94 III 46
10. Entscheid vom 29. Februar 1968 i.S. Frédéric.
Regeste (de):
- Rekurs an das Bundesgericht. Voraussetzungen, unter denen vor Bundesgericht neue Tatsachen vorgebracht werden können (Art. 79 Abs. 1 Satz 2 OG).
- Wirkungen eines in Frankreich eröffneten Konkurses auf dem Gebiete der Schweiz (Art. 6 Abs. 2 des Gerichtsstandsvertrags zwischen der Schweiz und Frankreich vom 15. Juni 1869). Grundsatz der Einheit und Allgemeinheit des Konkurses. Bevor das französische Konkurserkenntnis in der Schweiz vollziehbar erklärt ist, kann zwar die französische Konkursverwaltung, nicht aber der Gemeinschuldner selbst die Aufhebung von Massnahmen verlangen, die eine Sondervollstreckung in der Schweiz bezwecken.
Regeste (fr):
- Recours au Tribunal fédéral. A quelles conditions le recourant peut-il alléguer des faits nouveaux devant le Tribunal fédéral? (art. 79 al. 1, 2e phrase OJ; consid. 2).
- Effets d'une faillite prononcée en France sur les biens que le failli possède en Suisse (art. 6 al. 2 de la Convention franco-suisse sur la compétence judiciaire et l'exécution des jugements du 15 juin 1869). Principe de l'unité et de l'universalité de la faillite. Avant que le jugement de faillite prononcé en France ait été déclaré exécutoire en Suisse, le syndic de la faillite française, mais non le failli luimême, peut demander l'annulation des mesures qui tendent à une exécution spéciale en Suisse (consid. 3).
Regesto (it):
- Ricorso al Tribunale federale. Presupposti per addurre fatti nuovi davanti al Tribunale federale (art. 79 cpv. 1 , 2 .a frase OG).
- Effetti di un fallimento pronunciato in Francia sui beni che il fallito possiede in Svizzera (art. 6 cpv. 2 della Convenzione francosvizzera sulla competenza di foro e l'esecuzione delle sentenze civili del 15 giugno 1869). Principio dell'unità e dell'universalità del fallimento. Prima che la pronuncia del fallimento avvenuta inFrancia sia stata dichiarata esecutiva in Svizzera, il curatore della massa francese, ma non il fallito medesimo, può chiedere l'annullamento delle misure che tendono a una esecuzione speciale in Svizzera.
Sachverhalt ab Seite 47
BGE 94 III 46 S. 47
Am 1. Dezember 1967 eröffnete das Handelsgericht von La Rochelle über den französischen Staatsangehörigen Robert Frédéric den Konkurs. Am 12. Januar 1968 erwirkte Edmond J. Hirschler, Lausanne, beim Gerichtspräsidenten IV von Bern gegen Frédéric für eine schliesslich auf 173 000 Schweizerfranken bezifferte Forderung einen Arrestbefehl, der als Arrestgegenstände die Guthaben und Vermögenswerte des Schuldners bei der Schweiz. Bankgesellschaft in Bern, insbesondere das Konto Nr. 200 150, nannte. Das Betreibungsamt Bern vollzog diesen Befehl am gleichen Tage. Die Beschwerde, mit welcher der Schuldner die Aufhebung des - nach seiner Auffassung gegen den Gerichtsstandsvertrag mit Frankreich verstossenden - Arrestvollzugs verlangte, wurde von der kantonalen Aufsichtsbehörde am 13. Februar 1968 abgewiesen, weil das Konkurserkenntnis in der Schweiz noch nicht als vollziehbar erklärt worden sei. Diesen Entscheid hat der Schuldner an das Bundesgericht weitergezogen. Er hält an seinem Beschwerdeantrag fest. In einer (noch innert der Rekursfrist eingereichten) Nachtragseingabe bringt er vor, der Anwalt der französischen Konkursverwalter habe mit Eingabe an den Appellationshof des Kantons Bern vom 12. Februar 1968 die Vollziehbarerklärung des französischen Konkurserkenntnisses verlangt. Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist den Rekurs ab.
Erwägungen
Erwägungen:
1. ... (Art. 79 Abs. 1 Satz 1 OG).
2. Nach Art. 79 Abs. 1 Satz 2 OG kann neue Tatsachen im Rekursverfahren vor Bundesgericht nicht vorbringen, wer dazu im kantonalen Verfahren Gelegenheit hatte. Aus dieser Vorschrift glaubt der Rekurrent ableiten zu können, er dürfe die ihm erst am 20. Februar 1968 bekannt gewordene Tatsache, dass die Konkursverwalter am 12. Februar 1968 um die Vollziehbarerklärung des Konkurserkenntnisses nachsuchten, vor Bundesgericht vorbringen.
