Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C 386/2011

Urteil vom 2. Dezember 2011
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Eusebio,
Gerichtsschreiber Störi.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Pascal Baumgardt,

gegen

Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen, Abteilung Administrativmassnahmen, Moosbruggstrasse 11, 9001 St. Gallen,
Verwaltungsrekurskommission des Kantons
St. Gallen, Unterstrasse 28, 9001 St. Gallen.

Gegenstand
Führerausweisentzug,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 11. August 2011 des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen, Präsident.

Sachverhalt:

A.
Am frühen Morgen des 28. März 2010 fuhr X.________ am Steuer eines Personenwagens auf der Stadtautobahn St. Gallen zu der Stelle, an der seine Ex-Freundin in einen Unfall verwickelt war. Der mit der Aufnahme des Unfalls beschäftigte Polizeibeamte stellte bei X.________ gerötete Augen und Alkoholmundgeruch fest und wies ihn an, kurz hinter dem Patrouillenwagen zu warten. X.________ fuhr weg und begab sich zum Kantonsspital St. Gallen, wo er wieder auf die Polizeibeamten traf, welche die Unfallbeteiligte dorthin begleitet hatten. Die Urin- und Blutprobe ergab, dass X.________ unter dem Einfluss von Alkohol (Blutalkoholgehalt von mindestens 0,77 Promillen) und Cannabis (THC-Gehalt im Blut von 2,3 Mikrogramm/l bei einem Grenzwert von 1,5 Mikrogramm/l gemäss Art. 34 der Verordnung des ASTRA zur Strassenverkehrskontrollverordnung vom 22. Mai 2008, SR 741.013.1, VSKV-ASTRA) gefahren war.
Am 22. April 2010 verbot das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen X.________ vorsorglich das Führen eines Motorfahrzeugs und zog seinen Führerausweis ein. Es teilte ihm weiter mit, dass es beabsichtige, ihn zu einer verkehrspsychologischen Untersuchung aufzubieten. Die Verfügung blieb unangefochten.
A.a Mit Strafbescheid vom 17. Mai 2010 verurteilte das Untersuchungsamt St. Gallen X.________ wegen Führens eines Motorfahrzeugs in fahrunfähigem Zustand und Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer bedingten Geldstrafe von 15 Tagessätzen und einer Busse von Fr. 1'500.--.
A.b Am 19. Mai 2010 teilte das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt X.________ mit, sein automobilistischer Leumund sei erheblich belastet, sodass Zweifel an seiner Fahreignung bestünden. Es forderte ihn in Anwendung von Art. 11b Abs. 1 lit. b
SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung
VZV Art. 11b Prüfung des Gesuchs - 1 Die kantonale Behörde prüft, ob die Voraussetzungen für den Erwerb eines Lernfahr- oder Führerausweises oder einer Bewilligung zum berufsmässigen Personentransport erfüllt sind.
1    Die kantonale Behörde prüft, ob die Voraussetzungen für den Erwerb eines Lernfahr- oder Führerausweises oder einer Bewilligung zum berufsmässigen Personentransport erfüllt sind.
2    Sie klärt ab, ob der Gesuchsteller im IVZ-Massnahmen verzeichnet ist. Ist er im IVZ-Massnahmen verzeichnet, so darf die kantonale Behörde namentlich in den folgenden Fällen nicht erteilen:
a  während eines befristeten Entzugs des Lernfahr- oder des Führerausweises oder einer befristeten Aberkennung: einen Lernfahr- oder Führerausweis oder eine Bewilligung zum berufsmässigen Personentransport für eine Ausweiskategorie, die, wäre sie vor dem Entzug oder der Aberkennung bereits vorhanden gewesen, ebenfalls hätte entzogen oder aberkannt werden müssen (Art. 33);
b  während eines unbefristeten Entzugs des Lernfahr- oder des Führerausweises oder einer Aberkennung auf unbestimmte Zeit: einen Lernfahr- oder Führerausweis oder eine Bewilligung zum berufsmässigen Personentransport für eine Ausweiskategorie, sofern die Entzugs- oder Aberkennungsgründe der Erteilung dieser Ausweiskategorie oder der Bewilligung zum berufsmässigen Personentransport entgegenstehen.
3    Sie weist:
a  Gesuchsteller, die den Führerausweis der Kategorien C oder D oder der Unterkategorien C1 oder D1 oder die Bewilligung zum berufsmässigen Personentransport erwerben wollen und die noch keinen Führerausweis dieser Kategorien oder Unterkategorien oder noch keine Bewilligung zum berufsmässigen Personentransport besitzen: an einen Arzt mit Anerkennung der Stufe 2;
b  Gesuchsteller, die das 75. Altersjahr überschritten haben und erstmals einen Lernfahr- oder Führerausweis oder eine Bewilligung zum berufsmässigen Personentransport erwerben wollen: an einen Arzt mit mindestens einer Anerkennung der Stufe 3;
c  Gesuchsteller, die körperbehindert sind oder an deren medizinischer Eignung zum Führen von Motorfahrzeugen sie aus anderen Gründen zweifelt: an einen Arzt mit mindestens einer Anerkennung der Stufe 3;
