101 IV 1
1. Urteil des Kassationshofes vom 7. Mai 1975 i.S. H. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen.
Regeste (de):
- 1. Art. 22
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 22 - 1 Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern.
1 Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern. 2 Verkennt der Täter aus grobem Unverstand, dass die Tat nach der Art des Gegenstandes oder des Mittels, an oder mit dem er sie ausführen will, überhaupt nicht zur Vollendung gelangen kann, so bleibt er straflos. - 2. Art. 187 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 187 - 1. Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt,
1 Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, 2 Die Handlung ist nicht strafbar, wenn der Altersunterschied zwischen den Beteiligten nicht mehr als drei Jahre beträgt. 3 Hat der Täter zur Zeit der Tat oder der ersten Tathandlung das 20. Altersjahr noch nicht zurückgelegt und liegen besondere Umstände vor, so kann die zuständige Behörde von der Strafverfolgung, der Überweisung an das Gericht oder der Bestrafung absehen.266 4 Handelte der Täter in der irrigen Vorstellung, das Kind sei mindestens 16 Jahre alt, hätte er jedoch bei pflichtgemässer Vorsicht den Irrtum vermeiden können, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. 5 ...267 6 ...268 - a) Da Notzucht ein sog. reines Tätigkeitsdelikt ist, gibt es keinen vollendeten Versuch gemäss Art. 22
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 22 - 1 Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern.
1 Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern. 2 Verkennt der Täter aus grobem Unverstand, dass die Tat nach der Art des Gegenstandes oder des Mittels, an oder mit dem er sie ausführen will, überhaupt nicht zur Vollendung gelangen kann, so bleibt er straflos. - b) Widerstandsunfähigkeit einer Frau, die, von drei Männern an Armen und Beinen gefesselt, ein Bein befreien kann (Erw. 1).
Regeste (fr):
- 1. Art. 22 CP, délit manqué. L'application de cette disposition est restreinte aux délits matériels au sens technique du terme, car ce n'est que pour ceux-ci que le délit n'est pas consommé par l'acte lui-même (consid. 2).
- 2. Art. 187 al. 2 CP, viol qualifié.
- a) Le viol constitue un pur délit formel, il ne laisse aucune place au délit manqué au sens de l'art. 22 CP (consid. 2) (changement de jurisprudence).
- b) Incapacité de résister dans laquelle se trouve une femme qui, bras et jambes liées par trois hommes, parvient à libérer une de ses jambes (consid. 1).
Regesto (it):
- 1. Art. 22 CP, reato mancato. L'applicazione di tale disposizione è possibile solo per i reati causali in senso tecnico, dato che soltanto in essi il reato non è consumato mediante l'atto punibile (consid. 2).
- 2. Art. 187 cpv. 2 CP, violenza carnale qualificata.
- a) Costituendo la violenza carnale un reato di semplice comportamento non può esistere per essa la forma del reato mancato (cambiamento della giurisprudenza) (consid. 2).
- b) Impossibilità di resistere in cui versa una donna che, le braccia e le gambe legate, riesce a liberare una gamba (consid. 1).
Sachverhalt ab Seite 1
BGE 101 IV 1 S. 1
A.- Am 4. September 1973 wurde die 1956 geborene Monika B., als sie nach Wirtschaftsschluss das Dancing "Lanterne" in Rheineck verliess, von Walter E. angesprochen und zu einem Kaffee bei ihm zu Hause eingeladen. Sie stieg mit E.
BGE 101 IV 1 S. 2
und dessen Freunden Walter G. und Alberto H. in des letztern Auto. Die Fahrt ging zu einem Budenwagen in Altenrhein. Dort plauderten die vier längere Zeit. Dann zogen die drei Burschen das Mädchen trotz heftiger Gegenwehr nackt aus, legten es gewaltsam auf ein Kajütenbett und banden seine Arme und Beine am Bett fest. E. vollzog gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr. Darauf legte sich H. auf das Mädchen. Dieses hatte zuvor das linke Bein freimachen können und versucht, sich damit zu wehren. H. lag fünf bis zehn Minuten auf dem Mädchen, um geschlechtlich mit ihm zu verkehren. Doch ist nicht nachgewiesen, dass er sein Glied in die Scheide einführte. Schliesslich wurde das Mädchen freigelassen.
