Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal
Abteilung III
C-793/2007
{T 0/2}
Urteil vom 2. Juli 2007
Mitwirkung:
Richterin Ruth Beutler (Vorsitz); Richter Andreas Trommer; Richter Bernard Vaudan; Gerichtsschreiber Daniel Grimm.
A._______,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Christian Koch, Postfach 1011, 8501 Frauenfeld,
gegen
Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz
betreffend
Einreisesperre.
Sachverhalt:
A. Der aus Mazedonien stammende A._______ (geboren _______, nachfolgend Beschwerdeführer) reiste am 28. März 2001 in die Schweiz ein und ersuchte gemeinsam mit der Mutter und dem Bruder B._______ um Asyl. Das Asylgesuch wurde vom Bundesamt für Flüchtlinge (BFF, heute Bundesamt für Migration [BFM], hiernach: Bundesamt) mit Verfügung vom 19. September 2002 abgelehnt. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies die Schweizerische Asylrekurskommission (ARK) mit Urteil vom 27. August 2004 ab. Auch ein danach veranlasstes Revisionsverfahren blieb ohne Erfolg. Am 3. Oktober 2006 gab die ARK einem Gesuch um Wiederaufnahme des mit Beschluss vom 4. Juli 2006 abgeschriebenen Revisionsverfahrens nicht statt, worauf das Bundesamt den Beschwerdeführer am 25. Oktober 2006 aufforderte, das Land bis zum 22. November 2006 zu verlassen. Ein am 31. Oktober 2006 gestelltes Gesuch, ihn und seinen Bruder wiedererwägungsweise vorläufig aufzunehmen, lehnte die Vorinstanz am 7. November 2006 ebenfalls ab.
B. Mit Entscheid vom 15. November 2006 trat das Migrationsamt des Kantons Thurgau auf ein Gesuch vom 1. November 2006 um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen nicht ein. Dagegen legte der Parteivertreter beim Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau ein Rechtsmittel ein. Nachdem die zuständigen Vollzugsbehörden die notwendigen Reisedokumente beschafft hatten, wurde der Beschwerdeführer am 22. Januar 2007 in Ausschaffungshaft genommen und am 24. Januar 2007, zusammen mit seinem Bruder B._______, auf dem Luftweg nach Mazedonien ausgeschafft.
C. Aufgrund dieses Sachverhalts verhängte die Vorinstanz über den Beschwerdeführer mit Datum vom 4. Januar 2007 eine ab dem 24. Januar 2007 gültige Einreisesperre für die Dauer von drei Jahren und entzog einer allfälligen Beschwerde die aufschiebende Wirkung. Zur Begründung wurde ausgeführt, seine Anwesenheit sei aus vorsorglich armenrechtlichen Gründen unerwünscht.
D. Mit Beschwerde vom 30. Januar 2007 an das Bundesverwaltungsgericht beantragt der Beschwerdeführer durch den Parteivertreter die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung. Im Wesentlichen lässt er vorbringen, im konkreten Fall seien absolut keine Anhaltspunkte ersichtlich, welche die vorinstanzliche Begründung zu stützen vermöchten. Der Beschwerdeführer verfüge über eine angemessene Ausbildung und wäre jederzeit bereit gewesen zu arbeiten. Eine Anlehre in einer Farbbeschichtungsfirma habe er aus gesundheitlichen Gründen zwar abbrechen müssen, er zeige aber zwischenzeitlich starkes Interesse am Gastgewerbe. Er habe auch mehrere Stellenangebote in Aussicht gehabt, wegen seines Status erhalte er jedoch keine Arbeitserlaubnis. Es sei somit nicht das Verschulden des Beschwerdeführers, dass er kein Erwerbseinkommen habe erzielen dürfen. Entsprechend fehle es an einem öffentlichen Interesse an seiner Fernhaltung. Die Mutter als einzige Bezugsperson lebe mit gefestigtem Aufenthaltsstatus in der Schweiz. Nennenswerte Kontakte zum Vater oder zu anderen Verwandten pflege er nicht. Die Einreisesperre verunmögliche dem Beschwerdeführer für die kommenden drei Jahre mithin, seine einzige familiäre Bezugsperson zu besuchen. Dem nicht spezifizierten bzw. unklaren öffentlichen Interesse stehe demnach ein weit gewichtigeres privates Interesse entgegen.
