S. 172 / Nr. 39 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 78 III 172

39. Entscheid vom 2. September 1952 i. S. W. und E. Schenk.

Regeste:
Honorar- und Spesenforderung des Sachwalters bei der Nachlassstundung.
Ist der nicht durch Abschlagszahlungen gedeckte Saldo im nachfolgenden Konkurs
als Masseverbindlichkeit zu betrachten? Tragweite des Art. 316 c Abs. 2 SchKG.
Zuständigkeit der Gerichte.
Honoraires et débours du commissaire en matière de sursis concordataire.
Le solde non couvert par des acomptes peut-il être considéré comme une dette
de la masse dans une faillite subséquente? Portée de l'art. 316 lettre c al. 2
LP. Compétence des tribunaux.
Onorari e spese del commissario in materia di moratoria concordataria.
Il saldo non coperto da acconti può essere considerato come un debito della
massa in un fallimento susseguente? Portata dell'art. 316 lett. e cp. 2 LEF.
Competenza dei tribunali.

A. - Bücherexperte F. Alioth war Sachwalter im Nachlassverfahren des
Brikettfabrikanten Robert Brand in Dotzigen. In dessen nachfolgendem Konkurse
meldete er am 19. November 1945 den nicht durch Abschlagszahlungen gedeckten
Saldo von Fr. 1853.20 seiner Honorar- und Spesenrechnung zur Kollokation an
und wurde in 5. Klasse rechtskräftig zugelassen. Als Vorsitzender der
ausseramtlichen Konkursverwaltung unterbreitete er der untern Aufsichtsbehörde
am 28. Februar 1952 die Schlussrechnung und warf dabei die Frage auf, ob der
ungedeckte Betrag seiner Sachwalterrechnung «vom eventuellen Eingang der noch
zu realisierenden Aktiven» gedeckt werden könne.

