Urteilskopf

144 III 388

46. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. Fabrication AG gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_645/2017 vom 22. August 2018

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Sachverhalt ab Seite 388

BGE 144 III 388 S. 388

A. B. (Arbeitnehmer, Kläger, Beschwerdegegner) war mit Wirkung ab 1. Januar 2002 als Chief Financial Officer (CFO) und als Mitglied der operativen Geschäftsleitung der A. Gruppe tätig. Diese bestand aus der A. International AG; deren Aktien wurden vollumfänglich von der A. Fabrication AG gehalten. Vollumfängliche Aktionärin der A. Fabrication AG war sodann die A. Holding AG mit zwischengeschalteter A. Europe Ltd. Formelle Arbeitgeberin war zunächst die A. Fabrication AG. Im Jahre 2003 wurde das Arbeitsverhältnis auf die A. International AG übertragen. Am 6. März 2006 wurde der Arbeitsvertrag insofern
BGE 144 III 388 S. 389

geändert, als dem Arbeitnehmer bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses seitens der Arbeitgeberin vor dem 1. März 2009 eine Abfindung in der Höhe von zwei Jahresgrundgehältern geschuldet war. Am 11. Dezember 2006 wurde dem Arbeitnehmer auf den 31. Dezember 2007 gekündigt und er wurde sofort freigestellt. Die Parteien stritten sich in der Folge im Wesentlichen über den Abfindungsanspruch von zwei Jahresgehältern. Die Arbeitgeberin verlangte ihrerseits vom Kläger die Rückzahlung von EUR 180'000.- für von diesem zu Unrecht bezogene Darlehenszinsen. 2008 fusionierten die A. Fabrication AG und die A. International AG und firmierten neu unter A. Fabrication AG (Beklagte, Beschwerdeführerin).
B.

B.a Mit Klage beim Bezirksgericht Uster verlangte der Kläger unter anderem, die Beklagte sei zu verpflichten, ihm den Betrag von Fr. 500'000.- zuzüglich Zins zu bezahlen. Die Beklagte erhob Widerklage und beantragte, der Kläger sei zu verpflichten, ihr den Betrag von EUR 180'000.- zuzüglich Zins zu bezahlen. Mit Urteil und Beschluss vom 23. Mai 2016 wies das Bezirksgericht die Hauptklage ab und schützte die Widerklage teilweise.
B.b Gegen dieses Urteil erhob der Kläger Berufung beim Obergericht des Kantons Zürich und beantragte im Wesentlichen, die Beklagte sei zu verpflichten, ihm Fr. 500'000.- plus Zins zu bezahlen. Die Widerklage sei abzuweisen. Die Beklagte trug auf Abweisung der Berufung an und verlangte mit Anschlussberufung die Gutheissung ihrer Widerklage. Mit Urteil vom 19. Oktober 2017 schützte das Obergericht die Berufung des Klägers teilweise. Die Widerklage schrieb es aufgrund von Verrechnung ab. Das Obergericht stellte fest, dass dem Kläger die Abgangsentschädigung von Fr. 500'000.- grundsätzlich zustehe.
C. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 4. Dezember 2017 beantragt die Beklagte dem Bundesgericht im Wesentlichen, die Klage sei abzuweisen und die Widerklage gutzuheissen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Zusammenfassung)

BGE 144 III 388 S. 390

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

5.