B.- Das Kantonsgericht St. Gallen beurteilte E., H. und G. am 4. November 1974. H. erklärte es des vollendeten Versuchs zu qualifizierter Notzucht schuldig (Art. 187 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 187 - 1. Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, |
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1 | Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, |
2 | Die Handlung ist nicht strafbar, wenn der Altersunterschied zwischen den Beteiligten nicht mehr als drei Jahre beträgt. |
3 | Hat der Täter zur Zeit der Tat oder der ersten Tathandlung das 20. Altersjahr noch nicht zurückgelegt und liegen besondere Umstände vor, so kann die zuständige Behörde von der Strafverfolgung, der Überweisung an das Gericht oder der Bestrafung absehen.266 |
4 | Handelte der Täter in der irrigen Vorstellung, das Kind sei mindestens 16 Jahre alt, hätte er jedoch bei pflichtgemässer Vorsicht den Irrtum vermeiden können, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. |
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SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 22 - 1 Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern. |
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1 | Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern. |
2 | Verkennt der Täter aus grobem Unverstand, dass die Tat nach der Art des Gegenstandes oder des Mittels, an oder mit dem er sie ausführen will, überhaupt nicht zur Vollendung gelangen kann, so bleibt er straflos. |
C.- H. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Rückweisung der Sache an das Kantonsgericht zur Schuldigerklärung wegen unvollendeten Versuchs der einfachen Notzucht und zur Verurteilung zu einer bedingten Gefängnisstrafe von nicht mehr als einem Jahr.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Die Vorinstanz führt aus, der Umstand, dass das Mädchen das linke Bein aus der Fesselung befreien konnte, bevor sich H. auf sie legte, sei rechtlich unerheblich. Ihre Wehrlosigkeit sei damit auch nicht teilweise aufgehoben gewesen. Die Fesselung an beiden Handgelenken und am rechten Fuss habe eine wirksame Betätigung ihres Abwehrwillens weiterhin verhindert. Die durch Lösung der linken Beinfessel gewonnene Teilfreiheit habe der Täter mit seinem Körpergewicht mit Leichtigkeit wieder zunichte machen können.
Der Beschwerdeführer bestreitet die Widerstandsunfähigkeit gemäss Art. 187 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 187 - 1. Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, |
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1 | Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, |
2 | Die Handlung ist nicht strafbar, wenn der Altersunterschied zwischen den Beteiligten nicht mehr als drei Jahre beträgt. |
3 | Hat der Täter zur Zeit der Tat oder der ersten Tathandlung das 20. Altersjahr noch nicht zurückgelegt und liegen besondere Umstände vor, so kann die zuständige Behörde von der Strafverfolgung, der Überweisung an das Gericht oder der Bestrafung absehen.266 |
4 | Handelte der Täter in der irrigen Vorstellung, das Kind sei mindestens 16 Jahre alt, hätte er jedoch bei pflichtgemässer Vorsicht den Irrtum vermeiden können, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. |
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BGE 101 IV 1 S. 3
Die Gewaltanwendung muss die Abwehr des Opfers in solchem Masse ausschalten, dass irgendwelche Bewegungen, zu denen die Frau noch fähig ist, das Vorhaben des Angreifers weder zu vereiteln noch zu beeinträchtigen vermögen (BGE 98 IV 102, auch BGE 100 IV 164). Diese Wirkung war hier erzielt. Abgesehen davon, dass es dem Beschwerdeführer ein Leichtes gewesen wäre, Abwehrbewegungen des linken Beines des Mädchens erfolgreich zu begegnen, waren die Mitangeklagten E. und G. anwesend, die das Mädchen zuvor gefesselt hatten und ohne weiteres in der Lage waren, das freigewordene Bein wieder anzubinden oder festzuhalten (vgl. im letztern Sinne wiederum BGE 98 IV 102). Die Vorinstanz hat somit die Widerstandsunfähigkeit des Opfers zu Recht bejaht.
