BGE 57 II 155
26. Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. März 1931 i. S. Sidler gegen D r
Langer.
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Regeste:
Verlegung einer Grunddienstbarkeit. Art. 742
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 742 - 1 Wird durch die Ausübung der Grunddienstbarkeit nur ein Teil des Grundstückes in Anspruch genommen, so kann der Eigentümer, wenn er ein Interesse nachweist und die Kosten übernimmt, die Verlegung auf eine andere, für den Berechtigten nicht weniger geeignete Stelle verlangen. |
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1 | Wird durch die Ausübung der Grunddienstbarkeit nur ein Teil des Grundstückes in Anspruch genommen, so kann der Eigentümer, wenn er ein Interesse nachweist und die Kosten übernimmt, die Verlegung auf eine andere, für den Berechtigten nicht weniger geeignete Stelle verlangen. |
2 | Hiezu ist er auch dann befugt, wenn die Dienstbarkeit im Grundbuch auf eine bestimmte Stelle gelegt worden ist. |
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1. Zur Verlegung berechtigen auch andere als wirtschaftliche Interessen,
soferne sie an sich schutzwürdig sind (Erw. 1 a).
2. Gleiche Eignung der neuen Stelle (Erw. 1 b).
3. Kein Entschädigungsanspruch des Dienstbarkeitsberechtigten aus der
Verlegung (Erw. 2).
A. - Dem Kläger gehört die Liegenschaft nördlich der Mündung des Aabaches in
den Zugersee, den Beklagten die landwärts anstossende Wirtschaftsliegenschaft
«Landhaus». Auf der Liegenschaft des Klägers ruht eine Dienstbarkeit, gemäss
welcher der Eigentümer der Liegenschaft «Landhaus» und die Eigentümer einiger
benachbarter Grundstücke auf einen Landungs- und Lagerplatz am See sowie auf
einen Fahrweg zwischen diesem Platz und der Kantonsstrasse berechtigt sind.
Der Landungs- und Lagerplatz befindet sich ungefähr in der Mitte der Seelinie
des belasteten Grundstückes. Der Fahrweg durchschneidet dasselbe und führt an
der vom Kläger neu erbauten Villa vorbei.
B. - Mit vorliegender Klage verlangte der Eigentümer des belasteten
Grundstückes, es sei gegenüber den Beklagten festzustellen, dass er den
Landungs- und Lagerplatz in die Ecke bei der Mündung des Aabaches und damit
auch den Fahrweg an den Aabach verlegen dürfe. Er möchte den heutigen
Lagerplatz teilweise als Tennisgrund sowie zur Errichtung eines Badhauses
benützen. Den neuen Landungs- und Lagerplatz sowie den neuen
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Fahrweg werde er auf seine Kosten so ausgestalten, dass sie für die
Berechtigten nicht weniger geeignet seien als die bisherigen Anlagen. Ausser
den Beklagten seien alle Berechtigte mit der Verlegung einverstanden.
Die Beklagten beantragten, die Klage sei abzuweisen; eventuell sei ihnen eine
Entschädigung von 10000 Fr. zuzusprechen. Der Beklagte habe mehr als genug
Land, um Badhaus und Tennisplatz an einer andern Stelle zu errichten. Auch
wäre der in Aussicht genommene neue Platz schwerer zugänglich, weniger schön
gelegen und wesentlich kleiner als der bisherige. Ebenso wäre der neue Fahrweg
länger. Das schliesse die Verlegung aus. Werde sie doch zugelassen, so müssen
sie, die Beklagten, entschädigt werden.
Die Klage wurde von beiden kantonalen Instanzen gutgeheissen, vom Obergericht
in dem Sinne, dass es für den neuen Platz einen Seeanstoss von 40 m und einen
Flächeninhalt von 500 m2 vorbehielt und im übrigen für Platz und Fahrweg das
von den Experten ausgearbeitete Projekt als massgebend bezeichnete.
C. - Gegen das Urteil des Obergerichtes vom 9. Dezember 1930 erklärten die
Beklagten rechtzeitig die Berufung an das Bundesgericht. Sie wiederholen den
Antrag, die Klage sei abzuweisen, eventuell sei ihnen eine Entschädigung von
10000 Fr. zuzusprechen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. - Nach Art. 742
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 742 - 1 Wird durch die Ausübung der Grunddienstbarkeit nur ein Teil des Grundstückes in Anspruch genommen, so kann der Eigentümer, wenn er ein Interesse nachweist und die Kosten übernimmt, die Verlegung auf eine andere, für den Berechtigten nicht weniger geeignete Stelle verlangen. |
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1 | Wird durch die Ausübung der Grunddienstbarkeit nur ein Teil des Grundstückes in Anspruch genommen, so kann der Eigentümer, wenn er ein Interesse nachweist und die Kosten übernimmt, die Verlegung auf eine andere, für den Berechtigten nicht weniger geeignete Stelle verlangen. |
2 | Hiezu ist er auch dann befugt, wenn die Dienstbarkeit im Grundbuch auf eine bestimmte Stelle gelegt worden ist. |
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einerseits der Eigentümer des belasteten Grundstücks ein Interesse nachweist
(und die Kosten übernimmt, was hier nicht im Streite steht), anderseits die
neue Stelle für den Berechtigten nicht weniger geeignet ist als die bisherige.
