Eidgenössisches Versicherungsgericht
Tribunale federale delle assicurazioni
Tribunal federal d'assicuranzas

Sozialversicherungsabteilung
des Bundesgerichts

Prozess {T 7}
C 328/05

Urteil vom 2. Juni 2006
IV. Kammer

Besetzung
Präsident Ursprung, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Schön; Gerichtsschreiber Hadorn

Parteien
K.________, 1943, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Matthias Müller, Uraniastrasse 40, 8001 Zürich,

gegen

Arbeitslosenkasse der Industrien des Zürcher Oberlandes, Ferrachstrasse 35, 8630 Rüti, Beschwerdegegnerin

Vorinstanz
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 27. Oktober 2005)

Sachverhalt:
Mit Verfügung vom 5. Juli 2004 verneinte die Arbeitslosenversicherungskasse der Industrien des Zürcher Oberlandes die Anspruchsberechtigung des K.________ (geb. 1943) auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. Juli 2002 und forderte bereits ausgerichtete Leistungen im Betrag von Fr. 142'401.60 zurück. Mit Einspracheentscheid vom 2. November 2004 reduzierte die Kasse die Rückforderung wegen Eintritts der Verjährung auf Fr. 68'670.60.

Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 27. Oktober 2005 ab.

K.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, die Rückforderung sei aufzuheben. Eventuell sei die Sache zu näheren Abklärungen an die Kasse zurückzuweisen.

Die Arbeitslosenversicherungskasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Vorschriften zur Rückforderung von zu Unrecht erbrachten Leistungen (Art. 95 Abs. 1
SR 837.0 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG) - Arbeitslosenversicherungsgesetz
AVIG Art. 95 Rückforderung von Leistungen - 1 Die Rückforderung richtet sich nach Artikel 25 ATSG385 ausser in den Fällen nach den Artikeln 55 und 59cbis Absatz 4.386
1    Die Rückforderung richtet sich nach Artikel 25 ATSG385 ausser in den Fällen nach den Artikeln 55 und 59cbis Absatz 4.386
1bis    Eine versicherte Person, die Arbeitslosenentschädigung bezogen hat und später für denselben Zeitraum Renten oder Taggelder der Invalidenversicherung, der beruflichen Vorsorge, aufgrund des Erwerbsersatzgesetzes vom 25. September 1952387, der Militärversicherung, der obligatorischen Unfallversicherung, der Krankenversicherung oder gesetzliche Familienzulagen erhält, ist zur Rückerstattung der in diesem Zeitraum bezogenen Arbeitslosentaggelder verpflichtet.388 In Abweichung von Artikel 25 Absatz 1 ATSG beschränkt sich die Rückforderungssumme auf die Höhe der von den obgenannten Institutionen für denselben Zeitraum ausgerichteten Leistungen.389
1ter    Hat eine Kasse für Umschulungen, Weiterbildungen oder Eingliederungen finanzielle Leistungen erbracht, für die ein anderer Sozialversicherer hätte aufkommen müssen, so fordert sie ihre Leistungen von diesem zurück.390
2    Zu Unrecht ausbezahlte Kurzarbeits- und Schlechtwetterentschädigungen fordert die Kasse vom Arbeitgeber zurück. Hat der Arbeitgeber die unrechtmässige Auszahlung zu verantworten, so ist für ihn jede Rückforderung gegenüber den Arbeitnehmern ausgeschlossen.
3    Die Kasse unterbreitet ein Erlassgesuch der kantonalen Amtsstelle zum Entscheid.
AVIG) zur Verjährung (Art. 25 Abs. 2
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 25 Rückerstattung - 1 Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt.
1    Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt.
2    Der Rückforderungsanspruch erlischt drei Jahre, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre seit der Auszahlung der einzelnen Leistung.19 Wird der Rückerstattungsanspruch aus einer strafbaren Handlung hergeleitet, für welche das Strafrecht eine längere Verjährungsfrist vorsieht, so ist diese Frist massgebend.
3    Zuviel bezahlte Beiträge können zurückgefordert werden. Der Anspruch erlischt mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem der Beitragspflichtige von seinen zu hohen Zahlungen Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge bezahlt wurden.
ATSG) und zum Ausschluss arbeitgeberähnlicher Personen sowie ihrer im Betrieb mitarbeitender Ehegatten vom Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung (Art. 31 Abs. 3 lit. c
SR 837.0 Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG) - Arbeitslosenversicherungsgesetz
AVIG Art. 31 Anspruchsvoraussetzungen - 1 Arbeitnehmer, deren normale Arbeitszeit verkürzt oder deren Arbeit ganz eingestellt ist, haben Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung, wenn:
1    Arbeitnehmer, deren normale Arbeitszeit verkürzt oder deren Arbeit ganz eingestellt ist, haben Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung, wenn:
a  sie für die Versicherung beitragspflichtig sind oder das Mindestalter für die Beitragspflicht in der AHV noch nicht erreicht haben;
b  der Arbeitsausfall anrechenbar ist (Art. 32);
c  das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt ist;
d  der Arbeitsausfall voraussichtlich vorübergehend ist und erwartet werden darf, dass durch Kurzarbeit ihre Arbeitsplätze erhalten werden können.
1bis    Zur Prüfung der Anspruchsvoraussetzung nach Absatz 1 Buchstabe d kann in Ausnahmefällen eine Betriebsanalyse zu Lasten des Ausgleichsfonds durchgeführt werden.145
2    Der Bundesrat kann abweichende Bestimmungen erlassen über die Kurzarbeitsentschädigung:
a  für Heimarbeitnehmer;
b  für Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit innerhalb vertraglich festgelegter Grenzen veränderlich ist.146
3    Keinen Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung haben:
a  Arbeitnehmer, deren Arbeitsausfall nicht bestimmbar oder deren Arbeitszeit nicht ausreichend kontrollierbar ist;
b  der mitarbeitende Ehegatte des Arbeitgebers;
c  Personen, die in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, als finanziell am Betrieb Beteiligte oder als Mitglieder eines obersten betrieblichen Entscheidungsgremiums die Entscheidungen des Arbeitgebers bestimmen oder massgeblich beeinflussen können, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten.
AVIG) sowie die Rechtsprechung zur analogen Anwendung dieser Bestimmung auf arbeitgeberähnliche Personen und ihre Ehegatten, die Arbeitslosenentschädigung verlangen (BGE 123 V 236 Erw. 7), ebenso richtig dargelegt wie die Ausführungen zur Wiedererwägung (Art. 53 Abs. 2
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 53 Revision und Wiedererwägung - 1 Formell rechtskräftige Verfügungen und Einspracheentscheide müssen in Revision gezogen werden, wenn die versicherte Person oder der Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen entdeckt oder Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich war.
1    Formell rechtskräftige Verfügungen und Einspracheentscheide müssen in Revision gezogen werden, wenn die versicherte Person oder der Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen entdeckt oder Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich war.
2    Der Versicherungsträger kann auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist.
3    Der Versicherungsträger kann eine Verfügung oder einen Einspracheentscheid, gegen die Beschwerde erhoben wurde, so lange wiedererwägen, bis er gegenüber der Beschwerdebehörde Stellung nimmt.
