Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

9C 248/2023

Urteil vom 2. August 2023

III. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Parrino, Präsident,
Bundesrichterinnen Moser-Szeless, Scherrer Reber,
Gerichtsschreiberin Nünlist.

Verfahrensbeteiligte
Bundesamt für Sozialversicherungen, Effingerstrasse 20, 3003 Bern 3,
Beschwerdeführer,

gegen

A.________,
Beschwerdegegner,

Schweizerische Ausgleichskasse SAK, Avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf.

Gegenstand
Alters- und Hinterlassenenversicherung,

Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2023
(C-3753/2020).

Sachverhalt:

A.
Der am 15. Juli 1931 geborene A.________ ist deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Deutschland. Er arbeitete 1957 und zwischen 1960 und 1963 in der Schweiz und war mit einer Deutschen verheiratet. Der Ehe entsprossen zwei Söhne, geboren am 12. Oktober 1962 und am 30. April 1965. Ab dem 1. August 1996 bezog er eine AHV-Altersrente (ab dem 1. Januar 1997: Einzelrente, Verfügung vom 15. Januar 1997). Diese betrug im Jahr 2020 Fr. 85.- pro Monat.
Im April 2020 verstarb seine Ehefrau. Mit Verfügung vom 24. April 2020 wurde die ordentliche Altersrente ab 1. Mai 2020 neu auf Fr. 101.- festgesetzt. Hiergegen erhob der Versicherte Einsprache, welche mit Einspracheentscheid vom 16. Juni 2020 abgewiesen wurde.

B.
Die an die Schweizerische Ausgleichskasse SAK (nachfolgend: Ausgleichskasse) gerichtete Beschwerde des Versicherten vom 8. Juli 2020, mit welcher er sinngemäss eine Witwerrente beantragte, wies die Verwaltung zuständigkeitshalber an das Bundesverwaltungsgericht weiter. Dieses hiess die Beschwerde mit Urteil vom 27. Februar 2023 gut und wies die Ausgleichskasse an, A.________ mit Wirkung ab April 2020 eine Witwerrente von Fr. 304.- (zuzüglich seitheriger Rentenanpassungen und Verzugszins) monatlich auszurichten.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), es sei die Beschwerde gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben. Sodann sei der Einspracheentscheid vom 16. Juni 2020 zu bestätigen. Es sei festzustellen, dass der Beschwerdegegner keinen Anspruch auf eine Witwerrente habe.
Der Beschwerdegegner beantragt sinngemäss die Abweisung der Beschwerde, die Ausgleichskasse ersucht um deren Gutheissung.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die (weiteren) Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 29 Prüfung - 1 Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen.
1    Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen.
2    Bestehen Zweifel, ob das Bundesgericht oder eine andere Behörde zuständig ist, so führt das Gericht mit dieser Behörde einen Meinungsaustausch.
BGG; BGE 145 V 57 E. 1; 144 V 280 E. 1).
Der Beschwerdeführer verlangt die Bestätigung des Einspracheentscheids vom 16. Juni 2020 und damit (implizit) die Verneinung des Anspruchs auf eine Witwerrente. Angesichts dieses (zulässigen) rechtsgestaltenden Rechtsbegehrens kommt dem gleichzeitig gestellten Feststellungsantrag keine eigenständige Bedeutung zu (BGE 144 V 388 E. 1.2.2 mit Hinweisen; Urteil 9C 590/2019 vom 15. Juni 2020 E. 1.3, nicht publ. in: BGE 146 V 224).

2.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 97 Unrichtige Feststellung des Sachverhalts - 1 Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
1    Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
2    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so kann jede unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden.87
BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.96
BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 95 Schweizerisches Recht - Mit der Beschwerde kann die Verletzung gerügt werden von:
a  Bundesrecht;
b  Völkerrecht;
c  kantonalen verfassungsmässigen Rechten;
d  kantonalen Bestimmungen über die politische Stimmberechtigung der Bürger und Bürgerinnen und über Volkswahlen und -abstimmungen;
e  interkantonalem Recht.
BGG beruht (Art. 105 Abs. 2
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 105 Massgebender Sachverhalt - 1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
1    Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat.
2    Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht.
3    Richtet sich die Beschwerde gegen einen Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung, so ist das Bundesgericht nicht an die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden.96
BGG).

3.

3.1. Strittig und zu prüfen ist, ob Bundesrecht verletzt wurde, indem das Bundesverwaltungsgericht den Anspruch des Beschwerdegegners auf eine Witwerrente im Grundsatz (soweit höher als die Altersrente; siehe E. 4.1 hiernach) bejaht hat.