d  Gesuchsteller, an deren charakterlicher oder psychischer Eignung zum Führen von Motorfahrzeugen sie zweifelt: an einen anerkannten Verkehrspsychologen nach Artikel 5c.
4    Wenn der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen oder unter umfassender Beistandschaft stehenden Gesuchstellers seine Unterschrift auf dem Gesuchsformular verweigert, hört die kantonale Behörde den Gesuchsteller und seinen gesetzlichen Vertreter an.
5    Die kantonale Behörde kann einen Behördenauszug 3 aus dem Strafregister-Informationssystem VOSTRA und in Zweifelsfällen einen polizeilichen Führungsbericht einholen.
6    Personen mit Epilepsie werden nur aufgrund eines befürwortenden Berichtes eines Facharztes für Neurologie zum Verkehr zugelassen
VZV auf, sich einer verkehrspsychologischen Untersuchung zu unterziehen mit der Androhung, dass der Ausweis vorsorglich entzogen bleibe, wenn er dies unterlasse.
A.c Am 1. Juni 2010 erhob X.________ Einsprache gegen den Strafbescheid vom 17. Mai 2010.
A.d Am 4. Juni 2010 ersuchte X.________ das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt, seine Verfügungen vom 22. April und vom 19. Mai 2010 in Wiedererwägung zu ziehen und das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens zu sistieren.
Am 8. Juni 2010 rekurrierte X.________ gegen die Verfügung des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamts vom 19. Mai 2010 bei der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen.
Am 9. Juni 2010 wies das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt die Wiedererwägungsgesuche und das Sistierungsgesuch ab.
Mit Eingabe vom 9. Juli 2010 hielt X.________ am Wiedererwägungsgesuch fest, worauf das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt auf das Wiedererwägungsgesuch gegen die Verfügung vom 22. April 2010 vermutlich am 14. Juli 2010 - die Verfügung ist irrtümlich mit 19. Mai 2010 datiert - nicht eintrat.
Mit Rekurs vom 30. August 2010 an die Verwaltungsrekurskommission beantragte X.________ u.a., es sei die Nichtigkeit der Verfügung des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamts vom 22. April 2010 festzustellen und diejenigen vom 19. Mai 2010 und vom 14. Juli 2010 aufzuheben. Ausserdem ersuchte er, dem Rekurs die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
A.e Am 29. November 2010 hob das Untersuchungsamt St. Gallen das Strafverfahren gegen X.________ wegen Führens eines Motorfahrzeugs in fahrunfähigem Zustand auf. Es hielt ihm einen Sachverhaltsirrtum über seine Fahrunfähigkeit zufolge des rund 10 Stunden zurückliegenden Cannabis-Konsums zugute. Mit Strafbescheid vom gleichen Tag verurteilte es ihn wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand und Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Busse von Fr. 600.--.
A.f Am 8. April 2011 wies der Abteilungspräsident der Verwaltungsrekurskommission den Rekurs ab, soweit er darauf eintrat und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung. Die Behandlung des Rekurses gegen die Verfügung des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamts vom 19. Mai 2010 stellte er zurück.
Am 11. August 2011 wies der Präsident des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen die Beschwerde von X.________ gegen diesen Rekursentscheid ab. Er erwog, der am 22. April 2010 verfügte vorsorgliche Führerausweisentzug habe lediglich provisorischen Charakter. Daraus folge, dass diese Verfügung während des Verfahrens jederzeit von Amtes wegen oder auf Antrag abänderbar sei. Daraus ergebe sich, dass das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt die Wiedererwägung materiell hätte behandeln müssen und nicht durch Nichteintreten formell hätte erledigen dürfen. Allerdings habe es in der Sache geprüft, ob veränderte Verhältnisse vorlägen, die eine Aufhebung des vorsorglichen Führerausweisentzugs rechtfertigen würden, und auch die Rekursinstanz habe sich damit auseinandergesetzt und mit voller Kognition die Voraussetzungen des vorsorglichen Führerausweisentzugs geprüft. Eine allfällige formelle Rechtsverweigerung des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamts sei damit geheilt. In der Sache ging der Präsident davon aus, dass der vorsorgliche Führerausweisentzug vom 22. April 2010 in Rechtskraft erwachsen war und prüfte, ob veränderte Umstände vorlägen, die eine Aufhebung der Massnahme rechtfertigen könnten. Er kam zum Schluss, das sei nicht
der Fall.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 12. September 2011 beantragt X.________, diesen Entscheid des Verwaltungsgerichtspräsidenten aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung und Neuregelung der Kosten an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der vorsorgliche Führerausweisentzug sei per sofort aufzuheben. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verteidigung.