a) Der Landungs- und Lagerplatz nimmt nach der eigenen Erklärung der Beklagten
die schönste Uferstelle des belasteten Grundstückes ein. Es ist deshalb
gegeben, dass der Kläger wünscht, gerade diese Stelle für das
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Badhaus und den Tennisplatz zu benützen. Durch die schöne Lage wird die
Annehmlichkeit der beiden Einrichtungen unzweifelhaft erhöht. Ebenso muss dem
Kläger daran gelegen sein, dass nicht hart an seiner Villa vorbei mit Ross und
Wagen vom und zum Lagerplatz gefahren werde. Das wird denn von den Beklagten
auch ausdrücklich anerkannt. Sie wenden nur ein, es handle sich dabei
lediglich um ästhetische Interessen, die keinen Anspruch auf Verlegung der
Dienstbarkeit geben. Art. 742
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 742 - 1 Wird durch die Ausübung der Grunddienstbarkeit nur ein Teil des Grundstückes in Anspruch genommen, so kann der Eigentümer, wenn er ein Interesse nachweist und die Kosten übernimmt, die Verlegung auf eine andere, für den Berechtigten nicht weniger geeignete Stelle verlangen. |
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1 | Wird durch die Ausübung der Grunddienstbarkeit nur ein Teil des Grundstückes in Anspruch genommen, so kann der Eigentümer, wenn er ein Interesse nachweist und die Kosten übernimmt, die Verlegung auf eine andere, für den Berechtigten nicht weniger geeignete Stelle verlangen. |
2 | Hiezu ist er auch dann befugt, wenn die Dienstbarkeit im Grundbuch auf eine bestimmte Stelle gelegt worden ist. |
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Wenn durch eine Dienstbarkeit aesthetische oder andere immaterielle Interessen
des Grundeigentümers verletzt werden, so besteht in der Tat kein Grund, warum
diese nicht ebensowohl wie wirtschaftliche zur Verlegung der Dienstbarkeit
sollten Anlass geben können, vorausgesetzt, dass sie an sich schutzwürdig
sind. Was das mit der von den Beklagten heute aufgeworfenen Frage des
Affektionsinteresses im Schadenersatzrecht zu tun haben soll, ist nicht
einzusehen. Zu Unrecht zitieren die Beklagten für ihre Meinung auch den
Kommentar Leemann. Sowohl bei Art. 667 (N 11) wie bei Art. 742 (N 4) wird dort
das Interesse des Grundeigentümers in ebenderselben Weise umschrieben, wie es
hier geschehen ist. Dass aber die Interessen des Klägers schutzwürdig sind,
bedarf nach dem bereits Ausgeführten keiner Erörterung mehr. Im übrigen liegt
auf der Hand, dass die zweckentsprechende Ausgestaltung dieses Landsitzes auch
eine wirtschaftliche Werterhöhung zur Folge haben wird.
b) Ob die neue Stelle für die Beklagten nicht weniger geeignet sei, hängt von
verschiedenen Umständen ab: von den Landungsverhältnissen, der Beschaffenheit
und Grösse des Lagerplatzes, der Länge und Anlage des Fahrweges. Keine Rolle
spielt die Eignung dieser Stelle zum Baden. Zwar behaupten die Beklagten, im
Landungs- und Lagerrecht sei das Recht zum Baden eingeschlossen. Allein der
Kläger bestreitet das und verlangt mit seiner Klage nur, die Verlegung der
Dienstbarkeit sei insoweit
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zuzulassen, als er die Dienstbarkeit anerkenne. Nur darüber ist deshalb hier
zu entscheiden. Die Frage, ob den Beklagten das Recht zum Baden überhaupt
zustehe und ob sie sich damit ebenfalls an die neue Stelle verweisen lassen
müssen, bleibt offen.
