82 IV 41
10. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. Februar 1956 i. S. Spillmann gegen Generalprokurator des Kantons Bern.
Regeste (de):
- 1. Art. 1 und 14 Abs. 1 lit. a HR G, Art. 18 VHRG.
- Anwendungsgebiet des HRG. Begriff des Aufsuchens von Bestellungen; Tätigkeit des selbständigen Agenten (Erw. 1).
- 2. Art. 13
SR 943.1 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über das Gewerbe der Reisenden
HRG Art. 13 - 1 Die zuständige kantonale Behörde bearbeitet die zur Erteilung, zur Erneuerung und zum Entzug der Bewilligung notwendigen Personendaten. Nur sie ist zum Zugriff auf diese Daten berechtigt; vorbehalten bleibt die Zugriffsberechtigung der zuständigen Bundesbehörde im Rahmen ihrer Aufsichtsfunktion.
1 Die zuständige kantonale Behörde bearbeitet die zur Erteilung, zur Erneuerung und zum Entzug der Bewilligung notwendigen Personendaten. Nur sie ist zum Zugriff auf diese Daten berechtigt; vorbehalten bleibt die Zugriffsberechtigung der zuständigen Bundesbehörde im Rahmen ihrer Aufsichtsfunktion. 2 Absatz 1 erster Satz gilt sinngemäss auch für Branchenverbände und Unternehmen. 3 Die zuständige kantonale Behörde kann Dritten, die ein berechtigtes Interesse nachweisen, bekannt geben, ob eine das Reisendengewerbe ausübende Person eine Bewilligung hat. 4 Die zuständige Bundesbehörde bearbeitet die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Personendaten, namentlich das Gesuch, den Strafregisterauszug sowie allfällige Strafakten der gesuchstellenden Person. 5 Der Bundesrat regelt den Betrieb des Informationssystems, die Kategorien der zu erfassenden Daten, die Aufbewahrungsdauer und die Datensicherheit. SR 943.1 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über das Gewerbe der Reisenden
HRG Art. 15 Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben - Für Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben, durch Beauftragte oder andere Personen in ähnlichen Funktionen sind die Artikel 6 und 7 des Bundesgesetzes vom 22. März 197412 über das Verwaltungsstrafrecht anwendbar.
- a) Diese Bestimmungen gehören dem Verwaltungsstrafrecht an (Erw. 3 lit. a).
- b) Die Straffähigkeit der juristischen Person schliesst die strafrechtliche Verfolgung ihrer fehlbaren Organe nicht aus (Erw. 3 lit. b).
- 3. Art. 1 VHRG. Pflicht der Firma, für die Taxkarte ihrer Reisenden zu sorgen (Erw. 2).
Regeste (fr):
- 1. Art. 1 et 14 al. 1 lit. a LVC; art. 18 OVC.
- Champ d'application de la loi sur les voyageurs de commerce; quand y a-t-il prise de commandes? Activité des agents indépendants (consid. 1).
- 2. Art. 13 à 15 LVC.
- a) Ces dispositions légales rentrent dans le droit pénal administratif (consid. 3 lit. a).
- b) La capacité pénale de la personne morale n'exclut point les poursuites pénales contre les organes responsables (consid. 3 lit. b).
- 3. Art. 1er OVC. Devoir de la maison de commerce de procurer les cartes d'identité payantes à ses voyageurs (consid. 2).
Regesto (it):
- 1. Art. 1 e 14 cp. 1 lett. a LVC; art. 18 OVC.
- Campo d'applicazione della LVC. Nozione di ricerca di ordinazioni; attività dell'agente indipendente (consid. 1).
- 2. Art. 13-15 LVC.
- a) Questi disposti legali rientrano nel diritto penale amministrativo (consid. 3 lett. a).
- b) La capacità penale della persona giuridica non esclude il perseguimento penale dei suoi organi responsabili (consid. 3 lett. b).
- 3. Art. 1 OVC. Obbligo della ditta di procurare le tessere di legittimazione a pagamento ai suoi viaggiatori (consid. 2).