C.
Der Abteilungspräsident der Verwaltungsrekurskommission verzichtet auf Vernehmlassung. Der Verwaltungsgerichtspräsident verweist auf seinen Entscheid. Das ASTRA beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit, gegen den die Beschwerde nach Art. 82 ff
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 82 Grundsatz - Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden:
a  gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts;
b  gegen kantonale Erlasse;
c  betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen sowie betreffend Volkswahlen und -abstimmungen.
. BGG zulässig ist. Die kantonalen Instanzen haben dem Beschwerdeführer den Führerausweis gestützt auf Art. 30
SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung
VZV Art. 30 Vorsorglicher Entzug - 1 Bestehen ernsthafte Zweifel an der Fahreignung einer Person, so kann die kantonale Behörde den vorsorglichen Entzug des Lernfahr- oder des Führerausweises verfügen.
1    Bestehen ernsthafte Zweifel an der Fahreignung einer Person, so kann die kantonale Behörde den vorsorglichen Entzug des Lernfahr- oder des Führerausweises verfügen.
2    Verfügt die kantonale Behörde bei polizeilich abgenommenen und ihr übermittelten Lernfahr- oder Führerausweisen innert 10 Arbeitstagen seit der polizeilichen Abnahme nicht mindestens den vorsorglichen Entzug, so gibt sie der berechtigten Person den Lernfahr- oder den Führerausweis zurück.
VZV vorsorglich entzogen. Die Verfügung über den vorsorglichen Führerausweisentzug schliesst das Verfahren betreffend den Sicherungsentzug nicht ab. Sie stellt vielmehr einen Zwischenschritt auf dem Weg zum abschliessenden Entscheid über den Sicherungsentzug dar. Angefochten ist damit eine Zwischenverfügung, gegen die die Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 93 Andere Vor- und Zwischenentscheide - 1 Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
1    Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die Beschwerde zulässig:
a  wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; oder
b  wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.
2    Auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen und dem Gebiet des Asyls sind Vor- und Zwischenentscheide nicht anfechtbar.85 Vorbehalten bleiben Beschwerden gegen Entscheide über die Auslieferungshaft sowie über die Beschlagnahme von Vermögenswerten und Wertgegenständen, sofern die Voraussetzungen von Absatz 1 erfüllt sind.
3    Ist die Beschwerde nach den Absätzen 1 und 2 nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, so sind die betreffenden Vor- und Zwischenentscheide durch Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, soweit sie sich auf dessen Inhalt auswirken.
BGG unter anderem dann zulässig ist, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a). Ein solcher Nachteil ist bei einem vorsorglichen Führerausweisentzug zu bejahen (vgl. BGE 122 II 359 E. 1b S. 362; Urteil 1C 233/2007 vom 4. Februar 2008 E. 1.1). Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten.

1.2 Der vorsorgliche Führerausweisentzug stellt eine vorsorgliche Massnahme zur Sicherstellung gefährdeter Interessen bis zum Abschluss des Hauptverfahrens dar (BGE 125 II 396 E. 3 S. 401; 122 II 359 E. 1a S. 362). Gemäss Art. 98
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 98 Beschränkte Beschwerdegründe - Mit der Beschwerde gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden.
BGG kann der Beschwerdeführer somit nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte rügen.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer wirft dem Verwaltungsgerichtspräsidenten eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und Willkür vor, weil er die Beschwerde vollumfänglich abgewiesen habe, obwohl er in den Erwägungen zum Schluss gekommen sei, das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt und der Abteilungspräsident der Verwaltungsrekurskommission hätten die Wiedererwägungsgesuche zu Unrecht nicht materiell behandelt, sondern durch Nichteintreten formell erledigt.

