Tribunal federal
{T 7}
C 13/07
Urteil vom 2. November 2007
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Heine.
Parteien
Amt für Arbeit des Kantons St. Gallen, Unterstrasse 22, 9000 St. Gallen, Beschwerdeführer,
gegen
M.________, Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Duri Poltera, Hadwigstrasse 6a, 9000 St. Gallen.
Gegenstand
Arbeitslosenversicherung,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 23. November 2006.
Sachverhalt:
A.
M.________ war vom 1. August 1998 bis 30. November 2003 bei der Firma A.________ AG als Aussendienstmitarbeiter angestellt gewesen. Ab 1. Dezember 2003 stellte er bei der Kantonalen Arbeitslosenkasse St. Gallen Antrag auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Am 8. November 2004 stellte die Arbeitslosenkasse fest, dass M.________ bei zwei Firmen, der B.________ GmbH und der C.________ GmbH, jeweils als Gesellschafter und Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen ist. Mit Verfügung vom 10. August 2005 verneinte das Amt für Arbeit wegen arbeitgeberähnlicher Stellung einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung. Daran hielt es mit Einspracheentscheid vom 24. April 2006 fest.
B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen teilweise gut und wies die Sache zur Prüfung der Vermittlungsfähigkeit an die Verwaltung zurück (Entscheid vom 23. November 2006).
C.
Das Amt für Arbeit führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, es sei unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids der Einspracheentscheid vom 24. April 2006 zu bestätigen.
M.________ schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden das Eidgenössische Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu einem einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt (Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10 Rz. 75) und es wurde die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts umfassend neu geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 132 Übergangsbestimmungen - 1 Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist. |
|
1 | Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist. |
2 | ...118 |
3 | Die Amtsdauer der ordentlichen und nebenamtlichen Bundesrichter und Bundesrichterinnen, die gestützt auf das Bundesrechtspflegegesetz vom 16. Dezember 1943119 oder den Bundesbeschluss vom 23. März 1984120 über die Erhöhung der Zahl der nebenamtlichen Richter des Bundesgerichts gewählt worden sind oder die in den Jahren 2007 und 2008 gewählt werden, endet am 31. Dezember 2008.121 |
4 | Die zahlenmässige Begrenzung der nebenamtlichen Bundesrichter und Bundesrichterinnen gemäss Artikel 1 Absatz 4 gilt erst ab 2009.122 |
2.
Das kantonale Sozialversicherungsgericht hat die gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung (Art. 8 ff
SR 837.0 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG) - Arbeitslosenversicherungsgesetz AVIG Art. 8 Anspruchsvoraussetzungen - 1 Die versicherte Person hat Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, wenn sie:34 |
|
1 | Die versicherte Person hat Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, wenn sie:34 |
a | ganz oder teilweise arbeitslos ist (Art. 10); |
b | einen anrechenbaren Arbeitsausfall erlitten hat (Art. 11); |
c | in der Schweiz wohnt (Art. 12); |
d | die obligatorische Schulzeit zurückgelegt und das Referenzalter nach Artikel 21 Absatz 1 AHVG36 noch nicht erreicht hat; |
e | die Beitragszeit erfüllt hat oder von der Erfüllung der Beitragszeit befreit ist (Art. 13 und 14); |
f | vermittlungsfähig ist (Art. 15) und |
g | die Kontrollvorschriften erfüllt (Art. 17). |
2 | Der Bundesrat regelt die Anspruchsvoraussetzungen für Personen, die vor der Arbeitslosigkeit als Heimarbeitnehmer tätig waren. Er darf dabei von der allgemeinen Regelung in diesem Kapitel nur soweit abweichen, als die Besonderheiten der Heimarbeit dies gebieten. |
