194 Schuldbetreihungsund Konkursrecht. N° 50.

diesc vom' Zivilrecht statuierte Befugnis durch aus dehnende Auslegung
einer betreibungsrechtliehen Vorschrift einzuschränken iür den Fall, dass
die Teilzahlung aus einer Entschädigung für Gesundheitsstörung geleistet
wurde. Eine solche Auslegung liesse sich insbesondere auch nicht mit
dem Gmndsatze der negativen Rechtskraft des Grundbuchs vereinbaren,
von dem nur diejenigen Ausnahmen zugelassen werden können, welche vom
Gesetz ausdrücklich angeordnet Werden.

Soweit die Entschädigung zur Bezahlung von Hypothekar z i n s e n
verwendet Werden ist, steht der Anwendung des Art. 92 Ziff. 10 SchKG
zudem die Überlegung entgegen, dass die Zahlung von Zinsen nicht
als Kapitalanlage angesehen werden kann, während sich die ausdehnende
Auslegung der angeführten Vorschrift doch nur unter dem Gesichtspunkt des
Schutzes der mit der Entschädigung gemachten Kapitalanlage rechtfertigen
lässt. .

Demnach erkennt die Schuldbelr: und Konkurskammer :

Der Rekurs wird begründet erklärt, der Entscheid der Aufsichtsbehörde
des Kantons Solothurn vom 26. Oktober 1923 aufgehoben und die Beschwerde
des Schuldners abgewiesen. .

?

Schuldbetreibungs und Konkursreeht (Zivilabteilungcn). N° 51. 10.)

II. URTEXLE DER ZlVlLABTEILUNGEN

ARRETS DES SECTIONS CIVILES

51. Urteil der II. Zivila'nteilung vom 10. Juli 1923 i. S. Gysi u. Gsmssen
gegen Bank von 318358 und Lothringen.

SchKG Art. 250, 305 Abs. 3, 306 und 310; OG Art. 58 und 59. Mit
dem KonkursWiderruf fällt die von einem Konkursgläubiger
gegen einen Mitgläubiger an gehobene Kollokatio'nsklage
dahin. Abschrei-bungsbcsehluss ist Haupturteil (Erw. 1). Berechnung des
Streitwertes (Erw. 2). Anfechtungskläger klagt als Vertreter der Masse
(Erw. 3). Bei Widerruf des Konkurses kann Zweck des Kollokationsplanes
nicht mehr erfüllt werden (Erw. 4). Verhältnis zum Nachlassvertrag
(Erw. 5). Art. 250 Abs. 3 SchKG findet auf Nachlassdividende keine An--

wendung (Erw. 6).

A. lm Konkurs der Firma Emil Oeschger & Cie, in Aarau, wurde die
Beklagte mit einer Forderung von 36,590 Fr. 60 Cts. bei der Kollokation
zugelassen. Die Kläger, die selber mit einer Forderung von zusammen 15,000
Fr. kolloziert waren, fechten diese Zulassung an. Da jedoch während
des Kollokationsprozesses ein Nachlassvertrag mit einer Abfindung der
Gläubiger von 15 o/n zustande kam und ,der Konkurs widerrufen wurde,
schrieb das Bezirksgericht Aarau die Kollokationsklage mit Beschluss vom
11. April 1923 als erledigt ab. Hiergegen beschwerten sich die Kläger
mit dem Antrag, die Akten seien an das Bezirksgericht zurückzuweisen
und der Prozess durch Endurteil abzuschliessen.

B. Mit Entscheid vom 18. Mai 1923 hat das Obergericht des Kantons Aargau
die Beschwerde abgewiesen. Dagegen haben die Kläger unter Erneuerung
ihres Antrages die Berufung an das Bundesgericht erklärt.

196 Schuldbetrelbungsund Konkursrecht (Zivilabtellungen). N° 51,

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

· 1. Mit dem angefochtenen Entscheid, durch den die Kollokationsklage
der Kläger wesentlich mit der Begründung abgeschrieben wurde, nach dem
Konkurswiderruf sei ein Kollokationsstreit nicht mehr möglich und das
gestellte Begehren um Abänderung des Kollokationsplanes könne daher nicht
mehr behandelt werden, haben die Vorinstanzen die Anfechtung der Kläger
endgültig abgewiesen. Damit ist auch materiell über den Bestand der von
der Beklagten gegenüber der Gemeinschuldnerin geltend gemachten Forderung
entschieden, sowie über das behauptete Recht der Kläger, jene Forderung
nicht nur im Konkurse der Schuldnerin, sondern auch im Nachlassvertrag
gegenüber der auf die Beklagte entfallenden Nachlassdividende geltend
zu machen. Der angefochtene Entscheid kommt daher einem Haupturteil
gleich,'und da ferner dabei eine Verletzung des SchKG in Frage steht,
kann er gemäss Art; 57 und 58 OG auf dem Wege der Berufung an das
Bundesgericht weitergezogen werden.

