Urteilskopf

2008/1

Auszug aus dem Urteil der Abteilung III i. S. A. gegen Bundesamt für Migration
C-3912/2007 vom 14. Februar 2008


Regeste Deutsch

Einreisesperre. Übergangsbestimmungen des AuG.
Art. 126 AuG.
Über den zu engen Wortlaut von Art. 126 Abs. 1 AuG hinaus ist das bisherige Recht nicht nur auf Verfahren, die erstinstanzlich vor Inkrafttreten des AuG durch Gesuche, sondern auch auf solche anwendbar, die von Amtes wegen eingeleitet wurden (E. 1.1 und 2).


Regeste en français

Interdiction d'entrée. Dispositions transitoires de la LEtr.
Art. 126 LEtr.
Malgré les termes restrictifs de l'art. 126 al. 1 LEtr, l'ancien droit est applicable non seulement aux procédures introduites sur demande en première instance avant l'entrée en vigueur de la LEtr, mais aussi à celles engagées d'office (consid. 1.1 et 2).


Regesto in italiano

Divieto d'entrata. Disposizioni transitorie della LStr.
Art. 126 LStr.
Nonostante il tenore restrittivo dell'art. 126 cpv. 1 LStr, il diritto previgente è applicabile non solo alle procedure introdotte su domanda davanti all'autorità inferiore prima dell'entrata in vigore della LStr, ma anche alle procedure avviate d'ufficio (consid. 1.1 e 2).


Aus den Erwägungen:

1.

1.1 Am 1. Januar 2008 trat das Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG, SR 142.20) mit seinen Ausführungsverordnungen in Kraft, u. a. der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE, SR 142.201). Es löst das Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer ab (ANAG, BS 1 121; zum vollständigen Quellennachweis vgl. Ziff. I des Anhangs zum AuG), unter dessen Geltung die angefochtene Verfügung ergangen war. Die verfahrensrechtliche Ordnung des neuen Rechts ist gemäss Art. 126 Abs. 2 AuG auf alle hängigen Verfahren anwendbar und damit auch auf die vorliegende Streitsache. Was den Rechtsschutz auf Bundesebene angeht, verweist das neue Recht auf die allgemeinen Bestimmungen der Bundesrechtspflege (Art. 112 Abs. 1 AuG).
(...)

2. Art. 126 Abs. 1 AuG enthält die intertemporalrechtliche Grundregel des neuen Rechts mit Bezug auf das materielle Recht. Sie besagt, dass aufGesuche, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eingereicht wurden, das bisherige Recht anwendbar bleibt. Offen bleibt, wie im Bereich der ausländerrechtlichen Eingriffsverwaltung zu verfahren ist, wo die Einleitung eines Verfahrens von Amtes wegen erfolgen kann.

