127 I 73
9. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 26. Februar 2001 i.S. J. X. gegen Staatsanwaltschaft, Geschworenengericht und Kassationsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste (de):
- Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. d EMRK, Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV, § 237 Satz 2 StPO/ZH; Konfrontation der amtlichen Sachverständigen mit dem Privatgutachter an der Beweisverhandlung vor dem Geschworenengericht.
- Es verstiess nicht gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens und der Waffengleichheit, dass die amtlichen Sachverständigen zu den Vorbringen des privaten Gutachters Stellung nehmen konnten, diesem aber kein Recht auf eine "Replik" eingeräumt wurde. Es genügte, dass dem Angeklagten bzw. seinem Verteidiger Gelegenheit gegeben wurde, sich zu den Ausführungen der amtlichen Sachverständigen betreffend das Privatgutachten zu äussern (E. 3f/aa und bb).
- Durch den Ausschluss des Privatgutachters von einem "zweiten Vortrag" wurden auch die Verteidigungsrechte des Angeklagten und dessen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt (E. 3f/cc).
Regeste (fr):
- Art. 6 par. 1 et par. 3 let. d CEDH, art. 29 al. 2 et art. 32 al. 2 Cst., § 237 2e phrase CPP/ZH; confrontation des experts officiels avec l'expert privé lors d'une audience de la cour d'assises.
- Il n'y a pas eu violation des principes du procès équitable et de l'égalité des armes du fait que les experts officiels ont pu prendre position sur les conclusions de l'expert privé, alors que ce dernier n'a pas eu le droit de présenter une "réplique". Il suffisait que l'accusé ou son défenseur eussent la possibilité de s'exprimer au sujet des déclarations des experts officiels concernant l'expertise privée (consid. 3f/aa et bb).
- En empêchant l'expert privé de présenter un "second rapport", le juge n'a pas violé les droits de la défense ni le droit de l'accusé d'être entendu (consid. 3f/cc).
Regesto (it):
- Art. 6 n. 1 e n. 3 lett. d CEDU, art. 29 cpv. 2 e art. 32 cpv. 2 Cost., § 237 seconda frase CPP/ZH; confronto dei periti ufficiali con il perito di parte nell'udienza di discussione sulle prove davanti alla Corte d'assise.
- Non vi è stata violazione dei principi di un equo processo e della parità delle armi nella circostanza che i periti ufficiali hanno potuto prendere posizione sulle allegazioni del perito di parte mentre a quest'ultimo non è stato concesso il diritto di presentare una "replica". Bastava che all'accusato, rispettivamente al suo difensore, fosse data la possibilità di esprimersi sulle dichiarazioni dei periti ufficiali concernenti la perizia di parte (consid. 3f/aa e bb).
- Impedendo al perito di parte di presentare una "seconda esposizione", il giudice non ha violato i diritti della difesa né il diritto di essere sentito dell'accusato (consid. 3f/cc).
Sachverhalt ab Seite 74
BGE 127 I 73 S. 74
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich erhob am 28. Juli 1997 Anklage gegen J.X. wegen Mordes und Mordversuchs, begangen an seiner Ehefrau R.X. In der Anklageschrift wurde ihm vorgeworfen, er habe seiner Ehefrau am Morgen des 24. August 1993 in der Wohnung eine von ihm mit Arsen präparierte Flüssigkeit auf ihren Arbeitsweg mitgegeben. Nachdem sich seine Ehefrau am Nachmittag schlecht gefühlt habe, mehrfach habe erbrechen müssen und unter Durchfall gelitten habe, habe er ihr im Laufe der Nacht Flüssigkeit verabreicht, welcher er wiederum Arsen beigemischt habe. Am Morgen des 25. August 1993 sei sie aufgrund einer Arsenvergiftung an einem Herz-Kreislaufversagen gestorben. Im Weiteren legte die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last, er habe bereits am 2. August 1993 den Versuch unternommen, seine Ehefrau mit Arsen zu vergiften, doch sei dieser Versuch - wegen ungenügender Dosierung des Gifts - gescheitert. Das Geschworenengericht des Kantons Zürich sprach den Angeklagten am 6. März 1998 des Mordes im Sinne von Art. 112
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 112 - Si l'auteur tue avec une absence particulière de scrupules, notamment si son mobile, son but ou sa façon d'agir est particulièrement odieux, il est puni d'une peine privative de liberté à vie ou d'une peine privative de liberté de dix ans au moins. |