3.2. Im Zusammenhang mit den anwendbaren Rechtsgrundlagen kann im Wesentlichen auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen werden. Hervorzuheben respektive zu ergänzen ist Nachfolgendes:

3.2.1. Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente haben Witwen oder Witwer, sofern sie im Zeitpunkt der Verwitwung Kinder haben. Der Anspruch erlischt mit der Wiederverheiratung, dem Tod der Witwe oder des Witwers und - im Fall von Witwern, nicht aber von Witwen - wenn das letzte Kind das 18. Altersjahr vollendet hat (Art. 23 Abs. 1
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 23 Witwen- und Witwerrente - 1 Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente haben Witwen oder Witwer, sofern sie im Zeitpunkt der Verwitwung Kinder haben.
a  mit der Wiederverheiratung;
b  mit dem Tode der Witwe oder des Witwers.
und Abs. 4, Art. 24 Abs. 2
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 24 Besondere Bestimmungen - 1 Witwen haben überdies Anspruch auf eine Witwenrente, wenn sie im Zeitpunkt der Verwitwung keine Kinder oder Pflegekinder im Sinne von Artikel 23, jedoch das 45. Altersjahr vollendet haben und mindestens fünf Jahre verheiratet gewesen sind. War die Witwe mehrmals verheiratet, so wird auf die Gesamtdauer der Ehen abgestellt.
AHVG).

3.2.2. Mit Urteil 78630/12 Beeler gegen Schweiz vom 11. Oktober 2022 entschied die Grosse Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), dass durch Art. 24 Abs. 2
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 24 Besondere Bestimmungen - 1 Witwen haben überdies Anspruch auf eine Witwenrente, wenn sie im Zeitpunkt der Verwitwung keine Kinder oder Pflegekinder im Sinne von Artikel 23, jedoch das 45. Altersjahr vollendet haben und mindestens fünf Jahre verheiratet gewesen sind. War die Witwe mehrmals verheiratet, so wird auf die Gesamtdauer der Ehen abgestellt.
AHVG Witwer diskriminiert werden, indem ihre Hinterlassenenrente, anders als jene von Witwen, mit der Volljährigkeit des jüngsten Kindes erlischt. Er stellte in diesem Zusammenhang eine Verletzung von Art. 14
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 14 Diskriminierungsverbot - Der Genuss der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten.
(Diskriminierungsverbot) in Verbindung mit Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) fest.
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist daher zwecks Herstellung eines konventionskonformen Zustandes in vergleichbaren Konstellationen fortan darauf zu verzichten, die Witwerrente allein aufgrund der Volljährigkeit des jüngsten Kindes aufzuheben (vgl. BGE 143 I 50 E. 4.1 und 4.2; 143 I 60 E. 3.3; vgl. auch die Urteile 9C 281/2022 vom 28. Juni 2023 E. 3, 9C 481/2021 und 9C 749/2020 vom 9. Januar 2023 je E. 2.1 f.).

3.2.3. Das erkannte auch der Beschwerdeführer in seinen Mitteilungen Nr. 460 vom 21. Oktober 2022 an die AHV-Ausgleichskassen und EL-Durchführungsstellen (abrufbar unter:https://www.bsv.admin.ch/bsv/de/ home/sozialversicherungen/ahv/grundlagen-gesetze/witwerrente.html; zuletzt besucht am 25. Juli 2023). Diese sehen für folgende Personen eine Übergangsregelung vor (Mitteilungen S. 2) :

- Witwer mit minderjährigen Kindern, deren Rente zum Zeitpunkt des rechtskräftigen Urteils (11. Oktober 2022) bereits ausbezahlt wird. Darunter fallen auch die Fälle, für welche die Anmeldung nach dem 11. Oktober 2022 eingereicht wird. Für den Anspruch auf eine Witwerrente über das 18. Altersjahr des Kindes hinaus, ist massgebend, dass das Kind am 11. Oktober 2022 das 18. Altersjahr noch nicht vollendet hatte;
- Nicht geschiedene Ehemänner mit Kindern, die nach dem 11. Oktober 2022 verwitwen, d.h. deren Leistungsanspruch infolge eines Todesfalls entsteht, der nach diesem Datum eintritt. Massgebend ist, dass der Witwer im Zeitpunkt der Verwitwung eines oder mehrere Kinder hat; das Alter des Kindes ist (wie bei Witwen) unerheblich;
- Witwer mit Kindern, die die Rentenaufhebungsverfügung angefochten haben und deren Fall am 11. Oktober 2022 hängig ist;
- Männer, deren Anspruch auf eine Witwerrente gestützt auf Artikel 23 Absatz 5
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 23 Witwen- und Witwerrente - 1 Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente haben Witwen oder Witwer, sofern sie im Zeitpunkt der Verwitwung Kinder haben.
a  mit der Wiederverheiratung;
b  mit dem Tode der Witwe oder des Witwers.
AHVG wiederauflebt, sofern das jüngste Kind, welches Anspruch auf die Witwerrente gab, am 11. Oktober 2022 das 18. Altersjahr noch nicht vollendet hat.
Für diese Personen werden die Witwerrenten gemäss Artikel 23
SR 831.10 Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG)
AHVG Art. 23 Witwen- und Witwerrente - 1 Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente haben Witwen oder Witwer, sofern sie im Zeitpunkt der Verwitwung Kinder haben.
a  mit der Wiederverheiratung;
b  mit dem Tode der Witwe oder des Witwers.
AHVG gewährt und über das 18. Altersjahr des Kindes hinaus ausbezahlt. Die Leistungen sind also nicht mehr zeitlich befristet und erlöschen nur bei Tod, Wiederverheiratung oder Entstehung des Anspruchs auf eine höhere AHV-Altersrente bzw. IV-Rente.

