88 II 477
68. Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. November 1962 i.S. A. und G. gegen A. und G.
Regeste (de):
- Anfechtung der Ehelichkeit; Klagerecht des Kindes.
- Das Kind kann jedenfalls dann klagen, wenn der Ehemann der Mutter die Klage versäumt und die Mutter nach Auflösung der Ehe mit diesem Manne den Erzeuger des Kindes geheiratet hat (Erw. 1-3; Aenderung der Rechtsprechung).
- Der Prozess kann von einem gesetzlichen Vertreter des Kindes in dessen Namen geführt werden (Erw. 4).
- Die Klage ist gegen den in den Zivilstandsregistern als Vater eingetragenen Mann und gegen die Mutter zu richten (Erw. 5).
- Das Kind verwirkt das Klagerecht jedenfalls solange nicht, als es unmündig ist (Erw. 6).
- Materiell unterliegt die Klage des Kindes den gleichen Voraussetzungen wie diejenige des Ehemannes (Erw. 7).
Regeste (fr):
- Action en désaveu; qualité pour agir de l'enfant.
- L'enfant a qualité pour exercer l'action en désaveu en tout cas lorsque le mari de sa mère a laissé périmer son droit et que la mère, après la dissolution de son mariage avec cet homme, a épousé celui des oeuvres duquel l'enfant est issu (consid. 1-3; changement de jurisprudence).
- Le procès peut être conduit par un représentant légal de l'enfant au nom de celui-ci (consid. 4).
- L'action doit être dirigée contre le père inscrit dans les registres de l'état civil et contre la mère (consid. 5).
- Le droit de l'enfant ne se périme en tout cas pas tant que le titulaire est mineur (consid. 6).
- Quant au fond, l'action de l'enfant est soumise aux mêmes conditions que celle du mari (consid. 7).
Regesto (it):
- Azione di contestazione della paternità; qualità del figlio per promuovere l'azione.
- Il figlio ha qualità per promuovere l'azione di contestazione, in ogni caso quando il marito di sua madre ha lasciato perimere l'azione e la madre, dopo scioglimento del relativo matrimonio, ha sposato l'uomo da cui egli è nato (consid. 1-3; cambiamento della giurisprudenza).
- Il processo può essere condotto da un rappresentante legale del figlio in nome di questi (consid. 4).
- L'azione dev'essere diretta contro il padre iscritto nei registri dello stato civile e contro la madre (consid. 5).
- Il diritto del figlio non si perime in ogni caso fintanto che il titolare è minorenne (consid. 6).
- Materialmente, per l'azione del figlio valgono i medesimi presupposti come per quella del marito (consid. 7).
Sachverhalt ab Seite 478
BGE 88 II 477 S. 478
A.- Mit Urteil vom 11. Mai 1950, das den Parteien am 21. August 1950 zugestellt und infolge unbenützten Ablaufs der 14tägigen Berufungsfrist am 5. September 1950 rechtskräftig wurde, schied das Bezirksgericht St. Gallen die seit 1941 verheirateten Eheleute A.-B. von Laax (Graubünden) wegen entehrenden Verbrechens des Mannes und zur Hauptsache von ihm verschuldeter tiefer Zerrüttung sowie wegen Ehebruchs der Frau. In seinen Erwägungen stellte es fest, die - unmittelbar vor der Niederkunft stehende - Ehefrau habe im Laufe des letzten Jahres, während sich der Ehemann in Strafhaft befunden habe, mit G. ehebrecherische Beziehungen angeknüpft; ihre Schwangerschaft sei "zweifellos auf dieses Verhältnis zurückzuführen." Am 17. Mai 1950 gebar die Ehefrau ein Mädchen. Obwohl sie in ihren Aussagen vor dem Instruktionsrichter vom 25. April 1950, die dem Ehemann zur Kenntnis gebracht wurden, erklärt hatte, es sei ihr erwünscht, wenn ihr Mann "möglichst bald Aberkennungsklage gegen das werdende Kind einleitet", unterliess es dieser, die Ehelichkeit des in den Zivilstandsregistern als sein Kind eingetragenen Mädchens anzufechten.