SR 837.0 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG) - Arbeitslosenversicherungsgesetz AVIG Art. 31 Anspruchsvoraussetzungen - 1 Arbeitnehmer, deren normale Arbeitszeit verkürzt oder deren Arbeit ganz eingestellt ist, haben Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung, wenn: |
|
1 | Arbeitnehmer, deren normale Arbeitszeit verkürzt oder deren Arbeit ganz eingestellt ist, haben Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung, wenn: |
a | sie für die Versicherung beitragspflichtig sind oder das Mindestalter für die Beitragspflicht in der AHV noch nicht erreicht haben; |
b | der Arbeitsausfall anrechenbar ist (Art. 32); |
c | das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt ist; |
d | der Arbeitsausfall voraussichtlich vorübergehend ist und erwartet werden darf, dass durch Kurzarbeit ihre Arbeitsplätze erhalten werden können. |
1bis | Zur Prüfung der Anspruchsvoraussetzung nach Absatz 1 Buchstabe d kann in Ausnahmefällen eine Betriebsanalyse zu Lasten des Ausgleichsfonds durchgeführt werden.145 |
2 | Der Bundesrat kann abweichende Bestimmungen erlassen über die Kurzarbeitsentschädigung: |
a | für Heimarbeitnehmer; |
b | für Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit innerhalb vertraglich festgelegter Grenzen veränderlich ist.146 |
3 | Keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung haben: |
a | Arbeitnehmer, deren Arbeitsausfall nicht bestimmbar oder deren Arbeitszeit nicht ausreichend kontrollierbar ist; |
b | der mitarbeitende Ehegatte des Arbeitgebers; |
c | Personen, die in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, als finanziell am Betrieb Beteiligte oder als Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidungsgremiums die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmen oder massgeblich beeinflussen können, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten. |
3.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch des Beschwerdegegners auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. Dezember 2003.
3.1 Unbestrittenermassen war der Beschwerdegegner vom 1. August 1998 bis 30. November 2003 bei der A.________ AG angestellt gewesen. Ferner war er vom 18. März 2003 bis 15. März 2007 Gesellschafter und Geschäftsführer der B.________ GmbH, welche von Amtes wegen aufgelöst wurde. Ebenfalls als Gesellschafter und Geschäftsführer war er im Handelsregister bei der C.________ GmbH vom 2. Dezember 2003 bis 21. September 2006 eingetragen. Gestützt hierauf verneinte die Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen (Verfügung vom 10. August 2005) einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung wegen arbeitgeberähnlicher Stellung des Versicherten in zwei Firmen. Im Einspracheentscheid vom 24. April 2006 anerkannte das Amt für Arbeit die Tätigkeit bei der B.________ GmbH als Nebenerwerb, während es die arbeitgeberähnliche Stellung in der C.________ GmbH bestätigte. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen ging in seinem Entscheid vom 23. November 2006 bezüglich der C.________ GmbH ebenfalls von einer arbeitgeberähnlichen Stellung aus. Dadurch, dass der geltend gemachte Arbeitsausfall aber aus dem Stellenverlust bei der A.________ AG resultiere, könne dem Versicherten die arbeitgeberähnliche Stellung bei der C.________ GmbH nicht
entgegengehalten werden. Ferner wirft die Vorinstanz die Frage auf, ob der Versicherte eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufgebaut habe, weshalb sie die Sache zwecks Überprüfung der Vermittlungsfähigkeit an die Verwaltung zurückwies.
3.2 Demgegenüber wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht, die Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit berge Risiken, welche nicht durch die Arbeitslosenentschädigung abgedeckt seien. Der Versicherte habe mit der Gründung der C.________ GmbH in Kauf genommen, mit seinem Vorhaben zu scheitern oder zumindest anfänglich nur wenig Umsatz zu erzielen. Diese Konstellation komme einer Umgehung der Vorschriften über die Kurzarbeitsentschädigung gleich.
