Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
4A 211/2009
Urteil vom 2. September 2009
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Corboz,
Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiberin Feldmann.
Parteien
X.________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hansjürg Lenhard,
gegen
A.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwältin Daniela von Flüe.
Gegenstand
Darlehensvertrag,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, I. Kammer als Appellationsinstanz,
vom 24. März 2009.
Sachverhalt:
A.
Die A.________ (Darlehensgeberin; Vermieterin; Beschwerdegegnerin) gewährte der Y.________ AG (Darlehensnehmerin; Mieterin; heute infolge Abschlusses des Konkursverfahrens gelöscht) am 21. August 2002 ein Darlehen zwecks Vorfinanzierung eines Umbaus von zwei Kinosälen, die sie der Darlehensnehmerin vermietet hatte. Die X.________ AG (Beschwerdeführerin) in Zürich unterzeichnete diesen Darlehensvertrag als "Solidarschuldnerin". Im Januar 2004 geriet die Mieterin mit den Zins- und Amortisationszahlungen in Rückstand, worauf die Beschwerdegegnerin die Betreibung gegen die Mieterin einleitete. Im provisorischen Rechtsöffnungsverfahren unterlag die Beschwerdegegnerin.
B.
Im Mai 2006 erhob die Beschwerdegegnerin beim Amtsgericht Luzern-Stadt Klage gegen die Beschwerdeführerin und forderte Fr. 255'000.-- nebst Zins mit der Begründung, die Darlehensnehmerin sei ihren vertraglichen Pflichten (Zins- und Amortisationszahlungen) nicht nachgekommen. Das Amtsgericht hiess die Klage am 28. August 2008 gut. Mit Urteil vom 24. März 2009 wies das Obergericht des Kantons Luzern die dagegen erhobene Appellation ab.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht im Wesentlichen, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Klage der Beschwerdegegnerin abzuweisen. Mit Präsidialverfügung vom 8. Juni 2009 wurde ihr Gesuch um aufschiebende Wirkung abgewiesen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Die Vorinstanz schliesst unter Hinweis auf den angefochtenen Entscheid auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
Erwägungen:
1.
Streitig ist die Auslegung der Ziffer 5 des von der Beschwerdegegnerin als Darlehensgeberin mit der Y.________ AG als Darlehensnehmerin abgeschlossenen Darlehensvertrags vom 21. August 2002, den die Beschwerdeführerin als Solidarschuldnerin unterzeichnete. Die umstrittene Ziffer lautet wie folgt:
"Als Sicherheit für das Darlehen dient der Nutzerausbau der beiden Kinos im AB.________, welche durch die Darlehensnehmerin ausgebaut wurden. Sollte das Darlehen fällig werden oder Amortisationsraten nicht pünktlich bezahlt werden (Verzug gemäss Art. 4), so gehen Teile des Nutzerausbaus in diesem Umfange in den Besitz der Darlehensnehmerin [Hervorhebung hinzugefügt] über. Die Darlehensgeberin entscheidet, welche Teile übernommen werden. Deren Wert wird durch das Betreibungsamt Luzern mittels einer Retentionsurkunde ermittelt."
2.
Die Vorinstanz hat bezüglich der strittigen Vertragsklausel keinen tatsächlichen übereinstimmenden Parteiwillen festgestellt, sondern diese nach dem Vertrauensprinzip ausgelegt. Sie hielt fest, nach dem Wortlaut würden Teile des Nutzerausbaus bei Verzug zwar in den Besitz der Darlehensnehmerin übergehen. Dabei müsse es sich aber um ein redaktionelles Versehen handeln. Ziffer 5 des Darlehensvertrags beschäftige sich mit der "Sicherheit für das Darlehen". Die Klausel spreche allein den Fall an, dass die Darlehensnehmerin mit der Rückzahlung bzw. den Amortisationszahlungen in Verzug gerate. Die Bestimmung regle mithin die Absicherung der Darlehensgeberin. Bei Fälligkeit des Darlehens bzw. Verzug würden Teile des Nutzerausbaus somit nicht in den Besitz der Darlehensnehmerin, sondern in denjenigen der Darlehensgeberin fallen. Eine wörtliche Auslegung sei mit unlösbaren inhaltlichen Widersprüchen verbunden. Es sei objektiv nicht nachvollziehbar, warum die Darlehensnehmerin im Falle ihres eigenen Verzugs als Sicherheit für das Darlehen Teile des Nutzerausbaus übernehmen dürfte. Für eine solche Anormalität müsste eine plausible Erklärung vorliegen, die jedoch nicht ersichtlich sei. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin habe sich die
Beschwerdegegnerin den Übergang von Teilen des Nutzerausbaus nicht anrechnen zu lassen. Der Nutzerausbau falle nach Ziffer 10.2 des Mietvertrags zwischen der Darlehensnehmerin und der Beschwerdegegnerin bei Vertragsende entschädigungslos an die Vermieterin. Es sei nicht einzusehen, weshalb die Darlehensgeberin im Rahmen des Darlehensvertrags auf den entschädigungslosen Übergang des Nutzerausbaus hätte verzichten sollen. Die in Ziffer 5 des Darlehensvertrags geregelte Sicherheit bestehe demnach im vorzeitigen Übergang des Nutzerausbaus auf die Darlehensgeberin im Umfang der ausstehenden Summe. Die vorgesehene Wertermittlung durch das Betreibungsamt diene dazu, ein Äquivalent zwischen der konkret ausstehenden Summe und den aus diesem Grund vorzeitig übergehenden Teilen des Nutzerausbaus herzustellen.
3.
3.1 Die Beschwerdeführerin rügt vorab eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
3.1.1 Das rechtliche Gehör nach Art. 29 Abs. 2

SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist. |
3.1.2 Diesen Begründungsanforderungen genügt der angefochtene Entscheid. Die Vorinstanz hat - wenn auch knapp - die Vorbringen der Beschwerdeführerin berücksichtigt. Soweit die Beschwerdeführerin geltend mache, die Bestimmung schütze im Endergebnis sie als Solidarschuldnerin, weshalb ein Übergang von Teilen des Nutzerausbaus auf die Darlehensnehmerin vorgesehen sei, verkenne sie, dass sich Ziffer 5 des Darlehensvertrags nicht mit der Absicherung und den Interessen der Beschwerdeführerin, sondern allein mit jenen der Beschwerdegegnerin als Darlehensgeberin befasse. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwände gegen ihre Zahlungspflicht seien unter Zugrundelegung von Ziffer 5 des Darlehensvertrags nicht von Bedeutung. Daraus ergibt sich auch, dass und weshalb die Vorinstanz die Ansicht des Rechtsöffnungsrichters nicht teilte. Eine Gehörsverletzung liegt mithin nicht vor.
3.2 Soweit die Beschwerdeführerin rügt, in der Annahme, es liege eine Anormalität vor, für die es keine plausible Erklärung gebe, liege eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts (Art. 97 Abs. 1

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SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BV Art. 9 Schutz vor Willkür und Wahrung von Treu und Glauben - Jede Person hat Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür und nach Treu und Glauben behandelt zu werden. |
3.2.1 Der Inhalt eines Vertrags bestimmt sich in erster Linie durch subjektive Auslegung, das heisst nach dem übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen (Art. 18 Abs. 1

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3.2.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Feststellung der Vorinstanz, keine der Parteien habe einen übereinstimmenden tatsächlichen Willen behauptet, sei willkürlich. Sie legt aber nicht im Einzelnen dar, inwiefern diese Feststellung offensichtlich unhaltbar sein soll oder woraus zwingend auf ein übereinstimmendes Verständnis der umstrittenen Bestimmung zu schliessen sein sollte. Damit genügt sie den Begründungsanforderungen (Art. 106 Abs. 2

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3.2.3 Gemäss Ziffer 10.2 des Mietvertrags fällt der Nutzerausbau bei Vertragsauflösung entschädigungslos an die Darlehensgeberin. Eine wörtliche Auslegung von Ziffer 5 des Darlehensvertrags im Sinne der Beschwerdeführerin ergibt keinen Sinn. Danach würden bei Verzug mit den Zins- oder Amortisationszahlungen Teile des Nutzerausbaus im entsprechenden Umfang in den Besitz der Darlehensnehmerin fallen und wären bei Übernahme durch die Darlehensgeberin zu entschädigen. Somit hätte es die Darlehensnehmerin in der Hand, durch ihr eigenes vertragliches Fehlverhalten eine Entschädigung herbeizuführen und könnte gleichzeitig dafür sorgen, dass die ihr nahestehende Beschwerdeführerin nicht in Anspruch genommen wird. Ziffer 5 des Darlehensvertrags spricht jedoch von einer "Sicherheit für das Darlehen" und damit vom Schutz der Darlehensgeberin. Nach Treu und Glauben musste die Beschwerdegegnerin somit nicht damit rechnen, dass ihre Position durch diese Klausel verschlechtert werden könnte. Daher kann sich die Beschwerdeführerin ihrer Zahlungspflicht als Solidarschuldnerin nach Treu und Glauben nicht unter Berufung auf Ziffer 5 entziehen, selbst wenn die Klausel unklar sein sollte. Daran vermag auch Ziffer 6 des Darlehensvertrags nichts zu
ändern, wonach dieser sämtlichen früheren Vereinbarungen der Beteiligten ausdrücklich vorgeht oder der Umstand, dass die Beschwerdeführerin nicht Partei des Mietvertrags war. Die Beschwerde erweist sich insoweit als unbegründet.
3.2.4 Die Rüge, die Vorinstanz hätte die Beweislast für einen redaktionellen Fehler der Beschwerdegegnerin auferlegen müssen, stösst ins Leere, da die Vorinstanz gerade keinen tatsächlichen übereinstimmenden Willen festgestellt, sondern die umstrittene Vertragsklausel nach dem Vertrauensprinzip ausgelegt hat. Auch aus dem Grundsatz "in dubio contra stipulatorem" bzw. der sogenannten Unklarheitsregel kann die Beschwerdeführerin nichts zu ihren Gunsten ableiten. Die Unklarheitsregel greift nur, wenn die übrigen Auslegungsmittel versagen, und findet im Bereich der vorformulierten Verträge ihr eigentliches Anwendungsgebiet (BGE 123 III 35 E. 2c/bb S. 44; 122 III 118 E. 2d S. 124; 99 II 290 E. 5 S. 292). Beide Voraussetzungen sind nicht gegeben.
3.3 Unbehelflich ist schliesslich die Rüge, die Vorinstanz habe Art. 672 Abs. 1

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ZBGR 88/2007 S. 65). Es wäre allenfalls möglich, eine Entschädigung dafür vorzusehen, dass die Mieterin keinen Gebrauch von ihrem Wegnahmerecht macht, soweit ihr dies angesichts von Ziffer 10.2 des Mietvertrags überhaupt noch zustehen sollte. Aber auch eine solche Regelung kann Ziffer 5 des Darlehensvertrags nicht entnommen werden. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass aus Ziffer 5 des Darlehensvertrags nicht auf eine Sicherheit der Darlehensnehmerin bzw. der Beschwerdeführerin geschlossen werden kann. Für einen solchen Fall hätte die Klausel anders formuliert werden müssen.
4.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 6'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 7'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, I. Kammer als Appellationsinstanz, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 2. September 2009
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Die Gerichtsschreiberin:
Klett Feldmann