BGE 60 II 27
7. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. Februar 1934 i. S.
Büttig gegen Schindler & Co.
Regeste:
Rückforderung des Geleisteten beim Rucktritt vom Vertrag nach Art. 109 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 109 - 1 Wer vom Vertrage zurücktritt, kann die versprochene Gegenleistung verweigern und das Geleistete zurückfordern. |
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1 | Wer vom Vertrage zurücktritt, kann die versprochene Gegenleistung verweigern und das Geleistete zurückfordern. |
2 | Überdies hat er Anspruch auf Ersatz des aus dem Dahinfallen des Vertrages erwachsenen Schadens, sofern der Schuldner nicht nachweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle. |
OR. Anwendung der zehnjährigen Verjährungsfrist.
Aus den Erwägungen:
6.- Wer vom Vertrage zurücktritt, kann das Geleistete zurückfordern und
überdies Ersatz des aus dem Dahinfallen des Vertrages erwachsenen Schadens
verlangen, sofern der Schuldner nicht nachweist, dass ihm keinerlei
Verschulden zur Last falle. Art. 109
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 109 - 1 Wer vom Vertrage zurücktritt, kann die versprochene Gegenleistung verweigern und das Geleistete zurückfordern. |
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1 | Wer vom Vertrage zurücktritt, kann die versprochene Gegenleistung verweigern und das Geleistete zurückfordern. |
2 | Überdies hat er Anspruch auf Ersatz des aus dem Dahinfallen des Vertrages erwachsenen Schadens, sofern der Schuldner nicht nachweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle. |
Gegenüber der Rückforderung der Anzahlung von 1625 Fr. hat die Beklagte jedoch
die Einrede der Verjährong erhoben. Der Anspruch sei ein solcher aus
ungerechtiertigter Bereicherung, und zwar eine condictio ob causam finitam,
für welche die einjährige Verjährungsfrist des Art. 67 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 67 - 1 Der Bereicherungsanspruch verjährt mit Ablauf von drei Jahren, nachdem der Verletzte von seinem Anspruch Kenntnis erhalten hat, in jedem Fall aber mit Ablauf von zehn Jahren seit der Entstehung des Anspruchs.39 |
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1 | Der Bereicherungsanspruch verjährt mit Ablauf von drei Jahren, nachdem der Verletzte von seinem Anspruch Kenntnis erhalten hat, in jedem Fall aber mit Ablauf von zehn Jahren seit der Entstehung des Anspruchs.39 |
2 | Besteht die Bereicherung in einer Forderung an den Verletzten, so kann dieser die Erfüllung auch dann verweigern, wenn der Bereicherungsanspruch verjährt ist. |
TUHR OR I S. 383, II S. 551). Die Vorinstanz hat die Verjährungseinrede
gutgeheissen. Es kann ihr jedoch nicht beigepflichtet werden, da auf den
Rückforderungsanspruch gemäss
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Art. 109 Abs. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 109 - 1 Wer vom Vertrage zurücktritt, kann die versprochene Gegenleistung verweigern und das Geleistete zurückfordern. |
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1 | Wer vom Vertrage zurücktritt, kann die versprochene Gegenleistung verweigern und das Geleistete zurückfordern. |
2 | Überdies hat er Anspruch auf Ersatz des aus dem Dahinfallen des Vertrages erwachsenen Schadens, sofern der Schuldner nicht nachweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle. |
bereits vollzogene Leistung erscheint nach dem Rücktritt allerdings als
grundlos, und das Bundesgericht hat schon unter der Herrschaft des alten
Obligationenrechtes den in dessen Artikel 124 gewährten Rückforderungsanspruch
für das Geleistete als condictio sine causa bezeichnet (BGE 25 II S. 399,
HAFNER, Nr. 1 zu Art. 124 aOR). Allein wenn der Gesetzgeber in Art. 109 Abs. 1
(aOR Art. 124) nicht einfach auf die Bestimmungen über die ungerechtfertigte
Bereicherung verwiesen, sondern einen selbständigen gesetzlichen Anspruch auf
Rückerstattung des Geleisteten gewährt hat, so hat das einen guten Sinn, und
auf Art. 62 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 62 - 1 Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten. |