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B. - In den Erwägungen des Entscheides vom 4. März 1952, womit die untere
Aufsichtsbehörde die von den Mitgliedern der Konkursverwaltung zu beziehende
Pauschalvergütung nach Art. 10 des Gebührentarifs festsetzte, wurde bemerkt,
der ungedeckte Betrag der Sachwalterrechnung werde gemäss Kollokationsplan auf
die Dividende der 5. Klasse anzuweisen sein.
C. - Auf Beschwerde des F. Alioth bezeichnete die obere kantonale
Aufsichtsbehörde mit Entscheid vom 28. März 1952 die restliche
Sachwalterforderung in sinngemässer Anwendung von Art. 316 c Abs. 2 SchKG als
vorweg zu deckende Masseverbindlichkeit (Dispositiv 1, a).
D. - In diesem Punkte legten zwei Gläubiger der 1. Klasse Rekurs ein mit dem
Antrag auf Aufhebung der kantonalen Entscheidung und auf Feststellung, dass
die betreffende Forderung nicht Masseverbindlichkeit sei.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.- Wird die restliche Sachwalterforderung als Masseverbindlichkeit
berücksichtigt, so gehen die Rekurrenten, wiewohl sie in der 1. Klasse
kolloziert sind, nach Ausweis der Verteilungsliste leer aus. Sie haben somit
ein hinreichendes rechtliches Interesse an der Weiterziehung des kantonalen
Entscheides.
2.- Art. 316 e Abs. 2 SchKG, an den die vorinstanzlichen Erwägungen anknüpfen,
gilt ausdrücklich auch in einem nachfolgenden Konkurse. Er ist daher, wie die
kantonale Aufsichtsbehörde mit Recht annimmt, unabhängig davon anwendbar, ob
der Schuldner einen Stundungs-, Prozent - oder Liquidationsvergleich
erstrebte. Indessen erhebt sich die Frage, ob und inwieweit die
Konkursbehörden, insbesondere die Aufsichtsbehörden im Beschwerdeverfahren,
zuständig sind, in Streitfällen über das Bestehen einer Masseverbindlichkeit
zu entscheiden. Hat man es beispielsweise, ohne dass dies von irgendeiner
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bestritten wird, zwar mit einem vom Schuldner während der Nachlassstundung mit
Zustimmung des Sachwalters abgeschlossenen Vertrage zu tun, lässt aber die
Konkursverwaltung dessen Auslegung durch den fordernden Dritten hinsichtlich
der daraus hervorgehenden Ansprüche nicht gelten, oder wendet sie
Unverbindlichkeit oder mangelhafte Erfüllung des Vertrages ein, so können zur
Entscheidung hierüber nur die Gerichte im Zivilprozessverfahren berufen sein.
Aber auch wenn es sich vor allem um die Frage handelt, ob überhaupt eine
während des Konkursverfahrens von der Masse oder «während der Nachlassstundung
mit Zustimmung des Sachwalters vom Schuldner eingegangene» und nicht vielmehr
eine andere Verbindlichkeit vorliege, lässt sich dies grundsätzlich nicht im
Beschwerdeverfahren austragen. Die Qualifikation einer Verbindlichkeit als
(den Schuldner betreffende) Konkursforderung oder aber als (die Masse als
solche betreffende) Masseverbindlichkeit hängt mit ihrem materiellen
Rechtsgrunde, der Art ihrer Entstehung, allenfalls auch dem mit ihrer
Begründung verfolgten Zwecke zusammen und ist daher vom Richter zu entscheiden
(BGE 75 III 19 ff.). Was die im vorliegenden Falle streitige Honorar- und
Spesenersatzforderung des Sachwalters betrifft, so gehört sie zweifellos nicht
zu den von Art. 316 c Abs. 2 SchKG genannten Verbindlichkeiten. Es kann sich
nur fragen, ob diese Regel sich sinngetreu auf andere und zwar gerade auf
solche Verbindlichkeiten wie die hier streitige übertragen lasse. Das ist aber
nicht ohne weiteres zu bejahen, sondern kann ernstlich zum Gegenstand
gerichtlicher Entscheidung gemacht werden, umso mehr, als
Masseverbindlichkeiten ja in der Regel erst während des Konkursverfahrens
entstehen, so dass Art. 316 c Abs. 2 SchKG sich als Ausnahmevorschrift
darstellt (gleich wie die auf die Kosten eines vorausgegangenen öffentlichen
Inventarshinweisende Bestimmung von Art. 85 Abs. 4 der Konkursverordnung, wozu
vgl. BGE 43 III 255 unten).
Der angefochtene Teil des kantonalen Entscheides muss

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daher aufgehoben werden, ohne dass zur Frage des Bestehens einer
Masseverbindlichkeit Stellung zu nehmen wäre. Dem gewesenen. Sachwalter wird,
wie in BGE 75 III 25 oben angegeben, zur Klage gegen die Masse Frist
anzusetzen sein. Einwendungen jeder Art, auch solche, die allenfalls gemäss
den Vorbringen des vorliegenden Rekurses aus dem bisherigen Verhalten des
Ansprechers im Konkursverfahren hergeleitet werden, sind ausschliesslich von
den Gerichten zu beurteilen.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird dahin gutgeheissen, dass Dispositiv 1 a des angefochtenen
Entscheides aufgehoben wird.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 78 III 172
Datum : 01. Januar 1952
Publiziert : 02. September 1952
Quelle : Bundesgericht
Status : 78 III 172
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Honorar- und Spesenforderung des Sachwalters bei der Nachlassstundung.Ist der nicht durch...


Gesetzesregister
SchKG: 316c  316e
BGE Register
43-III-252 • 75-III-19 • 75-III-25 • 78-III-172
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
masseverbindlichkeit • frage • schuldner • mass • nachlassstundung • konkursverfahren • honorar • untere aufsichtsbehörde • konkursverwaltung • kollokationsplan • rechtsmittel • begründung des entscheids • richterliche behörde • konkursdividende • personalbeurteilung • kantonales rechtsmittel • sold • errichtung eines dinglichen rechts • verhalten • vorinstanz
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