Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung III

C-1821/2014

Urteil vom 2. Juli 2014

Richter Antonio Imoberdorf (Vorsitz),

Besetzung Richterin Ruth Beutler, Richterin Jenny de Coulon Scuntaro,

Gerichtsschreiberin Susanne Stockmeyer.

X._______,

Parteien vertreten durch
Bruno Lehmann, Rechtsanwalt,

Beschwerdeführerin,

gegen

Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Schengen-Visum zu Besuchszwecken.

Sachverhalt:

A.
Nachdem frühere Einreisegesuche der sri-lankischen Beschwerdeführerin (geb. 1951) und ihres Ehemannes von der Vorinstanz mit Verfügung vom 18. Februar 2010 abgelehnt worden waren, beantragten sie am 24. Oktober 2013 erneut bei der Schweizerischen Botschaft in Colombo ein Schengen-Visum für einen dreimonatigen Besuchsaufenthalt bei ihrer im Kanton Solothurn lebenden Tochter und deren Ehemann (im Folgenden: Gastgeber).

B.
Mit Formularentscheid vom 30. Oktober 2013 lehnte es die schweizerische Vertretung ab, die gewünschten Visa auszustellen. Sie begründete ihre Haltung mit der ihrer Auffassung nach fehlenden Gewähr für eine fristgerechte Wiederausreise aus dem Schengen-Raum nach einem Besuchsaufenthalt.

C.
Mit Schreiben vom 6. November 2013 teilte die Beschwerdeführerin der Schweizerischen Botschaft mit, bereits vor wenigen Wochen seien die von ihr und ihrem Ehemann eingereichten Visumsgesuche für einen Besuchsaufenthalt in der Schweiz abgelehnt worden. Da sie gerne an der Geburtstagsfeier ihres Enkels dabei sein wolle, versuche sie es nun in Bezug auf ihre Person mit einem zweiten Gesuch. Damit sei gewährleistet, dass sie wieder retour zu ihrem Ehemann gehe. Aus Altergründen könne sich dieser nicht lange selbst versorgen, weshalb es selbstverständlich sei, dass sie wieder zu ihm zurückkehren werde. Sie sei zudem bereits in den Jahren 2000, 2001 und 2004 mittels Visum in die Schweiz gereist und sei immer wieder in ihr Heimatland zurückgereist. Die Schweizerische Botschaft leitete dieses Schreiben sowie einen nochmals ausgefüllten Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Schengen-Visums an die Vorinstanz weiter, welches diese als Einsprache entgegennahm.

D.
Mit Verfügung vom 5. März 2014 wies die Vorinstanz - nach durch das Migrationsamt des Kantons Solothurn vorgenommenen Abklärungen bei den Gastgebern - die Einsprache ab. Sie führte im Wesentlichen aus, die anstandslose und fristgerechte Wiederausreise der Beschwerdeführerin nach einem Besuchsaufenthalt könne nicht als gesichert betrachtet werden. Sie stamme aus einer Region, aus welcher als Folge der schwierigen wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse der Zuwanderungsdruck nach wie vor stark anhalte. Der Beschwerdeführerin oblägen zudem keine besonderen beruflichen, familiären oder gesellschaftlichen Verpflichtungen, welche das Risiko einer nicht anstandslosen Wiederausreise als entsprechend gering erscheinen lasse. Zudem seien die Gastgeber gemäss Einschätzung der dafür zuständigen kommunalen Amtsstelle nicht in der Lage, den finanziellen Verpflichtungen, welche allenfalls im vorliegenden Zusammenhang entstehen könnten, nachzukommen.