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1 | Wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines andern bereichert worden ist, hat die Bereicherung zurückzuerstatten. |
2 | Insbesondere tritt diese Verbindlichkeit dann ein, wenn jemand ohne jeden gültigen Grund oder aus einem nicht verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund eine Zuwendung erhalten hat. |
aus Art. 109 ableiten liesse (so auch von TUHR OR II S. 551). Es ist nämlich
nicht einzusehen, wieso für die Ansprüche, welche Art. 109 dem Zurücktretenden
verleiht, nicht dieselbe Verjährungsfrist gelten soll und wieso gar der
Schadenersatzanspruch normalerweise noch nicht verjährt sein soll, während der
Rückforderungsanspruch, der nicht an die Voraussetzung eines Verschuldens des
Schuldners geknüpft ist und der doch als der primäre erscheint, schon verjährt
ist. Dass der Schadenersatzanspruch auf Grund von Art. 109 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 109 - 1 Wer vom Vertrage zurücktritt, kann die versprochene Gegenleistung verweigern und das Geleistete zurückfordern. |
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1 | Wer vom Vertrage zurücktritt, kann die versprochene Gegenleistung verweigern und das Geleistete zurückfordern. |
2 | Überdies hat er Anspruch auf Ersatz des aus dem Dahinfallen des Vertrages erwachsenen Schadens, sofern der Schuldner nicht nachweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle. |
zehnjährigen Verjährong und nicht der einjährigen des Art. 60
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 60 - 1 Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35 |
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1 | Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zehn Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.35 |
1bis | Bei Tötung eines Menschen oder bei Körperverletzung verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, jedenfalls aber mit Ablauf von zwanzig Jahren, vom Tage an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte.36 |
2 | Hat die ersatzpflichtige Person durch ihr schädigendes Verhalten eine strafbare Handlung begangen, so verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung ungeachtet der vorstehenden Absätze frühestens mit Eintritt der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung. Tritt diese infolge eines erstinstanzlichen Strafurteils nicht mehr ein, so verjährt der Anspruch frühestens mit Ablauf von drei Jahren seit Eröffnung des Urteils.37 |
3 | Ist durch die unerlaubte Handlung gegen den Verletzten eine Forderung begründet worden, so kann dieser die Erfüllung auch dann verweigern, wenn sein Anspruch aus der unerlaubten Handlung verjährt ist. |
ist, wird allgemein anerkannt (von TUHR OR II S. 552, BECKER, Kommentar N. 3
zu Art. 109). Die theoretische Schwierigkeit, die darin besteht, dass ein
Anspruch als vertraglicher dargestellt werden soll, während der Vertrag schon
dahingefallen ist, verhält sich aber beim Schadenersatzanspruch nicht anders
als beim Rückforderungsanspruch, und wenn der Anspruch auf Schadenersatz, der
aus einem durch Rücktritt bereits aufgehobenen Vertrag entspringt, deshalb
nach den Grundsätzen über die Vertragsverletzung behandelt wird, weil er
mittelbar auf einem vertragswidrigen Benehmen des Schuldners beruht (von TUHR
OR I S. 552), so trifft diese Erwägung
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auch für den Rückforderungsanspruch zu. Es mag auch darauf hingeweisen werden,
dass zum negativen Interesse, welches der Gläubiger nach Art. 109 Abs. 2 bei
Verschulden des Schuldners verlangen kann, auch der Ersatz für die allenfalls
durch Zufall bereits untergegangene Leistung einer bestimmten Sache gehört
(OSER-SOHÖNENBERGER N. 7 zu Art. 109
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 109 - 1 Wer vom Vertrage zurücktritt, kann die versprochene Gegenleistung verweigern und das Geleistete zurückfordern. |
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1 | Wer vom Vertrage zurücktritt, kann die versprochene Gegenleistung verweigern und das Geleistete zurückfordern. |
2 | Überdies hat er Anspruch auf Ersatz des aus dem Dahinfallen des Vertrages erwachsenen Schadens, sofern der Schuldner nicht nachweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle. |