2. Die vorliegende Berufung ist auch zulässig mit Rücksicht auf den
Streitwert. Nach der ständigen Praxis des Bundesgerichts ist für
die Berechnung des Streitwertes, wenn nur der Bestand der Forderung
im Streite liegt, der effektive, bestrittene Forderungsbetrag, nicht
etwa die mutmassliche Dividende oder die Höhe der Forderung der Kläger
massgebend, und zwar sowohl dann, wenn sich die Klage gegen andere
Gläubiger rich-tet, als auch wenn sie gegen die Masse selbst angestrengt
wird (BGE 22 Nr. 45 und 145 ; R II 3 ; 26 1127; 27 Il 10 und 32; SA 3.16;
4.25). Im vorliegenden Falle beschränkt sich das wirtschartliche interesse
des Streites allerdings auf die Nachlassdividende der Beklagten, die sie
wegweisen und für sich beanspruchen. wollen, also auf 15 °/ von 36,590
Fr. 60 Cts., sodass der Prozessgewinn der Kläger in Wirklichkeit 5488
Fr. 59 Cts. nicht über-

Schnldbetrelbungsund Kunkursrecht (Zlvilabteilungen). N° 51. 197

steigen kann. Rechtlich aber ist der Bestand der beklagten Forderung
'ven 36,590 Fr. 60 Cts. selbst im Streite

und daher richtet sich der Streitwert nach diesem For -

demngsbetrag. Auf die Berufung ist daher einzutreten. ' 3. In der Sache
selbst kann zunächst die Einwendung der Kläger, die Abschreibung der Klage
sei aus prozessrechtlieher Erwägung nicht zulässig, vom Bundesgericht
nicht überprüft werden, da es sich dabei um eine Frage des kantonalen
Prozessrechtes handelt. Soweit jedoch die Vorinstanz die Klageabschreibung
aus dem SchKG begründet hat, ist'ihr heizupfliehten.

Es ist ohne weiteres klar, dass durch den Konkurswiderruf die Konkursmasse
als Rechtssubjekt aufgehoben-wird. sodass niemand mehr als Vertreter der
Masse handeln kann. Wie deshalb Abtretungen streitiger Rechtsansprüch'e
der Masse im Sinne von Art. 260 SchKG, sowie die auf Grund dieser
Abtretungen angehobenen Klagen von Rechts wegen dahinfallen, so wird
auch die Anfechtung, die jeder Gläubiger für den Fall des Verzichts
der Masse auf die Anfechtung gegen die Zulassung der ,Forderung
eines andern Gläubigers durchführen kann, durch den Konkurswiderruf
gegenstandslos. Der Gläubiger, der kraft Art. 250 Abs. 2 SchKG eine
Anfechtungsklage gegen einen andern Gläubiger anhebt, bringt diesem
gegenüber das Bestreitungsrecht der Masse zur Geltung ; er klagt zwar
auf eigenes Risiko, aber als gesetzlicher Vertreter der Masse, 'ohne dass
es einer ausdrücklichen Abtretung bedürfte (vgl. JAEGER, Kommentar, Note
9 zu Art. 250 SchKG). Daher kann die Kollokationsklage eines Gläubigers
gegen einen Mitgläubiger die Konkursmasse nicht überdauern.

4. Übrigens bezweckt der Kollokationsstreit die Bereinigung der
Gläubigerliste im Konkurse, d. h. die Feststellung jener Personen,
die im Konkurs Anspruch auf ganze oder teilweise Befriedigung ihrer
Forderung aus der Masse haben, sowie die Feststellung des Ranges, nach
welchem diese Befriedigung vor sich gehen soll. Der

198 Schuldbetreibungs und Konkursrecht (Zivilabteilungen). N° 51.

durch den Kollokationsstreit bereinigte Kollokationsplan dient
als Grundlage zur Verteilung des Konkursergeb, nisses. Wenn daher
der Konkurs, statt durch die Verwertung der Aktiven und Verteilung
des Konkursergebnisses fortgeführt zu werden, infolge Abschlusses
eines Nachlassvertrages widerrufen wird, so kann der Zweck des
Kollokationsplanes, mit Rücksicht auf den er aufgestellt worden ist,
nicht mehr erfüllt werden, wenigstens soweit es sich beim Nachlassvertrag,
wie im vorliegenden

Falle, nicht um einen Liquidationsvergleich handelt, '

durch den der schuldner sein ganzes Vermögen oder einen Teil davon zur
privaten Liquidation den Gläubigern an Zahlungsstatt abtritt, wobei
dann der Kollokationsplan allerdings als Grundlage zur Verteilung dieses
Vermögens unter die Gläubiger dient.