2.2 Die Rüge ist unbegründet. Der Verwaltungsgerichtspräsident hat im angefochtenen Entscheid dargelegt, dass die Vorinstanzen das Wiedererwägungsgesuch auch als materiell unbegründet beurteilten, sodass eine Rückweisung von vornherein einer leeren Formalität gleichgekommen wäre. Damit erwies sich für ihn die Beschwerde in der Sache als unbegründet, weshalb er sie ohne Verfassungsverletzung abweisen konnte.

3.
3.1 Nach Art. 16 Abs. 1
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16 - 1 Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden.
1    Ausweise und Bewilligungen sind zu entziehen, wenn festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen; sie können entzogen werden, wenn die mit der Erteilung im Einzelfall verbundenen Beschränkungen oder Auflagen missachtet werden.
2    Nach Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsvorschriften, bei denen das Verfahren nach dem Ordnungsbussengesetz vom 18. März 201659 ausgeschlossen ist, wird der Lernfahr- oder Führerausweis entzogen oder eine Verwarnung ausgesprochen.60
3    Bei der Festsetzung der Dauer des Lernfahr- oder Führerausweisentzugs sind die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, namentlich die Gefährdung der Verkehrssicherheit, das Verschulden, der Leumund als Motorfahrzeugführer sowie die berufliche Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen. Die Mindestentzugsdauer darf jedoch nicht unterschritten werden, ausser wenn die Strafe nach Artikel 100 Ziffer 4 dritter Satz gemildert wurde.61 62
4    Der Fahrzeugausweis kann auf angemessene Dauer entzogen werden:
a  wenn Ausweis oder Kontrollschilder missbräuchlich verwendet wurden;
b  solange die Verkehrssteuern oder -gebühren für Fahrzeuge desselben Halters nicht entrichtet sind.63
5    Der Fahrzeugausweis wird entzogen, wenn:
a  die gegebenenfalls nach dem Schwerverkehrsabgabegesetz vom 19. Dezember 199764 für das Fahrzeug geschuldete Abgabe oder die geschuldeten Sicherheitsleistungen nicht bezahlt und der Halter erfolglos gemahnt worden ist; oder
b  das Fahrzeug nicht mit dem vorgeschriebenen Erfassungsgerät zur Abgabeerhebung ausgerüstet ist.65
SVG sind Ausweise zu entziehen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht mehr gegeben sind. Grundvoraussetzung für die Erteilung des Führerausweises ist die Fahreignung. Ist sie nicht mehr gegeben, weil die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit einer Person nicht oder nicht mehr ausreicht, ein Motorfahrzeug sicher zu führen (Art. 16d Abs. 1 lit. a
SR 741.01 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG)
SVG Art. 16d - 1 Der Lernfahr- oder Führerausweis wird einer Person auf unbestimmte Zeit entzogen, wenn:
1    Der Lernfahr- oder Führerausweis wird einer Person auf unbestimmte Zeit entzogen, wenn:
a  ihre körperliche und geistige Leistungsfähigkeit nicht oder nicht mehr ausreicht, ein Motorfahrzeug sicher zu führen;
b  sie an einer Sucht leidet, welche die Fahreignung ausschliesst;
c  sie auf Grund ihres bisherigen Verhaltens nicht Gewähr bietet, dass sie künftig beim Führen eines Motorfahrzeuges die Vorschriften beachten und auf die Mitmenschen Rücksicht nehmen wird.
2    Tritt der Entzug nach Absatz 1 an die Stelle eines Entzugs nach den Artikeln 16a-c, wird damit eine Sperrfrist verbunden, die bis zum Ablauf der für die begangene Widerhandlung vorgesehenen Mindestentzugsdauer läuft.
3    Der Ausweis wird für immer entzogen:
a  unverbesserlichen Personen;
b  Personen, denen der Ausweis in den letzten fünf Jahren bereits einmal gestützt auf Artikel 16c Absatz 2 Buchstabe abis entzogen wurde.80
SVG), weil sie an einer Sucht leidet, die die Fahreignung ausschliesst (lit. b) oder weil sie aufgrund ihres bisherigen Verhaltens nicht Gewähr bietet, dass sie künftig beim Führen eines Motorfahrzeugs die Vorschriften beachten und auf die Mitmenschen Rücksicht nehmen wird (lit. c), ist der Führerausweis auf unbestimmte Zeit zu entziehen. Nach dieser gesetzlichen Regelung muss ein Sicherungsentzug zwingend in jedem Fall angeordnet werden, bei dem die Fahreignung nicht mehr gegeben ist. Da der Sicherungsentzug einen schwerwiegenden Eingriff in den Persönlichkeitsbereich der betroffenen Person bewirkt, setzt er eine sorgfältige Abklärung aller wesentlichen Gesichtspunkte voraus (BGE 133 II 384 E. 3.1). Vorsorglich kann der Führerausweis bereits entzogen werden, wenn ernsthafte Bedenken an der Fahreignung bestehen (Art. 30
SR 741.51 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung, VZV) - Verkehrszulassungsverordnung
VZV Art. 30 Vorsorglicher Entzug - 1 Bestehen ernsthafte Zweifel an der Fahreignung einer Person, so kann die kantonale Behörde den vorsorglichen Entzug des Lernfahr- oder des Führerausweises verfügen.
1    Bestehen ernsthafte Zweifel an der Fahreignung einer Person, so kann die kantonale Behörde den vorsorglichen Entzug des Lernfahr- oder des Führerausweises verfügen.
2    Verfügt die kantonale Behörde bei polizeilich abgenommenen und ihr übermittelten Lernfahr- oder Führerausweisen innert 10 Arbeitstagen seit der polizeilichen Abnahme nicht mindestens den vorsorglichen Entzug, so gibt sie der berechtigten Person den Lernfahr- oder den Führerausweis zurück.
VZV).