E. Mit Zwischenverfügung vom 26. Februar 2007 lehnte das Bundesverwaltungsgericht das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege samt Verbeiständung ab.
F. Die Vorinstanz schliesst in ihrer Vernehmlassung vom 16. April 2007 auf Abweisung der Beschwerde.
G. Der Beschwerdeführer verzichtete auf die Ausübung des Replikrechts.
H. Auf den weiteren Akteninhalt wird, soweit rechtserheblich, in den Erwägungen eingegangen.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1. Verfügungen des BFM betreffend Einreisesperre unterliegen der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Art. 20 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer [ANAG, SR 142.20] i.V.m. Art. 31 und Art. 33 Bst. d des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32]).
1.2. Gemäss Art. 37 VGG richtet sich das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach dem Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021), soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Das Urteil ist endgültig (Art. 1 Abs. 2 VGG i.V.m. Art. 83 Bst. c Ziff. 1 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht [BGG, SR 173.110]).
1.3. Als Verfügungsadressat ist der Beschwerdeführer zur Anfechtung der erlassenen Einreisesperre legitimiert. Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist deshalb einzutreten (Art. 48 ff . VwVG).
2. Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes sowie die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet im Beschwerdeverfahren das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG an die Begründung der Begehren nicht gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Entscheides (vgl. E. 1.2 des in BGE 129 II 215 teilweise publizierten Urteils des Bundesgerichts 2A.451/2002 vom 28. März 2003).
3.
3.1. Die eidgenössische Behörde kann über unerwünschte Ausländer die Einreisesperre verhängen (Art. 13 Abs. 1 Satz 1 ANAG). Während der Einreisesperre ist dem Ausländer jeder Grenzübertritt ohne ausdrückliche Ermächtigung der verfügenden Behörde untersagt (Art. 13 Abs. 1 Satz 3 ANAG).
3.2. Als "unerwünscht" im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Satz 1 ANAG gelten nach ständiger Praxis Fremde, deren Vorleben bzw. konkretes Verhalten darauf schliessen lässt, dass sie nicht willens oder nicht fähig sind, sich in die geltende Ordnung einzufügen oder deren Fernhaltung im öffentlichen Interesse liegt (vgl. Verwaltungspraxis der Bundesbehörden [VPB] 63.1, 62.28, 60.4, 58.53; ferner Peter Sulger Büel, Vollzug von Fernhalte- und Entfernungsmassnahmen gegenüber Fremden nach dem Recht des Bundes und des Kantons Zürich, Diss. Zürich 1984 = Europäische Hochschulschriften, Reihe ll, Rechtswissenschaft, Bd. 352, Bern usw. 1984, S. 79 f. mit weiteren Nachweisen). Die Einreisesperre stellt aber keine Strafe im Sinne eines sozialethischen Unwerturteils, sondern eine präventivpolizeiliche Administrativmassnahme zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VPB 63.1, 62.28, 60.4, 58.53). Der unbestimmte Rechtsbegriff des "unerwünschten Ausländers" gemäss Art. 13 Abs. 1 Satz 1 ANAG ist dabei nach den üblichen Methoden dem Sinn und Zweck des Gesetzes entsprechend auszulegen (vgl. Fritz Gygi, Verwaltungrecht, Bern 1986, S. 147; Francesco Bertossa, Der Beurteilungsspielraum, Diss. Bern 1984, ASR Heft 489, S. 39).
4.