B.- Nachdem die bisherige Ehe G.s geschieden worden war, verheiratete sich dieser am 9. November 1956 mit Frau B. gesch. A. Das am 17. Mai 1950 geborene Mädchen, um das A. sich nie gekümmert hatte, wurde wie der am 18. Mai 1952 geborene, durch diese Heirat legitimierte Knabe in den ehelichen Haushalt aufgenommen.
C.- Auf Gesuch der Eheleute G.-B. vom 12. Juli 1961 bestellte das Waisenamt der Stadt St. Gallen diesem Mädchen am 14. Juli 1961 einen Beistand mit dem Auftrag, seine Ehelichkeit anzufechten. Der Beistand leitete am 11. Oktober 1961 beim Vermittleramt des Kreises Ilanz und am 17. November 1961 beim Bezirksgericht Glenner eine entsprechende Klage gegen A. und die Mutter des Kindes ein. G. nahm als Intervenient auf Seiten des Kindes am Prozesse teil. Das Bezirksgericht schützte die Klage. Das Kantonsgericht von Graubünden hat sie dagegen mit
BGE 88 II 477 S. 479
Urteil vom 15. Juni 1962 gemäss Antrag des Beklagten A. abgewiesen, weil dem Kind kein Klagerecht zustehe.
D.- Mit der vorliegenden Berufung an das Bundesgericht erneuern der Beistand des Kindes und der Intervenient das Klagebegehren. Der Beklagte A. schliesst auf Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Der Abschnitt des ZGB über "Die eheliche Abstammung", der die Art. 252 bis 257 umfasst, regelt nach den Randtiteln in Art. 252 (A.) die Vermutung der Ehelichkeit, in Art. 253 bis 256 (B.) die Anfechtung der Ehelichkeit, und zwar in Art. 253 bis 255 diejenige "durch den Ehemann" und in Art. 256 diejenige "durch andere Berechtigte", und schliesslich in Art. 257 (C.) die Verwirkung der Anfechtung. Ist ein Kind während der Ehe oder innerhalb einer Frist von dreihundert Tagen nach Auflösung der Ehe geboren, so gilt es nach Art. 252 Abs. 1 für ehelich. Art. 253 bestimmt in Abs. 1, die Ehelichkeit eines Kindes könne vom Ehemann binnen drei Monaten, nachdem er von der Geburt Kenntnis erhalten hat, beim Richter angefochten werden, und fügt in Abs. 2 bei, die Anfechtungsklage richte sich gegen das Kind und die Mutter. Die Art. 254 und 255 ordnen die sachlichen Voraussetzungen der Anfechtung. Art. 256 lautet: "Ist der Ehemann vor Ablauf der Anfechtungsfrist gestorben oder urteilsunfähig geworden, oder ist er unbekannten Aufenthaltes, oder ist es aus anderem Grunde nicht möglich, ihm die Geburt mitzuteilen, so kann jedermann, der neben oder hinter dem Kinde erbberechtigt ist, binnen drei Monaten, nachdem er von der Geburt Kenntnis erhalten hat, die Ehelichkeit anfechten. Bei Zeugung vor Abschluss der Ehe kann die Ehelichkeit des Kindes, auch wenn es vom Ehemann anerkannt ist, durch die zuständige Behörde des Heimatkantons angefochten werden, falls nachgewiesen wird, dass dieser unmöglich der Vater des Kindes sein kann." Aus dieser Regelung hat das Bundesgericht in BGE 44 (1918) II 224 den Schluss gezogen, nach dem ZGB sei unter Vorbehalt der in Art. 256 abschliessend aufgezählten Ausnahmefälle
BGE 88 II 477 S. 480
einzig der Ehemann berechtigt, die Ehelichkeit eines Kindes anzufechten; der Mutter und dem Kinde stehe dieses Recht nicht zu; das Gesetz weise in diesem Punkte keine Lücke auf. In BGE 49 II 319 (Nr. 44) hat es an dieser Auffassung festgehalten; ebenso im ausführlich begründeten Entscheide BGE 73 (1947) II 203 (vgl. auch BGE 78 I 3), obwohl inzwischen mehrere Autoren und kantonale Gerichte dagegen Stellung genommen und das Anfechtungsrecht des Kindes bejaht hatten (vgl. hiezu die Hinweise bei HEGNAUER, N. 9 zu Art. 253
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 253 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 253 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 253 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 253 |
BGE 88 II 477 S. 481
ein Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 27. Mai 1960 (SJZ 1960 S. 329) mit einlässlicher Begründung zur bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts in Gegensatz gestellt. Es rechtfertigt sich daher, diese Rechtsprechung neu zu überprüfen.