ATSG; BGE 122 V 21 Erw. 3a) und zur Heilung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (BGE 127 V 437 Erw. 3d/aa). Darauf wird verwiesen.
2.
Streitig und zu prüfen ist die Rückforderung in dem von der Vorinstanz noch zugelassenen Ausmass.
2.1 Der Beschwerdeführer bezog ab 1. Juli 2002 Arbeitslosenentschädigung. Er war vorher in der Firma X.________ tätig gewesen und blieb nach der Entlassung auf Ende Juni 2002 noch bis 4. Februar 2003 als Verwaltungsratspräsident mit Einzelunterschrift der genannten Unternehmung im Handelsregister vermerkt. Seit der Löschung ist seine Ehefrau bis heute als Verwaltungsratsmitglied mit Einzelunterschrift eingetragen. Damit war der Beschwerdeführer bis 4. Februar 2003 selber arbeitgeberähnliche Person, anschliessend Ehegatte einer solchen und damit im Sinne der Rechtsprechung vom Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ausgeschlossen. Dass die Firma nach und nach liquidiert wurde, vermag daran nichts zu ändern, sind doch Liquidatoren in der Regel ebenfalls von der erwähnten Leistung ausgeschlossen (ARV 2003 S. 183; Urteil B. vom 26. September 2003, C 95/03). So lange die Ehefrau im Handelsregister eingetragen blieb, war es dem Versicherten möglich, auf den Verlauf der Liquidierung und den Verkauf der Geschäftsinventars Einfluss zu nehmen. Dabei war nicht ausgeschlossen, die Firma in kleinerem Umfang oder mit anderer Zielrichtung erneut zu aktivieren (erwähntes Urteil B.). Für die Ablehnung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung
genügt bereits das Risiko eines Missbrauchs (ARV 2003 S. 240 [Urteil F. vom 14. April 2003, C 92/02]. Ein solches war in der vorliegenden Konstellation gegeben.
2.2 Der Beschwerdeführer beruft sich sodann darauf, die Verwaltung habe ihre Auskunftspflicht verletzt. Hätte sie ihn auf die mit der arbeitgeberähnlichen Stellung zusammenhängenden Probleme hingewiesen, hätte er sich früher im Handelsregister löschen lassen. Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht im Urteil W. vom 28. Oktober 2005 (C 157/05) erkannt hat, gehört es zu den Aufklärungspflichten der Verwaltung im Sinne von Art. 27 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 27 Aufklärung und Beratung - 1 Die Versicherungsträger und Durchführungsorgane der einzelnen Sozialversicherungen sind verpflichtet, im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereiches die interessierten Personen über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären.
1    Die Versicherungsträger und Durchführungsorgane der einzelnen Sozialversicherungen sind verpflichtet, im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereiches die interessierten Personen über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären.
2    Jede Person hat Anspruch auf grundsätzlich unentgeltliche Beratung über ihre Rechte und Pflichten. Dafür zuständig sind die Versicherungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind. Für Beratungen, die aufwendige Nachforschungen erfordern, kann der Bundesrat die Erhebung von Gebühren vorsehen und den Gebührentarif festlegen.
3    Stellt ein Versicherungsträger fest, dass eine versicherte Person oder ihre Angehörigen Leistungen anderer Sozialversicherungen beanspruchen können, so gibt er ihnen unverzüglich davon Kenntnis.
ATSG, arbeitgeberähnliche Personen darauf hinzuweisen, dass sie auf Grund ihrer Position vom Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ausgeschlossen werden können. Dies hat die Verwaltung vorliegend nicht getan. Indessen hätte dies bereits im Sommer 2002 geschehen müssen, als der Versicherte sich zum Leistungsbezug angemeldet hat. Vor dem 1. Januar 2003 war das ATSG noch nicht in Kraft und es bestand keine Art. 27 Abs. 1
SR 830.1 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
ATSG Art. 27 Aufklärung und Beratung - 1 Die Versicherungsträger und Durchführungsorgane der einzelnen Sozialversicherungen sind verpflichtet, im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereiches die interessierten Personen über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären.
1    Die Versicherungsträger und Durchführungsorgane der einzelnen Sozialversicherungen sind verpflichtet, im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereiches die interessierten Personen über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären.
2    Jede Person hat Anspruch auf grundsätzlich unentgeltliche Beratung über ihre Rechte und Pflichten. Dafür zuständig sind die Versicherungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind. Für Beratungen, die aufwendige Nachforschungen erfordern, kann der Bundesrat die Erhebung von Gebühren vorsehen und den Gebührentarif festlegen.
3    Stellt ein Versicherungsträger fest, dass eine versicherte Person oder ihre Angehörigen Leistungen anderer Sozialversicherungen beanspruchen können, so gibt er ihnen unverzüglich davon Kenntnis.
ATSG entsprechende Aufklärungspflicht. Daher kann der Beschwerdeführer aus der im Jahr 2002 nicht erfolgten Aufklärung keine Rechte für sich ableiten. Die Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung ab 1. Juli 2002 erfolgte offensichtlich zu Unrecht, weshalb die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung erfüllt sind. Hinsichtlich der Verwirkung kann auf den zutreffenden kantonalen
Entscheid verwiesen werden.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt.
Luzern, 2. Juni 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
Decision information   •   DEFRITEN
Document : C_328/05
Date : 02. Juni 2006
Published : 20. Juni 2006
Source : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Subject area : Arbeitslosenversicherung
Subject : Arbeitslosenversicherung


Legislation register
ATSG: 25  27  53
AVIG: 31  95
BGE-register
122-V-19 • 123-V-234 • 127-V-431
Weitere Urteile ab 2000
C_157/05 • C_328/05 • C_92/02 • C_95/03
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