5.1 Nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist das Kontrahieren eines Vertreters mit sich selbst grundsätzlich unzulässig, weil es regelmässig zu Interessenkollisionen führt und somit vom Gesellschaftszweck nicht erfasst wird. Selbstkontrahieren hat deshalb die Ungültigkeit des betreffenden Rechtsgeschäftes zur Folge, es sei denn, die Gefahr einer Benachteiligung des Vertretenen sei nach der Natur des Geschäftes ausgeschlossen oder der Vertretene habe den Vertreter zum Vertragsabschluss mit sich selbst besonders ermächtigt bzw. das Geschäft nachträglich genehmigt. Dies gilt auch für die gesetzliche Vertretung juristischer Personen durch ihre Organe. Auch in diesem Fall bedarf es einer besonderen Ermächtigung oder einer nachträglichen Genehmigung durch ein über- oder nebengeordnetes Organ, wenn die Gefahr einer Benachteiligung besteht (BGE 127 III 332 E. 2 S. 333 f.; BGE 126 III 361 E. 3a S. 363 f.). Das Bundesgericht wendet diese Rechtsprechung unter Vorbehalt des Schutzes gutgläubiger Dritter auch auf Fälle an, wo nicht eigentliches Selbstkontrahieren, jedoch sonst ein Konflikt zwischen den Interessen der juristischen Person und den handelnden Organen vorliegt. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Vertretungsbefugnis nach dem mutmasslichen Willen der juristischen Person stillschweigend jene Geschäfte ausschliesst, welche sich als interessen- bzw. pflichtwidriges Vertreterhandeln erweisen (BGE 126 III 361 E. 3a S. 363 f.; Urteile 4A_195/2014 / 4A_197/2014 vom 27. November 2014 E. 6.1, nicht publ. in: BGE 140 III 602; 4C.25/2005 vom 15. August 2005 E. 1.1, nicht publ. in: BGE 131 III 636; vgl. auch Urteil 4A_55/2017 vom 16. Juni 2017 E. 5.2.1). Ein Schutzbedürfnis (der vertretenen Gesellschaft) entfällt aber, wenn der mit sich selbst kontrahierende Vertreter zugleich Alleinaktionär ist, da unter diesen Umständen zwingend zu folgern ist, der Abschluss des betreffenden Geschäfts entspreche zugleich dem Willen der Generalversammlung und werde deshalb von der Vertretungsmacht des Organs gedeckt (BGE 126 III 361 E. 5a S. 366; Urteil 4C.93/2007 vom 13. August 2007 E. 2.2).
5.2 Die Beschwerdeführerin legt einlässlich dar, weshalb keine Genehmigung der Vereinbarungen über die Abgangsentschädigung vorliege. Es handle sich um ein Insichgeschäft, da sich D. (CEO und
BGE 144 III 388 S. 391

einziger Verwaltungsrat der A. International AG) und der Beschwerdegegner "über's Kreuz" begünstigt hätten; ein solches sei vom Gesellschaftszweck nicht erfasst. Keine der Parteien, insbesondere auch nicht der Beschwerdegegner hätten im kantonalen Verfahren behauptet, die damalige Alleinaktionärin A. Fabrication AG habe mittels eines Beschlusses ihres Verwaltungsrates rechtsgültig über die Vertretung ihrer Aktien in der Generalversammlung der Tochtergesellschaft A. International AG beschlossen. Indem die Vorinstanz wegen der Unterzeichnung des Protokolls der Generalversammlung vom 2. März 2006 auf eine formlose Ermächtigung geschlossen habe, habe sie die Verhandlungsmaxime gemäss Art. 55
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 55 Verhandlungs- und Untersuchungsgrundsatz - 1 Die Parteien haben dem Gericht die Tatsachen, auf die sie ihre Begehren stützen, darzulegen und die Beweismittel anzugeben.
1    Die Parteien haben dem Gericht die Tatsachen, auf die sie ihre Begehren stützen, darzulegen und die Beweismittel anzugeben.
2    Vorbehalten bleiben gesetzliche Bestimmungen über die Feststellung des Sachverhaltes und die Beweiserhebung von Amtes wegen.
ZPO und den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV) verletzt. Auch in materieller Hinsicht könne mit dem Beschluss der Generalversammlung keine gültige Ermächtigung zur Einräumung der strittigen Abgangsentschädigungen vorgelegen haben. Denn seit einem entsprechenden Beschluss der Holding im Oktober 2005 habe ein Zinsmoratorium bestanden. Durften aufgrund der angespannten Ertrags- und Liquiditätslage keine Zinsen mehr bezahlt werden, so gelte dies umso mehr für die Abgangsentschädigung. Indem die Vorinstanz gleichzeitig die vom Beschwerdegegner bezogenen Zinsen über EUR 180'000.- als unrechtmässig qualifizierte, habe sie widersprüchlich argumentiert und damit den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
5.3

