesichts des hohen Alters, welches diese mittlerweile haben dürften, sei davon auszugehen, dass auch noch jüngere Verwandte dort leben oder zumindest teils anwesend sein würden. Unabhängig davon, ob es sich bei den in Tunis lebenden Personen um die Eltern handle oder nicht, könne aber mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat noch über Angehörige verfüge. Mit Blick auf den tunesischen Sozialkontext sei davon auszugehen, dass seine Familie, sowohl die Verwandten in
Tunis als auch sein in Paris lebender Onkel, ihn bei seiner Rückkehr finanziell unterstützen könnten. Zudem gebe es in Tunesien verschiedene wohltätige Organisationen, die sich um mittellose Menschen kümmern würden. Was die Wiedereingliederung in den Heimatstaat anbelange, sei davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer trotz der langen Abwesenheit im Heimatstaat gut zurecht finden werde. Dass er fliessend Französisch spreche, mittlerweile gar besser als seine Muttersprache Arabisch, sei in Tunesien kein Nachteil, da die französische Sprache dort weit verbreitet sei.

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer geltend gemachten gesundheitlichen Vollzugshinderungsgründe gebe es nach Erkenntnissen der Vorinstanz in Tunesien zurzeit zwar kein (...). Jedoch würden zwei Nichtregierungsorganisationen (...) anbieten, welche der Beschwerdeführer in Anspruch nehmen könne. Was seine übrigen gesundheitlichen Beschwerden anbelange, sei eine Versorgung im Heimatstaat mit den entsprechenden Medikamenten und Therapien gewährleistet. Seine Erkrankung an (...) und (...) erfordere laut ärztlicher Auskunft aktuell keine Behandlung. Es entspreche der Praxis des SEM, bei einer bestehenden (...) und (...) ohne Behandlungsbedarf die Zumutbarkeit der Wegweisung anzunehmen.

