S. 57 / Nr. 15 Schuldbetreibungs-und Konkursrecht (d)

BGE 75 III 57

15. Entscheid vom 8. September 1949 i. S. Glarner.

Regeste:
Masseverbindlichkeiten (Art. 2621 SchKG) sind nicht im Kollokationsplan zu
verzeichnen. Erw. 1.
Über das Vorliegen einer solchen Verbindlichkeit haben auch dann nicht die
Aufsichtsbehörden zu entscheiden, wenn sich der Ansprecher auf Art. 222 oder
252 der Bankennachlass-VO vom 11. April 1935/Art. 61 der VO vom 24. Januar
1941 beruft. Erw. 2.
Die Klage gegen die Masse ist unbefristet, doch kann die Konkursverwaltung dem
Ansprecher die Verteilung ohne Rücksicht auf die beanspruchte Vorab-Deckung
androhen für den Fall, dass er nicht binnen angemessener Frist klage. Erw. 3.
Les dettes de la masse (art. 262 al. 2 LP) ne doivent pas figurer à l'état de
collocation (consid. 1).
Les autorités de surveillance n'ont pas à se prononcer sur l'existence ou la
non-existence d'une dette de cette nature même si le prétendu créancier
invoque l'art. 22 al. 2 ou l'art. 25 al. 2 de l'ordonnance du TF du 11 avril
1935 concernant la procédure de concordat pour les banques et les caisses
d'épargne/art. 51 OCF du 24 janvier 1941 (consid. 2).
L'action contre la masse n'est soumise à aucun délai, mais l'administration de
la faillite peut menacer le créancier de procéder à la distribution sans tenir
compte de sa prétention d'être payé par prélèvement s'il n'ouvre pas action
dans un délai convenable (consid. 3).
I debiti della massa (art. 262 op. 1 LEF) non debbono essere iscritti in
graduatoria (consid. 1).
Le autorità di vigilanza non debbono decidere se un siffatto debito esista o
no, anche quando l'asserto creditore invoca l'art. 22 op. 2 o l'art. 25 op. 2
del regolamento 11 aprile 1935 concernente la procedura del concordato per le
banche e le casse di risparmio/ art. 51 dell'ordinanza 24 gennaio 1941
(consid. 2).
L'azione contro la massa non è soggetta ad alcun termine, ma l'amministrazione
del fallimento può minacciare il creditore di procedere alla ripartizione
senza tenere conto della sua pretesa d'essere pagato a titolo preferenziale,
se non promuove azione entro un termine adeguato (consid. 3).


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A. - Die Bumax Werke A.G. in Dürrenäsch zogen den Rekurrenten, mit Zustimmung
des Sachwalters, als Anwalt zur Durchführung ihres Nachlassverfahrens bei. Der
vorgeschlagene Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung kam nicht zustande. In
dem hierauf über die Schuldnerin eröffneten Konkurse verlangte der Rekurrent
für seine restliche Honorarforderung Vollzahlung, da es sich nach Art. 25 Abs.
2 der bundesgerichtlichen Verordnung vom 11. April 1935 betreffend das
Nachlassverfahren von Banken und Sparkassen, die hier nach Art. 51 der
bundesrätlichen Verordnung vom 24. Januar 1941 über vorübergehende Milderungen
der Zwangsvollstreckung analog anwendbar sei, um eine Masseverbindlichkeit
handle. Das Konkursamt lehnte dies am 12. Mai 1949 ab und erklärte, die in
Frage stehende Forderung (soweit sie im hängigen Moderationsverfahren
geschützt werde) in 5. Klasse kollozieren zu wollen.
B. - Mit der dagegen geführten Beschwerde hatte der Rekurrent in erster
Instanz Erfolg. Die vom Konkursamte (namens der Konkursmasse) angerufene obere
kantonale Aufsichtsbehörde bestätigte jedoch mit Entscheid vom 27. Juli 1949
die Verfügung des Konkursamtes. Sie ging davon aus, dass es in den
Zuständigkeitskreis der Aufsichtsbehörden falle, eine an sich unbestrittene
Forderung als (gemäss ihrem Rang aus dem Nettoergebnis der Verwertung des
Konkursvermögens zu begleichende) Konkursforderung oder als (vorweg im Sinne
von Art. 262 Abs. 1
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 262 - 1 Sämtliche Kosten für Eröffnung und Durchführung des Konkurses sowie für die Aufnahme eines Güterverzeichnisses werden vorab gedeckt.
1    Sämtliche Kosten für Eröffnung und Durchführung des Konkurses sowie für die Aufnahme eines Güterverzeichnisses werden vorab gedeckt.
2    Aus dem Erlös von Pfandgegenständen werden nur die Kosten ihrer Inventur, Verwaltung und Verwertung gedeckt.
SchKG aus dem Bruttoerlös zu begleichende)
Masseverbindlichkeit zu qualifizieren. Im übrigen hielt sie (unter Hinwels auf
HAAB, Die Bedeutung der Verordnung über das Nachlassverfahren von Banken und
Sparkassen..., in der Festgabe für Fritz Goetzinger S. 137) dafür, Art. 25
Abs. 2 der erwähnten Verordnung sei auf die Forderung des Rekurrenten nicht
anwendbar.
C. - Gegen diesen Entscheid richtet sich der vorliegende, am Beschwerdeantrag
auf «Kollozierung» der restlichen Honorarforderung als Masseverbindlichkeit
festhaltende Rekurs.