2. Ob das ZGB die Frage, wer die Ehelichkeit eines Kindes anfechten könne, in Art. 253 ff. abschliessend geordnet habe oder ob im Fehlen einer Bestimmung über das Anfechtungsrecht des Kindes eine Lücke des Gesetzes zu erblicken sei, ist auf dem Wege der Gesetzesauslegung zu ermitteln (MEIER-HAYOZ N. 255 ff. zu Art. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält. |
|
1 | Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält. |
2 | Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde. |
3 | Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung. |
BGE 88 II 477 S. 482
Auch die Erforschung der Umstände, unter denen die Art. 253 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 253 |
BGE 88 II 477 S. 483
ein Abweichen von der damals herrschenden Auffassung gebieten (vgl. MEIER-HAYOZ N. 217 zu Art. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält. |
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1 | Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält. |
2 | Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde. |
3 | Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 253 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 1 - 1 Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält. |
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1 | Das Gesetz findet auf alle Rechtsfragen Anwendung, für die es nach Wortlaut oder Auslegung eine Bestimmung enthält. |
2 | Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht4 nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde. |
3 | Es folgt dabei bewährter Lehre und Überlieferung. |
3. Das ZGB ist, wie in BGE 44 II 225 und BGE 73 II 205 /06 angenommen, zweifellos bestrebt, den familienrechtlichen Beziehungen, insbesondere auch dem ehelichen Kindesverhältnis, im Interesse der Allgemeinheit Festigkeit zu verleihen. Dieses Bestreben war aber bei der Regelung der ehelichen Abstammung nicht allein wegleitend. Die in Art. 252
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 252 - 1 Das Kindesverhältnis entsteht zwischen dem Kind und der Mutter mit der Geburt. |
|
1 | Das Kindesverhältnis entsteht zwischen dem Kind und der Mutter mit der Geburt. |
2 | Zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil wird es kraft der Ehe der Mutter begründet oder, soweit gesetzlich vorgesehen, durch Anerkennung oder durch das Gericht festgestellt.250 |
3 | Ausserdem entsteht das Kindesverhältnis durch Adoption. |
BGE 88 II 477 S. 484
bestimmter Voraussetzungen die Ehelichkeit anfechten. In diesen Fällen räumt also das Gesetz dem individuellen Interesse der Klageberechtigten daran, dass die Rechtslage mit der wahren Abstammung in Einklang gebracht wird, gegenüber dem erwähnten öffentlichen Interesse den Vorrang ein. Ein Kind, das nicht vom Ehemann seiner Mutter gezeugt wurde, dürfte in der Regel daran interessiert sein, den ehelichen Stand, den es kraft Art. 252
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 252 - 1 Das Kindesverhältnis entsteht zwischen dem Kind und der Mutter mit der Geburt. |
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1 | Das Kindesverhältnis entsteht zwischen dem Kind und der Mutter mit der Geburt. |
2 | Zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil wird es kraft der Ehe der Mutter begründet oder, soweit gesetzlich vorgesehen, durch Anerkennung oder durch das Gericht festgestellt.250 |
3 | Ausserdem entsteht das Kindesverhältnis durch Adoption. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 252 - 1 Das Kindesverhältnis entsteht zwischen dem Kind und der Mutter mit der Geburt. |
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1 | Das Kindesverhältnis entsteht zwischen dem Kind und der Mutter mit der Geburt. |
2 | Zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil wird es kraft der Ehe der Mutter begründet oder, soweit gesetzlich vorgesehen, durch Anerkennung oder durch das Gericht festgestellt.250 |
3 | Ausserdem entsteht das Kindesverhältnis durch Adoption. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 258 - 1 Ist der Ehemann vor Ablauf der Klagefrist gestorben oder urteilsunfähig geworden, so kann die Anfechtungsklage von seinem Vater oder seiner Mutter erhoben werden. |