A.c Eine gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde vom 1. Dezember 2016 wurde mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichts E-7502/2016 vom 3. November 2017 abgewiesen. Dabei führte es im Wesentlichen aus, bezüglich der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Probleme sei im Falle seiner Rückkehr nach Tunesien nicht von einer raschen drastischen und lebensbedrohenden Verschlechterung des Gesundheitszustands im Sinne der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK auszugehen. Der Vollzug der Wegweisung des Beschwerdeführers in den Heimatstaat sei auch unter Berücksichtigung seiner individuellen Bedürfnisse zumutbar. So sei davon auszugehen, dass sämtliche medizinischen Behandlungen, welche er benötige, im Heimatstaat verfügbar seien. Sowohl die physiotherapeutische Behandlung unter begleitender Einnahme von Schmerzmitteln als auch die Psycho- beziehungsweise Psychopharmakotherapie könne in Tunesien in Anspruch genommen werden. Psychische Krankheiten seien im Hôpital Razi in La Manouba, einem Vorort von Tunis, behandelbar. Dieses Krankenhaus sei umfassend auf die verschiedenen Bereiche der Psychiatrie spezialisiert und biete im Fall einer Suizidalität auch Kriseninterventionen. Weiter wurde ausgeführt, dass bedürftige Personen, die kein Einkommen oder ein Einkommen unter dem gesetzlichen Mindestlohn hätten, mithilfe des "Programm National d'Aide Aix Familles Nécessiteuses" eine Gesundheitskarte für die "Assistance Médicale Gratuite" beantragen könnten. Inhaber einer solchen Gesundheitskarte könnten sich sodann in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen kostenlos (mit einem Selbstbehalt) oder zu reduzierten Preisen behandeln beziehungsweise therapieren lassen. Aufgrund dessen sei davon auszugehen, dass die für den Beschwerdeführer medizinisch notwendigen Behandlungen und Medikamente in finanzieller Hinsicht zugänglich und die Behandlungsmöglichkeiten, insbesondere das Hôpital Razi in La Manouba, örtlich erreichbar seien. Der Beschwerdeführer nehme aufgrund einer früheren (...) seit mehreren Jahren eine (...) zu sich. In der Beschwerde werde geltend gemacht, dass die beständige Einnahme dieses (...) für seine psychische und physische Gesundheit unentbehrlich sei. In der ersten Beschwerde vom 30. Juli 2015 sei aber auch darauf hingewiesen worden, dass der Beschwerdeführer die Menge an (...) im Sommer 2015 (...) habe und nun eine (...) zu sich nehme (act. 30/10 S. 7 f.), was darauf hindeuten könne, dass ein (...) auf eine (...) oder gar die vollständige Einstellung der (...) für den Beschwerdeführer durchaus möglich zu sein scheine. Tunesien verfüge nach Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts aktuell nicht über ein (...); ebenso wenig seien (...) oder andere (...) erhältlich. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er auf die
weitere Versorgung mit (...) angewiesen sei; mit der Wegweisung nach Tunesien würde in Kauf genommen werden, dass er wieder (...) würde. Soweit der Beschwerdeführer geltend machte, dass er auf die weitere Versorgung mit (...) angewiesen sei, ansonsten er wieder (...) würde, hielt das Gericht fest, der Umstand der (...) des Beschwerdeführers könne nicht allein ausschlaggebend für die Bejahung der Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs aus medizinischen Gründen sein. Es liege in der Verantwortung des Beschwerdeführers, sich im Heimatstaat einem (...); diese Möglichkeit biete sich ihm in seinem Heimatstaat, da Tunesien sowohl über staatliche (...) (beispielsweise das "B._______]") als auch über diverse (...) von (...) (wie beispielsweise die "C._______) verfüge. Auch die geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen stünden einem Drogenentzug nicht entgegen. Zudem habe der Beschwerdeführer die Möglichkeit, bei der Vorinstanz Rückkehrhilfe zu beantragen zur Finanzierung der notwendigen medizinischen Betreuung in der ersten Zeit nach seiner Rückkehr in den Heimatstaat (Art. 93 Abs. 1 Bst. d AsylG). Es sei gestützt auf die vor Ort getroffenen Abklärungen der Schweizerischen Botschaft davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Heimatstaat über ein familiäres Beziehungsnetz verfüge. So habe der Beschwerdeführer bis zum Jahr 1988 an der Adresse D._______ in Tunis gelebt. An der genannten Adresse konnten zum Zeitpunkt der Botschaftsabklärung auch Verwandte des Beschwerdeführers angetroffen werden, welche bestätigt hätten, in regelmässigem Kontakt zum Beschwerdeführer zu stehen. Dass die Botschaft keine genauen Angaben zum Verwandtschaftsgrad der dort lebenden Familienangehörigen getätigt habe, stehe der Beweiserheblichkeit der Abklärungen nicht entgegen. Dies insbesondere, da den an der Heimatadresse lebenden Personen die Identität des Beschwerdeführers offen gelegt worden sei und sie in Kenntnis seiner Identität ein verwandtschaftliches Verhältnis und einen regelmässigen Kontakt bestätigt hätten. Im sozialen Kontext Tunesiens sei davon auszugehen, dass die Familienangehörigen den Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr unterstützen werden. Im Übrigen spreche der Beschwerdeführer Arabisch und Französisch und sei erst im Erwachsenenalter aus Tunesien ausgereist, nachdem er sich verschiedentlich über längere Zeiträume dort aufgehalten habe. Es könne daher angenommen werden, dass er mit den Gepflogenheiten seines Heimatlandes durchaus noch vertraut sei. Insgesamt ist mithin nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten wird.

B.
Mit Eingabe vom 11. Mai 2018 reichte der Beschwerdeführer ein Wiedererwägungsgesuch ein und beantragte die wiedererwägungsweise Aufhebung der Verfügung des SEM vom 1. November 2016, die Feststellung der Unzulässigkeit und Unzumutbarkeit des Vollzugs der Wegweisung und die Gewährung der vorläufigen Aufnahme. Für den Inhalt des Gesuchs wird in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

Gleichzeitig wurden ein ärztlicher von Dr. med. E._______, vom 23. März 2018 mit Beilage eines ärztlichen Berichts der F._______) vom 25. Januar 2018, sowie ein Austrittsbericht der F._______ vom 3. Mai 2018 zu den Akten gereicht.