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Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.- Entgegen der Ansicht des Rekurrenten gehören Masseverbindlichkeiten nicht
in den Kollokationsplan. Dieser ist nur für die Konkursforderungen
aufzustellen. Über Masseverbindlichkeiten ist ausserhalb des
Kollokationsverfahrens zu befinden. Das gilt auch, wenn zunächst eine
Kollokation erfolgt ist, indem die Konkursverwaltung eben eine blosse
Konkursforderung anerkennen wollte. Dringt demgegenüber der Ansprecher mit
seinem Standpunkt, es handle sich um eine Masseverbindlichkeit, durch, so wird
die Kollokation gegenstandslos.
2.- Der Rekurrent glaubte seinen dahingehenden Anspruch auf dem Beschwerdewege
geltend machen zu können, und die Vorinstanzen sind auf die Frage nach der
Qualifizierung der Forderung-Konkursforderung oder Masseverbindlichkeit -
eingetreten. Indessen waren sie dazu nicht zuständig. Wie neulich entschieden
worden ist, hängt die Frage nach der Qualifizierung einer Forderung als
Konkursforderung oder Masseverbindlichkeit mit ihrem Bestand und Rechtsgrunde
zusammen. Sie ist daher richtigerweise von den zur Beurteilung des Bestandes
der Forderung zuständigen Zivilgerichten oder Verwaltungsbehörden (-gerichten)
zu beurteilen. Jedenfalls bedarf es zur Geltendmachung einer
Masseverbindlichkeit, die von der Konkursmasse nicht als solche anerkannt wird
(auch bei unbestrittener Forderung nach Bestand und Höhe), immer eines gegen
die Masse zu erwirkenden Urteils jener zur materiellen Beurteilung zuständigen
Behörde (BGE 75 III 22). Der Rekurrent ist daher auf den Weg der Klage gegen
die Masse zu verweisen, und es ist auf die gegen das Konkursamt (als
Konkursverwaltung) geführte Beschwerde nicht einzutreten.
An dieser Betrachtungsweise ändert Art. 25 Abs. 2 der Bankennachlassverordnung
vom 11. April 1935 (vgl. auch Art. 22 Abs. 2 daselbst) nichts. Ob man es mit
einer Verbindlichkeit der dort vorgesehenen Art zu tun habe, muss