gewiss widersinnig wäre, wenn der Gläubiger seinen Anspruch länger behalten
sollte, wenn die geleistete Sache durch Zufall untergegangen ist, als wenn sie
noch in natura vorhanden ist. Ferner ist nicht zu übersehen, dass auch bei der
Rückforderung aus Entwehrung (Art. 195
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 195 - 1 Ist die Entwehrung eine vollständige, so ist der Kaufvertrag als aufgehoben zu betrachten und der Käufer zu fordern berechtigt: |
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1 | Ist die Entwehrung eine vollständige, so ist der Kaufvertrag als aufgehoben zu betrachten und der Käufer zu fordern berechtigt: |
1 | Rückerstattung des bezahlten Preises samt Zinsen unter Abrechnung der von ihm gewonnenen oder versäumten Früchte und sonstigen Nutzungen; |
2 | Ersatz der für die Sache gemachten Verwendungen, soweit er nicht von dem berechtigten Dritten erhältlich ist; |
3 | Ersatz aller durch den Prozess veranlassten gerichtlichen und aussergerichtlichen Kosten, mit Ausnahme derjenigen, die durch Streitverkündung vermieden worden wären; |
4 | Ersatz des sonstigen durch die Entwehrung unmittelbar verursachten Schadens. |
2 | Der Verkäufer ist verpflichtet, auch den weitern Schaden zu ersetzen, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle. |
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 208 - 1 Wird der Kauf rückgängig gemacht, so muss der Käufer die Sache nebst dem inzwischen bezogenen Nutzen dem Verkäufer zurückgeben. |
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1 | Wird der Kauf rückgängig gemacht, so muss der Käufer die Sache nebst dem inzwischen bezogenen Nutzen dem Verkäufer zurückgeben. |
2 | Der Verkäufer hat den gezahlten Verkaufspreis samt Zinsen zurückzuerstatten und überdies, entsprechend den Vorschriften über die vollständige Entwehrung, die Prozesskosten, die Verwendungen und den Schaden zu ersetzen, der dem Käufer durch die Lieferung fehlerhafter Ware unmittelbar verursacht worden ist. |
3 | Der Verkäufer ist verpflichtet, den weitern Schaden zu ersetzen, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle. |
bei ausbedungenem Rücktrittsrecht nicht die kurze Verjährung des Art. 67
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag OR Art. 67 - 1 Der Bereicherungsanspruch verjährt mit Ablauf von drei Jahren, nachdem der Verletzte von seinem Anspruch Kenntnis erhalten hat, in jedem Fall aber mit Ablauf von zehn Jahren seit der Entstehung des Anspruchs.39 |
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1 | Der Bereicherungsanspruch verjährt mit Ablauf von drei Jahren, nachdem der Verletzte von seinem Anspruch Kenntnis erhalten hat, in jedem Fall aber mit Ablauf von zehn Jahren seit der Entstehung des Anspruchs.39 |
2 | Besteht die Bereicherung in einer Forderung an den Verletzten, so kann dieser die Erfüllung auch dann verweigern, wenn der Bereicherungsanspruch verjährt ist. |
gilt (von TUHR OR I S. 383), dass aber eine Unterscheidung, namentlich auch
zwischen gesetzlichem und vertraglichem Rücktritt, die auch das deutsche Recht
nicht macht (BGB § 327, 346, ENECCERUS, Lehrbuch S. 150), nicht gerechtfertigt
wäre. Die Einwendung, dass der durch Art. 109 Abs. 1 verliehene
Rückforderongsanspruch jedenfalls inhaltlich ein reiner Bereicherungsanspruch
sei, hält ebenfalls nicht stand, denn die Bereicherungsgrundsätze sind nur zur
Berechnung heranzuziehen und bei Leistung einer Sache nur wenn die Sache nicht
mehr in natura zurückgegeben werden kann (BGE 57 II S. 323, BECKER Nr. 2, OSER
N. 4 zu Art. 109). Der Rückforderungsanspruch nach Art. 109 Abs. 1 verjährt
also wie der Schadenersatzanspruch auf Grund von Art. 109 Abs. 2 erst in zehn
Jahren, und der Grund liegt bei beiden Ansprüchen darin, dass der
Vertragsgegner des ein gesetzliches Rücktrittsrecht Ausübenden seinen ihm
obliegenden vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist (ENECCERUS,
Lehrbuch S. 150); «der Schuldvertrag behält also eine auf Rückgängigmachung
seiner bisherigen Wirkungen gerichtete Wirkungskraft» (GIERKE, Deutsches
Privatrecht III S. 308). Die Einrede der Verjährung ist daher abzuweisen.