Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung I
A-617/2008
{T 0/2}

Urteil vom 31. März 2010

Besetzung
Richter Michael Beusch (Vorsitz), Richter Markus Metz, Richter Lorenz Kneubühler,
Gerichtsschreiberin Nadine Mayhall.

Parteien
X._______, vertreten durch ...,
Beschwerdeführerin,

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV,
Hauptabteilung Mehrwertsteuer, Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand
Mehrwertsteuer (Steuerbefreiung).

Sachverhalt:

A.
X._______ hat ihren Sitz in ... . Gemäss Handelsregisterauszug bezweckt sie insbesondere die Beratung von Personen, Unternehmen und Institutionen des privaten und öffentlichen Rechts in Fragen des Abgabe- und Wirtschaftsrechts. Sie war vom 7. März 1997 bis 31. Dezember 2004 im Register der Mehrwertsteuerpflichtigen eingetragen.

B.
Im Jahre 2005 führte die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) bei der X._______ eine Kontrolle durch und prüfte die Abrechnungsperioden 1. Quartal 2000 bis 4. Quartal 2004. Beanstandet wurden fehlende Exportnachweise bei einigen als steuerbefreit deklarierten Umsätzen sowie offene Debitoren trotz Löschung der Gesellschaft aus dem Register der Mehrwertsteuerpflichtigen. Infolge dieser Feststellungen forderte die ESTV insgesamt Fr. ... an Mehrwertsteuern nebst Verzugszins nach. Die X._______ ersuchte die ESTV um Erlass eines anfechtbaren Entscheids.

C.
C.a Mit zwei Entscheiden vom 10. Januar 2006 hielt die ESTV an ihren Steuernachforderungen fest. Gegen diese Entscheide erhob die X._______ Einsprache und beantragte deren Aufhebung. Anlässlich einer Ergänzung der Einsprache legte die X._______ weitere Beweismittel ins Recht und hielt des Weiteren fest, dass die Steuernachforderung der ESTV im Umfang von Fr. ... nicht mehr bestritten werde. Bezüglich dieser nicht mehr bestrittenen Steuernachforderung erliess die ESTV am 6. August 2007 einen Abschreibungsbeschluss.
Des Weiteren forderte die ESTV die X._______ auf, betreffend die von ihr an ausländische Domizilgesellschaften erbrachten Dienstleistungen den Nachweis zu erbringen, dass sich das Domizil der Inhaber der Mehrheit der Beteiligungsrechte an den betreffenden Gesellschaften im Ausland befinde. Diesbezüglich reichte die X._______ Unterlagen betreffend die Position A._______., Cayman Islands, ein und führte aus, sie habe im Übrigen auf die Einforderung weiterer, für die Beweisführung notwendiger Unterlagen verzichtet.
C.b Mit Entscheid vom 18. Dezember 2007 hiess die ESTV die Einsprache im Umfang von Fr. ... gut und erkannte des Weiteren, dass die X._______ wegen fehlender Nachweise für von der Steuer befreite bzw. von der Besteuerung ausgenommene Umsätze in den Steuerperioden 1. Quartal 2001 bis 4. Quartal 2004 Fr. ... zuzüglich Verzugszins seit 31. Dezember 2001 zu bezahlen habe.