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im Streitfalle eben von den Gerichten oder sonstigen Behörden beurteilt
werden, denen die Entscheidung über die im einzelnen Fall geltend gemachte
Forderung zusteht. Hier ist allerdings diese Frage nicht streitig; dagegen
will die Konkursmasse jene Vorschrift der Bankennachlassverordnung nicht
uneingeschränkt hinsichtlich eines andern Schuldners als einer Bank oder
Sparkasse zur Anwendung bringen. Sie hält dafür, und die Vorinstanz stimmt ihr
in Anlehnung an den erwähnten Autor darin bei, als Masseverbindlichkeiten
könnten nur solche während des Nachlassverfahrens eingegangene
Verbindlichkeiten gelten, die zur Aufrechterhaltung des Betriebes oder zur
Erhaltung des Vermögens begründet wurden, was hier nicht zutreffe. Die
Entscheidung dieser Frage muss jedoch gleichfalls der zur materiellen
Beurteilung der Forderung selbst zuständigen Behörde vorbehalten bleiben. In
BGE 63 III 91 wurde offen gelassen, inwiefern die erwähnten Vorschriften der
Bankennachlassverordnung analog auf jedes Nachlassverfahren bezw. auf jeden
Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung angewendet zu werden verdienen. Die
Verordnung über vorübergehende Milderungen der Zwangsvollstreckung vom 24.
Januar 1941 sieht nunmehr zwar in Art. 51 die analoge Anwendung jener
Verordnung a für den Inhalt und die Wirkungen eines Nachlassvertrages mit
Vermögensabtretung (Liquidationsvergleich)» ausdrücklich vor. Ob diese
Umschreibung jedoch die hier streitige Qualifizierungsfrage mitumfasse, und ob
sich die von der Vorinstanz getroffene Unterscheidung nach dem Zweck der
Verbindlichkeit rechtfertige, gegebenenfalls selbst dann, wenn jenes bejaht
wird, sind eben Fragen, die zweifellos erhoben werden dürfen und im
Streitfalle wiederum nicht von den Aufsichtsbehörden zu entscheiden sind. Was
endlich vorzukehren ist, wenn die Klage gegen die Masse vorerst nicht zu einem
die Forderung qualifizierenden Urteil führen sollte, ist in BGE 75 III 23
unten/24 dargetan.
3.- Im angeführten Präjudiz wurde dem Ansprecher eine Frist zur Klage bei der
zuständigen Behörde

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angesetzt. Eine Rechtsgrundlage für die Befristung einer solchen Klage ist
jedoch nicht zu finden. Wird sie angehoben, noch bevor das Konkursvermögen
ohne Rücksicht auf die vom Rekurrenten beanspruchte Vorab-Deckung verteilt
ist, und dringt er mit der Klage durch, so wird das Urteil beachtet werden
müssen. Jedenfalls hat die Konkursverwaltung, wenn sie von der Hängigkeit
einer solchen Klage Kenntnis erhält, einer allfälligen Gutheissung derselben
Rechnung zu tragen. Dagegen ist sie nicht gehalten, mit der Verteilung
zuzuwarten, wenn der Rekurrent mit der Klageerhebung zögert. Die Masse kann
sich gegenüber einem zögernden Ansprecher unter gegebenen Voraussetzungen mit
einer Provokations- oder negativen Feststellungsklage behelfen. Ausserdem
steht ihr zu, dem Ansprecher ohne weiteres zu eröffnen, sie werde über seinen
Anspruch hinweggehend zur Verteilung schreiten, falls er nicht binnen
angemessener Frist Klage gegen sie erhebe.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird dahin begründet erklärt, dass der Entscheid der Vorinstanz
aufgehoben und auf die Beschwerde des Rekurrenten gegen das Konkursamt nicht
eingetreten wird.
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 75 III 57
Datum : 01. Januar 1948
Publiziert : 07. September 1949
Quelle : Bundesgericht
Status : 75 III 57
Sachgebiet : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Gegenstand : Masseverbindlichkeiten (Art. 2621 SchKG) sind nicht im Kollokationsplan zu verzeichnen. Erw. 1.Über...


Gesetzesregister
SchKG: 262
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 262 - 1 Sämtliche Kosten für Eröffnung und Durchführung des Konkurses sowie für die Aufnahme eines Güterverzeichnisses werden vorab gedeckt.
1    Sämtliche Kosten für Eröffnung und Durchführung des Konkurses sowie für die Aufnahme eines Güterverzeichnisses werden vorab gedeckt.
2    Aus dem Erlös von Pfandgegenständen werden nur die Kosten ihrer Inventur, Verwaltung und Verwertung gedeckt.
BGE Register
63-III-89 • 75-III-19 • 75-III-57
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
masseverbindlichkeit • mass • frage • konkursamt • konkursforderung • konkursverwaltung • vorinstanz • nachlassvertrag mit vermögensabtretung • konkursmasse • sparkasse • kollokationsplan • angemessene frist • deckung • zwangsvollstreckung • termin • entscheid • frist • rang • ausserhalb • schuldner
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