2.1 Art. 126 Abs. 1 AuG geht zurück auf den Art. 121 Abs. 1 des bundesrätlichen Entwurfs zum AuG (nachfolgend: AuG-Entwurf). Nach Abschluss des parlamentarischen Differenzbereinigungsverfahrens wurde im Verlauf der Prüfung des Gesetzestextes durch die parlamentarische Redaktionskommission offenbar, dass der ohne Beratung (Amtliches Bulletin der Bundesversammlung [AB] 2004 N 729 ff. und AB 2005 S 323) angenommene Entwurf an ernsten Mängeln litt. Denn während die deutsche und die italienische Fassung des Art. 121 Abs. 1 AuG-Entwurf das neue Recht auf Verfahren anwendbar erklärte, die nach seinem Inkrafttreten eingeleitet wurden (BBl 2002 3851, FF 2002 3466), wollte die französische Fassung das neue Recht auf alle hängigen Verfahren angewendet wissen (FF 2002 3604). Darüber hinaus enthielt Art. 121 Abs. 1 AuG-Entwurf für das Beschwerdeverfahren eine Sonderanknüpfung. Diese besagte, dass auf das Beschwerdeverfahren das neue Recht nur anwendbar ist, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten des neuen Rechts erging. Diese zweifelsohne dem Art. 132 Abs. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (BGG, SR 173.110) entlehnte Regelung (Art. 132 Abs. 1 BGG entspricht wörtlich der deutschen Version des Art. 126 Abs. 1
AuG-Entwurf), macht im angestammten Bereich Sinn (vgl. DENISE BRÜHL-MOSER, in: Basler Kommentar - Bundesgerichtsgesetz, Marcel Alexander Niggli/Peter Uebersax/Hans Wiprächtiger [Hrsg.], Basel 2008, Rz. 1 zu Art. 132 ), nicht jedoch im AuG. Der Grundgedanke des Entwurfs kommt in der deutschen und italienischen Fassung zum Ausdruck (die französische Version ist offensichtlich eine fehlerhafte Übersetzung), sofern der Verfahrensbegriff richtigerweise im Sinne des gesamten Instanzenzugs verstanden wird. Er lautet, dass ein Verfahren für alle Verfahrensstufen dem Recht zu unterstellen ist, unter dessen Geltung es erstinstanzlich eingeleitet wurde. Damit ist die Sonderanknüpfung für Beschwerdeverfahren nicht vereinbar. Das schadet jedoch im Kontext des Art. 121 Abs. 1 AuG-Entwurf nicht, denn der weite Verfahrensbegriff lässt die Sonderanknüpfung überflüssig werden (Entscheide in Verfahren, die erstinstanzlich nach Inkrafttreten des neuen Rechts eingeleitet werden, ergehen notwendigerweise unter der Geltung des neuen Rechts). Die Gefahr einer sinnentstellenden engen Auslegung des Verfahrensbegriffs, verstanden als das Verfahren vor derselben Instanz, war indessen nicht zu unterschätzen, zumal Art. 132 Abs. 1 BGG als Vorlage für die
intertemporale Regel des Art. 121 Abs. 1 AuG-Entwurf selbst auf einem engen Verfahrensbegriff beruht. Sinnentstellend ist die enge Auslegung deshalb, weil sie die Vorinstanz verpflichtet, altrechtlich eingeleitete Verfahren nach altem Recht abzuschliessen, während sie die nachfolgende Rechtsmittelinstanz anweist, dieselbe Sache nach Massgabe des neuen Rechts zu beurteilen.