D.
Gegen diesen Entscheid erhob die X._______ (Beschwerdeführerin) am 30. Januar 2008 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Sie beantragte, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, auf die geltend gemachte Steuernachforderung von Fr. ... sei im Umfang von Fr. ... zu verzichten und ihr sei dieser Betrag wieder gutzuschreiben bzw. es sei in diesem Umfang eine Gutschriftsanzeige auszustellen. Von der gemäss angefochtenem Entscheid geschuldeten Nachforderung wurde der Anteil von Fr. ... anerkannt.
Mit Vernehmlassung vom 28. März 2008 schloss die Vorinstanz auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde.
Auf die Begründung der Anträge wird - soweit entscheidwesentlich - im Rahmen der nachfolgenden Erwägungen eingegangen.
Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Das Verfahren vor Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach den Vorschriften des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021), soweit das Verwaltungsgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) nichts anderes bestimmt (Art. 2 Abs. 4 VwVG; Art. 37 VGG).
Gemäss Art. 31 VGG beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 VwVG. Als anfechtbare Verfügungen gelten auch Einspracheentscheide der Departemente und der ihnen unterstellten oder administrativ zugeordneten Dienststellen der Bundesverwaltung (Art. 5 Abs. 2 VwVG i.V.m. Art. 33 Bst. d VGG). Der angefochtene Einspracheentscheid der ESTV vom 18. Dezember 2007 ist als eine beim Bundesverwaltungsgericht anzufechtende Verfügung zu qualifizieren. Auf die im Übrigen frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten.

1.2 Streitgegenstand in der nachträglichen Verwaltungsrechtspflege ist das Rechtsverhältnis, welches Gegenstand der angefochtenen Verfügung bildet, soweit es im Streit liegt (anstatt vieler BGE 131 V 164 E. 2.1; ANDRÉ MOSER/MICHAEL BEUSCH/LORENZ KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, Basel 2008, N. 2.8). Im Rechtsmittelverfahren kommt zudem - wenn auch in sehr abgeschwächter Form - das Rügeprinzip mit Begründungserfordernis in dem Sinn zu tragen, dass die Beschwerdeführerin die ihre Rügen stützenden Tatsachen darzulegen und allfällige Beweismittel einzureichen hat (MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, a.a.O., N. 1.55).
Im vorliegenden Verfahren liegt einzig eine Steuernachforderung in Höhe von Fr. ... im Streit (oben, D). Sie geht auf Leistungen zurück, welche die Beschwerdeführerin am 14. März 2001, am 5. November 2001 und am 23. Januar 2002 der A._______., Cayman Islands, fakturiert hatte (oben, C.a).

2.
2.1 Am 1. Januar 2010 ist das (neue) Bundesgesetz vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer (Mehrwertsteuergesetz [MWSTG], SR 641.20) in Kraft getreten. Die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen sowie die darauf gestützt erlassenen Vorschriften bleiben grundsätzlich weiterhin auf alle während ihrer Geltungsdauer eingetretenen Tatsachen und entstandenen Rechtsverhältnisse anwendbar (Art. 112 Abs. 1 MWSTG).

2.2 Art. 113 Abs. 3 MWSTG bestimmt, dass unter Vorbehalt von Art. 91 MWSTG das neue Verfahrensrecht auf sämtliche im Zeitpunkt des Inkrafttretens des (neuen) Mehrwertsteuergesetzes hängigen Verfahren anwendbar ist. Zur Auslegung dieser Bestimmung kann Folgendes festgehalten werden:
2.2.1 Den Materialien kann diesbezüglich nichts entnommen werden, da die Bestimmung im Entwurf des Bundesrats noch nicht enthalten war, sondern von der ständerätlichen Kommission vorgeschlagen und vom Parlament ohne Diskussion angenommen wurde.
2.2.2 Aufgrund der Gesetzessystematik ist vorab anzunehmen, dass grundsätzlich der ganze 5. Titel ("Verfahrensrecht für die Inland- und die Bezugssteuer") des (neuen) Mehrwertsteuergesetzes von Art. 113 Abs. 3 MWSTG erfasst sein soll (so auch Pascal Mollard/Xavier Oberson/Anne Tissot Benedetto, Traité TVA, Basel 2009, S. 1235 N. 669). Getreu dem Wortlaut ist Art. 113 Abs. 3 MWSTG jedoch so zu interpretieren, dass er nur für eigentliches "Verfahrensrecht" Geltung beansprucht. Die sofortige Anwendbarkeit ist damit ausgeschlossen, wenn eine Norm des 5. Titels sich nicht unter den Begriff "Verfahrensrecht" subsumieren lässt.