E.
Gegen den ablehnenden Einspracheentscheid gelangte die inzwischen anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin mit Rechtsmitteleingabe vom
4. April 2014 an das Bundesverwaltungsgericht. Sie beantragt darin, die vorinstanzliche Verfügung vom 5. März 2014 sei aufzuheben und es sei ihr ein Besuchsvisum zu erteilen. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, sie und ihr Ehemann seien bereits viermal in der Schweiz gewesen, dreimal gemeinsam und einmal sei sie alleine in die Schweiz gereist. Im letzten Herbst hätten die Eheleute einen gemeinsamen Visumantrag gestellt, der aber wegen einer gefährdeten Wiederausreise abgelehnt worden sei. Daher habe sich die Beschwerdeführerin entschlossen, alleine einen Visumantrag zu stellen. Das Argument der Vorinstanz, sie habe in Sri Lanka keine familiären Verpflichtungen, sei damit widerlegt, lasse sie doch nun ihren Ehemann dort zurück. Zudem habe sie in ihrem Heimatland auch noch zwei Schwestern. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann seien auch beruflich in Sri Lanka integriert. So besässen sie eigenes Land, würden Reis und Tabak anbauen und in einem eigenen, grosszügigen Haus in Sri Lanka wohnen. Sie seien zudem auch sehr eng mit einem benachbarten Tempel verbunden, der von den Grosseltern ihres Ehemannes gestiftet worden sei. Des Weiteren wären zwar theoretisch auch Besuche der Gastgeber in Sri Lanka möglich, allerdings würden dabei höhere Reisekosten anfallen, da die Familie des Gastgebers drei Kinder habe. Zudem befürchte der Gastgeber, der seit 1986 in der Schweiz lebe und seither nie mehr in Sri Lanka gewesen sei, bei seiner Einreise gewisse Schwierigkeiten. Die Gastgeber seien zudem bereit, finanzielle Sicherheiten zu leisten, sollte dies verlangt werden. Der Gastgeber arbeite zu 100%, seine Ehefrau zu 50%. Die Familie lebe in einem eigenen Haus. Wieso die Gastfamilie nicht in der Lage sein sollte, für Unterhaltsverpflichtungen aufzukommen, sei nicht ersichtlich; sie wäre auch bereit, eine Kaution zu hinterlegen. Bei den früheren Visumerteilungen seien die finanziellen Sicherheiten offenbar nie ein Problem gewesen.

F.
In ihrer Vernehmlassung vom 16. Mai 2014 beantragt die Vorinstanz die Abweisung der Beschwerde.

G.
Mit verfahrensleitender Anordnung vom 21. Mai 2014 wurde der Beschwerdeführerin ein Doppel der vorinstanzlichen Stellungnahme vom
16. Mai 2014 zugestellt.

H.
Auf den weiteren Akteninhalt wird, soweit rechtserheblich, in den Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.1 Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht unter Vorbehalt der in Art. 32 VGG genannten Ausnahmen Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des VwVG, welche von einer in Art. 33 VGG aufgeführten Behörde erlassen wurden. Darunter fallen u.a. Verfügungen des BFM, mit denen die Erteilung eines Schengen-Visums zu Besuchszwecken verweigert wird. In dieser Materie entscheidet das Bundesverwaltungsgericht endgültig (Art. 83 Bst. c Ziff. 1 BGG).

1.2 Sofern das Verwaltungsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt, richtet sich das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach dem VwVG (Art. 37 VGG).

1.3 Die Beschwerdeführerin ist gemäss Art. 48 Abs. 1 VwVG zur Beschwerde berechtigt. Auf die im Übrigen frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (Art. 50 und 52 VwVG).

2.
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes und - sofern nicht eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat - die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet im Beschwerdeverfahren das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG an die Begründung der Begehren nicht gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend ist grundsätzlich die Sachlage zum Zeitpunkt seines Entscheides (vgl. BVGE 2013/33 E. 2).

3.
Der angefochtenen Verfügung liegt das Gesuch einer Staatsangehörigen von Sri Lanka um Erteilung eines Visums für einen dreimonatigen Aufenthalt in der Schweiz zugrunde. Da sich die Beschwerdeführerin nicht auf die EU/EFTA-Personenfreizügigkeitsabkommen berufen kann und die beabsichtigte Aufenthaltsdauer drei Monate nicht überschreitet, fällt die vorliegende Streitsache in den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich der Schengen-Assoziierungsabkommen, mit denen die Schweiz den Schengen-Besitzstand und die dazugehörigen gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakte übernommen hat. Das Ausländergesetz (AuG, SR 142.20) und seine Ausführungsverordnung gelangen nur soweit zur Anwendung, als die Schengen-Assoziierungsabkommen keine abweichenden Bestimmungen enthalten (Art. 2 Abs. 2 bis Abs. 5 AuG).