Sachverhalt ab Seite 41
BGE 82 IV 41 S. 41
A.- Am 19. Februar 1954 schloss Fritz Grossglauser mit der Mobilia A.-G., Olten, deren leitender Direktor Jakob Spillmann ist, einen Agenturvertrag ab. Darin
BGE 82 IV 41 S. 42
verpflichtete er sich, dauernd für die genannte Firma Möbel und Möbeleinrichtungen an Kunden zu vermitteln, Vertragsabschlüsse vorzubereiten und Interessenten der Geschäftsleitung zum Abschluss von Verträgen zuzuführen. Die allgemeinen Kosten seiner Reisetätigkeit, insbesondere auch die Taxe für die rote Handelsreisendenkarte hatte er zu übernehmen. Diesen Vertrag unterschrieb für die Mobilia A.-G. Peter Spillmann als Vizedirektor der Firma. Daraufhin nahm Grossglauser, der selbst nicht im Handelsregister eingetragen war, ohne Ausweiskarte die Reisetätigkeit für seine Firma im Gebiete des Kantons Bern auf, indem er sog. Vorzahlungs- und Kaufverträge vermittelte und in einem Fall selbst einen Kaufvertrag abschloss.
B.- Am 22. November 1954 büsste der Gerichtspräsident von Konolfingen im Strafmandatsverfahren Jakob Spillmann und Fritz Grossglauser wegen Übertretung von Art. 14 Abs. 1 lit. a
SR 943.1 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über das Gewerbe der Reisenden HRG Art. 14 Übertretungen - 1 Mit Busse bis zu 20 000 Franken wird bestraft, wer vorsätzlich:11 |
|
1 | Mit Busse bis zu 20 000 Franken wird bestraft, wer vorsätzlich:11 |
C.- Jakob Spillmann führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei aufzuheben und zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.- Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Nach Art. 1
SR 943.1 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über das Gewerbe der Reisenden HRG Art. 1 - 1 Dieses Gesetz regelt das Gewerbe von Reisenden, die Konsumentinnen oder Konsumenten Waren oder Dienstleistungen anbieten. |
|
1 | Dieses Gesetz regelt das Gewerbe von Reisenden, die Konsumentinnen oder Konsumenten Waren oder Dienstleistungen anbieten. |
2 | Dieses Gesetz: |
a | gewährleistet, dass die Reisenden ihr Gewerbe im ganzen Gebiet der Schweiz ausüben können; |
b | legt zum Schutze des Publikums die Mindestanforderungen für die Ausübung des Reisendengewerbes fest. |
3 | Sammlungen mit gemeinnützigem oder wohltätigem Zweck und freiwillige öffentliche Versteigerungen unterstehen kantonalem Recht. Vorbehalten sind die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches4 über die Sammelvermögen.5 |
BGE 82 IV 41 S. 43
Grossreisendenkarte für Handelsreisende, die ausschliesslich mit Wiederverkäufern oder mit solchen Unternehmungen in Verkehr treten, welche die Waren im eigenen Betrieb verwenden, für alle andern Handelsreisenden muss nach Art. 3 Abs. 2 die Kleinreisenden- oder Taxkarte gelöst werden. Wer ohne Taxkarte Bestellungen bei andern als den in Art. 3 Abs. 1 erwähnten Kunden aufsucht oder aufsuchen lässt, wird nach Art. 14 Abs. 1 lit. a mit Busse bis zu Fr. 1000.-- bestraft. Nach der tatsächlichen Feststellung des Gerichtspräsidenten von Konolfingen, dessen Ausführungen die Vorinstanz folgt, suchte Grossglauser in der Zeit vom 19. Februar bis 14. November 1954, ohne im Besitze einer roten Taxkarte zu sein, ausserhalb des Geschäftssitzes der Mobilia A.-G. im Gebiete des Kantons Bern verschiedene Bestellungen bei andern als in Art. 3 Abs. 1
SR 943.1 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über das Gewerbe der Reisenden HRG Art. 3 Ausnahmen von der Bewilligungspflicht - 1 Keine Bewilligung braucht, wer: |
|
1 | Keine Bewilligung braucht, wer: |
a | seine Waren oder Dienstleistungen ausserhalb ständiger Verkaufsräumlichkeiten an einer von der zuständigen Behörde angesetzten, zeitlich und örtlich begrenzten öffentlichen Veranstaltung anbietet (Markt); |