2.3 In die Auslegung einzubeziehen ist auch Art. 112 MWSTG und das Verbot der Rückwirkung von materiellem Recht:
2.3.1 Zur Bestimmung des anwendbaren materiellen Rechts ist, auch wenn während einem hängigen Rechtsmittelverfahren das Gesetz ändert, grundsätzlich auf den Zeitpunkt abzustellen, in welchem die relevanten Tatsachen sich ereignet haben (statt vieler: BGE 119 Ib 103 E. 5; BVGE 2007/25 E. 3.1). Das - aus der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV, SR 101) abgeleitete - Rückwirkungsverbot wird verletzt, wenn entgegen diesen Regeln bei der Anwendung des neuen materiellen Rechts an einen Sachverhalt angeknüpft wird, der in der Vergangenheit liegt und vor Erlass des Gesetzes abgeschlossen wurde (BGE 122 II 113 E. 3b/dd, 107 Ib 196 E. 3b; hierzu und zu den Ausnahmen vom Rückwirkungsverbot: BGE 122 V 408 E. 3b, 119 Ia 254 E. 3b; BVGE 2007/25 E. 3.1 mit weiteren Hinweisen). Art. 112 MWSTG gibt diese allgemeinen Grundsätze wieder, wobei unter mehrwertsteuerlichen Gesichtspunkten der Zeitpunkt der Leistung den massgeblichen, über das anwendbare Recht entscheidenden Sachverhalt darstellt (Art. 112 Abs. 2 und 3 MWSTG), wie dies bereits im Übergangsrecht zum Mehrwertsteuergesetz vom 2. September 1999 (aMWSTG, AS 2000 1300) und zur Verordnung vom 22. Juni 1994 über die Mehrwertsteuer (aMWSTV, AS 1994 1464) der Fall war (vgl. BGE 123 II 385 E. 9a; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1350/2006 vom 15. November 2007 E. 2.1, A-1395/2006 vom 31. August 2007 E. 2.2, je mit Hinweisen). Eine Rückwirkung des materiellen Rechts ist (unter Vorbehalt der Sonderregeln von Art. 113 Abs. 1 und 2 MWSTG) nicht vorgesehen. Aus den allgemeinen Regeln und Art. 112 MWSTG ergibt sich demnach, dass für die Anwendbarkeit des materiellen Rechts ausschliesslich auf die Verwirklichung des Sachverhalts, genauer auf den Zeitpunkt der Leistung, abzustellen ist, dies unabhängig vom Verfahrensstand.
2.3.2 Diese das materielle Recht betreffenden Grundsätze darf Art. 113 Abs. 3 MWSTG nicht vereiteln. Dass via Art. 113 Abs. 3 MWSTG die rückwirkende Anwendung von neuem materiellen Recht ermöglicht werden sollte, kann nämlich Art. 113 Abs. 3 MWSTG nicht entnommen werden und ist auch nicht anzunehmen. Hinzu kommt, dass das Verfahrensrecht im Verhältnis zum materiellen Recht eine bloss dienende Funktion hat; es dient primär der Durchsetzung des materiellen Rechts (vgl. Alfred Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, S. 30 f.). Bei der Anwendung von Art. 113 Abs. 3 MWSTG ist folglich darauf zu achten, dass es mit der Anwendung neuen Verfahrensrechts nicht gleichzeitig zu einer Anwendung von neuem materiellen Recht auf altrechtliche Sachverhalte (Umsätze vor 2010), und damit zu einer unzulässigen Rückwirkung, kommt. Im Einzelnen ergeben sich folgende Konsequenzen: Art. 113 Abs. 3 MWSTG ist eher restriktiv und - wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt - nur auf eigentliche Verfahrensbestimmungen anzuwenden. Soweit eine "verfahrensrechtliche Norm" folglich einen Begriff des materiellen Rechts verwendet, so wäre diesbezüglich das alte materielle Recht massgeblich. Nur der verfahrensrechtliche Teil der neuen Norm dürfte sofort angewendet werden. Sollte eine solche Differenzierung nicht möglich sein, etwa wenn eine neue Verfahrensbestimmung die Anwendung von neuem materiellem Recht geradezu bedingen würde, müsste - trotz Art. 113 Abs. 3 MWSTG - auf die sofortige Anwendung der verfahrensrechtlichen Norm verzichtet werden.

