BGE 59 II 217
36. Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. Juni 1933 i. S. Vadi gegen G.
Hunziker & Cie .
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Regeste:
ZGB Art. 177 Abs. 3: Ist die Verpfändung eines Eigentümerschuldbriefes
(Inhaberschuldbriefes auf eigener Liegenschaft) der Ehefrau zur Sicherung von
Schulden des Ehemannes der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde bedürftig?
A. - In der von der beklagten Firma gegen den Ehemann der Klägerin, einen
Bauunternehmer, als Schuldner und die Klägerin als Dritteigentümerin
angehobenen Betreibung auf Faustpfandverwertung verlangt die Klägerin mit der
vorliegenden Klage Aberkennung des Pfandrechtes an dem Inhaberschuldbrief von
15000 Fr., den die Klägerin am 26. Februar 1929 im 3. Rang auf ihre
Liegenschaft in Neuchâtel gelegt hatte, mangels Zustimmung der
Vormundschaftsbehörde zur Verpfändung. Schon damals hatte die beklagte Firma
für ihre Guthaben am Ehemanne der Klägerin Sicherheiten verlangt und sich mit
der Verpfändung eines auf der Liegenschaft seiner Ehefrau zu errichtenden
Schuldbriefes einverstanden erklärt. Zugegebenermassen wusste die Klägerin bei
der Unterzeichnung des Schuldbriefes am 26. Februar 1929, dass er zur
Befriedigung bezw. Sicherstellung der beklagten Firma dienen sollte. Und nach
der Feststellung der Vorinstanz war der beklagten Firma bekannt, dass die
Klägerin am 26. Februar 1929 den Schuldbrief gerade zum Zwecke der
Interzession für ihren Ehemann errichtete, ja die Klägerin errichtete den
Schuldbrief geradezu auf Veranlassung der beklagten Firma, an die er dann vom
Ehemann der Klägerin ausgehändigt wurde. Durch Vertrag vom 13. Juni 1929
anerkannte der Ehemann der
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Klägerin, der beklagten Firma aus Baumateriallieferungen 27381 Fr. 20 Cts.,
verzinslich zu 5%, schuldig zu sein, und gleichzeitig erklärte die Klägerin,
zur Sicherung der Bezahlung der beklagten Firma den genannten
Inhaberschuldbrief als Pfand zu übergeben.
B. - Der Appellationshof des Kantons Bern hat am 14. Juli 1932 die Klage
abgewiesen.
C. - Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung an das Bundesgericht
erklärt mit Antrag auf Gutheissung ihrer Aberkennungsklage.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Gemäss Art. 177 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 177 - Erfüllt ein Ehegatte seine Unterhaltspflicht gegenüber der Familie nicht, so kann das Gericht dessen Schuldner anweisen, ihre Zahlungen ganz oder teilweise dem andern Ehegatten zu leisten. |
zur Gültigkeit der Verpflichtungen erforderlich, die von der Ehefrau Dritten
gegenüber zugunsten des Ehemannes eingegangen werden. Indessen kann von dieser
Zustimmung abgesehen werden, wenn die Verpflichtung darauf geht, dem Dritten
ein dingliches Recht an einem Gegenstand des Frauenvermögens einzuräumen, und
die Einräumung dieses dinglichen Rechtes der Eingehung der Verpflichtung dazu
auf dem Fusse folgt (BGE 57 II S. 11 und dort angeführte frühere Urteile). So
liegen die Verhältnisse auch bei der interzessionsweisen Übertragung oder
Verpfändung eines im Besitze der Ehefrau befindlichen (auf den Namen oder den
Inhaber lautenden, auf ihrer eigenen Liegenschaft lastenden)
Eigentümerschuldbriefes, wenn der Schuldbrief - der, was nicht ausser Acht
gelassen werden darf, nicht nur eine Grundstücksbelastung, sondern auch eine
persönliche Verpflichtung enthält - schon durch die blosse Kreation nicht nur
formell, sondern auch materiell zur Entstehung gelangt war, also schon vor der
Begebung ein reales Vermögensstück in den Händen der Ehefrau gebildet hat,
nicht etwa erst infolge der Begebung an einen Dritten in dessen Hand ein
reales Vermögensstück geworden ist. Im letztern Falle würde dagegen erst
gerade in der Übertragung oder Verpfändung des Eigentümerschuldbriefes
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die Begründung der bezüglichen Schuld gesehen werden können und keinerlei
dingliche Verfügung vorliegen, welche auch bei Interzession der Ehefrau
zugunsten des Ehemannes die vormundschaftsbehördliche Zustimmung entbehrlich
erscheinen liesse. Indessen braucht zu dieser Frage nicht Stellung genommen zu
werden, weil hier schon unter einem andern Gesichtspunkt eine
zustimmungsbedürftige Interzession anzunehmen ist. Als Verpflichtungen die von
der Ehefrau Dritten gegenüber zugunsten des Ehemannes eingegangen werden, sind
nämlich nicht nur solche Verpflichtungen anzusehen, die ihrer Form nach
Interzessionen zugunsten des Ehemannes sind, sondern jede Verpflichtung,
welche die Ehefrau eingeht, sei es auch ohne irgendwelche Hereinziehung des
Ehemannes in das Rechtsgeschäft, einzig zum Zweck, um den Gegenwert nicht sich
selbst, sondern ihrem Ehemanne zu verschaffen, sofern der Dritte dies weiss
oder auch nur wissen muss (BGE 54 II S. 410; 40 II S. 318). Hievon wird aber -
selbst unter der Voraussetzung, dass die Kreationstheorie als massgebend zu
gelten habe - auch der nach den für das Bundesgericht verbindlichen
Feststellungen der Vorinstanz hier zutreffende Fall umfasst, dass die Ehefrau
einen Eigentümer- (Inhaber-) Schuldbrief mit Wissen eines Gläubigers des
Ehemannes gerade und nur zum Zweck errichtet hat, um ihn jenem Gläubiger zur
Sicherung seiner Forderung an den Ehemann zu verpfänden.
2.- Das von der Klage umfasste Begehren um Ersatz der Rechtsöffnungskosten von
16 Fr. 80 Cts. nebst Zins ist ebenfalls begründet (BGE 43 III S. 246).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird begründet erklärt, das Urteil des Appellationshofs des
Kantons Bern vom 14. Juli 1932 aufgehoben und die Klage zugesprochen.