|
1 | Ist der Ehemann vor Ablauf der Klagefrist gestorben oder urteilsunfähig geworden, so kann die Anfechtungsklage von seinem Vater oder seiner Mutter erhoben werden. |
2 | Die Bestimmungen über die Anfechtung durch den Ehemann finden entsprechende Anwendung. |
3 | Die einjährige Klagefrist beginnt frühestens mit der Kenntnis des Todes oder der Urteilsunfähigkeit des Ehemannes. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 256 - 1 Die Vermutung der Vaterschaft kann beim Gericht angefochten werden: |
|
1 | Die Vermutung der Vaterschaft kann beim Gericht angefochten werden: |
1 | vom Ehemann; |
2 | vom Kind, wenn während seiner Minderjährigkeit der gemeinsame Haushalt der Ehegatten aufgehört hat. |
2 | Die Klage des Ehemannes richtet sich gegen das Kind und die Mutter, die Klage des Kindes gegen den Ehemann und die Mutter. |
3 | Der Ehemann hat keine Klage, wenn er der Zeugung durch einen Dritten zugestimmt hat. Für das Anfechtungsrecht des Kindes bleibt das Fortpflanzungsmedizingesetz vom 18. Dezember 1998261 vorbehalten.262 |
BGE 88 II 477 S. 485
anzufechten, so schafft dies keine Gefahr für die Stabilität der Familie im allgemeinen. Die Ehelichkeitsvermutung behält ihre grundlegende Bedeutung für die Familienrechtsordnung, sofern dem Kind die Anfechtung der Ehelichkeit nicht unter leichtern Voraussetzungen gestattet wird als den übrigen Berechtigten (vgl. Erw. 7 hienach). Dass wenigstens im einzelnen Fall eine Gefährdung der Familie zu befürchten sei, wenn dem Kinde bei Auflösung der frühern Ehe und Wiederverheiratung der Mutter das Anfechtungsrecht zugestanden wird, kann ebenfalls nicht anerkannt werden. Im übrigen darf normalerweise erwartet werden, dass die Vormundschaftsbehörden, ohne deren Mitwirkung ein solcher Prozess im Namen eines minderjährigen Kindes nicht eingeleitet werden kann (Art. 392 Ziff. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 392 - Erscheint die Errichtung einer Beistandschaft wegen des Umfangs der Aufgaben als offensichtlich unverhältnismässig, so kann die Erwachsenenschutzbehörde: |
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1 | von sich aus das Erforderliche vorkehren, namentlich die Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft erteilen; |
2 | einer Drittperson für einzelne Aufgaben einen Auftrag erteilen; oder |
3 | eine geeignete Person oder Stelle bezeichnen, der für bestimmte Bereiche Einblick und Auskunft zu geben sind. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 421 - Das Amt des Beistands oder der Beiständin endet von Gesetzes wegen: |
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1 | mit Ablauf einer von der Erwachsenenschutzbehörde festgelegten Amtsdauer, sofern keine Bestätigung im Amt erfolgt; |
2 | mit dem Ende der Beistandschaft; |
3 | mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses als Berufsbeistand oder Berufsbeiständin; |
4 | im Zeitpunkt, in dem der Beistand oder die Beiständin verbeiständet oder urteilsunfähig wird oder stirbt. |
BGE 88 II 477 S. 486
sollen, selbst wenn sie bei Aberkennung der Ehelichkeit sogleich von ihrem wirklichen Vater legitimiert würden. Es widerspricht den dem ZGB zugrunde liegenden, dem Wohl der Kinder grösste Bedeutung beimessenden Anschauungen über die Familie, in einer derart wichtigen Angelegenheit, die nicht nur den Ehemann, die schuldige Frau und ihren Partner, sondern vor allem auch die Kinder angeht, den Willen des Ehemannes als allein massgebend zu betrachten und den Kindern bezw. den zu ihrem Schutz berufenen vormundschaftlichen Organen die Möglichkeit vorzuenthalten, ihre Interessen selbständig zu wahren. Eine solche streng patriarchalische Auffassung ist auf jeden Fall heute nicht mehr zeitgemäss. Dass der Ehemann unter Umständen den begreiflichen Wunsch haben kann, den Schein der Ehelichkeit der von einem Dritten gezeugten Kinder seiner Frau aufrechtzuerhalten, lässt sich freilich nicht leugnen (vgl. AUBERT, Les actions de la filiation en droit civil suisse, 1955, S. 171). Dieser Wunsch pflegt jedoch nach Auflösung der Ehe (zumal nach Scheidung wegen Ehebruchs) nicht mehr