5. Wenn der Nachlassvertrag dem Gemeinschuldner gegen Bezahlung einer
Nachlassdividende an die Gläubiger wieder die freie Verfügungsgewalt
über sein Vermögen einräumt, so können diese die Rechte, die unter
ihnen als Konkursgläubiger bestanden haben, nicht mehr geltend machen,
und die Anfechtungen, die sie unter einander geltend machten, haben
keine Berechtigung mehr. Denn die Gläubiger konkurrieren nicht mehr
miteinander mit Bezug auf das Recht, aus einem bestimmten Aktivum bezahlt
zu werden. Jeder einzelne von ihnen kann nur verlangen, dass er gemäss dem
Nachlassvertrag befriedigt werde. Wenn seine Forderung im Kollokationsplan
abgewiesen worden war, und seine Klage, mit der er jene Forderung
geltend machte, beim Abschluss des Nachlassvertrages noch anhängig ist,
so kann er natürlich, nachdem die Masse zu bestehen aufgehört hat, die
gegen diese angehobene Klage nicht weiterführen. War seine Forderung
durch den Gemeinschuldner anerkannt, jedoch von der Konkursverwaltung
bestritten, so hat er Anspruch auf die Nachlassdividende. War sie auch
vom Gemeinschuldner bestritten, so hat sie der Gläubiger durch Klage
gegen diesen geltend zu machen.

Schuldbetreihungsund Konkursrech'. (Zlviiabteilungen). N° 51. 199

Anderseits hat ein kollozierter Gläubiger ein Recht auf die
Nachlassdividende nur, wenn der Gemeinschuldner seine Forderung bei der
Erwahrung der Konkurseingaben nicht bestritten hat. Wurde sie bestritten,
so hat sie der Gläubiger trotz seiner Zulassung im Kollokationsplan durch
Klage gegen den Schuldner geltend zu machen. Der Gläubiger endlich, dessen
Forderunan der Konkursverwaltung zugelassen worden war, aber von andern
Gläubigern angefochten wird, hat auf die Nachlassdividende ebenfalls
nur dann Anspruch, wenn seine Forderung vom Schuldner anerkannt oder auf
eine gegen diesen angehobene Klage bin vom Richter geschützt werden ist.

Das ergibt sich unzweideutig aus Art. 310 SchKG, auf den Art. 317 SchKG,
der vom Nachlassvertrag im Konkurse handelt, ausdrücklich verweist, und
wonach die Nachlassbehörde den Gläubigern, deren Forderungen bestritten
sind, eine Frist zu deren gerichtlichen Geltendmachung ansetzt. Das
ergibt sich ferner aus Abs. 3 des Art. 305 SchKG, auf den Art. 317
ebenfalls Bezug nimmt; danach entscheidet zwar die Nachlassbehörde,
ob eine bestrittene Forderung zur Feststellung, der annehmendcn
Gläubigermehrheit mitzuzählen sei ; dem gerichtlichen Entscheid über
den Rechtsbestand der Forderung wird aber nicht vorgegriffen In dem
während des Konkurses abgeschlossenen Nachlassvertrag ist es daher,
wie im Nachlassvertrag ausser dem Konkurs, der Schuldner, der über die
Zulassung von Forderungen entscheidet. Anerkennt er eine Schuld, die
nicht zu Recht besteht, so hat der Gläubiger dagegen nur das Mittel, beim
Nachlassgerieht die Verweigerung der Genehmigung des Nachlassvertrages
gemäss Art. 306 Ziff. 1 zu beantragen. Im vorliegenden Falle scheint die
Ge ' meinschuldnerin die Forderungder Beklagten anerkannt zu haben ;
sie hat dieser daher die Nachlassdividende zu bezahlen ungeachtet des
Umstandes, dass die Kollokation dieser Forderung im Konkurse streitig
war. Diese