b | an Ausstellungen oder Messen Waren oder Dienstleistungen zur Bestellung oder zum Kauf anbietet; |
c | eine Tätigkeit ausübt, für die er oder die Person, für welche er handelt, bereits eine behördliche Bewilligung erhalten hat. |
2 | Der Bundesrat kann den Betrieb eines befristeten Wanderlagers im Freien mit Waren wie selbst erzeugten Landwirtschaftsprodukten oder Zeitungen von der Bewilligungspflicht ausnehmen. |
SR 943.1 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über das Gewerbe der Reisenden HRG Art. 3 Ausnahmen von der Bewilligungspflicht - 1 Keine Bewilligung braucht, wer: |
|
1 | Keine Bewilligung braucht, wer: |
a | seine Waren oder Dienstleistungen ausserhalb ständiger Verkaufsräumlichkeiten an einer von der zuständigen Behörde angesetzten, zeitlich und örtlich begrenzten öffentlichen Veranstaltung anbietet (Markt); |
b | an Ausstellungen oder Messen Waren oder Dienstleistungen zur Bestellung oder zum Kauf anbietet; |
c | eine Tätigkeit ausübt, für die er oder die Person, für welche er handelt, bereits eine behördliche Bewilligung erhalten hat. |
2 | Der Bundesrat kann den Betrieb eines befristeten Wanderlagers im Freien mit Waren wie selbst erzeugten Landwirtschaftsprodukten oder Zeitungen von der Bewilligungspflicht ausnehmen. |
SR 943.1 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über das Gewerbe der Reisenden HRG Art. 3 Ausnahmen von der Bewilligungspflicht - 1 Keine Bewilligung braucht, wer: |
|
1 | Keine Bewilligung braucht, wer: |
a | seine Waren oder Dienstleistungen ausserhalb ständiger Verkaufsräumlichkeiten an einer von der zuständigen Behörde angesetzten, zeitlich und örtlich begrenzten öffentlichen Veranstaltung anbietet (Markt); |
b | an Ausstellungen oder Messen Waren oder Dienstleistungen zur Bestellung oder zum Kauf anbietet; |
c | eine Tätigkeit ausübt, für die er oder die Person, für welche er handelt, bereits eine behördliche Bewilligung erhalten hat. |
2 | Der Bundesrat kann den Betrieb eines befristeten Wanderlagers im Freien mit Waren wie selbst erzeugten Landwirtschaftsprodukten oder Zeitungen von der Bewilligungspflicht ausnehmen. |
SR 943.1 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über das Gewerbe der Reisenden HRG Art. 1 - 1 Dieses Gesetz regelt das Gewerbe von Reisenden, die Konsumentinnen oder Konsumenten Waren oder Dienstleistungen anbieten. |
|
1 | Dieses Gesetz regelt das Gewerbe von Reisenden, die Konsumentinnen oder Konsumenten Waren oder Dienstleistungen anbieten. |
2 | Dieses Gesetz: |
a | gewährleistet, dass die Reisenden ihr Gewerbe im ganzen Gebiet der Schweiz ausüben können; |
b | legt zum Schutze des Publikums die Mindestanforderungen für die Ausübung des Reisendengewerbes fest. |
3 | Sammlungen mit gemeinnützigem oder wohltätigem Zweck und freiwillige öffentliche Versteigerungen unterstehen kantonalem Recht. Vorbehalten sind die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches4 über die Sammelvermögen.5 |
BGE 82 IV 41 S. 44
Hiezu hätte er der in Art. 1
SR 943.1 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über das Gewerbe der Reisenden HRG Art. 1 - 1 Dieses Gesetz regelt das Gewerbe von Reisenden, die Konsumentinnen oder Konsumenten Waren oder Dienstleistungen anbieten. |
|
1 | Dieses Gesetz regelt das Gewerbe von Reisenden, die Konsumentinnen oder Konsumenten Waren oder Dienstleistungen anbieten. |
2 | Dieses Gesetz: |
a | gewährleistet, dass die Reisenden ihr Gewerbe im ganzen Gebiet der Schweiz ausüben können; |