so stark empfunden zu werden wie bei fortdauernder Ehe. Wenn der Ehemann trotz Auflösung der Ehe die Ehelichkeit der von seiner Frau im Ehebruch empfangenen Kinder nicht anficht, so beruht dies häufig auf blosser Gleichgültigkeit (hie und da sogar auf der Absicht, der geschiedenen Frau und ihrem Partner Unannehmlichkeiten zu bereiten). Wie dem aber auch sei, so verdient auf alle Fälle das Interesse des Kindes daran, seine wahre Ehelichkeit zu erlangen, mehr Schutz als das Interesse des früheren Ehemannes daran, weiterhin als Vater des betreffenden Kindes zu gelten und nicht als betrogener Ehemann dazustehen. Wenn Art. 256
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 256 - 1 Die Vermutung der Vaterschaft kann beim Gericht angefochten werden: |
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1 | Die Vermutung der Vaterschaft kann beim Gericht angefochten werden: |
1 | vom Ehemann; |
2 | vom Kind, wenn während seiner Minderjährigkeit der gemeinsame Haushalt der Ehegatten aufgehört hat. |
2 | Die Klage des Ehemannes richtet sich gegen das Kind und die Mutter, die Klage des Kindes gegen den Ehemann und die Mutter. |
3 | Der Ehemann hat keine Klage, wenn er der Zeugung durch einen Dritten zugestimmt hat. Für das Anfechtungsrecht des Kindes bleibt das Fortpflanzungsmedizingesetz vom 18. Dezember 1998261 vorbehalten.262 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 256 - 1 Die Vermutung der Vaterschaft kann beim Gericht angefochten werden: |
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1 | Die Vermutung der Vaterschaft kann beim Gericht angefochten werden: |
1 | vom Ehemann; |
2 | vom Kind, wenn während seiner Minderjährigkeit der gemeinsame Haushalt der Ehegatten aufgehört hat. |
2 | Die Klage des Ehemannes richtet sich gegen das Kind und die Mutter, die Klage des Kindes gegen den Ehemann und die Mutter. |
3 | Der Ehemann hat keine Klage, wenn er der Zeugung durch einen Dritten zugestimmt hat. Für das Anfechtungsrecht des Kindes bleibt das Fortpflanzungsmedizingesetz vom 18. Dezember 1998261 vorbehalten.262 |
BGE 88 II 477 S. 487
des Ehemanns jeder neben oder hinter dem Kinde erbberechtigten Person die Anfechtung der Ehelichkeit gestattet, lässt sie die Anfechtungsklage zur Wahrung vorwiegend oder rein materieller Interessen zu. Für ein Kind, das im Falle der Aberkennung der Ehelichkeit auf die Legitimation durch seinen wirklichen Vater rechnen kann, stehen dagegen, wie dargetan, oft nicht nur wirtschaftliche, sondern auch starke persönliche Interessen auf dem Spiele. Unter der Herrschaft eines Gesetzes, das sich wie das ZGB den Schutz der Persönlichkeit besonders angelegen sein lässt, wäre es ungereimt, diesen Interessen den Schutz durch das Mittel der Anfechtungsklage grundsätzlich zu versagen, während dieser Rechtsbehelf andern Personen zu Gebote steht, selbst wenn sie damit nur materielle Vorteile verfolgen. Bei der Klage auf Anfechtung der Ehelicherklärung (Art. 262
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 262 - 1 Hat der Beklagte in der Zeit vom 300. bis zum 180. Tag vor der Geburt des Kindes der Mutter beigewohnt, so wird seine Vaterschaft vermutet. |
|
1 | Hat der Beklagte in der Zeit vom 300. bis zum 180. Tag vor der Geburt des Kindes der Mutter beigewohnt, so wird seine Vaterschaft vermutet. |
2 | Diese Vermutung gilt auch, wenn das Kind vor dem 300. oder nach dem 180. Tag vor der Geburt gezeugt worden ist und der Beklagte der Mutter um die Zeit der Empfängnis beigewohnt hat. |
3 | Die Vermutung fällt weg, wenn der Beklagte nachweist, dass seine Vaterschaft ausgeschlossen oder weniger wahrscheinlich ist als die eines Dritten. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
|
1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 253 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 2 - 1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
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1 | Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln. |
2 | Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz. |
BGE 88 II 477 S. 488
