6B_1045/2018
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
6B 1045/2018
Urteil vom 1. Februar 2019
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichterinnen Jacquemoud-Rossari, Jametti,
Gerichtsschreiber Moses.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
gegen
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Postfach 3439, 6002 Luzern,
2. Vollzugs- und Bewährungsdienst des Kantons Luzern, Murmattweg 8, 6000 Luzern 30,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Stationäre Massnahme nach Art. 59

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 59 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, so kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen, wenn: |
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, vom 11. September 2018
(4H 17 21).
Sachverhalt:
A.
Das Kriminalgericht des Kantons Luzern stellte am 8. Mai 2000 fest, dass X.________ gemeinsam mit seiner Mutter seinen Vater, A.________, getötet und damit den Tatbestand des Mordes erfüllt hat. Infolge Unzurechnungsfähigkeit sprach das Kriminalgericht X.________ von Schuld und Strafe frei und ordnete gleichzeitig eine ambulante Massnahme an. Nachdem das kantonale Sicherheitsdepartement das Scheitern dieser Massnahme festgestellt hatte, ordnete das Kriminalgericht am 29. März 2004 eine stationäre Massnahme an. Am 26. Mai 2011 wurde X.________ aus der Massnahme bedingt entlassen; am 22. Oktober 2015 wurde er in den stationären Massnahmevollzug zurückversetzt.
B.
Im Rahmen der jährlichen Überprüfung lehnte der Vollzugs- und Bewährungsdienst des Kantons Luzern die bedingte Entlassung von X.________ ab und ordnete die Weiterführung des Massnahmevollzugs an. Die von X.________ gegen diesen Entscheid erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies das Kantonsgericht Luzern am 11. September 2018 ab.
C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, der Entscheid des Kantonsgerichts sei aufzuheben und er sei in eine offene Wohnsituation bedingt zu entlassen. Eventualiter sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Eingaben der Staatsanwaltschaft sowie des Vollzugs- und Bewährungsdienstes seien aufzuheben und zu relativieren. Ihm sei die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, der kantonale Vollzugs- und Bewährungsdienst und das Kantonsgericht beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. X.________ replizierte.
Erwägungen:
1.
1.1. Der Beschwerdeführer macht sinngemäss geltend, dass keine Gefahr weiterer Gewalt- und Tötungsdelikte bestehe (Beschwerde, S. 8 f.).
1.2. Die Vorinstanz behandelt diese Frage unter dem Blickwinkel der Verhältnismässigkeit. Sie erwägt, dass diesem Aspekt - anders als in Fällen, in welchen die Verlängerung oder die Behandlung einer Massnahme zu beurteilen seien - nur eine untergeordnete Rolle zukomme. Es lasse sich allerdings feststellen, dass dem Beschwerdeführer die Weiterführung der Massnahme in einem geschlossenen Setting aufgrund dessen Gesundheitszustandes, der durchaus weitere (Gewalt-) Delinquenz auslösen könnte, zuzumuten sei. Dies gelte nicht zuletzt auch deshalb, weil die Institution, in welcher der Beschwerdeführer untergebracht sei, in einem relativ offenen Rahmen geführt werde. In dem relativ kurz bevorstehenden Verfahren nach Art. 59 Abs. 4

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 59 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, so kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen, wenn: |

SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 426 - 1 Eine Person, die an einer psychischen Störung oder an geistiger Behinderung leidet oder schwer verwahrlost ist, darf in einer geeigneten Einrichtung untergebracht werden, wenn die nötige Behandlung oder Betreuung nicht anders erfolgen kann. |
Zusammenhang nicht ausser Acht gelassen werden, dass beim Beschwerdeführer auf psychiatrischer Seite noch ein gewisses Aggressionspotential erkannt werde, entsprechende Gesetzesverstösse nach einhelliger Auffassung aber einzig im Bereich von Bagatelldelinquenz zu erwarten seien. Es dürfte unter diesen Umständen fraglich sein, ob sich eine Fortführung der strafrechtlichen Massnahme unter rechtlichen Aspekten begründen lasse. Die entsprechende rechtliche Situation scheine auch die zuständige Vollzugsbehörde nicht verkannt zu haben. Jedenfalls sei in diesem Sinne positiv zu bewerten, dass gemäss einem letzten Standortgespräch im Hinblick auf den Ablauf der Massnahme in anderthalb Jahren konkrete Lockerungen ins Auge gefasst worden seien. So seien extensivere Ausgänge in den nächsten sechs Monaten und die Etablierung einer offeneren Platzierung im Pflegezentrum in einem Jahr vorgesehen. Auf diese Weise sollen später im Verfahren betreffend Verlängerung oder Aufhebung der Massnahme die vernünftigen weiteren Vorkehren zufriedenstellend evaluiert werden können. Zu begrüssen sei auch, dass auf eine Depotmedikation hingearbeitet werde. Im Ergebnis sei eine bedingte Entlassung aus der stationären therapeutischen Massnahme zum heutigen
Zeitpunkt verfrüht (Urteil, S. 14 f.).
1.3.
1.3.1. Gemäss Art. 56 Abs. 1