4.
Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Visums präsentieren sich im Anwendungsbereich der vorerwähnten Rechtsgrundlagen wie folgt:

4.1 Das schweizerische Ausländerrecht kennt weder ein allgemeines Recht auf Einreise noch gewährt es einen besonderen Anspruch auf Erteilung eines Visums. Die Schweiz ist daher - wie andere Staaten auch - grundsätzlich nicht gehalten, Ausländerinnen und Ausländern die Einreise zu gestatten. Vorbehältlich völkerrechtlicher Verpflichtungen handelt es sich dabei um einen autonomen Entscheid (vgl. Botschaft zum Bundesgesetz über Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März 2002, BBl 2002 3774; BGE 135 II 1 E. 1.1 mit Hinweisen). Das Schengen-Recht schränkt die nationalstaatlichen Befugnisse insoweit ein, als es einheitliche Voraussetzungen für Einreise und Visum aufstellt und die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Einreise bzw. das Visum zu verweigern, wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Einen Anspruch auf Einreise bzw. Visum vermittelt auch das Schengen-Recht nicht (a.M. Egli/Meyer, in: Caroni/ Gächter/Thurnherr, Stämpflis Handkommentar zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, 2010, Art. 5 N. 3 f.).

4.2 Drittstaatsangehörige dürfen über die Aussengrenzen des Schengen-Raums für einen Aufenthalt von höchstens 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen einreisen, wenn sie im Besitz gültiger Reisedokumente sind, die zum Grenzübertritt berechtigen. Ferner benötigen sie ein Visum, falls ein solches nach Massgabe der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Aussengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind, erforderlich ist. Kein Visum benötigen Drittstaatsangehörige, die Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels sind oder über ein gültiges Visum für den längerfristigen Aufenthalt verfügen (vgl. Art. 5 Abs. 1 Bst. a AuG, Art. 2 Abs. 1 der Verordnung vom 22. Oktober 2008 über die Einreise und die Visumerteilung [VEV, SR 142.204] i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Bst. a und b der Verordnung [EG] Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen [nachfolgend: Schengener Grenzkodex, SGK, ABl. L 105 vom 13.04.2006, S. 1-32], Art. 4 VEV).

4.3 Im Weiteren müssen Drittstaatsangehörige den Zweck und die Umstände ihres beabsichtigten Aufenthalts belegen und hierfür über ausreichende finanzielle Mittel verfügen (Art. 5 Abs. 1 Bst. b AuG, Art. 2 Abs. 1 VEV, Art. 5 Abs. 1 Bst. c und Abs. 3 SGK sowie Art. 14 Abs. 1 Bst. a-c der Verordnung [EG] Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft [nachfolgend: Visakodex]). Namentlich haben sie in diesem Zusammenhang zu belegen, dass sie den Schengen-Raum vor Ablauf des bewilligungsfreien Aufenthaltes verlassen, bzw. ausreichende Gewähr für eine fristgerechte Wiederausreise zu bieten (Art. 14 Abs. 1 Bst. d und Art. 21 Abs. 1 Visakodex sowie Art. 5 Abs. 2 AuG; vgl. dazu Egli/Meyer, a.a.O. Art. 5 N. 33). Des weiteren dürfen Drittstaatsangehörige nicht im Schengener Informationssystem (SIS) zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellen (Art. 5 Abs. 1 Bst. c AuG, Art. 5 Abs. 1 Bst. d und e SGK).