2.4 Weiter ist zu erwähnen, dass Art. 113 Abs. 3 MWSTG grundsätzlich dem allgemeinen prozessrechtlichen Grundsatz entspricht, wonach neue Verfahrensvorschriften, soweit nicht anders lautende Übergangsnormen existieren, auf hängige Verfahren in der Regel sofort anwendbar sind, auch wenn sich der in Frage stehende Sachvorhalt vor Inkrafttreten des neuen Rechts ereignet hat (BGE 132 V 368 E. 2.1, 130 V 1 E. 3.2 mit weiteren Hinweisen, 130 II 270 E. 1.2.1, 126 III 431 E. 2b, 113 Ia 412 E. 6, 111 V 46; Urteile des Bundesgerichts vom 30. September 1997, veröffentlicht in Archiv für Schweizerisches Abgaberecht [ASA] 67 [1998] S. 409 E. 3, 2A.68/2003 vom 31. August 2004 E. 9, 2A.649/2006 vom 18. Januar 2007 E. 2, 2A.701/2005 vom 9. August 2006 E. 2; BVGE 2007/28 E. 1; ebenso die Lehre: Alfred Kölz, Intertemporales Verwaltungsrecht, Zeitschrift für schweizerisches Recht [ZSR] 1983 II S. 222; Kölz/Häner, a.a.O., S. 29 N. 79; Pierre Moor, Droit administratif, Band I, 2. Aufl., Bern 1994, S. 171; Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Zürich et al. 2006, N. 327a mit Hinweisen; Moser/Beusch/ Kneubühler, a.a.O., N. 2.203). Es ist davon auszugehen, dass Art. 113 Abs. 3 MWSTG grundsätzlich lediglich dieses prozessrechtliche Prinzip wiedergibt, und keinen darüber hinausgehenden Gehalt aufweist. Auch insofern rechtfertigt sich eine Begrenzung von Art. 113 Abs. 3 MWSTG auf eigentliches Verfahrensrecht.

2.5 Insgesamt ergibt sich also eine eher restriktive Auslegung von Art. 113 Abs. 3 MWSTG, indem strikte nur Verfahrensnormen sofort anzuwenden sind, und es dabei nicht zu einer Anwendung von neuem materiellem Recht auf altrechtliche Sachverhalte kommen darf (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1113/2009 vom 23. Februar 2010 E. 1.3). Der vorliegende Rechtsstreit untersteht deshalb in materieller Hinsicht dem aMWSTG.