Kontrolle, welche die Vormundschaftsbehörden während der Minderjährigkeit des Kindes auszuüben vermögen, vorkommen sollten. Wenn die Gefahr missbräuchlicher Anfechtung der Ehelichkeit durch das Kind sehr erheblich wäre, so hätten solche Missbräuche übrigens in der schon recht reichhaltigen kantonalen Praxis zutage treten müssen, was nicht der Fall zu sein scheint. Aus diesen Gründen hat das Bundesgericht in seinem Urteil vom 18. Oktober 1962 in Sachen R., dem ein dem vorliegenden entsprechender Tatbestand zugrunde lag, eine Gesetzeslücke angenommen und das Recht des Kindes zur Anfechtung seiner Ehelichkeit wenigstens für den Fall bejaht, dass die Ehe zwischen der Mutter und dem gemäss Art. 252
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 252 - 1 Das Kindesverhältnis entsteht zwischen dem Kind und der Mutter mit der Geburt. |
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1 | Das Kindesverhältnis entsteht zwischen dem Kind und der Mutter mit der Geburt. |
2 | Zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil wird es kraft der Ehe der Mutter begründet oder, soweit gesetzlich vorgesehen, durch Anerkennung oder durch das Gericht festgestellt.250 |
3 | Ausserdem entsteht das Kindesverhältnis durch Adoption. |
4. Ist dem Kind das Anfechtungsrecht in Fällen wie dem vorliegenden um seiner Persönlichkeit willen zuzugestehen, so stellt sich die Frage, ob dieses Recht nur durch das Kind selber, nachdem es urteilsfähig geworden ist (vgl. Art. 19 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 19 - 1 Urteilsfähige handlungsunfähige Personen können nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Verpflichtungen eingehen oder Rechte aufgeben.14 |
|
1 | Urteilsfähige handlungsunfähige Personen können nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Verpflichtungen eingehen oder Rechte aufgeben.14 |
2 | Ohne diese Zustimmung vermögen sie Vorteile zu erlangen, die unentgeltlich sind, sowie geringfügige Angelegenheiten des täglichen Lebens zu besorgen.15 |
3 | Sie werden aus unerlaubten Handlungen schadenersatzpflichtig. |
BGE 88 II 477 S. 489
nicht oder nur mangelhaft zu dienen. Für ein im Ehebruch gezeugtes Kind, das durch den wirklichen Vater legitimiert werden soll, ist es am besten, wenn die Anfechtung der Ehelichkeit und die Legitimation so früh wie möglich erfolgen. Auch liegt es in seinem Interesse, wenn ihm die Vorgänge, die zur Klage Anlass geben, möglichst lange verborgen bleiben. Sollen die Vorteile, welche die Anfechtung dem Kinde bieten soll, nicht weitgehend illusorisch werden, so muss also die Anfechtung durch einen gesetzlichen Vertreter, wie sie im vorliegenden Fall erfolgt ist, zugelassen werden (SANDMEIER a.a.O. S. 183; HEGNAUER, N. 11 zu Art. 253
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 253 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 253 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 253 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 256 - 1 Die Vermutung der Vaterschaft kann beim Gericht angefochten werden: |
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1 | Die Vermutung der Vaterschaft kann beim Gericht angefochten werden: |
1 | vom Ehemann; |
2 | vom Kind, wenn während seiner Minderjährigkeit der gemeinsame Haushalt der Ehegatten aufgehört hat. |
2 | Die Klage des Ehemannes richtet sich gegen das Kind und die Mutter, die Klage des Kindes gegen den Ehemann und die Mutter. |
3 | Der Ehemann hat keine Klage, wenn er der Zeugung durch einen Dritten zugestimmt hat. Für das Anfechtungsrecht des Kindes bleibt das Fortpflanzungsmedizingesetz vom 18. Dezember 1998261 vorbehalten.262 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 253 |
5. Die Klage des Kindes hat sich in erster Linie gegen den Ehemann der Mutter zu richten, dem die Rechtsstellung eines ehelichen Vaters aberkannt werden soll. Aber auch die Mutter hat ein schutzwürdiges Interesse daran, zu einer solchen Klage Stellung nehmen zu können, obschon ihre Interessen
BGE 88 II 477 S. 490
in Fällen der in Frage stehenden Art meist mit denen des Kindes übereinstimmen dürften. Mit Recht ist daher im Falle R. und im vorliegenden Falle neben dem als Vater eingetragenen Ehemann auch die Mutter eingeklagt worden.