Für den weiteren Inhalt des Wiedererwägungsgesuchs und der eingereich-ten Beweismittel wird auf die nachfolgenden Erwägungen verwiesen.

C.
Das SEM wies mit Verfügung vom 27. Juni 2018 das Wiedererwägungsgesuch vom 11. Mai 2018 ab und stellte die Vollstreckbarkeit des negativen Entscheids vom 1. November 2015 fest. Gleichzeitig erhob es eine Gebühr und hielt fest, dass einer allfälligen Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zukomme.

Auf die Begründung wird, soweit wesentlich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

D.
Mit Eingabe vom 30. Juli 2018 erhob der Beschwerdeführer dagegen beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde und beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Feststellung der Unzulässigkeit und der Unzumutbarkeit des Vollzugs der Wegweisung, eventualiter die Rückweisung an die Vorinstanz zwecks Neubeurteilung. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurde um Erteilung der aufschiebenden Wirkung, um Anweisung an die Vollzugsbehörden, von einer Überstellung abzusehen, sowie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwVG und um Verzicht auf die Erhebung eines Kostenvorschusses ersucht.

E.
Am 31. Juli 2018 setzte die Instruktionsrichterin den Vollzug der Wegweisung gestützt auf Art. 56 VwVG per sofort einstweilen aus.

F.
Mit Verfügung vom 2. August 2018 wurde der Vollzug der Wegweisung ausgesetzt und festgestellt, dass der Beschwerdeführer den Ausgang des Verfahrens in der Schweiz abwarten dürfe. Die Behandlung des Gesuchs um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art. 65 Abs. 1 VwvG wurde auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, eine Fürsorgebestätigung einzureichen oder einen Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 750.-. einzuzahlen. Ferner habe er einen aktuellen ärztlichen Bericht sowie eine Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht einzureichen.

G.
Mit Eingabe vom 3. August 2018 (Poststempel) wurde eine Fürsorgebestätigung eingereicht.

H.
Mit Eingabe vom 9. August 2018 reichte der Beschwerdeführer eine Ent-bindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht sowie am 21. Juni 2018 einen ärztlichen Bericht der F._______ vom 15. August 2018 zu den Ak-ten.

I.
Die Vorinstanz reichte am 18. September 2018 eine Vernehmlassung ein. Diese wird dem Beschwerdeführer zusammen mit dem vorliegenden Urteil zugestellt.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

1.1 Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Das SEM gehört zu den Behörden nach Art. 33 VGG und ist daher eine Vorinstanz des Bundesverwaltungsgerichts. Eine das Sachgebiet betreffende Ausnahme im Sinne von Art. 32 VGG liegt nicht vor. Nachdem gemäss Lehre und Praxis Wiedererwägungsentscheide grundsätzlich wie die ursprüngliche Verfügung auf dem ordentlichen Rechtsmittelweg weitergezogen werden können, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde zuständig. Es entscheidet auf dem Gebiet des Asyls - in der Regel und auch vorliegend - endgültig (Art. 105 AsylG [SR 142.31]; Art. 83 Bst. d Ziff. 1 BGG).

1.2 Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht worden. Der Beschwerdeführer hat am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen, ist durch die angefochtene Verfügung besonders berührt und hat ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung beziehungsweise Änderung. Er ist daher zur Einreichung der Beschwerde legitimiert (Art. 105 und Art. 108 Abs. 6 AsylG; Art. 48 Abs. 1 sowie Art. 52 Abs. 1 VwVG). Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.
Die Kognition des Bundesverwaltungsgerichts und die zulässigen Rügen richten sich im Bereich des Ausländerrechts nach Art. 49 VwVG (vgl. BVGE 2014/26 E. 5).