5.3.1 Vorerst ist festzuhalten, dass es hier nicht um den (vertretungsrechtlichen) Aspekt des Schutzes eines (gutgläubigen) Dritten geht. Die Vorinstanz ging wie dargelegt (E. 5.2 hiervor) davon aus, dass die Ergänzung des Arbeitsvertrages ein Insichgeschäft war und eine Ermächtigung durch die Generalversammlung als übergeordnetes Organ erfordert hätte. Darauf bezieht sich die Beschwerdeführerin. Damit berücksichtigt sie aber nicht die Tatsache, dass die sich "über's Kreuz" begünstigenden Personen der Änderungsverträge nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz die alleinigen Eigentümer der Holding waren und diese insgesamt alle Tochter- und Enkelgesellschaften zu hundert Prozent besass. Die Situation ist damit vergleichbar mit jener eines Alleinaktionärs. Es fehlt an gegenläufigen Interessen. Gemäss BGE 126 III 361 (vgl. oben E. 5.1) bedarf es in einem solchen Fall keiner zusätzlichen Ermächtigung durch ein übergeordnetes Organ bzw. eine
BGE 144 III 388 S. 392

solche wird stillschweigend angenommen. Das bezieht sich sowohl auf die Generalversammlung der Enkelgesellschaft - hier also der Arbeitgeberin - wie auf die Generalversammlung der Muttergesellschaft (A. Fabrication AG). Die Rügen der Beschwerdeführerin, die sich auf die fehlende Ermächtigung des Verwaltungsrates der Muttergesellschaft durch deren Generalversammlung beziehen, sind daher nicht entscheidend.
5.3.2 BGE
126 III 361 ist in der Lehre teilweise auf Kritik gestossen. Mit diesem Entscheid wich das Bundesgericht von einer früheren Rechtsprechung ab (BGE 50 II 168), in welcher es auch die Interessen von Gesellschaftsgläubigern als erheblich erachtete. Es erwog, namentlich in Anlehnung an ZOBL (DIETER ZOBL, Probleme der organschaftlichen Vertretungsmacht, ZBJV 125/1989 S. 289 ff., 312), den Gesellschaftsgläubigern stünden mit den paulianischen Anfechtungsklagen (Art. 285 ff
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 285 - 1 Mit der Anfechtung sollen Vermögenswerte der Zwangsvollstreckung zugeführt werden, die ihr durch eine Rechtshandlung nach den Artikeln 286-288 entzogen worden sind.499
1    Mit der Anfechtung sollen Vermögenswerte der Zwangsvollstreckung zugeführt werden, die ihr durch eine Rechtshandlung nach den Artikeln 286-288 entzogen worden sind.499
2    Zur Anfechtung sind berechtigt:500
1  jeder Gläubiger, der einen provisorischen oder definitiven Pfändungsverlustschein erhalten hat;
2  die Konkursverwaltung oder, nach Massgabe der Artikel 260 und 269 Absatz 3, jeder einzelne Konkursgläubiger.
3    Nicht anfechtbar sind Rechtshandlungen, die während einer Nachlassstundung stattgefunden haben, sofern sie von einem Nachlassgericht502 oder von einem Gläubigerausschuss (Art. 295a) genehmigt worden sind.503
4    Nicht anfechtbar sind ferner andere Verbindlichkeiten, die mit Zustimmung des Sachwalters während der Stundung eingegangen wurden.504
. SchKG) und der Verantwortlichkeitsklage gegenüber Verwaltungsräten (Art. 754
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 754 - 1 Die Mitglieder des Verwaltungsrates und alle mit der Geschäftsführung oder mit der Liquidation befassten Personen sind sowohl der Gesellschaft als den einzelnen Aktionären und Gesellschaftsgläubigern für den Schaden verantwortlich, den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursachen.
1    Die Mitglieder des Verwaltungsrates und alle mit der Geschäftsführung oder mit der Liquidation befassten Personen sind sowohl der Gesellschaft als den einzelnen Aktionären und Gesellschaftsgläubigern für den Schaden verantwortlich, den sie durch absichtliche oder fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten verursachen.
2    Wer die Erfüllung einer Aufgabe befugterweise einem anderen Organ überträgt, haftet für den von diesem verursachten Schaden, sofern er nicht nachweist, dass er bei der Auswahl, Unterrichtung und Überwachung die nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat.
OR) andere Rechtsbehelfe zur Durchsetzung ihrer Ansprüche zur Verfügung. Demgegenüber ist nach verschiedenen Lehrmeinungen der Hinweis auf die paulianischen Anfechtungsmöglichkeiten und Verantwortlichkeitsansprüche fragwürdig, denn damit seien die Gläubiger schlechter geschützt als mit einer direkten materiellen Ungültigkeit des fraglichen Geschäfts (STOFFEL/HEINZMANN, Interessendurchgriff?, in: Festschrift für Peter Forstmoser zum 60. Geburtstag, von der Crone und andere [Hrsg.], 2003, S. 199 ff., 208 f.; TERCIER/STOFFEL, Das Gesellschaftsrecht 2000/2001, SZW 2001 S. 282 ff., 286 f.; STUTZ/VON DER CRONE, Kontrolle von Interessenkonflikten im Aktienrecht, SZW 2003 S. 102 ff., 109 und bei Fn. 67) bzw. ein solches Vertretungshandeln könne die Gesellschaft und damit das Haftungssubstrat der Gläubiger schädigen (PETER/CAVADINI, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. II, 2. Aufl. 2017, N. 10b zu Art. 718b
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 718b - Wird die Gesellschaft beim Abschluss eines Vertrages durch diejenige Person vertreten, mit der sie den Vertrag abschliesst, so muss der Vertrag schriftlich abgefasst werden. Dieses Erfordernis gilt nicht für Verträge des laufenden Geschäfts, bei denen die Leistung der Gesellschaft den Wert von 1000 Franken nicht übersteigt.
OR). Darüber hinaus sei die Argumentation auch unlogisch, denn sie setze voraus, dass die Nichtberücksichtigung der Gläubigerinteressen durch den Verwaltungsrat beim Selbstkontrahieren oder anderen Handlungen im Interessenkonflikt zwar pflichtwidrig sein könne, der Verwaltungsrat jedoch unter dem Gesichtswinkel der Vertretungsmacht bzw. des Handelns im Gesellschaftsinteresse nicht gehalten sei, Gläubigerinteressen zu berücksichtigen (DOROTHEA HERREN, Harmonie und Kollision beim verwaltungsrätlichen Umgang mit den Gesellschaftsinteressen, AJP 2015 S. 203 ff., 206 f.).
BGE 144 III 388 S. 393