4.4 Eine Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Bst. e SGK ist auch dann anzunehmen, wenn die drittstaatsangehörige Person nicht bereit ist, das Hoheitsgebiet des Schengen-Raums fristgerecht wieder zu verlassen (vgl. dazu Egli/Meyer, a.a.O., Art. 5 N. 33; ferner Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts 1 C. 1.10 vom 11. Januar 2011 Rz. 29). Die Behörden haben daher zu prüfen und drittstaatsangehörige Personen zu belegen, dass die Gefahr einer rechtswidrigen Einwanderung oder einer nicht fristgerechten Ausreise nicht besteht (Art. 14 Abs. 1 Bst. d und Art. 21 Abs. 1 Visakodex). Die Gewähr der gesicherten Wiederausreise, wie sie Art. 5 Abs. 2 AuG verlangt, wenn nur ein vorübergehender Aufenthalt vorgesehen ist, steht mit dieser Regelung im Einklang (vgl. BVGE 2009/27 E. 5 mit Hervorhebung des Zusammenhangs zum Einreiseerfordernis des belegten Aufenthaltszwecks nach Art. 5 Abs. 1 Bst. c SGK).

4.5 Sind die vorerwähnten Einreisevoraussetzungen (Visum ausgenommen) nicht erfüllt, darf ein für den gesamten Schengen-Raum geltendes "einheitliches Visum" (Art. 2 Ziff. 3 Visakodex) nicht erteilt werden (Art. 12 VEV, Art. 32 SGK). Hält es jedoch ein Mitgliedstaat aus humanitären Gründen, aus Gründen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen für erforderlich, so ist er berechtigt, der drittstaatsangehörigen Person, welche die ordentlichen Einreisevoraussetzungen nicht erfüllt, ausnahmsweise ein "Visum mit räumlich beschränkter Gültigkeit" zu erteilen (Art. 2 Ziff. 4 Visakodex). Dieses Visum ist grundsätzlich nur für das Hoheitsgebiet des ausstellenden Staates gültig (Art. 32 i.V.m. Art. 25 Abs. 1 Bst. a Visakodex; unter denselben Voraussetzungen kann einer drittstaatsangehörigen Person die Einreise an den Aussengrenzen gestattet werden, vgl. Art. 5 Abs. 4 Bst. c SGK).

5.1 Aufgrund ihrer srilankischen Staatsangehörigkeit unterliegt die Beschwerdeführerin der Visumspflicht (vgl. Anhang I zur Verordnung [EG] Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001). Bei der Prüfung der Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 Abs. 1 SGK steht die Frage der gesicherten Wiederausreise im Vordergrund. Eine solche erachtet die Vorinstanz aufgrund der allgemeinen Situation im Heimatland und der persönlichen Verhältnisse der Gesuchstellerin als nicht genügend gesichert. Zur Einschätzung entsprechender Risiken sind sämtliche Umstände des konkreten Einzelfalles zu würdigen.

5.2 Anhaltspunkte zur Beurteilung einer Gewähr für die fristgerechte und anstandslose Wiederausreise können sich aus der allgemeinen Situation im Herkunftsland der Besucherin oder des Besuchers ergeben. Einreisegesuche von Bürgerinnen und Bürgern aus Staaten bzw. Regionen mit politisch oder wirtschaftlich vergleichsweise ungünstigen Verhältnissen können ein Indiz dafür sein, dass die persönliche Interessenlage nicht mit dem Ziel und Zweck einer zeitlich befristeten Einreisebewilligung in Einklang steht.

6.

6.1 Die Bevölkerung in Sri Lanka verfügte 2011 über ein durchschnittliches Pro-Kopf-Einkommen von 2.580 US-Dollar pro Jahr. Laut der Klassifizierung der Weltbank ist das Land damit ein sogenanntes "Lower Middle Income Country" (Land mit unterem mittlerem Einkommensniveau). Im UN-Index der menschlichen Entwicklung (HDI) von 2012 belegt Sri Lanka Position 92 von 187 Ländern. Die neuesten Erhebungen zeigen, dass die Armutsrate bei 8.9% lag (zum Vergleich 1990: 26.1%). Die Einkommen sind zwischen Stadt- und Landbevölkerung jedoch sehr ungleich verteilt. Etwa die Hälfte der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes ist auf die Region um die Hauptstadt Colombo konzentriert. Viele Beschäftigte auf den Tee-, Kautschuk- und Tabakplantagen leben dagegen am Existenzminimum (Quelle: http://www.bmz.de > was wir machen > Länder > Asien > Sri Lanka > Armut, besucht im Juni 2014).

