586 A. staatsrechtliche
Entscheidungen. IH. Abschnitt. Kantonsverfassungen.
Zuständigkeit ist in derartigen Streitigkeiten einzig das Petitum, das
dorliegend daraus geht, dass der Rekurrent als wahlsähig zu erklären und
der Beschluss des Regierungsrats, der ihm diese Wahlsähigkeii abspricht,
aufzuheben sei, und der Umstand, dass dabei Fragen entschieden werden
miissen, die sonsi in der Regel in eine andere Kompetenzsphäre fallen,
ändert hieran nichts-. Dies ergiebt sich klar aus der positiven Bestimmung
des Art.189, Abs. 4, Organis.-Ges., wo ausdrücklich gesagt ist, der
Bundesrat, bezw. die Bundesversammlung, entscheide über solche Beschwerden
auf Grundlage sämtlicher einschlägigen Bestimmungen des kantonalen
Versassungsrechts und des Bundesrechts. Es wurde damit ausgeschlossen,
dass je nach dem Anfechtungsgrunde über die nämliche Angelegenheit
verschiedene Behörden zu entscheiden hätten; und die politischen Behörden
bleiben zur Beurteilung einer Wahlbeschwerde überhaupt kompetent, mögen
immerhin darin auch solche Normen des Bandes-rechts oder des kantonalen
Verfassungsrechts als verletzt bezeichnet werden, die im allgemeinen und
an sich unter dem Schutze des Bundesgerichts stehen. So hat denn auch
nicht das Bundesgericht, sondern gegebenen Falls der Bundesrat oder
die Bundesversammlung zu prüfen und zu entscheiden, ob das Gesetz vom
18. Dezember 1845 und der Grossratsbeschluss vom 27. Mai 1896, auf die
sich die angefochtene Verfügung des aargauischen Regierungsrates stützt,
mit dem Grundsatz der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetze sich nicht
vertragen, oder ob der Regierungsrat durch Anwendung dieser Erlasse
in anderer Weise gegen Bundesrecht oder kantonales Verfassungsrecht
Verstossen habe (ng. hierzu Umts. Samml. der Bande-Eger. Entsch.,
Bd. XXII, S. 373 und Bundesbl. von 1897, I, S. 394 f.) Demnach hat das
Bundesgericht erkannt:
1. Soweit sich der Rekurs auserletzung des Art. 5 der
Übergangsbestimmungen zur Bundesverfassung stützt, wird derselbe
abgewiesen.
2. Im übrigen wird aus den Rekurs wegen Jnkornpetenz nicht ingetreten.
StaatsveN° 88. 587
Niederlassungsund Konsularvertrag mit Italien.
Vierter Abschnitt. Quatriéme section. rträge der Schweiz mit dem Ausland.
. Traités de la Sulsse avec letranger.Niederlassungsund Konsularvertrag
mit Italien.
Convention
d'établissement eb consulaire avec l'Italie.
Vertrass vom 22. Juli 1868. Traité du 22 juillet 1868.
88. Urteil vom 9. Juni 1897 in Sachen Bassi.
à Am 5. April 1896 starb in Stansstad der ausSono):
Porlezza (Xtalien) gebürtige Steinbrecher Giovangi gg? "li;; " " N ' * '