3.
3.1 Als Ort einer Dienstleistung galt grundsätzlich der Ort, an dem der Dienstleistende seinen Geschäftssitz oder eine Betriebsstätte hatte, von wo aus die Dienstleistung erbracht wurde (Erbringerortsprinzip; Art. 14 Abs. 1 aMWSTG). Für sogenannte immaterielle Dienstleistungen statuierte Art. 14 Abs. 3 aMWSTG - dem im grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehr geltenden Bestimmungslandprinzip folgend - eine Ausnahme von diesem Grundsatz: Der Ort der Dienstleistung bestimmte sich nach dem Empfänger und nicht nach dem Erbringer. Stand fest, dass der Empfänger im Ausland anzusiedeln war, wurden die Dienstleistungen nach Art. 14 Abs. 3 aMWSTG im Ausland lokalisiert und waren demnach in der Schweiz nicht steuerbar. Im Verhältnis zu Art. 15 Abs. 2 Bst. l aMWSTV wies die Regelung von Art. 14 Abs. 3 aMWSTG den Vorteil auf, dass auf die Voraussetzung der ausländischen Nutzung oder Verwendung verzichtet wurde (BGE 133 II 153 E. 5.1).
Unter dem zeitlichen Anwendungsbereich des aMWSTG genügte es - wie schon unter der Herrschaft der aMWSTV - für die Annahme der Steuerbefreiung in der Schweiz nicht, dass die betreffende Dienstleistung an einen Empfänger mit Sitz im Ausland erbracht worden war. Für die Steuerbefreiung wurde zusätzlich vorausgesetzt, dass die betreffende Dienstleistung im Ausland lokalisiert werden konnte. Dies wurde in der Rechtsprechung ohne Weiteres bejaht für sogenannte immaterielle Dienstleistungen, für welche an den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Empfängers oder an seine Betriebsstätte bzw. in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Betriebsstätte an seinen Wohnort oder an den Ort, von dem aus er tätig war, angeknüpft wurde (Art. 14 Abs. 3 aMWSTG). Im Gegensatz dazu knüpfte das Gesetz für andere Arten von Dienstleistungen an andere Kriterien an. Dementsprechend schloss der Umstand, dass eine Dienstleistung an einen Empfänger mit Sitz im Ausland erbracht worden war, eine Lokalisierung in der Schweiz und demnach eine Besteuerung in der Schweiz nicht kategorisch aus. Massgeblich blieb, dass die Art der erbrachten Dienstleistung klar erstellt werden konnte (BGE 133 II 153 E. 7.2).

3.2 Machte ein Steuerpflichtiger geltend, der Ort der Dienstleistung befände sich gemäss Art. 14 Abs. 3 aMWSTG im Ausland, so hatte er den entsprechenden Nachweis dafür zu erbringen. Art. 20 Abs. 1 Satz 3 aMWSTG konkretisierte diese allgemeine Regel, indem er festhielt, dass der Anspruch auf Steuerbefreiung bei ins Ausland erbrachten Dienstleistungen buch- und belegmässig nachgewiesen werden musste. Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) bestimmte dabei, wie die steuerpflichtige Person den Nachweis zu führen hatte (Art. 20 Abs. 2 aMWSTG).
Die Anforderungen an diesen Nachweis wurden durch die Verwaltungspraxis konkretisiert (für die vorliegend relevante Steuerperiode vgl. Wegleitung 2001 der ESTV zur Mehrwertsteuer N. 388 f.). Nach der Verwaltungspraxis konnte dieser Nachweis mittels Fakturakopien, Zahlungsbelegen und, soweit erstellt oder abgeschlossen, schriftlichen Vollmachten oder Verträgen und Aufträgen erbracht werden, sofern aus diesen Unterlagen der Name bzw. die Firma, die Adresse und der Wohnsitz/Sitz des Abnehmers oder Kunden (Klienten) sowie detaillierte Angaben über die Art und Verwendung der erbrachten Leistungen hervorgingen. Darüber hinaus konnte die ESTV zusätzliche Belege wie etwa eine amtliche Bescheinigung des ausländischen Ansässigkeitsstaates einfordern, wenn Zweifel daran bestanden, ob der Leistungsempfänger tatsächlich einen ausländischen Geschäfts- oder Wohnsitz hatte.
Diese Verwaltungspraxis wurde von der Rechtsprechung mehrfach bestätigt (BGE 133 II 153 E. 5.2; Urteil des Bundesgerichts 2C_614/2007 vom 17. März 2008 E. 3.4 mit weiteren Hinweisen; anstatt vieler Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1418/2006 vom 14. Mai 2008 E. 5.3 mit weiteren Hinweisen).