Aus den Akten ergibt sich zudem, dass die Beschwerdeführerin tamilischer Ethnie ist und aus Jaffna, einem Distrikt in der Nordprovinz Sri Lankas, stammt (vgl. Sri Lanka Register/Certificate of Birth vom 3. Januar 2013). Für die tamilische Bevölkerung im Norden kommt erschwerend dazu, dass insbesondere die öffentliche Gesundheitsversorgung mit ungenügend qualifiziertem Personal und eingeschränktem Zugang zu an sich kostenlosen Medikamenten prekär ist. Viele Kliniken im Norden verfügen nur über sehr rudimentäre Behandlungsmöglichkeiten (Quelle: Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) > Sri Lanka: Gesundheitsversorgung im Norden Sri Lankas, Themenpapier der Länderanalyse, Adrian Schuster, 26. Juni 2013 S. 7 und S. 10).

6.2 Dass sich die Situation der tamilischen Bevölkerung auch Jahre nach Beendigung des Bürgerkrieges noch nicht normalisiert hat, kann im Übrigen auch der Schweizerischen Asylstatistik entnommen werden. Ihr zufolge befanden sich Ende 2013 1279 Personen aus Sri Lanka im Asylprozess; 684 von ihnen hatten im Verlauf jenes Jahres ein Asylgesuch eingereicht. Gegenüber dem Vorjahr 2012 bedeutet dies sogar eine Zunahme um 38,5%, was wiederum auf die vom BFM Ende August 2013 beschlossene vorläufige Sistierung von Rückführungen abgewiesener Asylbewerber nach Sri Lanka zurückzuführen ist (Quelle: Bundesamt für Migration, http://www.bfm.admin.ch > Dokumentation > Zahlen und Fakten > Asylstatistik > Jahresstatistiken > Kommentierte Asylstatistik 2013 S. 3 und 9).

6.3 Im Falle der Schweiz wird die Tendenz zur Immigration erfahrungsgemäss dort noch begünstigt, wo durch die Anwesenheit von Verwandten oder Freunden bereits ein minimales soziales Beziehungsnetz besteht. Angesichts der restriktiven Zulassungsregelung werden dabei nicht selten ausländerrechtliche Bestimmungen umgangen, indem versucht wird, den Aufenthalt - einmal eingereist - auf eine ganz andere rechtliche oder faktische Basis zu stellen und sich so der Pflicht zur Wiederausreise zu entziehen. Solche allgemeinen Erfahrungen können beim Entscheid über die Erteilung eines Visums mit berücksichtigt werden.

6.4 Bei der Risikoanalyse sind allerdings nicht nur die erwähnten allgemeinen Umstände und Erfahrungen, sondern auch sämtliche Gesichtspunkte des konkreten Einzelfalles zu berücksichtigen. Obliegt einer gesuchstellenden Person im Heimatland beispielsweise eine besondere berufliche, gesellschaftliche oder familiäre Verantwortung, kann dieser Umstand durchaus die Prognose für eine anstandslose Wiederausreise begünstigen. Umgekehrt muss bei Personen, die in ihrer Heimat keine besonderen Verpflichtungen haben, das Risiko für ein ausländerrechtlich nicht regelkonformes Verhalten (nach bewilligter Einreise zu einem Besuchsaufenthalt) hoch eingeschätzt werden.

7.