2.2 Mit dieser Lage konfrontiert, verzichtete die parlamentarische Redaktionskommission auf die Sonderanknüpfung für Beschwerdeverfahren und formulierte die intertemporale Regel im Sinne der Nachwirkung des alten Rechts um. Als Anknüpfungspunkt wählte sie den Zeitpunkt des Gesuchs. In dieser Form lag Art. 121 Abs. 1 als neuer Art. 126 Abs. 1 AuG-Entwurf den Eidgenössischen Räten anlässlich der Schlussabstimmung vom 16. Dezember 2005 vor (vgl. http://www.parlament.ch>Sessionen>Schlussabstimmungstexte>Winter2005>02.024 Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG]; besucht am 11. Januar 2008). Der eigentliche intertemporale Grundgedanke der Gesetzesvorlage wurde damit nur teilweise wiedergegeben. Zwar hebt Art. 126 Abs. 1 AuG mit seiner Anknüpfung an das Gesuch klarer als Art. 121 Abs. 1 AuG-Entwurf hervor, dass es die erstinstanzliche Verfahrenseröffnung ist, die das anwendbare materielle Recht für alle Verfahrensstufen einheitlich festlegt. Jedoch wurden gegenüber der bundesrätlichen Vorlage alle diejenigen Verfahren vom strengen Wortsinn der intertemporalen Regel ausgenommen, die nicht auf Gesuch hin eingeleitet werden. Ein vernünftiger Grund, der eine unterschiedliche Behandlung beider Verfahrensarten rechtfertigen
würde, ist nicht ersichtlich. Zu einer solchen materiellen Änderung des bundesrätlichen Entwurfs wäre die parlamentarische Redaktionskommission auch gar nicht befugt. Ihre Zuständigkeit beschränkt sich in der Hauptsache auf die Bereitstellung sprachlich und formal korrekter Gesetzestexte für die Schlussabstimmung. Materielle Fehler, wie Lücken, Unklarheiten oder Widersprüche, korrigiert sie nicht selbst, sondern stellt den Räten Antrag (vgl. Art. 57
SR 171.10 Legge federale del 13 dicembre 2002 sull'Assemblea federale (Legge sul Parlamento, LParl) - Legge sul Parlamento
LParl Art. 57 Compiti e procedura - 1 La Commissione di redazione verifica i testi degli atti legislativi e ne stabilisce la versione definitiva per la votazione finale.
1    La Commissione di redazione verifica i testi degli atti legislativi e ne stabilisce la versione definitiva per la votazione finale.
1bis    Apporta inoltre le rettifiche redazionali agli atti legislativi che non sono posti in votazione finale.74
2    Provvede affinché i testi siano chiari e concisi e si assicura che siano conformi alla volontà dell'Assemblea federale. Bada affinché vi sia concordanza delle versioni nelle tre lingue ufficiali.
3    La Commissione di redazione non procede a modifiche materiali. Se accerta lacune, imprecisioni o contraddizioni materiali, ne informa i presidenti delle Camere.
des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 [ParlG, SR 171.10] i.V.m. Art. 3 und 5 der Verordnung der Bundesversammlung vom 3. Oktober 2003 über die Redaktionskommission [SR 171.105]). Das ist vorliegend nicht geschehen. Offenkundig hat die parlamentarische Redaktionskommission übersehen, dass Migrationsbehörden im Bereich der ausländerrechtlichen Eingriffsverwaltung auch von Amtes wegen handeln (etwa Widerruf von Bewilligungen, Fernhalte- und Entfernungsmassnahmen). Ihrem redaktionellen Eingriff kann insoweit keine materielle Bedeutung beigemessen werden (vgl. Urteil des Bundesgerichts [BGer] 5C.212/2001 vom 8. November 2001 E. 2a sowie Urteil des BGer 5C.163/2003 vom 18. September 2003 E. 2.1; vgl. dazu auch BGE 130 III 76 E. 4.1 S. 83 f.).

2.3 Das bisherige materielle Recht ist deshalb gemäss Art. 126 Abs. 1 AuG - über seinen zu engen Wortlaut hinaus - auf alle Verfahren anwendbar, die erstinstanzlich vor Inkrafttreten des neuen Rechts eingeleitet wurden, unabhängig davon, ob sie von Amtes wegen oder auf Gesuch hin eröffnet wurden.

2.4 Die Voraussetzung für die Nachwirkung des alten Rechts sind in der vorliegenden Streitsache erfüllt. Einschlägig sind nebst dem ANAG die Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAV, AS 1949 228; zum vollständigen Quellennachweis vgl. Art. 91 Ziff. 1
SR 142.201 Ordinanza del 24 ottobre 2007 sull'ammissione, il soggiorno e l'attività lucrativa (OASA)
OASA Art. 91 Diritto previgente: abrogazione - Le seguenti ordinanze sono abrogate:
1  l'ordinanza d'esecuzione del 1° marzo 1949244 della legge federale concernente la dimora e il domicilio degli stranieri;
2  l'ordinanza del 20 aprile 1983245 concernente la procedura di approvazione nel diritto in materia di stranieri;
3  l'ordinanza del 20 gennaio 1971246 concernente la notificazione degli stranieri partenti;
4  l'ordinanza del 19 gennaio 1965247 concernente l'assicurazione d'un permesso di dimora per l'assunzione d'impiego;
5  l'ordinanza del 6 ottobre 1986248 che limita l'effettivo degli stranieri.
VZAE) und die Verordnung vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (BVO, AS 1986 1791; zum vollständigen Quellennachweis vgl. Art. 91 Ziff. 5
SR 142.201 Ordinanza del 24 ottobre 2007 sull'ammissione, il soggiorno e l'attività lucrativa (OASA)
OASA Art. 91 Diritto previgente: abrogazione - Le seguenti ordinanze sono abrogate:
1  l'ordinanza d'esecuzione del 1° marzo 1949244 della legge federale concernente la dimora e il domicilio degli stranieri;
2  l'ordinanza del 20 aprile 1983245 concernente la procedura di approvazione nel diritto in materia di stranieri;
3  l'ordinanza del 20 gennaio 1971246 concernente la notificazione degli stranieri partenti;
4  l'ordinanza del 19 gennaio 1965247 concernente l'assicurazione d'un permesso di dimora per l'assunzione d'impiego;
5  l'ordinanza del 6 ottobre 1986248 che limita l'effettivo degli stranieri.
VZAE. In der Folge wird auf das anwendbare alte Recht in Gegenwartsform Bezug genommen, ohne dass daraus Schlussfolgerungen auf die Rechtslage gemäss AuG gezogen werden könnten).
Informazioni decisione   •   DEFRITEN
Documento : 2008/1
Data : 14. febbraio 2008
Pubblicato : 01. gennaio 2008
Sorgente : Tribunale amministrativo federale
Stato : 2008/1
Ramo giuridico : Corte III (diritto degli stranieri, assicurazioni sociali, sanità)
Oggetto : Einreisesperre