Maria ge . F ue er Materia ung einer Chesran Anna ,. ... : efner Togter
erster Ehe, die mit Anton Blattleggsn WIIÎÎÎZÎÎÎÎ 'si ' ' r'tember'l ;)m'n
. [ t it. Laut einem am 28. Oep _ ? :?cîytîen snotarialischen Testamente
hatte Giovgtnnr 23111 Y&S)??? ' si ' 't Ausnahme des er Ho er gesamte
Verlassenschast, mi. _ 'n ' ' &th (erede l *? ' t"ls, eine Ehesrau als
Universa . . Wfbehalffflffl lfllsffiel 1 "ament wollten die Tochter Frau
universale eingesetzt. Dieses Test . 9 : Blättler-Bc?ssi, bezw. der ihr
bestellte Vogt Undddäicksftslrsliäsiths schaftsbehörde von Hergiswhl
nicht anerkenne11,tune te in ®;th abgelaufenem Vermittlungsvorstand
erhob les er ÈQÎIIWQWW Bassi-Flüeier unterm 8. Januar 2189i vor ern
' ' · * D ° der Nidwalden eine Civilklage mit den Begehren. 1. Bau von
588 A. staatsrechtlicle Entscheidungen. IV. Abschnitt. Staatsverträg'e.
Peklagteti vorgelegte Testament sei gerichtlich ungültig zu erklaren;
2-. Bekiagte sei pflichtig an die Klägerin, Frau M. Isliittlel-Bassi
aus der Hinterlassenschast des Joh. Bassi sel. eineanetrag von BOBO
Fr. zu oerabfolgen, wogegen Beklagte als Eigentümer-in des gesamten
von ihrem Eheinanne hinterlassenen Guthabens anerkannt wird. Eventuell:
Tellagte habe einen gerichtlich festzusetzenden Betrag an die Kliigerin zu
verabsolgen. Vorbehalten bleibt eine nach zuständigem Gesetz alltiillig
der Beklagten zukommende Nutzniessung wofür ein entibrechender Betrag
kapitalisiert und bei einer Amtsstelle destoniert werden soll. Z. Die
Beklagte habe sämtliche gerichtlichen und atuszergerichtlichen Kosten
zu bezahlen. Die Klage beruhte darant, dass Frau Blättler-Bassi
nach italienischent und nidwaldenschem Rechte die einzige ©?er des
Giovanni Bassi, und dass das Festament des letztern nach Nidwaldner
Recht ungültig sei ntidtibrigens in formeller Beziehung auch nicht
den bezüglichen Vorschriften des italienischen Rechtes entspreche. Die
Beklaate antwortete nicht einlässlich dahin, es haben sich die Gerichte
des Kantons Nidwalden in Sachen ais nicht kompetent jzu etssflàren. Es
handle sich um einen Streit umdie Erbberechtigung am Vachlasse eines
in der Schweiz verstorbenen Italieners-. Gemäss Niederlassungsund
Konsularvertrag zwischen der Eidgenossenseen-rund dem Königs-sich starten
vom 22; Juki 1888 Aet. 17 Abs. 3 gehöre aber eine derartige Streitigkeit
vor den Richter des legten Wohnortes, den der Erblasser in Italien
gehabt bade. Die Gerichte von Nidwalden seien daher zur Beurteilung
der vorliegenden Klage nicht kompetent Durch Entscheid vorn 11. März
1894' verwars das Kantonsgericht Nidwalden die Jnkompetenzeinrededer
Beklagten, unter Annahme folgender Gründe: Der angerniene Art. 17 des
schweizerisch-italienischen Staatsvertrages habe einzig Streitigkeiten
zwischen Erben eines in der Schweiz verstorbenen Italieners im Auge; ein
solcher Fall sei nicht gegeben, da die Tochter des Erblassers einzige
Intestaterbin desselben und die Erdqualität der Witwe Bassi nicht
ausgewiesen sei. Ferner sei auch die Frage über die Gültigkeit eines
Testamentes nicht erbrechtlicher Natur und daher der eitierte Artikel
des Niederlassungsvertrages wieder nicht zutreffend.Niederlassungsund
Konsularrerlrag mit Italien. N° 88. 589
B. Gegen diesen Entscheid hat Namens der Witwe Beim-Filiria Fürsprech
Lnssi in Stans rechtzeitig den Rettirs an das Bundesgeeicht ergriffen. Es
handle sich um einen Streit über die Erbfolge in den Nachlass eines in
der Schweiz verstorbenen Italiemars, der von einer Testamentserbin und
einer gesetzlichen Erbin eingesprochen werde. Ein solcher Streit gehöre
aber nach Mitgabe des mehrerwähnten Staatsoertrages vor die Gerichte
des letzten Wohnortes des Erblassers in Italien und sei auch materiell
nach italienischem Rechte zu beurteilen; und die einfache Bestreitung
der Gültigkeit eines Testamentes könne nicht eine Verschiebung des
Gerichtsstandes bewirken. Demgemäss wird, unter Berufung auf Art. 175
Lemma 1 Ziff. 3 O.-G., Aufhebung des angefochtenen kantonsgerichtlichen
Urteils beantragt
C. Namens der Vormundschaftsbehörde von Hergiswyl schliesst Fürsprech
V. Blättler daselbst in einer Antwort vom 24. Mai 1897 ans Abweisung des
Rekurses. Im Wesentlichen wird zur Begründung dieses Antrages angebracht,
der schweizerisch-italienische Staatsvertrag weise nur Streitigkeiten
zwischen Erben dem heimatlichen Richter zu; Witwe Bassi-Flüeler begründe
ihre Erbansprüche einzig auf ein, auch formell bestrittenes unhaltbares
Testament; sie sei somit nicht Erbitt, sondern Legatarin und der
Streit nicht ein solcher zwischen Erben, sondern ein solcher zwischen
der einzigen Erbin und einer Legatarin. Hätte auch für Streitigkeiten
letzterer Art der heimatliche Richter für zuständig erklärt werden wollen,
so hätte dies im Staats-vertrag ausdrücklich gesagt werden sollen, wie
dies dann in dem kurz nach dem schweizerisch-italienischm abgeschlossenen
schweizerisch-französischen Staatsvertrag (Art. 5) geschehen sei. Auch
das Bundesgericht mache diesen Unterschied, wofür auf den Fall Rade
(Amtl. Samml Bd. XIV, S. 595) verwiesen wird. Rekurrentin habe übrigens
sowohl in der nichteinlässlichen Antwort, als in der Rekursschrift die
Klage zum Teil anerkannt, indem sie sich der Herausgabe
eines Pflichtteils an Frau Blättler-Bassi nicht widersetze. Damit
habe sie sich aber materiell auf die Sache eingelassen. Ferner falle
in Betracht, dass das Testament formell und materiell als ungültig
bestritten werde, dass es sich nur nach Nidwaldner Recht beurteilen könne,
ob dasselbe formell gültig sei, indem nach
590 A, Staatsrechtliche Entscheidungen. IV. Abschnitt. Staatsverträge.
Art. 3 Lemma 2 des Staatsvertrages die in der Schweiz niedergelassenen
Jtaliener in dieser Richtung den eigenen Landes-angehörigen gleichgestellt
seien, und dass hierüber nur die Nidwaldner Gerichte urteilen könnten.
Das Bundesgericht ziebt in Erwägung:
fi. Die Rekursbeklagtschast scheint daraus, dass die Nekurrentin in
ihrer uneinliisslichen Antwort und in der Beschwerdeschrift an das
Bundesgericht das Pflichtteilsrecht der Frau Blättler-Bassi anerkennt,
folgern zu wollen, dass sich dieselbe vor den Nidwaldner Gerichten auf
die Sache materiell eingelassen habe. Es ist jedoch klar, dass sich diese
Anerkennung bloss auf das materielle Rechtsverhältnis, und nicht auch
auf die prozessualische Frage des Gerichtssiandes bezieht, hinsichtlich
deren die Rekurrentin gleich in ihrer ersten Prozessvorkehr den Standpunkt
eingenommen hat, dass die Gerichte von Nidwalden nicht kompetent seien.
2. Sie beruft sich hiesiir aus Art. 17 Abs. 3 des
schweizerischitalienischen Niederlassung-Zund Konsularvertrages vom
22. Juli 1868, der lautet: Die Streitigkeiten, welche zwischen den
Erben eines in der Schweiz verstorbenen Italieners hinsichtlich
seines Nachlasses entstehen könnten, sollen vor den Richter des
letzten Wohnortes, den der Jtaliener in Italien hatte, gebracht werden
Vorliegend nun sind zweifellos die subjektiven Voraussetzungen dieser
Bestimmung vorhanden: Es handelt sich um den Nachlass eines in der
Schweiz Verstorbenen Italieners Dagegen wird bestritten, dass man es
objektiv mit einer Streitigkeit zwischen den Erben desselben zu thun
habe, und zwar deshalb, weil unter letzteren nur die vom Gesetze zu Erben
berufenen zu verstehen seien, nicht aber auch die Legatare, und dass für
Streitigkeiten zwischen eigentlichen Erben und Legataren Art. 17 Abs. 3
des Staatsvertrages nicht zutreffe. Nun tritt aber die Rekurrentin nicht
als Legatarin, als Singularsueeessorin ihres verstorbenen Ehemannes auf;
sie erhebt gestützt auf das Testament desselben nicht nur aus einzelne
zur Verlassenschaft gehörende Vermögensstücke, sondern auf den ganzen
Nachlass Anspruch, mit Ausnahme des Pflichtteils der Frau Blättler-Bassi;
sie behauptet also eigentliche Erbin, Universalsuccessorin des Giovanni
Bassi zu sein. Es liegt somit in der That ein Streit zwischen zwei
ErbprätendentenNiederlassungsund Konsularvertrag mit Italien. N° 88. 59}
vor, die gestützt aus verschiedene Delationsgründe die cskrbschaftv
für sich beanspruchen, und es fällt schon deshalb der Einwand der
Rekursbeklagtschast, der darauf beruht, dass Rekuirentin als Legatarin
die Erbschaft beanspruche, dahin, ganz abgesehen davon ob rechtlich die
Unterscheidung zwischen Streitigkeiten unter Erben und Streitigkeiten
zwischen Erben einerseits, Legataren anderseits, haltbar ware. Auch
kann nicht etwa gesagt werden, dass fl'iefur: rentin bloss einen
Delationsgrund vorgeschvben habe, um im Genusse des Nachlasses zu
bleiben, den sie unrechtmässiger Weise in Besitz genommen hätte, und
um so ihrem natürlichen Gerichtsstand denjenigen des Staatsvertrages
für erbrechtliche Streitigkeitigkeiten zu substituieren. Das Testament,
auf das sie sich berust, ist vorgelegt worden, und es wird dasselbe von
der Rekursbeklagtschast nicht etwa deshalb angefochten, weil man es mit
einem fingierten Aktenstücke zu thun habe.