3.2 Vorliegend ist in der Sache einzig strittig, ob das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt verfassungsrechtlich verpflichtet gewesen wäre, dem Beschwerdeführer den Führerausweis, den es ihm am 22. April 2010 vorsorglich entzogen hatte, wiedererwägungsweise wieder zurückzugeben. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist die vom Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt am 19. Mai 2010 im Hinblick auf einen allfälligen Sicherungsentzug angeordnete verkehrspsychologische Begutachtung.

3.3 Der automobilistische Leumund des Beschwerdeführers ist stark getrübt, der Führerausweis musste ihm in den letzten sieben Jahren viermal entzogen werden: 2004 wegen Missachtung eines Stoppsignals sowie Verursachung eines Selbstunfalls aus Übermüdung für 1 ½ Monate und wegen Führens eines Motorfahrzeugs trotz Ausweisentzugs für 6 Monate. 2005 lenkte er ein Motorrad, ohne im Besitz des entsprechenden Führerausweises gewesen zu sein. Aufgrund einer negativen verkehrspsychologischen Begutachtung wurde ihm daraufhin der Ausweis am 8. September 2005 auf unbestimmte Zeit entzogen. Nach einer positiven verkehrspsychologischen Begutachtung wurde der Sicherungsentzug am 31. Oktober 2007 aufgehoben. Am 14. Oktober 2008 lenkte er ein Motorfahrzeug mit ungenügender Aufmerksamkeit, worauf ihm der Ausweis am 23. Februar 2009 für einen Monat entzogen wurde.

3.4 Vor dem Hintergrund dieser Vorfälle muss die Trunkenheitsfahrt vom 28. März 2010 offensichtlich erhebliche Bedenken erwecken, dass der Beschwerdeführer Gewähr dafür bietet, sich zuverlässig an die Regeln des Strassenverkehrs zu halten und ein Motorfahrzeug sicher zu führen. Seine Fahreignung erscheint mithin fraglich, womit es nicht zu beanstanden ist, dass ihm der Führerausweis vorsorglich entzogen wurde. Er hat diesen Entzug denn auch - zu Recht - zunächst nicht beanstandet. Plausible Gründe, die eine Wiedererwägung dieses Entscheids rechtfertigen würden, sind keine ersichtlich. Der Umstand, dass dem Beschwerdeführer in strafrechtlicher Hinsicht in Bezug auf den Vorwurf, sein Fahrzeug unter Drogeneinfluss gelenkt zu haben, ein Sachverhaltsirrtum zugute gehalten und er dementsprechend strafrechtlich "nur" wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand verurteilt wurde, vermag jedenfalls die Zweifel an seiner Fahreignung nicht zu beheben.