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2. Im Verfahren vor dem Geschworenengericht waren sich die amtlichen Sachverständigen Prof. B. und Dr. I. sowie der vom
BGE 127 I 73 S. 75
Beschwerdeführer beigezogene Gutachter Prof. K. einig darüber, dass R.X. am 25. August 1993 ca. zwischen 6.00 und 7.30 Uhr an einem durch eine akute Arsenvergiftung ausgelösten Herz-Kreislaufversagen gestorben war. Ebenfalls Übereinstimmung bestand darin, dass R.X. die für ihren Tod kausale Arsendosis eingenommen hatte, bevor bei ihr am 24. August 1993 zwischen 14.00 und 16.00 Uhr die ersten Symptome einer Arsenvergiftung aufgetreten waren. Umstritten war hingegen, ob ihr im Laufe des Abends vom 24. August 1993 bzw. in der Nacht vom 24. auf den 25. August 1993 ein weiteres Mal Arsen zugeführt worden war. Dieser Frage kam deshalb entscheidende Bedeutung zu, weil in der Nacht vom 24./25. August 1993 einzig der Beschwerdeführer seiner Ehefrau Flüssigkeiten bereitgestellt hatte. War R.X. in dieser Zeitspanne eine weitere Dosis Arsen verabreicht worden, so kam hiefür nur der Beschwerdeführer als Täter in Frage, und dieser Umstand bildete ein gewichtiges Indiz dafür, dass er auch für jene Arsenzufuhr verantwortlich war, die letztlich den Tod seiner Frau verursacht hatte. Die amtlichen Sachverständigen Prof. B. und Dr. I. bejahten die umstrittene Frage, der Privatgutachter Prof. K. verneinte sie. Er vertrat im Wesentlichen die Auffassung, es sei nur zu einer einzigen Arsenverabreichung gekommen und diese habe frühestens am frühen Nachmittag des 23. August 1993 stattgefunden; die hohe Arsenmenge, die im Mageninhalt von R.X. gefunden wurde, sei auf Reflux (Rückfluss) von Dünndarminhalt in den Magen zurückzuführen. Das Geschworenengericht erachtete diese Beurteilung des Sachverhaltes durch den Privatgutachter als nicht schlüssig. Es hielt es gestützt auf die Ausführungen der amtlichen Sachverständigen für erwiesen, dass R.X. in den letzten Stunden vor ihrem Tod ein weiteres Mal Arsen verabreicht worden war, wobei insoweit als Täter nur der Beschwerdeführer in Frage komme. Das Geschworenengericht gelangte in Würdigung aller Beweise zum Schluss, es könne kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass der in der Anklageschrift zum Vorwurf des Mordes umschriebene Sachverhalt nachgewiesen sei.
3. Der Beschwerdeführer beklagt sich - wie in der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde - in erster Linie darüber, dass im Beweisverfahren vor dem Geschworenengericht die amtlichen Sachverständigen zu den Vorbringen des von ihm beigezogenen Gutachters Stellung nehmen konnten, diesem aber keine Gelegenheit gegeben wurde, sich zu deren Stellungnahme zu äussern. Er macht geltend, durch den Ausschluss des Privatgutachters von einem
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"zweiten Vortrag" seien das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 Ziff. 1 EMRK [SR 0.101]), der Grundsatz der Waffengleichheit (Art. 6 Ziff. 3 lit. d
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 112 - Si l'auteur tue avec une absence particulière de scrupules, notamment si son mobile, son but ou sa façon d'agir est particulièrement odieux, il est puni d'une peine privative de liberté à vie ou d'une peine privative de liberté de dix ans au moins. |
BGE 127 I 73 S. 77
sachliche Gründe bestehen, im Laufe des Verfahrens von einem Verhandlungsplan abweichen. b) Gemäss § 237 Satz 1 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich (StPO/ZH) sollen Widersprüche zwischen Zeugen oder Sachverständigen durch Gegenüberstellung möglichst behoben werden. "Steht amtlichen Sachverständigen ein nicht amtlicher gegenüber, so soll ersteren Gelegenheit geboten werden, sich über das Gutachten des letzteren auszusprechen" (§ 237 Satz 2 StPO/ZH). Im vorliegenden Fall gab das Geschworenengericht an der Hauptverhandlung in Anwendung dieser Vorschrift den amtlichen Sachverständigen Prof. B. und Dr. I. Gelegenheit, zu den Vorbringen des Privatgutachters Prof. K. Stellung zu nehmen. Nach § 237 Satz 2 StPO/ZH hat der Privatgutachter keinen Anspruch darauf, sich zur Stellungnahme