3. Die Rekursbetlagtschaft glaubt nun aber ferner, es genüge schon der
Umstand, dass die formelle Gültigkeit des Testamentes bestritten wei de,
um den Art. îiî' al. Z des Staatsvertrages als nicht anwendbar erscheinen
zu lassen, weil hierüber nur die Nivwaldner Gerichte urteilen könnten. Sie
verweist diesbezüglich zunächst auf Art. 3 Abs. 2des nämlichen Vertrages
Allein diese Verweisung ist völlig unverständlich, da in der angeführten
Bestimmung lediglich von den kontrahierenden Staaten gegenseitig der
allgemeine Grundsatz der Freizügigkeit für ihre Angehörigen aufgestellt
wird, während eine internationale Gerichtsstandsnorm darin nicht
gesunden werden kann. Massgebend ist somit auch für die Beantwortung
dieser Einwendung lediglich Art. 17 Abs. 3 des Vertrages. Würde nun
aber dieser in der Weise interpretiert, wie die Rekursbeklagtschaft
meint, dass nämlich über die formelleGültigkeit des Testamentes des
Giovanni Baffi die nidwaldenschen Gerichte zu entscheiden hätten, so
ergäbe sich hieraus schon diepraktisch unhaltbare Konsequenz, dass über
die materielle Gültigkeit eines Testaments, insbesondere also über die
Frage der Testierungsbefngnis, ein anderes Gericht zu urteilen hatte,
als über dessen formelle Rechtsbeständigkeit Für eine solche Scheidung
aber bietet der Text des Vertrages keinerlei Anhaltspunkte Freilich
spricht dieser nur von Streitigkeiten bezüglich des Nachlasses
592 A. staats-rechtliche Entscheidungen. IV. Abschnitt. Staatsverträg'e.
eines in der Schweiz verstorbenen Italieners-. Allein in einem weitern
Sinne fallen hiernnter auch Streitigkeiten über die formelle Gültigkeit
eines Testamenies, da doch im Grunde and) hier der Nachlass, bezw. ein
Teil desselben, den Streitgegenstand bildet; und einer derartigen
Interpretation stehen rechtliche Bedenken nicht entgegen, zumal da die
Bestimmung eine Reproduktion der entsprechenden Vorschrift in Art. III des
damals geltenden schweizerisch-sranzösischen Staatsvertrages vom 18. Juli
1828 ist, die nie eine andere Auslegung erfahren und im neuen Vertrag-e
vom 15. Juni 1869 lediglich eine etwas ausführlichere Fassung erhalten
hat (wgs. die bundesrätlichen Botschasten zu den beiden Staatsverträgen,
B.-B. von 1868, Bd. IH, S. 440 unten und B.-B. von 1869, Bd. II, S. 490
unten; ferner Curti, Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich,
S 82 ff.). Im Falle Rave, den die Reknrsbeklagtschaft angeführt hat,
stand eine ganz andere Frage zum Entscheide; auch implicite aber enthält
derselbe nicht das, was daraus gelesen werden will, sondern im Gegenteil
eine Bestätigung dessen, was eben ausgeführt worden isf. Demnach hat
das Bundesgericht erkannt:
Der Rekurs wird als begründet erklärt und demgemäss das angesochtene
Erkenntnis des Kantonsgerichtes von Nidwalden vom 11. März 1897
aufgehobenB. STRAFRECHTSPFLEGE ADMINISTRATION DE LA JUSTICE
PÉNALEI. Zollwesen. Pèages.
89. Arréä du 13 mai 1897, dans la cause Confédération suisse contre
Piaget.
En juin 1895 plusjeurs personnes ont transporté pendant la. nuit et
par chemins non permis en matière de douane, depuis les Verrieres
de France aux Còdes rière les Verrières suisses, six paniers de Vin
mousseux frangais du poids de 305 kg.. rent-rank, dans la categorie
459 du tarif douanier. Cette marchandise fut tronvée, à la suite d'une
visit-e domiciliaire, dans lamaison habitée par Jacob Gostely, eafetier
aux Còdes. Le 23 juin, preces-verba] fut dressé, à raison de ces faits,
contre le prédit Gestely et contre un sieur Armand Patton, domicilié
aux Oernets.
Par prononeé en date du 9 juillet 1895, le Département fédéral des
douanes a infligé ä, Gostely et Patton une amende de 3660 fr. chacun.
Les inculpés ne s'étant pas soumis à ce prononcé, furent déférés au
Tribune,] correctionnel du Val-de Trevers, qui les condanna chacun à
3660 fr. d'amende et solidairement aux frais liquidés à. 58 fr. 45.
Grostely recourut contre ce jugement à la. Cour de cassa--
xxm 1897 38