Für die andern Zwecke sieht die Expertise vor, dass die neue Landungsstelle
bis zur Tiefe der bisherigen ausgebaggert, die Sträucher am Ufer abgehauen,
die oberste Humusschicht auf dem Platz entfernt und dieser dafür mit etwas
Baggermaterial überdeckt werde, ferner dass der Fahrweg in der Breite des
alten anzulegen, mit einem Geröllbett zu versehen und zu bekiesen sei. Unter
diesen Voraussetzungen weist die Beschaffenheit des neuen Platzes und des
neuen Fahrweges gegenüber den bisherigen Anlagen nach den für das
Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 81
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 742 - 1 Wird durch die Ausübung der Grunddienstbarkeit nur ein Teil des Grundstückes in Anspruch genommen, so kann der Eigentümer, wenn er ein Interesse nachweist und die Kosten übernimmt, die Verlegung auf eine andere, für den Berechtigten nicht weniger geeignete Stelle verlangen. |
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1 | Wird durch die Ausübung der Grunddienstbarkeit nur ein Teil des Grundstückes in Anspruch genommen, so kann der Eigentümer, wenn er ein Interesse nachweist und die Kosten übernimmt, die Verlegung auf eine andere, für den Berechtigten nicht weniger geeignete Stelle verlangen. |
2 | Hiezu ist er auch dann befugt, wenn die Dienstbarkeit im Grundbuch auf eine bestimmte Stelle gelegt worden ist. |
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keinerlei Nachteile auf. Ausserdem verpflichtet sich der Kläger,
Unzukömmlichkeiten, die etwa später eintreten sollten, ohne weiteres auf seine
Kosten zu beheben. - Die Grösse des den Beklagten aus der Dienstbarkeit
zustehenden Platzes geht weder aus dem Grundbuch noch aus dem
Errichtungsvertrag hervor. Massgebend ist deshalb nach Art. 738
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 738 - 1 Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrage deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend. |
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1 | Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrage deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend. |
2 | Im Rahmen des Eintrages kann sich der Inhalt der Dienstbarkeit aus ihrem Erwerbsgrund oder aus der Art ergeben, wie sie während längerer Zeit unangefochten und in gutem Glauben ausgeübt worden ist. |
Recht bisher in guten Treuen ausgeübt wurde. In dieser Hinsicht stellt die
Vorinstanz für das Bundesgericht wiederum verbindlich fest, dass der Platz
seit 1921 nur noch zur Landung von Personen gedient habe und dass vorher
darauf etwa Kies, Sand und Langholz ausgeladen und gelagert worden sei, welche
Benützungsart einen Seeanstoss von 40 m und eine Fläche von 500 m2 erfordere.
Auf diese Masse hat sie den Kläger demgemäss auch bei der Ausführung seines
Verlegungsprojektes verpflichtet. - Nicht ins Gewicht fällt praktisch, dass
der neue Fahrweg etwa um eine Minute länger ist als der alte. Das gilt
umsomehr, als er anderseits bei gleicher Steigung erheblich kleinere Windungen
hat, was für die hier in Betracht kommenden schweren Fuhrungen, insbesondere
mit Langholz, von Vorteil sein wird. -
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Dagegen erscheint fraglich, ob nicht trotz Überlassung eines Schlüssels an die
Beklagten die Ausübung des Dienstbarkeitsrechtes für den Wirtschaftsbetrieb
dadurch erschwert wird, dass der Kläger den neuen Weg gegen die Strasse zu
abschliessen will. Die Vorinstanz bemerkt indessen in ihrem Urteile, die
Beklagten haben sich damit einverstanden erklärt. Diese stellen das in der
heutigen Verhandlung in Abrede. Sie haben aber in der Berufungsschrift nichts
von Aktenwidrigkeit geltend gemacht (vgl. Art. 67
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 738 - 1 Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrage deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend. |
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1 | Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrage deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend. |
2 | Im Rahmen des Eintrages kann sich der Inhalt der Dienstbarkeit aus ihrem Erwerbsgrund oder aus der Art ergeben, wie sie während längerer Zeit unangefochten und in gutem Glauben ausgeübt worden ist. |
des vorinstanzlichen Augenscheinsprotokolls auch nicht mit Erfolg tun können.
Das Bundesgericht hat die Feststellung daher als verbindlich hinzunehmen.
Bei dieser Sachlage und den von der Vorinstanz gemachten Vorbehalten muss die
neue Stelle für die Zwecke der Beklagten in allen streitigen und relevanten
Punkten als der bisherigen gleichwertig anerkannt werden.
2. - Ist die Verlegung somit zuzulassen, so bleibt auch kein Raum für die von
den Beklagten eventualiter geforderte Entschädigung, auf welche sie es mit
ihrem Widerstand letzten Endes offensichtlich abgesehen haben. Entweder ist
die neue Stelle, auf die eine Dienstbarkeit verlegt werden soll, weniger
geeignet als die bisherige, dann kann die Verlegung gegen den Willen des
Berechtigten gar nicht stattfinden, oder sie ist, wie im vorliegenden Falle,
ebenso geeignet, dann erleidet der Berechtigte durch die Verlegung keinen
Schaden. Wenn in Art. 742
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 ZGB Art. 742 - 1 Wird durch die Ausübung der Grunddienstbarkeit nur ein Teil des Grundstückes in Anspruch genommen, so kann der Eigentümer, wenn er ein Interesse nachweist und die Kosten übernimmt, die Verlegung auf eine andere, für den Berechtigten nicht weniger geeignete Stelle verlangen. |
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1 | Wird durch die Ausübung der Grunddienstbarkeit nur ein Teil des Grundstückes in Anspruch genommen, so kann der Eigentümer, wenn er ein Interesse nachweist und die Kosten übernimmt, die Verlegung auf eine andere, für den Berechtigten nicht weniger geeignete Stelle verlangen. |
2 | Hiezu ist er auch dann befugt, wenn die Dienstbarkeit im Grundbuch auf eine bestimmte Stelle gelegt worden ist. |
3 | ...624 |
das also entgegen der Ansicht der Beklagten mit dem Sinn der Bestimmung
überein.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons Zug
vom 9. Dezember 1930 bestätigt.