7.1 Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine 63-jährige, verheiratete Frau. Des Weiteren verfügt sie über zwei Schwestern in ihrem Heimatland. Dass sie in Sri Lanka zusammen mit ihrem Ehemann lebt, weist zwar durchaus auf eine gewisse familiäre Verpflichtung in ihrem Heimatland hin. Allerdings ist der Umstand, dass sie diesen anlässlich des geplanten Besuchsaufenthalts in der Schweiz dort allein zurücklässt, dahingehend zu relativieren, als dass drei ihrer vier Kinder in der Schweiz leben; ein weiterer Sohn ist nach Frankreich emigriert (vgl. ausgefülltes Frageblatt des Amts für Migration und Schweizer Ausweise des Kantons Solothurn vom 4. Dezember 2013 sowie Schreiben des Migrationsamts des Kantons Solothurns vom 17. Januar 2014). Sie verfügt damit hierzulande über ein enges familiäres Umfeld und verwandtschaftliche Kontakte. Dies würde ihr eine Emigration sicherlich enorm erleichtern. Es ist zudem nicht auszuschliessen, dass die Beschwerdeführerin und ihre Kinder die Hoffnung hegen, zu einem späteren Zeitpunkt auch den Ehemann bzw. den Vater in die Schweiz nachziehen zu können. Zwar wird im Frageblatt vom 4. Dezember 2013 von den Gastgebern weiter geltend gemacht, der Vater könne sich aus Altersgründen nicht selbst versorgen, demgegenüber ist bereits aufgrund des geplanten dreimonatigen Besuchsaufenthalts der Beschwerdeführerin in der Schweiz nicht darauf zu schliessen, die Betreuung des Ehemannes könne während ihrer Abwesenheit nicht durch andere Personen sichergestellt werden; gleiches gilt im Übrigen auch für die Betreuung des Einfamilienhauses der Tochter, welche der Beschwerdeführerin obliege (vgl. Frageblatt vom 4. Dezember 2013). Damit kann die Vermutung, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer Einreise in die Schweiz andere Zwecke als einen Besuchsaufenthalt verfolgt, trotz ihres in der Heimat zurückbleibenden Ehegatten nicht widerlegt werden.

7.2 Daran können auch die beschwerdeweise geschilderten wirtschaftlichen Verhältnisse nichts ändern. So besässen die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann eigenes Land und sie würden Reis und Tabak anbauen. Die Eheleute würden zudem in einem eigenen, grosszügigen Haus wohnen (vgl. Beschwerde vom 4. April 2014). Es bestehen hingegen - nebst der Frage wie die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann die Bewirtschaftung der Reis- und Tabakfelder überhaupt bewerkstelligen können - keine konkreten Angaben bezüglich der Einnahmen, welche sie damit generieren. Zwar ist einer der Akten beigelegten Bestätigung der X._______ Bank vom 29. Oktober 2013 zu entnehmen, dass das Bankkonto der Beschwerdeführerin zu jenem Zeitpunkt einen Kontostand von 427'478 LKR (umgerechnet Fr. 2'914.-) aufwies, ohne einen detaillierten Auszug aller Ein- und Auszahlungen über einen gewissen Zeitraum hinweg kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass es sich hierbei allenfalls um einen externen Unterstützungsbeitrag handelt. Immerhin findet sich in dem von den damaligen Gastgebern (Sohn und Schwiegertochter) ausgefüllten Formular "Angaben zum Einreisegesuch" vom 6. Januar 2010 der Hinweis, der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin und deren Ehemann würde von den Kindern finanziert werden. Aus den lediglich sehr pauschal geltend gemachten Angaben kann somit nicht geschlossen werden, die Beschwerdeführerin lebe in wirtschaftlich besonders vorteilhaften Verhältnissen.

7.3 Nichts ableiten lässt sich vorliegend aus dem Umstand, dass sich die Beschwerdeführerin bereits diverse Male in der Schweiz aufgehalten hat, liegen doch diese Besuchsaufenthalte (2001, 2002 und 2004) bereits
10 Jahre und mehr zurück. Gerade im Hinblick auf das nun fortgeschrittene Alter der Beschwerdeführerin und die immer noch prekären Verhältnisse in ihrer Wohnregion (vgl. E. 6.1) durfte die Vorinstanz somit davon ausgehen, dass keine hinreichende Gewähr für eine fristgerechte und anstandslose Wiederausreise der Beschwerdeführerin nach einem Besuchsaufenthalt besteht. Mit diesen Ausführungen kann auch die beschwerdeweise geltend gemachte enge Verbundenheit der Beschwerdeführerin mit einem benachbarten Tempel nicht entscheidend ins Gewicht fallen.