3.
Das Wiedererwägungsverfahren ist im Asylrecht spezialgesetzlich geregelt (vgl. Art. 111b ff. AsylG). Ein entsprechendes Gesuch ist dem SEM innert 30 Tagen nach Entdeckung des Wiedererwägungsgrundes schriftlich und begründet einzureichen (Art. 111b Abs. 1 AsylG).

In seiner praktisch relevantesten Form bezweckt das Wiedererwägungsgesuch die Änderung einer ursprünglich fehlerfreien Verfügung an eine nachträglich eingetretene erhebliche Veränderung der Sachlage (vgl. BVGE 2014/39 E. 4.5 m.w.H.). Falls die abzuändernde Verfügung unangefochten blieb - oder ein eingeleitetes Beschwerdeverfahren mit einem blossen Prozessentscheid abgeschlossen wurde - können auch Revisionsgründe einen Anspruch auf Wiedererwägung begründen (zum sogenannten "qualifizierten Wiedererwägungsgesuch" vgl. BVGE 2013/22 E. 5.4 m.w.H.). Darüber hinaus ist ein nachträglich (nach Abschluss des ordentlichen Beschwerdeverfahrens) entstandenes Beweismittel, welches eine unbewiesen gebliebene Tatsachenbehauptung belegen soll, ebenfalls im Rahmen eines "qualifizierten" Wiedererwägungsverfahrens zu behandeln (vgl. Art. 45 VGG i.V.m. Art. 123 Abs. 2 Bst. a [letzter Satz] BGG; BVGE 2013/22)

4.

Der Beschwerdeführer begründete sein Wiedererwägungsgesuch im Wesentlichen damit, er sei auf eine (...) angewiesen, ansonsten er umgehend in eine existenzielle Notlage geraten würde. Eine (...) sei aus medizinischer Sicht angezeigt. Eine Umstellung von (...) auf (...) berge die Gefahr, dass sich seine anderen gesundheitlichen Probleme verschlimmern würden und er (...) würde.

In den ärztlichen Berichten von Dr. med. E._______, vom 23. März 2018 und der F._______ vom 25. Januar 2018 wird ausgeführt, aufgrund der Multimorbidität bestehe ein reduzierter Allgemeinzustand. Eine Prognose sei schwierig. Es werde die Weiterführung der medikamentösen Behandlung und der (...) empfohlen. Eine (...) wäre kontraindiziert. Eine Umstellung von (...) auf (...) oder (...) wäre eine Option. Im Bericht der F._______ vom 3. Mai 2018 wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer vom (...) 2018 bis (...) 2018 in stationärer psychiatrischer Behandlung war. Die F._______ diagnostizierte bei ihm diverse psychische Störungen sowie weitere gesundheitliche Leiden. Der Beschwerdeführer sei in psychophysisch stabilem Zustand aus dem stationären Rahmen entlassen worden. Es sei die (...) leicht erhöht und eine antidepressive Medikation etabliert worden. Für die psychotherapeutische Nachbehandlung wurde er an das (...) überwiesen worden.

5.

5.1 Die Vorinstanz begründete ihren Entscheid damit, die eingereichten ärztlichen Berichte seien nicht erheblich im Sinne von Art. 66 Abs. 2 Bst. a VwVG. Der Beschwerdeführer wiederhole lediglich sein Vorbringen im Zusammenhang mit seiner (...), welches mit Entscheid vom 1. November 2016 ausführlich gewürdigt worden sei. Zudem habe das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil E-7502/2016 vom 3. November 2017 explizit ausgeführt, dass der Umstand der (...) nicht allein ausschlaggebend für die Bejahung der Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs aus medizinischen Gründen sein könne und es in der Verantwortung des Beschwerdeführers liege, sich in seinem Heimatland einem (...) zu unterziehen.