4.1. Die Vorinstanz begründet ihren Standpunkt mit vorsorglich armenpolizeilichen Überlegungen. Ausländerinnen und Ausländer, die mittellos sind, können als unerwünscht im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Satz 1 ANAG gelten, weil in solchen Fällen oftmals die Gefahr besteht, dass sie auf sozialhilferechtliche Unterstützung angewiesen sind oder versucht sein könnten, ohne Bewilligung ein Erwerbseinkommen zu erzielen bzw. auf andere unerlaubte Weise zu Geldmitteln zu gelangen. Ihre Anwesenheit wird deshalb als potenzielle Gefährdung von Rechtsgütern betrachtet. Mit dem Begriff der Mittellosigkeit verknüpft die Praxis mithin die Möglichkeit der Unterstützung durch die öffentliche Hand, aber auch die Gefahr von Verstössen gegen fremdenpolizeiliche Vorschriften oder von sonstigem strafbarem Verhalten. Dies setzt eine gewisse Wahrscheinlichkeit voraus, dass die ausländische Person über keinerlei finanzielle Mittel verfügt, auf die sie im Bedarfsfall unverzüglich zurückgreifen könnte.
4.2. Die in Asylverfahren entstandenen Fürsorge-, Ausreise- und Vollzugskosten sowie die Kosten von Rechtsmittelverfahren sind grundsätzlich rückerstattungspflichtig (Art. 85 Abs. 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 85 Rückerstattungspflicht - 1 Soweit zumutbar, sind die Sozialhilfe-, Nothilfe-, Ausreise- und Vollzugskosten sowie die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zurückzuerstatten. |
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1 | Soweit zumutbar, sind die Sozialhilfe-, Nothilfe-, Ausreise- und Vollzugskosten sowie die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zurückzuerstatten. |
2 | Der Bund macht seinen Rückerstattungsanspruch über eine Sonderabgabe auf Vermögenswerten (Art. 86) geltend. |
3 | Der Rückerstattungsanspruch des Bundes verjährt drei Jahre, nachdem die zuständige Behörde davon Kenntnis erhalten hat, in jedem Fall aber zehn Jahre nach seiner Entstehung.234 Auf Rückerstattungsforderungen wird kein Zins erhoben. |
4 | Der Rückerstattungsanspruch der Kantone richtet sich nach kantonalem Recht. |
5.
5.1. Es bleibt zu prüfen, ob die Massnahme in richtiger Ausübung des Ermessens ergangen und angemessen ist. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit steht dabei im Vordergrund. Unter diesem Gesichtspunkt ist eine wertende Abwägung vorzunehmen zwischen dem öffentlichen Interesse an der Massnahme einerseits und den von der Massnahme beeinträchtigten privaten Interessen des Betroffenen andererseits. Die Stellung der verletzten oder gefährdeten Rechtsgüter, die Besonderheiten des ordnungswidrigen Verhaltens und die persönlichen Verhältnisse des Verfügungsbelasteten bilden dabei den Ausgangspunkt der Überlegungen (vgl. statt vieler Ulrich Häfelin / Georg Müller / Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Zürich und St. Gallen 2006, S. 127 f.).
5.2. Das öffentliche Interesse an der Fernhaltung ergibt sich ohne weiteres aus den vorangehenden Ausführungen. Was entgegenstehende private Interessen anbelangt, so wird geltend gemacht, durch die Einreisesperre würden für drei Jahre jegliche Kontakte des Beschwerdeführers zur Mutter als einziger wirklicher Bezugsperson unterbunden. Die Mutter kam im vergangenen Sommer dank der Heirat mit einem Schweizer Bürger in den Genuss einer Aufenthaltsbewilligung. Demgegenüber besitzt der Beschwerdeführer in der Schweiz keine Anwesenheitsberechtigung. Das Asylverfahren der inzwischen volljährigen Söhne ist rechtskräftig abgeschlossen. Am 24. Januar 2007 wurden die beiden in ihr Heimatland ausgeschafft. Der Beschwerdeführer hat zwar die Verlängerung seiner Anwesenheit nach Abschluss des Asylverfahrens unter einem anderen Status zu erwirken versucht (siehe das Gesuch vom 1. November 2006 um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen), das diesbezügliche Verfahren hat das Departement für Justiz- und Sicherheit des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 2. Februar 2007 aber als gegenstandslos geworden abgeschrieben. Bei dieser Sachlage beschränken sich die persönlichen Kontakte zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Mutter ohnehin auf gegenseitige Besuche, sei es im Heimatland der Betroffenen oder in der Schweiz. Daran würde sich auch dann nichts ändern, wenn über den Beschwerdeführer keine Einreisesperre verhängt worden wäre.