7.4 Vor diesem Hintergrund kann in casu die Frage der genügenden finanziellen Mitteln der Gastgeber keine eigenständige Rolle mehr spielen. Der Vollständigkeit halber ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es die Beschwerdeführerin unterlassen hat, im vorliegenden Verfahren den Nachweis ausreichender finanzieller Mittel ihrer Gastgeber zu erbringen. Beschwerdeweise wird auch nicht geltend gemacht, die Gastgeber hätten die Ausstände bei den definitiven Gemeindesteuern nun beglichen (vgl. Vollmacht zur Erteilung einer einmaligen Steuerauskunft bzw. Stellungnahme der Gemeinde vom vom 4. Dezember 2013 sowie Schreiben des Migrationsamts des Kantons Solothurns vom 17. Januar 2014). Die Voraussetzungen für die Erteilung eines sogenannten "einheitlichen Visums", das für den gesamten Schengen-Raum gilt, sind somit nicht erfüllt.

8.
Bleibt zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Visums mit räumlich beschränkter Gültigkeit vorliegen (vgl. E. 4.5). Ein solches kann - wie erwähnt - erteilt werden, wenn ein Mitgliedstaat es aus humanitären Gründen, aus Gründen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen für erforderlich hält. Die damit einhergehende Abweichung von den allgemeinen Einreisevoraussetzungen erfordert eine sorgfältige Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen, die nicht leichthin zur Erteilung eines auf nationales Hoheitsgebiet beschränkten Visums führen darf (vgl. BVGE 2011/48 E. 6.1).

8.1 Zwar stellt der persönliche Kontakt zwischen der Beschwerdeführerin und den Gastgebern eine grundsätzlich unter den Schutz von Art. 8 EMRK sowie Art. 13 Abs. 1 BV fallende familiäre Beziehung dar, auch wenn es sich nicht um die sog. "Kernfamilie" handelt. Das vermag jedoch zu keinem anderen Resultat zu führen. Denn nur Beeinträchtigungen des Familienlebens von gewisser Mindestschwere stellen rechtfertigungs-bedürftige Eingriffe in die genannten Garantien dar. Ob diese Mindestschwere im vorliegenden Fall erreicht wird, erscheint unter den gegebenen Umständen als fraglich, immerhin wäre den Gastgebern, welche im Besitze einer Niederlassungsbewilligung sind, auch die Reise in einen Drittstaat zuzumuten. Doch auch wenn dem so sein sollte, handelte es sich nur um einen eher untergeordneten Eingriff in das Familienleben, der durch die auf dem Spiel stehenden öffentlichen Interessen gerechtfertigt ist (Art. 8 Ziff. 2 EMRK und Art. 36 BV; vgl. Urteil des BGer 2C_190/2011 vom 23. November 2011 E. 4.3.1).

8.2 Die geltend gemachten privaten Interessen rechtfertigen solchermassen auch nicht, ein Visum mit räumlich beschränkter Gültigkeit auszustellen.

9.
Aus vorstehenden Erwägungen folgt, dass die angefochtene Verfügung im Lichte von Art. 49 VwVG nicht zu beanstanden ist. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

10.
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens wird die unterliegende Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 63 Abs. 1 VwVG, Art. 1, 2 und 3 Bst. b des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht.

(Dispositiv nächste Seite)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Der in gleicher Höhe einbezahlte Kostenvorschuss wird zur Bezahlung der Verfahrenskosten verwendet.

3.
Dieses Urteil geht an:

- die Beschwerdeführerin (Einschreiben)

- die Vorinstanz (Akten Ref-Nr. [...] retour)

- das Migrationsamt des Kantons Solothurns

Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:

Antonio Imoberdorf Susanne Stockmeyer

Versand:
Information de décision   •   DEFRITEN
Document : C-1821/2014
Date : 02 juillet 2014
Publié : 17 septembre 2014
Source : Tribunal administratif fédéral
Statut : Non publié
Domaine : Droit de cité et droit des étrangers
Objet : Schengen-Visum zu Besuchszwecken


Répertoire des lois
CEDH: 8
Cst: 13  36
LEtr: 2  5  14  21
LTAF: 31  32  33  37
LTF: 83
OEV: 2  4  12
PA: 5  48  49  50  52  62  63
Répertoire ATF
135-II-1
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