S. 11 / Nr. 6 Schuldbetreibungs- Konkursrecht (d)

BGE 71 III 11

6. Entscheid vom 12. Februar 1945 i.S. Vögeli.

Regeste:
1. Beim Arrest ist über Unpfändbarkeitsbeschwerden auch dann sofort zu
entscheiden, wenn der Schuldner in der Arrestbetreibung durch Rechtsvorschlag
die Einrede des mangelnden neuen Vermögens (Art. 265 SchKG) erhebt.
2. Wird nach der Arrestierung oder Pfändung eines Gemeinschaftsanteils das
Gemeinschaftsvermögen im Verfahren gemäss Art. 9 ff. der Verordnung des
Bundesgerichtes vom 17. Januar 1923 oder ohne Zutun der Gläubiger liquidiert,
so hat das Betreibungsamt über die Pfändbarkeit der dem Schuldner zugeteilten
einzelnen Vermögensgegenstände zu entscheiden.
1. En cas de séquestre, les plaintes tendant à faire déclarer certains biens
insaisissables doivent être liquidées sans délai même si le débiteur excipe du
défaut de retour à meilleure fortune dans l'opposition à la poursuite
consécutive au séquestre (art. 265 LP).
2. Si après séquestre ou saisie d'une part de communauté le patrimoine commun
vient à être liquidé suivant la procédure prévue aux art. 9 et suiv. de
l'ordonnance du Tribunal fédéral du 17 janvier 1923, ou sans l'intervention du
créancier, l'office des poursuites doit prendre une décision sur la
saisissabilité des biens attribués au débiteur.
1. In caso di sequestro, il reclamo per impignorabilità deve essere
prontamente deciso anche nel caso in cui il debitore nella procedura esecutiva
correlativa al sequestro, abbia sollevato,

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facendo opposizione, l'eccezione dedotta dall'art. 265 cp. 2 LEF, contestando
di aver acquistato nuovi beni.
2. Se dopo il sequestro o il pignoramento di una parte spettante al debitore
in una comunione, i beni della comunione stessa vengono ad essere liquidati
secondo la procedura contemplata dagli art 9 e ss. del regolamento 17 gennaio
1923 del Tribunale federale, ovvero senza l'intervento dei creditori,
l'ufficio d'esecuzione dovrà pronunciarsi sulla pignorabilità dei singoli beni
attribuiti al debitore.

A.­In Vollziehung der Arrestbefehle, die zwei Gläubiger auf Grand von
Konkursverlustscheinen gegen Werner Vögeli erwirkt hatten, belegte das
Betreibungsamt Konolfingen am 27. /29. Dezember 1944 den Anteil des Schuldners
an der Erbschaft seiner wenige Wochen zuvor gestorbenen Mutter mit Arrest.
Hiegegen führte der Schuldner unter Berufung auf Art. 92 und 93 SchKG
Beschwerde mit dem Antrage, das Betreibungsamt sei anzuweisen, seinen «
Erbschaftsanspruch in Empfang zu nehmen » und ihm mit Wirkung ab 15. Dezember
1944 « als Existenzminimum incl. Alimente », d.h. zur Deckung seines eigenen
Notbedarfs und der Unterhaltsbeiträge für ein Kind, wöchentlich Fr.
80.­auszuzahlen. In der Beschwerdeschrift bemerkte er u. a., er habe in den
nach der Arrestlegung gegen ihn angehobenen Betreibungen durch Rechtsvorschlag
die Einrede des mangelnden neuen Vermögens erhoben.
B.­Am 31. Januar 1945 hat die kantonale Aufsichtsbehörde entschieden: « Soweit
die Beschwerde mangelndes neues Vermögen geltend macht, wird darauf nicht
eingetreten; ebenso bis zum richterlichen Entscheid über diese Frage auf die
Beschwerde wegen Verletzung der Art. 92 und 93 SchKG ». In den Erwägungen hat
sie ausserdem erklärt, die Unpfändbarkeitsbeschwerde könne « heute schon, da
Eintreten noch nicht möglich ist, als aussichtslos bezeichnet werden », da im
Ernste nicht davon die Rede sein könne, dass der dem Schuldner angefallene
Erbteil unter die in Art. 92 SchKG aufgezählten unpfändbaren Gegenstände oder
Forderungen oder unter die beschränkt pfändbaren Forderungen des Art. 93 SchKG
falle.
C.­Mit seinem Rekurs an das Bundesgericht beantragt