5.3. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers verhindert die bestehende Fernhaltemassnahme keinesfalls jeglichen Kontakt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Einreisesperre nicht als absolutes Einreiseverbot ausgestaltet ist. Die Wirkungen besagter Fernhaltemassnahme äussern sich vielmehr darin, dass der massnahmebelastete Ausländer von den allgemeinen, für seine Personenkategorie geltenden Einreisebestimmungen ausgenommen wird, was zur Folge hat, dass er beim BFM eine besondere Bewilligung, die so genannte Suspension der Einreisesperre, einholen muss, wenn er in die Schweiz einreisen will (vgl. Art. 13 Abs. 1 letzter Satz ANAG). Mit der Suspension kann die Wirksamkeit der Einreisesperre auf begründetes Gesuch hin für eine begrenzte Zeit und zu bestimmten Zwecken ausgesetzt werden. Der ausländische Staatsangehörige wird mit anderen Worten einem besonderen Bewilligungs- und Kontrollregime in Bezug auf die Einreise, den Aufenthaltszweck und die Ausreise unterstellt. Die Notwendigkeit einer Suspension bedeutet zwar eine administrative Erschwernis, erlaubt dem Beschwerdeführer indessen - mit Einschränkungen - das Aufrechterhalten von Kontakten zu der in der Schweiz verbliebenen Mutter. Abgesehen davon könnte letztere ihre Söhne zwecks Pflege der familiären Beziehungen auch in Mazedonien besuchen, zumal sie ja aus diesem Land stammt und weitere Verwandte dort ansässig sind. Auch von daher erweisen sich die negativen Konsequenzen der vorinstanzlichen Verfügung als nicht sehr einschneidend. Eine wertende Gewichtung der privaten und öffentlichen Interessen führt deshalb zum Schluss, dass die auf drei Jahre befristete Einreisesperre eine verhältnismässige und angemessene Massnahme zum Schutz der öffentlichen Ordnung darstellt.
6. Zusammenfassend ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung im Lichte von Art. 49 VwVG nicht zu beanstanden ist. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
7. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 63 Abs. 1
SR 142.31 Asylgesetz vom 26. Juni 1998 (AsylG) AsylG Art. 85 Rückerstattungspflicht - 1 Soweit zumutbar, sind die Sozialhilfe-, Nothilfe-, Ausreise- und Vollzugskosten sowie die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zurückzuerstatten. |
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1 | Soweit zumutbar, sind die Sozialhilfe-, Nothilfe-, Ausreise- und Vollzugskosten sowie die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zurückzuerstatten. |
2 | Der Bund macht seinen Rückerstattungsanspruch über eine Sonderabgabe auf Vermögenswerten (Art. 86) geltend. |
3 | Der Rückerstattungsanspruch des Bundes verjährt drei Jahre, nachdem die zuständige Behörde davon Kenntnis erhalten hat, in jedem Fall aber zehn Jahre nach seiner Entstehung.234 Auf Rückerstattungsforderungen wird kein Zins erhoben. |
4 | Der Rückerstattungsanspruch der Kantone richtet sich nach kantonalem Recht. |
Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Verfahrenskosten von Fr. 500.-- (Gerichtsgebühr und Auslagen) werden dem Beschwerdeführer auferlegt. Sie sind durch den am 24. März 2007 geleisteten Kostenvorschuss gedeckt.
3. Dieses Urteil wird eröffnet:
- dem Beschwerdeführer (eingeschrieben)
- der Vorinstanz (eingeschrieben, Akten Ref-Nr. 2 269 436 retour)
Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:
Ruth Beutler Daniel Grimm
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