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 56 - 1 Eine Massnahme ist anzuordnen, wenn: |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 59 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, so kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen, wenn: |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 61 - 1 War der Täter zur Zeit der Tat noch nicht 25 Jahre alt und ist er in seiner Persönlichkeitsentwicklung erheblich gestört, so kann ihn das Gericht in eine Einrichtung für junge Erwachsene einweisen, wenn: |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 63 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn: |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 56 - 1 Eine Massnahme ist anzuordnen, wenn: |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 56 - 1 Eine Massnahme ist anzuordnen, wenn: |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 56 - 1 Eine Massnahme ist anzuordnen, wenn: |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 56 - 1 Eine Massnahme ist anzuordnen, wenn: |
Bei der im Rahmen von Art. 56 Abs. 2

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 56 - 1 Eine Massnahme ist anzuordnen, wenn: |

SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 56 - 1 Eine Massnahme ist anzuordnen, wenn: |
1.3.2. Im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit und Schwere weiterer Straftaten erwägt die Vorinstanz lediglich, dass es fraglich sein dürfte, ob sich eine Fortführung der Massnahme unter rechtlichen Aspekten begründen lasse. Eine Abwägung der (einzig) relevanten Umstände - Schwere des massnahmebedingten Eingriffs einerseits und der noch möglichen Straftaten anderseits - findet aber nicht statt. Die Sache ist an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese die Verhältnismässigkeit der Massnahme unter diesem Blickwinkel überprüft und entsprechend ihrer Erkenntnis neu entscheidet.
2.
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es erübrigt sich damit, auf die weiteren Rügen des Beschwerdeführers einzugehen.
Für das bundesgerichtliche Verfahren sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1

SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
|
1 | Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
2 | Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden. |
3 | Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht. |
4 | Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist. |
5 | Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen. |

SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
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1 | Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
2 | Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden. |
3 | Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht. |
4 | Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist. |
5 | Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen. |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 11. September 2018 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 1. Februar 2019
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Der Gerichtsschreiber: Moses
Gesetzesregister
BGG 66
StGB 56
StGB 59
StGB 61
StGB 63
ZGB 426
SR 173.110 Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) - Bundesgerichtsgesetz BGG Art. 66 Erhebung und Verteilung der Gerichtskosten - 1 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
|
1 | Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Wenn die Umstände es rechtfertigen, kann das Bundesgericht die Kosten anders verteilen oder darauf verzichten, Kosten zu erheben. |
2 | Wird ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt, so kann auf die Erhebung von Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichtet werden. |
3 | Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht. |
4 | Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist. |
5 | Mehrere Personen haben die ihnen gemeinsam auferlegten Gerichtskosten, wenn nichts anderes bestimmt ist, zu gleichen Teilen und unter solidarischer Haftung zu tragen. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 56 - 1 Eine Massnahme ist anzuordnen, wenn: |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 59 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, so kann das Gericht eine stationäre Behandlung anordnen, wenn: |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 61 - 1 War der Täter zur Zeit der Tat noch nicht 25 Jahre alt und ist er in seiner Persönlichkeitsentwicklung erheblich gestört, so kann ihn das Gericht in eine Einrichtung für junge Erwachsene einweisen, wenn: |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 63 - 1 Ist der Täter psychisch schwer gestört, ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängig, so kann das Gericht anordnen, dass er nicht stationär, sondern ambulant behandelt wird, wenn: |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 426 - 1 Eine Person, die an einer psychischen Störung oder an geistiger Behinderung leidet oder schwer verwahrlost ist, darf in einer geeigneten Einrichtung untergebracht werden, wenn die nötige Behandlung oder Betreuung nicht anders erfolgen kann. |
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