der amtlichen Sachverständigen zu äussern. Das Geschworenengericht war deshalb aufgrund des kantonalen Verfahrensrechts nicht verpflichtet, Prof. K. zu gestatten, zu den Einwänden der amtlichen Experten betreffend sein Gutachten Stellung zu nehmen. c) Es fragt sich, ob das Geschworenengericht mit dem Ausschluss des Privatgutachters Prof. K. von einem "zweiten Vortrag" gegen die vom Beschwerdeführer angerufenen Konventions- und Verfassungsvorschriften verstiess. Das Kassationsgericht hat diese Frage im angefochtenen Entscheid eingehend geprüft und ist zum Schluss gelangt, die Rüge des Beschwerdeführers erweise sich "unter allen Gesichtspunkten" als unbegründet. Aus seinen Erwägungen ergibt sich zumindest mittelbar, dass es die Rüge nicht nur unter dem Blickwinkel von Art. 6
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 112 - Si l'auteur tue avec une absence particulière de scrupules, notamment si son mobile, son but ou sa façon d'agir est particulièrement odieux, il est puni d'une peine privative de liberté à vie ou d'une peine privative de liberté de dix ans au moins. |
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 112 - Si l'auteur tue avec une absence particulière de scrupules, notamment si son mobile, son but ou sa façon d'agir est particulièrement odieux, il est puni d'une peine privative de liberté à vie ou d'une peine privative de liberté de dix ans au moins. |
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womit der Rückgriff auf den dem Hauptverfahren zuzuordnenden Begriff "Vortrag" rein terminologisch, aber auch inhaltlich an der Sache vorbeigehe. Massgeblich sei in erster Linie, ob sich das Gericht gestützt auf die "gutachterlichen Äusserungen insgesamt" eine sachlich fundierte Meinung habe bilden können und ob diese in den Erwägungen zu begründende Auffassung nachvollziehbar sei. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) könne der Grundsatz der Waffengleichheit, der zum Begriff eines fairen Verfahrens gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK gehöre, verletzt sein, wenn ein von der Verteidigung benannter Sachverständiger im Verhältnis zum amtlichen Sachverständigen ungleich behandelt werde (Urteile Bönisch gegen Österreich und Brandstetter gegen Österreich). In diesen Urteilen gehe es jedoch - in den hier interessierenden Teilen - vor allem um die Thematik der Ablehnung eines (gerichtlichen) Sachverständigen wegen mangelnder Neutralität bzw. Anscheins der Befangenheit, nicht aber um die im hier zu beurteilenden Fall allein zur Diskussion stehende Frage, ob hinsichtlich der Aussagen eines amtlichen Sachverständigen, dessen Unparteilichkeit als solche nicht in Frage gestellt worden sei, ein Anspruch auf ein kontradiktorisches Verfahren mit einem Privatgutachter bestehe oder nicht. In diesem Zusammenhang sei zu betonen, dass der amtliche Sachverständige nicht Gutachter der Anklage sei, sondern als unabhängiger Gehilfe des Richters zur Unparteilichkeit verpflichtet sei, d.h. das Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen abzugeben habe. Insofern könne der amtliche Gutachter nicht einem Belastungszeugen gleichgestellt werden. Wenn der Angeklagte der Auffassung sei, der amtliche Sachverständige habe den Anschein der Befangenheit erweckt, könne er ihn aus diesem Grund gestützt auf § 111 StPO/ZH ablehnen. Mit dieser gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit der Ablehnung des amtlich bestellten Gutachters werde dem Erfordernis eines fairen Verfahrens unter dem Blickwinkel von Art. 6
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 112 - Si l'auteur tue avec une absence particulière de scrupules, notamment si son mobile, son but ou sa façon d'agir est particulièrement odieux, il est puni d'une peine privative de liberté à vie ou d'une peine privative de liberté de dix ans au moins. |
BGE 127 I 73 S. 79
kein Recht auf "Duplik" eingeräumt werde. Es genüge insofern auch unter den von den Strassburger Organen zu Art. 6
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BGE 127 I 73 S. 80