5.2 In der Beschwerdeschrift wird dazu eingewendet, der Beschwerdeführer könne aus ärztlicher Hinsicht nicht ohne (...) oder andere (...) leben. Es existiere jedoch keine entsprechende (...) in Tunesien. Die vom Arzt vorgeschlagenen Medikamente - (...) oder (...) - seien in Tunesien verboten und nicht legal erhältlich. Zudem habe er diverse andere gesundheitliche Probleme, welche im Zusammenhang mit der (...) stünden. Ohne (...) würden sich diese verschlimmern.

Im ärztlichen Bericht der F._______ vom 15. August 2018 wird auf die ambulante psychiatrische Behandlung des Beschwerdeführers (seit dem 9. Mai 2018) hingewiesen. Dieser leide vermehrt an Konzentrationsstörungen mit örtlicher Desorientierung, Vergesslichkeit und Einschränkungen in der Kognition. Diese Symptomatik habe sich verstärkt. Er sei ihm nicht möglich, ohne Begleitung zur Therapie zu kommen. Es werde davon ausgegangen, dass er ohne geeignete Medikation mit einer schweren (...) (...) würde. Diese würde sich auch in einer zunehmenden affektiven und gesamthaften Destabilisierung niederschlagen. Es bestehe nach der (...) die Gefahr eines (...) in den (...). Aktuell sei mangels Stabilisierung des Beschwerdeführers eine Traumatherapie nicht möglich. Es werde mit Hilfe weiterer Gespräche nach einer geeigneten medikamentösen Behandlung gesucht, damit er wieder ein eigenständiges Leben führen könne. Im Falle einer geeigneten medikamentösen Behandlung könne die Möglichkeit eines (...) erneut diskutiert werden.

5.3 In seiner Vernehmlassung vom 18. September 2018 hält das SEM - ohne weitere Ausführungen - an seinen Erwägungen vollumfänglich fest.

6.

6.1 Das Bundesverwaltungsgericht gelangt nach einer Gesamtbeurteilung zum Schluss, dass es dem Beschwerdeführer trotz der auf Beschwerdeebene gemachten Ausführungen und Entgegnungen nicht gelingt, die von der Vorinstanz im angefochtenen Entscheid zu Recht gezogene Schlussfolgerung zu widerlegen, wonach keine Gründe vorliegen, welche die Rechtskraft der Verfügung vom 1. November 2016 beseitigen können. Eine Wiedererwägung des früheren Entscheids würde voraussetzen, dass der Wegweisungsvollzug sich neu als unzumutbar herausstellen würde. Dies ist indessen - wie nachfolgend dargelegt - vorliegend nicht der Fall.

6.2 Die Vorinstanz hat in ihrem Entscheid zu Recht auf die Feststellungen im Urteil E-7502/2016 vom 3. November 2017 hingewiesen, wo ausführlich dargelegt worden war, dass sämtliche medizinischen Behandlungen, welche der Beschwerdeführer benötige, im Heimatstaat verfügbar sind. Dies gilt im heutigen Zeitpunkt weiterhin, insbesondere auch was seine psychotherapeutische und medikamentöse Behandlung sowie eine allenfalls notwendige stationäre Aufnahme in einem spezialisierten Spital betrifft. Ebenso kann weiterhin davon ausgegangen werden, dass ihm die medizinisch notwendigen Behandlungen und Medikamente in örtlicher Hinsicht wie auch in finanzieller Hinsicht zugänglich sind. Was den Umstand der (...) des Beschwerdeführers betrifft, verfügt Tunesien zwar weiterhin nicht über ein (...), auch kein (...) oder andere (...), welche die ihn behandelnden Ärzte in der Schweiz befürworten. Aber es kann auch diesbezüglich auf die Feststellungen im Urteil E-7502/2016 hingewiesen werden, wonach die (...) nicht zur Unzumutbarkeit des Vollzugs der Wegweisung aus medizinischen Gründen führen könne und sich der Beschwerdeführer in Tunesien einem der dort (...) kann. Selbst wenn die Behandlung von (...) in Tunesien nicht so wie in der Schweiz erfolgen sollte, ist zu bestätigen, dass Behandlungen möglich und dem Beschwerdeführer zugänglich sind.