Ein anderer Teil der Lehre stimmt BGE 126 III 361 zu bzw. teilt die dort vertretene Auffassung (PETER BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl. 2009, S. 1783 § 13 Rz. 607 f.; PETER JUNG, Insichgeschäfte im Gesellschaftsrecht oder vom gefahrlosen Umgang mit sich selbst, in: Entwicklungen im Gesellschaftsrecht VI, Peter V. Kunz und andere [Hrsg.], 2011, S. 273 ff., 283 f.; ANSGAR SCHOTT, Insichgeschäft und Interessenkonflikt, 2002, S. 246 f.; ROLF WATTER, Verdeckte Gewinnausschüttungen bei Aktiengesellschaften: Die zivil- und handelsrechtliche Sicht, in: Verdeckte Gewinnausschüttungen, Neuhaus und andere [Hrsg.], 1997, S. 137 ff., 146 und 156 f.; CHRISTOPH B. BÜHLER, in: Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 2018, N. 10 zu Art. 718b
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 718b - Wird die Gesellschaft beim Abschluss eines Vertrages durch diejenige Person vertreten, mit der sie den Vertrag abschliesst, so muss der Vertrag schriftlich abgefasst werden. Dieses Erfordernis gilt nicht für Verträge des laufenden Geschäfts, bei denen die Leistung der Gesellschaft den Wert von 1000 Franken nicht übersteigt.
OR bei Fn. 39; LUKAS GLANZMANN, in: OR, Kommentar, Jolanta Kren Kostkiewicz und andere [Hrsg.], 3. Aufl. 2016, N. 2 zu Art. 718b
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 718b - Wird die Gesellschaft beim Abschluss eines Vertrages durch diejenige Person vertreten, mit der sie den Vertrag abschliesst, so muss der Vertrag schriftlich abgefasst werden. Dieses Erfordernis gilt nicht für Verträge des laufenden Geschäfts, bei denen die Leistung der Gesellschaft den Wert von 1000 Franken nicht übersteigt.
OR [wobei Letztere beide von einer Vermutung der Genehmigung bzw. Ermächtigung durch die Generalversammlung sprechen]; wohl auch URS BERTSCHINGER, Aktienrechtliche Verantwortlichkeit: Weisungen des Alleinaktionärs an die Verwaltungsräte schliessen Anspruch der Gesellschaft aus, SZW 2000 S. 197 ff., 199. Referierend: FORSTMOSER/CHRISTEN, Entwicklungen im Gesellschaftsrecht - Handelsgesellschaften und Genossenschaften - und im Wertpapierrecht, SJZ 2000 S. 467 f.). Würde man im Sinn der BGE 126 III 361 kritisierenden Lehre am Erfordernis einer Ermächtigung durch ein übergeordnetes Organ auch bei fehlendem Interessengegensatz zwischen Aktionären und handelnden Organen festhalten, würde dies auf ein rein fiktives Erfordernis hinauslaufen. Mit der ausdrücklichen Zulassung der Einpersonengesellschaft durch Art. 625
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 625
OR und der Regelung gemäss Art. 718b
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 718b - Wird die Gesellschaft beim Abschluss eines Vertrages durch diejenige Person vertreten, mit der sie den Vertrag abschliesst, so muss der Vertrag schriftlich abgefasst werden. Dieses Erfordernis gilt nicht für Verträge des laufenden Geschäfts, bei denen die Leistung der Gesellschaft den Wert von 1000 Franken nicht übersteigt.
OR betreffend Verträgen zwischen der Gesellschaft und ihrem Vertreter (Schrifterfordernis), die im Rahmen der (kleinen) Aktienrechtsreform als Teil der Revision des GmbH-Rechts mit Wirkung ab 1. Januar 2008 eingefügt wurden, hat der Gesetzgeber bestätigt, dass Insichgeschäfte unter vertretungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht grundsätzlich unzulässig sind. Dabei ist hervorzuheben, dass der Vorentwurf zu Art. 718b
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 718b - Wird die Gesellschaft beim Abschluss eines Vertrages durch diejenige Person vertreten, mit der sie den Vertrag abschliesst, so muss der Vertrag schriftlich abgefasst werden. Dieses Erfordernis gilt nicht für Verträge des laufenden Geschäfts, bei denen die Leistung der Gesellschaft den Wert von 1000 Franken nicht übersteigt.
OR das Erfordernis der Schriftlichkeit explizit für Verträge zwischen einem Alleinaktionär und der von diesem vertretenen Gesellschaft vorgesehen hatte. Diese Regelung war in den Vernehmlassungen begrüsst, jedoch als zu spezifisch empfunden worden, weshalb nun alle Insichgeschäfte und nicht nur jene der Einpersonengesellschaften erfasst werden (Botschaft vom 19. Dezember 2001 zur Revision
BGE 144 III 388 S. 394