Beschwerdeführer zustehende Verteidigungsmittel sei in seiner möglichen Wirkung wesentlich eingeschränkt worden, wenn Prof. K. verwehrt worden sei, zu der von den amtlichen Sachverständigen an seinem Gutachten geäusserten grundsätzlichen Kritik Stellung zu nehmen. Die Möglichkeit des Verteidigers des Beschwerdeführers, die kritischen Ausführungen der amtlichen Experten durch Ergänzungsfragen in Frage zu stellen, sei dafür kein Ersatz. In wirksamer Weise wäre der Verteidiger hierzu nur in der Lage gewesen, wenn der vom Beschwerdeführer beauftragte Gutachter ihn dabei unterstützt hätte, was dessen Anwesenheit bei den Ausführungen der amtlich bestellten Sachverständigen bedingt hätte. Das Geschworenengericht habe dadurch, dass es dem Privatgutachter nicht gestattet habe, sich zur Stellungnahme der amtlichen Sachverständigen betreffend sein Gutachten zu äussern, den Grundsatz des fairen Verfahrens im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK verletzt. f) Nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf ein faires Verfahren. Art. 6 Ziff. 3 lit. d
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 112 - Si l'auteur tue avec une absence particulière de scrupules, notamment si son mobile, son but ou sa façon d'agir est particulièrement odieux, il est puni d'une peine privative de liberté à vie ou d'une peine privative de liberté de dix ans au moins. |
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 112 - Si l'auteur tue avec une absence particulière de scrupules, notamment si son mobile, son but ou sa façon d'agir est particulièrement odieux, il est puni d'une peine privative de liberté à vie ou d'une peine privative de liberté de dix ans au moins. |
BGE 127 I 73 S. 81
Experte eine derart dominierende Stellung, dass der Grundsatz der Waffengleichheit nicht mehr gewahrt war und eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK bejaht wurde (Urteil Bönisch, a.a.O., Ziff. 31-35). Im Fall Brandstetter, in welchem es ebenfalls um Fragen der Unabhängigkeit des Sachverständigen sowie darum ging, ob dieser im konkreten Fall als Belastungszeuge betrachtet werden könne, wurde Letzteres verneint und demzufolge in der Weigerung des Gerichts, auf Antrag der Verteidigung einen anderen Sachverständigen zu ernennen, kein Verstoss gegen den Grundsatz der Waffengleichheit und des fairen Verfahrens erblickt (Urteil Brandstetter, a.a.O., Ziff. 43-47). bb) Der hier zu beurteilende Fall liegt nicht gleich wie die Fälle Bönisch und Brandstetter, in welchen es vor allem um die Frage der erforderlichen Neutralität bzw. Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des amtlichen Sachverständigen ging. Die Urteile Bönisch und Brandstetter betreffen nicht die im vorliegenden Fall umstrittene Frage, ob es mit Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. d EMRK vereinbar war, dass an der Beweisverhandlung vor einem Geschworenengericht die amtlichen Sachverständigen, deren Neutralität und Unparteilichkeit nicht in Abrede gestellt worden sind, zu den Vorbringen des Privatgutachters Stellung nehmen konnten, diesem jedoch nicht gestattet wurde, sich zu den Ausführungen der amtlichen Sachverständigen betreffend das Privatgutachten zu äussern. Wenn das Kassationsgericht diese Frage bejahte, so hat es entgegen der Meinung des Beschwerdeführers die Konvention nicht verletzt. Es hat mit Recht entscheidendes Gewicht auf die unterschiedliche Rollenverteilung zwischen dem amtlichen Sachverständigen und dem Privatgutachter gelegt. Der amtliche Sachverständige oder Experte ist, gleichgültig ob er von der Untersuchungsbehörde oder vom Gericht ernannt wurde, nicht Gutachter einer Partei, namentlich auch nicht des Untersuchungsrichters oder des Anklägers (ANDREAS DONATSCH, Der amtliche Sachverständige und der Privatgutachter im Zürcher Strafprozess, in: Festschrift 125 Jahre Kassationsgericht des Kantons Zürich, Zürich 2000, S. 365). Er ist Entscheidungsgehilfe des Richters, dessen Wissen und Erfahrungen er durch besondere Kenntnisse auf seinem Sachgebiet ergänzt (BGE 118 Ia 144 E. 1c S. 145; ROBERT HAUSER/ERHARD SCHWERI, Schweizerisches Strafprozessrecht, 4. Aufl. 1999, § 64 N. 3; DONATSCH, a.a.O., S. 364 f.). Der Angeschuldigte hat einen verfassungs- und konventionsmässigen Anspruch auf einen unabhängigen und unparteiischen Sachverständigen. Es darf niemand als
BGE 127 I 73 S. 82