6. Nach Art. 253 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 253 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 253 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 257 - 1 Ist ein Kind vor Ablauf von 300 Tagen seit der Auflösung der Ehe durch Tod geboren und hat die Mutter inzwischen eine neue Ehe geschlossen, so gilt der zweite Ehemann als Vater.269 |
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1 | Ist ein Kind vor Ablauf von 300 Tagen seit der Auflösung der Ehe durch Tod geboren und hat die Mutter inzwischen eine neue Ehe geschlossen, so gilt der zweite Ehemann als Vater.269 |
2 | Wird diese Vermutung beseitigt, so gilt der erste Ehemann als Vater. |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 256 - 1 Die Vermutung der Vaterschaft kann beim Gericht angefochten werden: |
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1 | Die Vermutung der Vaterschaft kann beim Gericht angefochten werden: |
1 | vom Ehemann; |
2 | vom Kind, wenn während seiner Minderjährigkeit der gemeinsame Haushalt der Ehegatten aufgehört hat. |
2 | Die Klage des Ehemannes richtet sich gegen das Kind und die Mutter, die Klage des Kindes gegen den Ehemann und die Mutter. |
3 | Der Ehemann hat keine Klage, wenn er der Zeugung durch einen Dritten zugestimmt hat. Für das Anfechtungsrecht des Kindes bleibt das Fortpflanzungsmedizingesetz vom 18. Dezember 1998261 vorbehalten.262 |
BGE 88 II 477 S. 491
überhaupt erst entstehen lassen, erst nach Ablauf der von Hegnauer befürworteten Frist erfolgen. Die Auffassung Hegnauers ist daher abzulehnen. Da das Bedürfnis nach einer Befristung bei der Klage des Kindes weniger ausgeprägt ist als bei der Klage des Ehemanns und da für eine Befristung der Klage des Kindes ein vor dem Eintritt der Mündigkeit liegender, sachlich befriedigender und im einzelnen Falle leicht und zuverlässig feststellbarer Ausgangspunkt nicht zu finden ist, rechtfertigt sich die Annahme, dass die Klage des Kindes jedenfalls solange keiner Verwirkung unterliegt, als es noch nicht mündig ist (so auch schon das Urteil vom 18. Oktober 1962 i.S. R.). Die vorliegende Klage ist somit rechtzeitig.
7. Materiell müssen für die Anfechtung der Ehelichkeit durch das Kind die gleichen Voraussetzungen gelten wie für die Anfechtung durch den Ehemann. Ist das Kind wie hier wenigstens 300 Tage nach Abschluss der Ehe geboren, so vermag also auch das Kind die Klage nur durch den Nachweis zu begründen, dass der Ehemann der Mutter unmöglich sein Vater sein könne (Art. 254
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 254 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 254 |
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 258 - 1 Ist der Ehemann vor Ablauf der Klagefrist gestorben oder urteilsunfähig geworden, so kann die Anfechtungsklage von seinem Vater oder seiner Mutter erhoben werden. |
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1 | Ist der Ehemann vor Ablauf der Klagefrist gestorben oder urteilsunfähig geworden, so kann die Anfechtungsklage von seinem Vater oder seiner Mutter erhoben werden. |
2 | Die Bestimmungen über die Anfechtung durch den Ehemann finden entsprechende Anwendung. |
3 | Die einjährige Klagefrist beginnt frühestens mit der Kenntnis des Todes oder der Urteilsunfähigkeit des Ehemannes. |
BGE 88 II 477 S. 492
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.