Registro di legislazione
LParl: 57
SR 171.10 Legge federale del 13 dicembre 2002 sull'Assemblea federale (Legge sul Parlamento, LParl) - Legge sul Parlamento
LParl Art. 57 Compiti e procedura - 1 La Commissione di redazione verifica i testi degli atti legislativi e ne stabilisce la versione definitiva per la votazione finale.
1    La Commissione di redazione verifica i testi degli atti legislativi e ne stabilisce la versione definitiva per la votazione finale.
1bis    Apporta inoltre le rettifiche redazionali agli atti legislativi che non sono posti in votazione finale.74
2    Provvede affinché i testi siano chiari e concisi e si assicura che siano conformi alla volontà dell'Assemblea federale. Bada affinché vi sia concordanza delle versioni nelle tre lingue ufficiali.
3    La Commissione di redazione non procede a modifiche materiali. Se accerta lacune, imprecisioni o contraddizioni materiali, ne informa i presidenti delle Camere.
LStr: 112  121  126  132
LTF: 132
OASA: 91
SR 142.201 Ordinanza del 24 ottobre 2007 sull'ammissione, il soggiorno e l'attività lucrativa (OASA)
OASA Art. 91 Diritto previgente: abrogazione - Le seguenti ordinanze sono abrogate:
1  l'ordinanza d'esecuzione del 1° marzo 1949244 della legge federale concernente la dimora e il domicilio degli stranieri;
2  l'ordinanza del 20 aprile 1983245 concernente la procedura di approvazione nel diritto in materia di stranieri;
3  l'ordinanza del 20 gennaio 1971246 concernente la notificazione degli stranieri partenti;
4  l'ordinanza del 19 gennaio 1965247 concernente l'assicurazione d'un permesso di dimora per l'assunzione d'impiego;
5  l'ordinanza del 6 ottobre 1986248 che limita l'effettivo degli stranieri.
Registro DTF
130-III-76
Weitere Urteile ab 2000
5C.163/2003 • 5C.212/2001
Parole chiave
Elenca secondo la frequenza o in ordine alfabetico
entrata in vigore • d'ufficio • legge federale sugli stranieri • diritto materiale • legge federale sull'assemblea federale • legge federale sul tribunale federale • assemblea federale • amministrazione restrittiva • decisione • tribunale federale • ordinanza • misura di allontanamento • basilea città • sessione parlamentare • esame • mais • autorità inferiore • ufficio federale della migrazione • cosa principale • coscienza
... Tutti
BVGer
C-3912/2007
AS
AS 1986/1791 • AS 1949/228
FF
2002/3466 • 2002/3604 • 2002/3851
BO
2005 S 323