Sachverständiger beigezogen werden, der als Richter abgelehnt werden könnte (BGE 118 Ia 144 E. 1c S. 146; HAUSER/SCHWERI, a.a.O., § 64 N. 7a; DONATSCH, a.a.O., S. 364). Demgegenüber kann beim Privatgutachter vom Anschein einer Befangenheit ausgegangen werden, weil er vom Angeschuldigten nach dessen Kriterien ausgewählt worden ist, zu diesem in einem Vertrags- und Treueverhältnis steht und von ihm bezahlt wird (DONATSCH, a.a.O., S. 369/370). Aus dieser unterschiedlichen Rollenverteilung zwischen amtlichem Sachverständigen und Privatgutachter ergibt sich, dass es nicht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstösst, wenn der amtliche Sachverständige zu den Vorbringen des privaten Gutachters Stellung nehmen kann, diesem aber kein Recht auf eine "Replik" eingeräumt wird. Es genügt unter dem Gesichtspunkt des Fairnessprinzips gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK, wenn dem Angeklagten bzw. seinem Verteidiger Gelegenheit gegeben wird, sich zu den Ausführungen des amtlichen Sachverständigen betreffend das Privatgutachten zu äussern (in diesem Sinne DONATSCH, a.a.O., S. 371). Der Beschwerdeführer ist zu Unrecht der Ansicht, es gebe im Lichte von Art. 6 Ziff. 1 und Ziff. 3 lit. d EMRK wie auch aufgrund des Willkürverbots von Art. 9
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937 CP Art. 112 - Si l'auteur tue avec une absence particulière de scrupules, notamment si son mobile, son but ou sa façon d'agir est particulièrement odieux, il est puni d'une peine privative de liberté à vie ou d'une peine privative de liberté de dix ans au moins. |
BGE 127 I 73 S. 83
Verfahrens und der Waffengleichheit, weil - wie erwähnt - der amtliche Sachverständige Gehilfe des Gerichts und nicht wie der Privatgutachter Beauftragter einer Partei ist. cc) Durch das beanstandete Vorgehen wurden auch die Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers und dessen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Wie dem Protokoll über die Beweisverhandlung vor dem Geschworenengericht zu entnehmen ist, wurde der Privatgutachter, Prof. K., nicht bloss für seine "sachverständige Stellungnahme" vorgeladen; er erschien - ebenso wie die amtlichen Sachverständigen - zu Beginn der Expertenhearings, konnte in der Folge bis zu seiner im Laufe der Phase 9 erfolgten Entlassung den Befragungen der einvernommenen (sachverständigen) Zeugen sowie den Ausführungen der amtlichen Sachverständigen beiwohnen und - was wesentlich ist - den genannten Personen Fragen stellen. Sodann ist darauf hinzuweisen, dass Prof. K. mit der Entlassung als sachverständiger Zeuge nicht etwa weggewiesen oder mit einem Saalverbot belegt wurde. Es war ihm nicht verwehrt, die Fortsetzung der geschworenengerichtlichen Beweisverhandlung im Gerichtssaal zu verfolgen und der Verteidigung Hinweise in Bezug auf sich allenfalls aufdrängende Ergänzungsfragen zu geben. Der Beschwerdeführer konnte sich demnach in hinreichender Weise verteidigen, auch wenn dem von ihm beigezogenen Experten kein "Replikrecht" zu den in Anwendung von § 237 Satz 2 StPO/ZH erfolgten Stellungnahmen der amtlichen Sachverständigen eingeräumt wurde. dd) Es kann nur dann angebracht sein, den Privatgutachter zu den Ausführungen des amtlichen Sachverständigen betreffend das Privatgutachten "replizieren" zu lassen, wenn die Stellungnahme des amtlichen Sachverständigen völlig neue Gesichtspunkte an den Tag fördert, die eine nochmalige Stellungnahme des Privatgutachters als unumgänglich erscheinen lassen (NIKLAUS SCHMID, in: Andreas Donatsch/Niklaus Schmid, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, 4. Lieferung, Juni 2000, N. 5 zu § 237 StPO/ZH). In der staatsrechtlichen Beschwerde wird indes nicht behauptet, Prof. B. und Dr. I. hätten in ihren Stellungnahmen zu den Vorbringen von Prof. K. völlig neue Gesichtspunkte geltend gemacht. Dies war auch nicht der Fall. Dem Protokoll über die Beweisverhandlung ist zu entnehmen, dass sich die amtlichen Sachverständigen in ihren Stellungnahmen darauf beschränkten, die These des Privatgutachters zu widerlegen. Nach dem Gesagten erweisen sich die Rügen des Beschwerdeführers betreffend das Beweisverfahren vor dem Geschworenengericht als unbegründet.