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Vögeli, das Betreibungsamt sei anzuweisen, ihm aus den « verarrestierten
Geldern » das nach den stadtbernischen Verhältnissen festzusetzende
Existenzminimum zuzüglich Fr. 60.­ « Alimentationsrate » für sein Kind vorweg
auszuzahlen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
1. ­ Dem Rekurrenten ist darin Recht zu geben, dass beim Arrest allfällige
Unpfändbarkeitsbeschwerden im Anschluss an die Zustellung der Arresturkunde zu
erheben sind (BGE 50 III 124, 56 III 122; Zif. 2 lit. c der Bemerkungen für
den Arrestschuldner auf dem Formular für Arrestbefehl und Arresturkunde), und
dass die Aufsichtsbehörden darüber sofort zu entscheiden haben, auch wenn der
Schuldner in der Arrestbetreibung durch Rechtsvorschlag die Einrede des
mangelnden neuen Vermögens im Sinne von Art. 265 SchKG erhebt, sodass es unter
Umständen nicht zu einer Pfändung kommen kann. Nur die sofortige Beurteilung
solcher Beschwerden schützt den Schuldner gegen die Gefahr des Wegnahme von
Kompetenzstücken auf Grund von Art. 98 SchKG. Die Vorinstanz ist daher zu
Unrecht auf die Unpfändbarkeitsbeschwerde des Rekurrenten einstweilen nicht
eingetreten...
2.­In der Sache selbst lässt sich entgegen der von der Vorinstanz hilfsweise
vertretenen Auffassung nicht jeder Unpfändbarkeitsanspruch des Rekurrenten von
vorneherein als unbegründet bezeichnen. Findet die Verwertung eines
arrestierten bezw. gepfändeten Gemeinschaftsanteils, wie er hier in Frage
steht, nicht durch Versteigerung des Anteilrechtes als solchen, sondern auf
dem Wege der Auflösung der Gemeinschaft und der Liquidation des
Gemeinschaftsvermögens statt und gelangen demzufolge nach Art. 14 Abs. 1 der
einschlägigen Verordnung der Bundesgerichtes vom 17. Januar 1923 die auf den
Anteil des Schuldners zugeteilten einzelnen Vermögensgegenstände zur
Verwertung, so hat das Betreibungsamt gemäss

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Art. 14 Abs. 3 der erwähnten Verordnung, wo auf Art. 92 SchKG verwiesen wird,
über die Pfändbarkeit dieser einzelnen Gegenstände zu entscheiden, sobald sie
endgültig dem Schuldner zugeschieden sind, und zwar ist dies, seitdem Art. 23
der Verordnung über vorübergehende Milderungen der Zwangsvollstreckung vom 24.
Januar/ 12. August 1941 den in Art. 92 Zif. 5 SchKG genannten Nahrungs- und
Feuerungsmitteln die zu ihrer Anschaffung erforderlichen Barmittel oder
Forderungen gleichgestellt hat, auch insoweit notwendig, als dem Schuldner bei
der Liquidation flüssige Gelder oder Forderungen (z.B. in Gestalt von
Wertschriften) zugewiesen werden (BGE 67 III 56). Nichts anderes gilt, wenn
die Liquidation des Gemeinschaftsvermögens, an dem der Schuldner beteiligt
ist, ohne Zutun der Gläubiger bezw. des Betreibungsamtes schon vor Beginn des
Verwertungsverfahrens einsetzt, wie das nach den Angaben des Betreibungsamtes
vorliegend zutrifft; denn auch hier bilden gegebenenfalls anstelle des
Anteilrechtes als solchen die dem Schuldner zugeteilten einzelnen
Vermögensstücke den Gegenstand der Verwertung. Das Betreibungsamt Konolfingen
wird also über die dem Rekurrenten nach der Arrestlegung auf seinen Erbteil
zugeteilten bezw. noch zuzuteilenden einzelnen Gegenstände
Unpfändbarkeitsverfügungen zu treffen haben, und diese wird der Rekurrent,
soweit sie die Unpfändbarkeit verneinen, durch fristgerechte Beschwerde
anfechten können. Die als pfändbar erklärten Gegenstände sind, soweit es sich
dabei nicht um Geld oder andere Wertsachen im Sinne von Art. 98 Abs. 1 SchKG
handelt, unter Vorbehalt der amtlichen Verwahrung im Sinne von Art. 98 Abs. 3
SchKG bis zur Verwertung dem Rekurrenten zu überlassen (Art. 98 Abs. 2 SchKG).
Kann somit der Rekurrent unter Umständen gewisse ihm aus der Erbschaft
zugeteilte oder zuzuteilende Gegenstände als unpfändbar beanspruchen, so ist
der Vorinstanz freilich darin beizupflichten, dass weder der Erbteil als
solcher noch die dem Rekurrenten zugewiesenen einzelnen

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Vermögensstücke beschränkt pfändbare Ansprüche im Sinne von Art. 93 SchKG
darstellen, es sei denn, es werde ihm etwa eine zur Erbschaft gehörige
Nutzniessung zugeteilt.
Demnach erkennt die Schuldbetr. u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.