2. Der Beschwerdeführer macht hingegen zutreffend geltend, er hätte wegen unvollendeten statt wegen vollendeten Notzuchtversuches schuldig erklärt werden sollen. Der Notzucht im Sinne von Art. 187 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 187 - 1. Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, |
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1 | Wer mit einem Kind unter 16 Jahren eine sexuelle Handlung vornimmt, |
2 | Die Handlung ist nicht strafbar, wenn der Altersunterschied zwischen den Beteiligten nicht mehr als drei Jahre beträgt. |
3 | Hat der Täter zur Zeit der Tat oder der ersten Tathandlung das 20. Altersjahr noch nicht zurückgelegt und liegen besondere Umstände vor, so kann die zuständige Behörde von der Strafverfolgung, der Überweisung an das Gericht oder der Bestrafung absehen.266 |
4 | Handelte der Täter in der irrigen Vorstellung, das Kind sei mindestens 16 Jahre alt, hätte er jedoch bei pflichtgemässer Vorsicht den Irrtum vermeiden können, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. |
5 | ...267 |
6 | ...268 |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 21 - Wer bei Begehung der Tat nicht weiss und nicht wissen kann, dass er sich rechtswidrig verhält, handelt nicht schuldhaft. War der Irrtum vermeidbar, so mildert das Gericht die Strafe. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 22 - 1 Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern. |
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1 | Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern. |
2 | Verkennt der Täter aus grobem Unverstand, dass die Tat nach der Art des Gegenstandes oder des Mittels, an oder mit dem er sie ausführen will, überhaupt nicht zur Vollendung gelangen kann, so bleibt er straflos. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 22 - 1 Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern. |
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1 | Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern. |
2 | Verkennt der Täter aus grobem Unverstand, dass die Tat nach der Art des Gegenstandes oder des Mittels, an oder mit dem er sie ausführen will, überhaupt nicht zur Vollendung gelangen kann, so bleibt er straflos. |
BGE 101 IV 1 S. 4
Die Sache ist deshalb an die Vorinstanz zurückzuweisen zur Schuldigsprechung des Beschwerdeführers wegen unvollendeten Versuchs der qualifizierten Notzucht. Im übrigen hat sie an ihrem Urteil nichts zu ändern; denn sowohl Art. 21 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 21 - Wer bei Begehung der Tat nicht weiss und nicht wissen kann, dass er sich rechtswidrig verhält, handelt nicht schuldhaft. War der Irrtum vermeidbar, so mildert das Gericht die Strafe. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 22 - 1 Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern. |
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1 | Führt der Täter, nachdem er mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens begonnen hat, die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende oder tritt der zur Vollendung der Tat gehörende Erfolg nicht ein oder kann dieser nicht eintreten, so kann das Gericht die Strafe mildern. |
2 | Verkennt der Täter aus grobem Unverstand, dass die Tat nach der Art des Gegenstandes oder des Mittels, an oder mit dem er sie ausführen will, überhaupt nicht zur Vollendung gelangen kann, so bleibt er straflos. |
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 StGB Art. 65 - 1 Sind bei einem Verurteilten vor oder während des Vollzuges einer Freiheitsstrafe oder einer Verwahrung nach Artikel 64 Absatz 1 die Voraussetzungen einer stationären therapeutischen Massnahme gegeben, so kann das Gericht diese Massnahme nachträglich anordnen.67 Zuständig ist das Gericht, das die Strafe ausgesprochen oder die Verwahrung angeordnet hat. Der Vollzug einer Reststrafe wird aufgeschoben. |
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1 | Sind bei einem Verurteilten vor oder während des Vollzuges einer Freiheitsstrafe oder einer Verwahrung nach Artikel 64 Absatz 1 die Voraussetzungen einer stationären therapeutischen Massnahme gegeben, so kann das Gericht diese Massnahme nachträglich anordnen.67 Zuständig ist das Gericht, das die Strafe ausgesprochen oder die Verwahrung angeordnet hat. Der Vollzug einer Reststrafe wird aufgeschoben. |
2 | Ergibt sich bei einem Verurteilten während des Vollzuges der Freiheitsstrafe aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel, dass die Voraussetzungen der Verwahrung gegeben sind und im Zeitpunkt der Verurteilung bereits bestanden haben, ohne dass das Gericht davon Kenntnis haben konnte, so kann das Gericht die Verwahrung nachträglich anordnen. Zuständigkeit und Verfahren bestimmen sich nach den Regeln, die für die Revision (Art. 410-415 der Strafprozessordnung68) gelten.69 70 |
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird im Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.