BGE 94 III 46 S. 48
Aus Art. 79 Abs. 1 Satz 2 OG darf jedoch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass vor Bundesgericht jede beliebige neue Tatsache, die im kantonalen Verfahren aus irgendeinem Grunde nicht geltend gemacht werden konnte, vorgebracht werden dürfe. Vielmehr dürfen vor Bundesgericht nur solche Tatsachen neu vorgebracht werden, die bei Erlass des angefochtenen Entscheides bereits bestanden (BGE 83 III 114) und daher von der kantonalen Aufsichtsbehörde hätten berücksichtigt werden können, aber im kantonalen Verfahren deshalb nicht geltend gemacht wurden, weil die an ihrer Anrufung interessierte Partei in diesem Verfahren nicht angehört wurde oder die betreffenden Tatsachen damals ohne ihr Verschulden noch nicht kannte oder noch keinen Anlass hatte, sie vorzubringen (BGE 83 III 114, BGE 84 III 78, BGE 87 III 5). Die Nichtbeachtung einer Tatsache, welche die kantonale Aufsichtsbehörde aus zeitlichen Gründen nicht berücksichtigen konnte, vermag die Rüge, ihr Entscheid sei im Sinne von Art. 19
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 19 - Die Beschwerde an das Bundesgericht richtet sich nach dem Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 200529. |
3. Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, wirkt sich ein im Ausland eröffneter Konkurs in der Schweiz nur aus, wenn und soweit ein Staatsvertrag das vorsieht (BGE 32 I 778Erw. 4,BGE 35 I 812Erw. 1,BGE 54 III 28). Der Gerichtsstandsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich vom 15. Juni 1869 bestimmt in Art. 6 Abs. 2, nachdem ein solches Urteil, d.h. ein in einem der beiden Vertragsstaaten ergangenes Konkurserkenntnis, gemäss Art. 16 des Vertrags auch für das andere Land vollziehbar erklärt worden sei, habe der Vertreter der Masse die Befugnis, durch Vorlegung des Urteils die Ausdehnung des Konkurses auf das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Gemeinschuldners im andern Lande zu verlangen. Diese Bestimmung stellt für die Beziehungen zwischen der Schweiz und Frankreich den Grundsatz der Einheit und Allgemeinheit des Konkurses auf (BGE 30 I 87,BGE 35 I 592Erw. 2,BGE 46 I 164,BGE 49 I 460,
BGE 94 III 46 S. 49
BGE 54 I 46,BGE 54 III 177), was u.a. bedeutet, dass die gesonderte Vollstreckung in Vermögenswerte, die in der Schweiz liegen, nicht zulässig ist, wenn über den Schuldner in Frankreich der Konkurs eröffnet wurde. Der Umstand, dass gemäss Art. 6 Abs. 2 des Gerichtsstandsvertrages die Konkursverwaltung die Einbeziehung des im andern Lande liegenden Vermögens in den Konkurs erst verlangen kann, nachdem das Konkurserkenntnis in diesem Lande gemäss Art. 16 als vollziehbar erklärt worden ist, hindert die Konkursverwaltung nicht, gegen Vollstreckungsmassnahmen in diesem Lande schon vor Erteilung der Vollzugsbewilligung Einspruch zu erheben. Würde ihr diese Befugnis verweigert, so könnte der von Art. 6 Abs. 2 des Gerichtsstandsvertrags verfolgte Zweck, im Interesse einer gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubiger die Allgemeinheit des Konkurses zu gewährleisten (vgl.BGE 35 I 592/93), durch das Vorgehen einzelner Gläubiger unter Umständen vereitelt werden. Der Gemeinschuldner selbst kann dagegen im andern Lande das dort noch nicht vollziehbar erklärte Konkurserkenntnis nicht anrufen, um einer dort eingeleiteten Sondervollstreckung entgegenzutreten; denn der Grundsatz der Einheit und Allgemeinheit des Konkurses wurde nicht in seinem Interesse aufgestellt, sondern im Interesse der Gläubiger, das zu wahren allein die Konkursverwaltung berufen ist (vgl. zu alledem den Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts vom 25. Juni 1927 i.S. Spring, abgedruckt in Semaine judiciaire 1928 S. 49 ff., zusammengefasst und besprochen von R. SECRETAN in JdT 1928, Droit fédéral, S. 2 ff.). Der vorliegende Rekurs ist daher unbegründet. Sobald das französische Konkurserkenntnis in der Schweiz als vollziehbar erklärt ist, fällt der hier erwirkte Arrest dahin und fallen die arrestierten Gegenstände in die Konkursmasse (Art. 206
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 206 - 1 Alle gegen den Schuldner hängigen Betreibungen sind aufgehoben, und neue Betreibungen für Forderungen, die vor der Konkurseröffnung entstanden sind, können während des Konkursverfahrens nicht eingeleitet werden. Ausgenommen sind Betreibungen auf Verwertung von Pfändern, die von Dritten bestellt worden sind. |
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1 | Alle gegen den Schuldner hängigen Betreibungen sind aufgehoben, und neue Betreibungen für Forderungen, die vor der Konkurseröffnung entstanden sind, können während des Konkursverfahrens nicht eingeleitet werden. Ausgenommen sind Betreibungen auf Verwertung von Pfändern, die von Dritten bestellt worden sind. |
2 | Betreibungen für Forderungen, die nach der Konkurseröffnung entstanden sind, werden während des Konkursverfahrens durch Pfändung oder Pfandverwertung fortgesetzt. |
3 | Während des Konkursverfahrens kann der Schuldner keine weitere Konkurseröffnung wegen Zahlungsunfähigkeit beantragen (Art. 191). |
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) SchKG Art. 199 - 1 Gepfändete Vermögensstücke, deren Verwertung im Zeitpunkte der Konkurseröffnung noch nicht stattgefunden hat, und Arrestgegenstände fallen in die Konkursmasse. |
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1 | Gepfändete Vermögensstücke, deren Verwertung im Zeitpunkte der Konkurseröffnung noch nicht stattgefunden hat, und Arrestgegenstände fallen in die Konkursmasse. |
2 | Gepfändete Barbeträge, abgelieferte Beträge bei Forderungs- und Einkommenspfändung sowie der Erlös bereits verwerteter Vermögensstücke werden jedoch nach den Artikeln 144-150 verteilt, sofern die Fristen für den Pfändungsanschluss (Art. 110 und 111) abgelaufen sind; ein Überschuss fällt in die Konkursmasse.369 |