6.3 Aufgrund des Gesagten kann somit nicht auf eine konkrete Gefährdung in Form einer medizinischen Notlage nach dem Verständnis von Art. 83 Abs. 4 AuG geschlossen werden. Für eine Weiterbehandlung nach erfolgtem Wegweisungsvollzug ist ferner erneut auf die Möglichkeit einer individuellen medizinischen Rückkehrhilfe, die nicht nur in der Form der Mitgabe von Medikamenten, sondern beispielsweise auch in der Organisation und Übernahme von Kosten für notwendige Therapien bestehen kann, zu verweisen (Art. 93 Abs. 1 Bst. d AsylG, Art. 75 der Asylverordnung 2 vom 11. August 1999 über Finanzierungsfragen [AsylV 2, SR 142.312]).

Schliesslich sind den Akten keine Veränderungen in der familiären Situation des Beschwerdeführers zu entnehmen, welche die diesbezüglichen Feststellungen in einem anderen Lichte erscheinen lassen würden.

6.4 Insgesamt sprechen die bestehenden gesundheitlichen Beschwerden des Beschwerdeführers respektive dessen medizinische Versorgung ([...] anstelle einer nicht weiterführbaren [...]) in Tunesien nicht gegen einen Vollzug der Wegweisung, und es besteht kein Anlass, von einer derart verschlechterten Lage seit dem Urteil vom 3. November 2017 auszugehen, dass der letzte rechtskräftige Entscheid des SEM wiedererwägungsweise aufzuheben wäre.

6.5 Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Vorinstanz das Wiedererwägungsgesuch des Beschwerdeführers zu Recht abgewiesen hat. Es erübrigt sich bei dieser Sachlage, auf die weiteren Ausführungen in der Rechtsmitteleingabe des Beschwerdeführers näher einzugehen, da sie an dieser Würdigung nichts zu ändern vermögen.

7.
Die mit Verfügung vom 2. August 2018 gewährte aufschiebende Wirkung wird mit vorliegendem Urteil gegenstandslos.

8.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt, den rechtserheblichen Sachverhalt richtig sowie vollständig feststellt (Art. 106 Abs. 1 AsylG) und - soweit diesbezüglich überprüfbar - angemessen ist. Die Beschwerde ist abzuweisen.

9.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wären die Kosten dem Beschwerde-führer aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Der Beschwerdeführer beantragte die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und amtliche Rechtsverbeiständung gemäss Art. 65 Abs. 1 und 2 VwVG. Nachdem bereits in der Verfügung vom 2. August 2018 festgestellt worden ist, dass die Begehren als nicht aussichtslos zu bezeichnen sind und der Beschwerdeführer am 3. August 2018 (Poststempel) eine Unterstützungsbestätigung nachgereicht hat, ist das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gutzuheissen.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt.

3.
Dieses Urteil geht an den Beschwerdeführer, das SEM und die zuständige kantonale Behörde.

Die vorsitzende Richterin: Die Gerichtsschreiberin:

Muriel Beck Kadima Alexandra Püntener

Versand:
Informazioni decisione   •   DEFRITEN
Documento : E-4375/2018
Data : 03. aprile 2020
Pubblicato : 14. aprile 2020
Sorgente : Tribunale amministrativo federale
Stato : Inedito
Ramo giuridico : Cittadinanza e diritto degli stranieri
Oggetto : Wegweisungsvollzug (Beschwerde gegen Wiedererwägungsentscheid); Verfügung des SEM vom 27. Juni 2018


Registro di legislazione
CEDU: 3
LAsi: 93  105  106  108  111b
LStr: 83
LTAF: 31  32  33  45
LTF: 83  123
OAsi 2: 75
PA: 5  48  49  52  56  63  65  66
Parole chiave
Elenca secondo la frequenza o in ordine alfabetico
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