4.

4.1. Das Bundesverwaltungsgericht hat zum Anspruch auf eine Witwerrente erwogen, der Beschwerdegegner habe das 65. Altersjahr vollendet und erfülle die Mindestbeitragszeit, er habe Anspruch auf eine Altersrente. Mit dem Hinschied der Ehegattin im April 2020 sei er zum Witwer geworden. Der Ehe seien zwei Kinder entsprossen, das jüngste habe damals an der Schwelle zum 55. Geburtstag gestanden. Die im Verfügungszeitpunkt noch berücksichtigte rentenausschliessende Wirkung der Volljährigkeit des jüngsten Kindes könne im Sinne der Herstellung eines konventionskonformen Rechtszustandes nicht mehr zum Tragen kommen. Der Beschwerdegegner habe somit Anspruch auf eine Witwerrente, sofern diese höher ausfalle als die Altersrente für Verwitwete.

4.2. Es erhellt vorliegend - auch mit Blick auf das angefochtene Urteil - nicht, inwiefern eine Konstellation vorliegen soll, gemäss derer der Beschwerdegegner Anspruch auf eine Witwerrente hätte: Vorab ist mit dem Beschwerdeführer anzumerken, dass die Situation des Beschwerdegegners entscheidend von derjenigen im EGMR-Urteil vom 11. Oktober 2022 abweicht. Dem stimmt auch der Beschwerdegegner zu. So war Herr Beeler im Zeitpunkt des Todes seiner Ehefrau rund 41 Jahre alt und hatte zwei Kleinkinder zu betreuen (vgl. EGMR-Urteil 78630/12, Sachverhalt). Der Beschwerdegegner war dagegen rund 89 Jahre alt, als er verwitwete, und seine beiden Söhne waren zu diesem Zeitpunkt längst erwachsen. Zudem hatte Herr Beeler eine Witwerrente bezogen, Gegenstand des EGMR-Urteils waren insbesondere die Auswirkungen des Wegfalls. Dem Beschwerdegegner wurde dagegen nie eine Witwerrente ausgerichtet. Die Verweigerung der Witwerrente hat keine Auswirkungen auf die Organisation des Familienlebens des Beschwerdegegners, weshalb dessen konkrete Situation nicht ansatzweise vergleichbar ist mit jener, die dem zitierten EGMR-Urteil zugrunde lag. Sodann ist ebenfalls nicht ersichtlich, inwiefern der Beschwerdegegner aufgrund der seitens der Beschwerdeführerin
eingeführten Übergangsregelung (E. 3.2.2 hiervor) Anspruch auf eine Witwerrente haben könnte. Auch diesbezüglich ist relevant, dass er zu keinem Zeitpunkt Bezüger einer Witwerrente war. Seine Kinder waren sodann am 11. Oktober 2022 seit Jahrzehnten volljährig. Er verwitwete weiter vor dem 11. Oktober 2022. Und schliesslich liegt mangels Ausrichtung einer Witwerrente auch keine Rentenaufhebungsverfügung vor, die angefochten worden wäre. Die Beschwerde ist begründet.

5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdegegner die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
1    Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben.
2    Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden.
3    Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht.
4    Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist.
5    Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen.
BGG). Dem BSV steht keine Parteientschädigung zu (Art. 68 Abs. 3
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz
BGG Art. 68 Parteientschädigung - 1 Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
1    Das Bundesgericht bestimmt im Urteil, ob und in welchem Mass die Kosten der obsiegenden Partei von der unterliegenden zu ersetzen sind.
2    Die unterliegende Partei wird in der Regel verpflichtet, der obsiegenden Partei nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts alle durch den Rechtsstreit verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen.
3    Bund, Kantonen und Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegen.
4    Artikel 66 Absätze 3 und 5 ist sinngemäss anwendbar.
5    Der Entscheid der Vorinstanz über die Parteientschädigung wird vom Bundesgericht je nach Ausgang des Verfahrens bestätigt, aufgehoben oder geändert. Dabei kann das Gericht die Entschädigung nach Massgabe des anwendbaren eidgenössischen oder kantonalen Tarifs selbst festsetzen oder die Festsetzung der Vorinstanz übertragen.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2023 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid der Schweizerischen Ausgleichskasse SAK vom 16. Juni 2020 bestätigt.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Schweizerischen Ausgleichskasse SAK und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung III, schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 2. August 2023

Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Parrino

Die Gerichtsschreiberin: Nünlist
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 9C_248/2023
Date : 02. August 2023
Published : 20. August 2023
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Alters- und Hinterlassenenversicherung
Subject : Alters- und Hinterlassenenversicherung


Legislation register
AHVG: 23  24
BGG: 29  66  68  95  97  105
EMRK: 8  14
BGE-register
143-I-50 • 143-I-60 • 144-V-280 • 144-V-388 • 145-V-57 • 146-V-224
Weitere Urteile ab 2000
9C_248/2023 • 9C_281/2022 • 9C_481/2021 • 9C_590/2019 • 9C_749/2020
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C-3753/2020