3.3 Am Gesagten ändert sich aufgrund von Art. 113 Abs. 3 und Art. 81 MWSTG nichts.
3.3.1 Art. 113 Abs. 3 MWSTG bezieht sich einzig auf eigentliches Verfahrensrecht und darf nicht zur rückwirkenden Anwendung von materiellem Recht führen (vgl. oben E. 2). Art. 20 Abs. 1 Satz 3 aMWSTG verlangt als Voraussetzung für eine bestimmte Rechtsfolge bestimmte Nachweise, und ist damit mit dem (alten) materiellen Recht eng verknüpft. Diese Bestimmung fällt deswegen nicht unter den Anwendungsbereich von Art. 113 Abs. 3 MWSTG. Erst recht vermag Art. 81 MWSTG, der keine intertemporalrechtliche Regel enthält, an der Anwendbarkeit von Art. 20 Abs. 1 Satz 3 aMWSTG auf altrechtliche Sachverhalte etwas zu ändern (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1113/2009 vom 23. Februar 2010 E. 3.4.3.1).
3.3.2 Hinzu kommt, dass es sich auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei Art. 20 Abs. 1 Satz 3 aMWSTG um eine Bestimmung handelt, die eine ausgesprochen enge Verknüpfung zum materiellen Recht aufweist. Dies wurde im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit von Art. 45a der Verordnung vom 29. März 2000 zum Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer (aMWSTGV, AS 2000 1347) festgehalten, der einzig Formmängel, nicht aber materiellrechtliche Vorschriften und materiellrechtliche Mängel betrifft (statt vieler: BVGE 2007/25 E. 6; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-6048/ 2008 vom 10. Dezember 2009 E. 3.3, A-7522/2006 vom 15. Dezember 2009 E. 2.5.1, je mit Hinweisen). Die Rechtsprechung hielt fest, da es sich bei Art. 20 Abs. 1 Satz 3 aMWSTG um eine materiellrechtliche Bestimmung handle, vermöge Art. 45a aMWSTGV diese nicht zu tangieren (Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1505/2006 vom 25. September 2008 E. 3.2.3, A-1344/2006 vom 11. September 2007 E. 3.3.4, 4.4, A-1416/2006 vom 27. September 2007 E. 4.4, A-1367/ 2006 vom 2. Juni 2008 E. 5.3, A-1418/2006 vom 14. Mai 2008 E. 7.3).

3.4 Zusammenfassend ist die gesetzliche Nachweisvorschrift von Art. 20 Abs. 1 aMWSTG - und die zugehörige Praxis, soweit sie von der Rechtsprechung bereits geschützt wurde, oder sonst als richtige Auslegung der gesetzlichen Vorgabe betrachtet werden kann - nach wie vor auf Sachverhalte, die dem alten Recht unterstehen, anwendbar. Dies gilt, da Art. 113 Abs. 3 MWSTG nicht zur Anwendung kommt, auch für noch hängige Fälle.

4.
4.1 Zwecks Nachweis des ausländischen Ortes der Dienstleistungen an die A._______., Cayman Islands, reichte die Beschwerdeführerin im vorinstanzlichen Verfahren ein Bestätigungsschreiben ein. In diesem Dokument, datiert auf den 11. August 2006, erklärt B._______, Eigentümer der C._______, USA, zu sein, welche ihrerseits Eigentümerin der vorliegend in Frage stehenden A._______., Cayman Islands, sei. Die Vorinstanz erwog, dass aus diesem Dokument nicht einmal der Wohnsitz des angeblichen Mehrheitsaktionärs hervorgehe und bereits aus diesem Grund der Nachweis des ausländischen Wohnsitzes der beherrschenden Person der fraglichen Gesellschaft nicht als erbracht gelten könne.
Mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht legte die Beschwerdeführerin ein weiteres Dokument ins Recht. Mit Schreiben vom 29. Januar 2008 erklärt B._______ erneut, Eigentümer der C._______, USA, zu sein, welche ihrerseits Eigentümerin der vorliegend in Frage stehenden A._______., Cayman Islands, sei. Zudem gibt er auch an, sein Wohnsitz befinde sich in Saudi Arabien.