3.3 Es stellt sich die Frage, ob die Anspruchsvoraussetzungen nach der Gründung der C.________ GmbH am 2. Dezember 2003 noch erfüllt waren. Dabei ist festzuhalten, dass wegen der Aufnahme einer arbeitgeberähnlichen Stellung während der laufenden Rahmenfrist für den Leistungsbezug der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung nicht in analoger Anwendung von Art. 31 Abs. 3 lit. c
SR 837.0 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG) - Arbeitslosenversicherungsgesetz AVIG Art. 31 Anspruchsvoraussetzungen - 1 Arbeitnehmer, deren normale Arbeitszeit verkürzt oder deren Arbeit ganz eingestellt ist, haben Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung, wenn: |
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1 | Arbeitnehmer, deren normale Arbeitszeit verkürzt oder deren Arbeit ganz eingestellt ist, haben Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung, wenn: |
a | sie für die Versicherung beitragspflichtig sind oder das Mindestalter für die Beitragspflicht in der AHV noch nicht erreicht haben; |
b | der Arbeitsausfall anrechenbar ist (Art. 32); |
c | das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt ist; |
d | der Arbeitsausfall voraussichtlich vorübergehend ist und erwartet werden darf, dass durch Kurzarbeit ihre Arbeitsplätze erhalten werden können. |
1bis | Zur Prüfung der Anspruchsvoraussetzung nach Absatz 1 Buchstabe d kann in Ausnahmefällen eine Betriebsanalyse zu Lasten des Ausgleichsfonds durchgeführt werden.145 |
2 | Der Bundesrat kann abweichende Bestimmungen erlassen über die Kurzarbeitsentschädigung: |
a | für Heimarbeitnehmer; |
b | für Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit innerhalb vertraglich festgelegter Grenzen veränderlich ist.146 |
3 | Keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung haben: |
a | Arbeitnehmer, deren Arbeitsausfall nicht bestimmbar oder deren Arbeitszeit nicht ausreichend kontrollierbar ist; |
b | der mitarbeitende Ehegatte des Arbeitgebers; |
c | Personen, die in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, als finanziell am Betrieb Beteiligte oder als Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidungsgremiums die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmen oder massgeblich beeinflussen können, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten. |
Vorliegend übte der Beschwerdegegner in zwei verschiedenen Firmen eine arbeitgeberähnliche Stellung aus. Bei der B.________ GmbH wurde diese Tätigkeit zwar als Nebenerwerb eingestuft, jedoch wurde im Zusammenhang mit der Gründung der C.________ GmbH, welche nur einen Tag nach der Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung erfolgte, deutlich, dass der Versicherte offenkundig die Selbstständigkeit und nicht eine Arbeitnehmertätigkeit anstrebte. Mit der gesetzlichen Schadenminderungspflicht ist es zwar zu vereinbaren, dass ein Arbeitsloser sich auch nach Möglichkeiten zum Aufbau einer selbstständigen Tätigkeit umsieht. Die Arbeitslosenversicherung bezweckt in einem derartigen Fall aber nicht die Abdeckung von Unternehmerrisiken. Sodann schienen die Bestrebungen des Beschwerdegegners auf den Aufbau der C.________ GmbH ausgerichtet zu sein, zumal er ab April 2005 auch einen Lohn als Zwischenverdienst deklarieren konnte. Das an sich achtenswerte Verhalten eines Versicherten, die Arbeitslosigkeit mit selbstständiger Erwerbstätigkeit zu überwinden, ändert nichts daran, dass vorliegend die Vermittlungsfähigkeit durch die Verwaltung überprüft werden muss, wenn die Absicht zur Aufnahme der selbstständigen Arbeit so weit fortgeschritten ist,
dass die Annahme einer unselbstständigen Tätigkeit nicht oder kaum mehr möglich ist (ARV 1996/97 Nr. 36 S. 203 E. 3; 1993 Nr. 30 S. 217 E. 3b 3. Absatz).
erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Der Beschwerdeführer hat dem Beschwerdegegner für das Verfahren vor dem Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, der Kantonalen Arbeitslosenkasse St. Gallen und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 2. November 2007
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Ursprung Heine