200 Schuldbetreibungs und Konkursrechtaivflabteflungen). N° 51.

Zahlungspflicht bestände selbst dann, wenn die Kläger vor dem
Konkurswiderrui ein die Forderung der Beklagten abweisendes gerichtliches
Urteil erwirkt hätten. " 6. Die Kläger wenden gegen die Abschreibung ihrer
Kollokationsklage namentlich ein, diese sei nicht gegenstandslos geworden,
weil ihnen, wenn die Klage geschützt würde, auf Grund der Vorschrift des
Art. 250 Abs. 3 SchKG, die Nachlassdividende der Beklagten zugefallen
wäre. Allein diese Vorschrift bezieht sich nur auf den Konkurs und findet
auf die Nachlassdividende keine Anwendung. sie setzt Gläubiger voraus,
die unter sich in der Verteilung eines bestimmten Aktivums konkurieren
und ein Recht auf Bestreitung ihrer gegenseitigen Ansprüche auf dieses
Aktivum haben. Im Falle des Konkurses oder der Betreibung auf Pfändung
ist es nur billig, dass einem Gläubiger, der auf sein eigenes Risiko
die Zulassung einer Forderung mit Erfolg angefochten hat, ein Vorrecht
auf den weggewiesenen Betrag eingeräumt werde. Nichts aber würde ein
solches Vorzugsreeht bei einem Naehlassvertrag rechtfertigen, der nicht
zu einer Verwertung führt und nur die Rechte der Gläubiger gegenüber
ihrem Schuldner, nicht unter sich, besehlägt. Es ist allerdings richtig,
dass es einem Konkursgläubiger unangenehm sein kann, infolge eines
Nachlassvertrages und dem damit verbundenen Widerruf des Konkurses
mit der Abschreibung seiner Kollokationsklage die Möglichkeit auf
einen Prozessgewinn im Sinne von Art. 250 Abs. 3 SchKG dahinfallen
zu sehen. Allein diese Folge hängt einerseits mit dem teilweisen
Zwangscharakter des Nachlassvertrages zusammen, der einer Minderheit
von Gläubigern ungeachtet ihrer möglichen Aussicht auf bessere Deckung
bei Durchführung des Kenkurses aufgezwungen wird, anderseits beruht sie
darauf, dass der aniechtende Gläubiger im Namen der Masse auftritt,
und seine KI? ge daher mit dem durch den Konkurswiderruf bedingten
Verschwinden der Masse notwendigerweise dahinfallen muss.

Schuldbetreibungs und Konkurs-echt(Zivflabteflungen). N° 52. All .

Demnach erkennt das Bundesgericht :_

'Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau vom 18. Mai 1923 bestätigt..

52. Urteil der II Zivilabteilung vom 11. Oktober 1923 . i,
S. Robert. Viktor Naher-MG. gegen Schweizerische Volksbank. Die Abtretung
einer Lohnforderung umfasst auch deren Kon-

.. kursvorrecht, selbst wenn sie vor der Konkurseröiinung über den
Lohnschuldner erfolgt. OR Art.170, SchKG

Art. 219 .

A. Die Schweizerische Volksbank in Zürich zahlte den Angestellten
und Arbeitern der in Zahlungsschwierigkeiten geratenen Theodor
Wilhelm-A.-G. für die Monate Juli (zum Teil), August und September
1922 die "Löhne aus, wogegen ihr jeder Angestellte bezw. Arbeiter
seine bezügliche Lohnforderung nebst allen Nebenrechten abtrat. In
dem alsdann im Oktober 1922 über dieTheodor Wilhelm-A. G. eröffneten
Konkurs kollozierte die Konkursverwaltung die Schweizerische Volksbank
eingabeb gemäss für hezahltes Salär an die kaufmännischen Angestellten
und bezahlte Löhne an die Arbeiterschaft mit insgesamt 49,787 Fr. 05
Cts. in der ersten Klasse. Mit der vorliegenden Klage verlangt die
Konkur'sgläubigerin Robert Viktor Neher A.-G. Wegweisnng dieser Forderung
aus der ersten und Kollokation derselben in der fünften Klasse.

B. Durch Urteil vom 26. Juni hat das Obergericht des Kantons Zürich die
Klage abgewiesen.

C. Gegen dieses am 24. Juli zugestellte Urteil hat die Klägerin am
26. Juli die Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit dem Antrag auf
Gutheissung der Klage.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 49 III 195
Date : 26. Oktober 1923
Published : 31. Dezember 1924
Source : Bundesgericht
Status : 49 III 195
Subject area : BGE - Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Subject : 194 Schuldbetreihungsund Konkursrecht. N° 50. diesc vom' Zivilrecht statuierte Befugnis


Legislation register
SchKG: 92  219  250  260  305  310  317
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measure • defendant • collocational plan • federal court • debtor • collocational action • value of matter in dispute • receivership • debt enforcement and bankruptcy law • lower instance • question • aarau • assets • revocation of insolvency • aargau • authorization • prosecutional dividend • decision • rank • proceeding
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