4.2 Allein durch eine schriftliche Bestätigung einer nach eigenen Angaben im Ausland wohnhaften Person, sie sei über eine Zwischengesellschaft Eigentümerin der fraglichen Gesellschaft, kann der von Art. 20 Abs. 1 Satz 3 aMWSTG geforderte Nachweis nicht erbracht werden. An den Nachweis des ausländischen Ortes einer Dienstleistung werden strenge Anforderungen gestellt; dies liegt insbesondere darin begründet, dass im Ausland in aller Regel keine Kontrollen durchgeführt werden können und Missbräuche häufig sind (BGE 133 II 153 E. 7.2). Es ergibt sich somit, dass für die fraglichen Dienstleistungen der ausländische Ort nicht nachgewiesen werden konnte. Entsprechend können die entsprechenden Leistungen nicht als steuerbefreit angesehen werden. Die Steuernachforderung der ESTV in Höhe von Fr. ... ist damit zu Recht erfolgt. Die Beschwerde ist abzuweisen und der angefochtene Entscheid ist zu bestätigen.

5.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin nach Art. 63 Abs. 1 VwVG die Verfahrenskosten zu tragen. Sie werden nach Art. 4
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 4 Gerichtsgebühr in Streitigkeiten mit Vermögensinteresse - In Streitigkeiten mit Vermögensinteresse beträgt die Gerichtsgebühr:
des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE, SR 173.320.2) auf Fr. 1'300.-- festgesetzt und mit dem in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschusses verrechnet. Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 64 Abs. 1
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 4 Gerichtsgebühr in Streitigkeiten mit Vermögensinteresse - In Streitigkeiten mit Vermögensinteresse beträgt die Gerichtsgebühr:
VwVG).

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 1'300.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. Sie werden mit dem in gleicher Höhe geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Eine Parteientschädigung wird nicht zugesprochen.

4.
Dieses Urteil geht an:
die Beschwerdeführerin (Gerichtsurkunde)
die Vorinstanz (Ref-Nr. ...; Gerichtsurkunde)

Der vorsitzende Richter: Die Gerichtsschreiberin:

Michael Beusch Nadine Mayhall

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 4 Gerichtsgebühr in Streitigkeiten mit Vermögensinteresse - In Streitigkeiten mit Vermögensinteresse beträgt die Gerichtsgebühr:
., 90 ff. und 100 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Die Rechtsschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (vgl. Art. 42
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 4 Gerichtsgebühr in Streitigkeiten mit Vermögensinteresse - In Streitigkeiten mit Vermögensinteresse beträgt die Gerichtsgebühr:
BGG).
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Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : A-617/2008
Datum : 31. März 2010
Publiziert : 14. April 2010
Quelle : Bundesverwaltungsgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Indirekte Steuern
Gegenstand : Mehrwertsteuer (Steuerbefreiung)


Gesetzesregister
BGG: 42  82
MWSTG: 81  91  112  113
VGG: 31  33  37
VGKE: 4
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 4 Gerichtsgebühr in Streitigkeiten mit Vermögensinteresse - In Streitigkeiten mit Vermögensinteresse beträgt die Gerichtsgebühr:
VwVG: 2  5  63  64
BGE Register
107-IB-191 • 111-V-46 • 113-IA-412 • 119-IA-254 • 119-IB-103 • 122-II-113 • 122-V-405 • 123-II-385 • 126-III-431 • 130-II-270 • 130-V-1 • 131-V-164 • 132-V-368 • 133-II-153
Weitere Urteile ab 2000
2A.649/2006 • 2A.68/2003 • 2A.701/2005 • 2C_614/2007
Stichwortregister
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AS
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