b | legt zum Schutze des Publikums die Mindestanforderungen für die Ausübung des Reisendengewerbes fest. |
3 | Sammlungen mit gemeinnützigem oder wohltätigem Zweck und freiwillige öffentliche Versteigerungen unterstehen kantonalem Recht. Vorbehalten sind die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches4 über die Sammelvermögen.5 |
2. Nach Art. 1 VVO zum HRG haben im schweizerischen Handelsregister emgetragene Firmen, die für ihre Vertreter eine Ausweiskarte für Handelsreisende wünschen, ein schriftliches Gesuch an die kantonale Abgabestelle des Amtskreises zu richten, wo die Firma ihren Sitz hat. Daraus geht hervor, dass grundsätzlich die Firma für die Taxkarte zu sorgen hat. Dieser gesetzlichen Pflicht kann sie sich nicht dadurch entschlagen, dass sie die Kosten hiefür dem Vertreter oder Agenten aufbürdet oder diesen vertraglich zur selbständigen Beschaffung des Ausweises verpflichtet. Anders könnte es nur sein, wenn ein Agent selber im Handelsregister eingetragen ist und reine Agententätigkeit ausübt. Dies war jedoch bei Grossglauser nicht der Fall, sodass seine Ausweiskarte einzig durch die Mobilia A.-G. erlangt werden konnte. Da sie ihn vertraglich mit dem Aufsuchen von Bestellungen bei Kunden beauftragte, hatte sie dafür zu sorgen, dass er mit der durch das Gesetz vorgeschriebenen Taxkarte
BGE 82 IV 41 S. 45
reiste. Dies hat sie nach verbindlicher Feststellung des angefochtenen Entscheides nicht getan. Darin liegt ein Verstoss gegen die Vorschriften des HRG.
3. Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführer als verantwortlichen Direktor der Mobilia A.-G. wegen Übertretung von Art. 14 Abs. 1 lit. a
SR 943.1 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über das Gewerbe der Reisenden HRG Art. 14 Übertretungen - 1 Mit Busse bis zu 20 000 Franken wird bestraft, wer vorsätzlich:11 |
|
1 | Mit Busse bis zu 20 000 Franken wird bestraft, wer vorsätzlich:11 |
SR 943.1 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über das Gewerbe der Reisenden HRG Art. 12 - 1 Die Kantone erheben für die Erteilung, die Erneuerung und den Entzug der Bewilligung eine Gebühr. |
|
1 | Die Kantone erheben für die Erteilung, die Erneuerung und den Entzug der Bewilligung eine Gebühr. |
2 | Der Bundesrat regelt die Höhe der Gebühr. |
b) In BGE 64 I 53 hat die I. Zivilabteilung des Bundesgerichtes entschieden, dass Aktiengesellschaften und Genossenschaften
BGE 82 IV 41 S. 46
auf dem Gebiete des Verwaltungsstrafrechtes straffähig sind. Wenn deshalb Art. 14 Abs. 1 lit. a
SR 943.1 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über das Gewerbe der Reisenden HRG Art. 14 Übertretungen - 1 Mit Busse bis zu 20 000 Franken wird bestraft, wer vorsätzlich:11 |
|
1 | Mit Busse bis zu 20 000 Franken wird bestraft, wer vorsätzlich:11 |
SR 943.1 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über das Gewerbe der Reisenden HRG Art. 14 Übertretungen - 1 Mit Busse bis zu 20 000 Franken wird bestraft, wer vorsätzlich:11 |
|
1 | Mit Busse bis zu 20 000 Franken wird bestraft, wer vorsätzlich:11 |
SR 943.1 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über das Gewerbe der Reisenden HRG Art. 16 Strafverfolgung - Die Strafverfolgung ist Sache der Kantone. |
SR 943.1 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über das Gewerbe der Reisenden HRG Art. 16 Strafverfolgung - Die Strafverfolgung ist Sache der Kantone. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 334 - Wird in Bundesvorschriften auf Bestimmungen verwiesen, die durch dieses Gesetz geändert oder aufgehoben werden, so sind diese Verweisungen auf die entsprechenden Bestimmungen dieses Gesetzes zu beziehen. |