3.5 Wie dargelegt, erweckt vor dem Hintergrund des stark getrübten automobilistischen Leumunds des Beschwerdeführers allein der Umstand, dass er in (mässig) alkoholisiertem Zustand ein Auto lenkte, erhebliche, einen vorsorglichen Führerausweisentzug rechtfertigende Zweifel an seiner Fahreignung. Es ist daher in diesem Verfahrensstadium unerheblich, wie diesbezüglich sein Cannabis-Konsum zu werten ist. Diese Frage und die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwände gegen die VSKV-ASTRA sind gegebenenfalls im Hauptverfahren über den Sicherungsentzug zu prüfen. Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers geht im Übrigen aus der Aufhebungsverfügung vom 29. November 2010 keineswegs hervor, dass er bei seinen hier zur Diskussion stehenden Fahrten vom 28. März 2010 nicht unter Drogeneinfluss gestanden hätte. Davon ist im Gegenteil aufgrund der Blutanalysen auszugehen. Es wurde ihm indessen ein Sachverhaltsirrtum zugute gehalten, was den strafrechtlichen Vorwurf entkräftete. Wie dieser Umstand im Administrativverfahren zu beurteilen ist, bleibt indessen offen.

3.6 Zusammenfassend ergibt sich, dass keine Gründe ersichtlich sind, die den vorsorglichen Entzug des Führerausweises für die Dauer des Administrativverfahrens bundesrechtswidrig erscheinen lassen würden.

4.
Die Beschwerde ist unbegründet und damit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer an sich kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG). Er hat indessen ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gestellt, welches gutzuheissen ist, da die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers ausgewiesen scheint und die Beschwerde nicht von vornherein aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 64 Unentgeltliche Rechtspflege - 1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
1    Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
2    Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann.
3    Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entscheidet die Abteilung in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Vorbehalten bleiben Fälle, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 108 behandelt werden. Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann die unentgeltliche Rechtspflege selbst gewähren, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind.
4    Die Partei hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist.
und 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 64 Unentgeltliche Rechtspflege - 1 Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
1    Das Bundesgericht befreit eine Partei, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, auf Antrag von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der Sicherstellung der Parteientschädigung, sofern ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint.
2    Wenn es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, bestellt das Bundesgericht der Partei einen Anwalt oder eine Anwältin. Der Anwalt oder die Anwältin hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung aus der Gerichtskasse, soweit der Aufwand für die Vertretung nicht aus einer zugesprochenen Parteientschädigung gedeckt werden kann.
3    Über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entscheidet die Abteilung in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Vorbehalten bleiben Fälle, die im vereinfachten Verfahren nach Artikel 108 behandelt werden. Der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin kann die unentgeltliche Rechtspflege selbst gewähren, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen erfüllt sind.
4    Die Partei hat der Gerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen:

2.1 Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

2.2 Rechtsanwalt Pascal Baumgardt, St. Gallen, wird für das bundesgerichtliche Verfahren als amtlicher Verteidiger eingesetzt und mit Fr. 1'500.-- aus der Gerichtskasse entschädigt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen, Abteilung Administrativmassnahmen, der Verwaltungsrekurskommission und dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen sowie dem Bundesamt für Strassen, Sekretariat Administrativmassnahmen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 2. Dezember 2011
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Störi
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 1C_386/2011
Date : 02. Dezember 2011
Published : 20. Dezember 2011
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Strassenbau und Strassenverkehr
Subject : Führerausweisentzug


Legislation register
BGG: 64  66  82  93  98
SVG: 16  16d
VZV: 11b  30
BGE-register
122-II-359 • 125-II-396 • 133-II-384
Weitere Urteile ab 2000
1C_233/2007 • 1C_386/2011
Keyword index
Sorted by frequency or alphabet
[noenglish] • [noenglish] • abrogation • addiction • adult • appeal concerning affairs under public law • automobile • behavior • blood sample • cannabis • character • clerk • constitutional law • consumption • convicted person • day • decision • deprivation for security purpose • doubt • driving when drunk • duration • effect • ex officio • federal court • federal office for roads§ • fitness to drive • forfeit • hamlet • judicature without remuneration • lausanne • lawyer • legal representation • license seizure • litigation costs • lower instance • meadow • month • motorbike • nullity • official defense • participant of a proceeding • person concerned • pointless formality • position • presumption • proceedings conditions • protective measures • provisional measure • question • record • reprimand • request to an authority • right to be heard • sanction • statement of affairs • value