des Obligationenrechts [GmbH-Recht sowie Anpassungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht], BBl 2002 3148, 3230 zu Art. 718b). Auch angesichts dieser auf den vorliegenden Fall in zeitlicher Hinsicht zwar noch nicht anwendbaren Gesetzgebung, die aber hinsichtlich der Einpersonengesellschaft die mit BGE 126 III 361 getroffenen Wertungen bestätigt, besteht für das Bundesgericht kein Anlass, von diesem Präjudiz abzuweichen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Beschwerdeführerin beim Abschluss der Änderungsverträge vom 6. März 2006 gültig vertreten war.
Decision information   •   DEFRITEN
Document : 144 III 388
Date : 22. August 2018
Published : 15. Dezember 2018
Source : Bundesgericht
Status : 144 III 388
Subject area : BGE - Zivilrecht
Subject : Art. 718a und Art. 718b OR; Gültigkeit von Rechtsgeschäften bei Interessenkonflikten. Kein Erfordernis einer Ermächtigung
Classification : Bestätigung der Rechtsprechung


Legislation register
BV: 29
OR: 625  718a  718b  754
SchKG: 285
ZPO: 55
BGE-register
126-III-361 • 127-III-332 • 131-III-636 • 140-III-602 • 144-III-388 • 50-II-168
Weitere Urteile ab 2000
4A_195/2014 • 4A_197/2014 • 4A_55/2017 • 4A_645/2017 • 4C.25/2005 • 4C.93/2007
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BBl
2002/3148
AJP
2015 S.203
SJZ
2000 S.467
SZW
2000 S.197 • 2001 S.282 • 2003 S.102
ZBJV
125/1989 S.289