Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung III

C-7511/2010

Urteil vom 20. November 2012

Richterin Ruth Beutler (Vorsitz),

Besetzung Richterin Marianne Teuscher, Richter Blaise Vuille,

Gerichtsschreiber Kilian Meyer.

E._______,
Parteien vertreten durch Rechtsanwalt Franklin Sedaj,

Beschwerdeführerin,

gegen

Bundesamt für Migration (BFM),
Quellenweg 6, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Einreiseverbot.

Sachverhalt:

A.
Die aus dem Kosovo stammende Beschwerdeführerin (geb. 1959) kam im Mai 2003 im Rahmen des Familiennachzugs zum Verbleib bei ihrem Ehemann in die Schweiz. Am 8. April 2008 widerrief die Gemeinde O._______ dessen Niederlassungsbewilligung wegen Fürsorgeabhängigkeit und stellte zudem fest, dass die Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin per 31. Januar 2008 abgelaufen und der Anspruch auf Verlängerung erloschen sei. Die gegen diesen Entscheid erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos. Das in letzter Instanz zuständige Bundesgericht hielt im Urteil 2C_74/2010 vom 10. Juni 2010 fest (E. 5.1), der
Widerruf der Niederlassungsbewilligung des Ehemannes sei rechtmässig, womit die Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf Erneuerung ihrer Aufenthaltsbewilligung habe.

B.
Die Einwohnerdienste der Stadt O._______ setzten der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann mit Schreiben vom 23. Juni 2010 eine Ausreisefrist bis zum 31. August 2010. Die Beschwerdeführerin liess diese Frist
ungenutzt verstreichen. Gemeinsam mit ihrem Ehemann wurde sie am 11. Oktober 2010 polizeilich angehalten und nach Pristina ausgeschafft. Gleichentags gewährte ihnen die Kantonspolizei Bern morgens um 04:55 Uhr das rechtliche Gehör zu einer allfälligen Fernhaltemassnahme.

C.
Mit Verfügung vom 11. Oktober 2010 verhängte das Bundesamt für
Migration (BFM, Vorinstanz) gegen die Beschwerdeführerin ein ab sofort geltendes dreijähriges Einreiseverbot. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, die Beschwerdeführerin habe wegen illegalen Aufenthalts trotz behördlich verfügter Wegweisung gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstossen und habe in der Folge ausgeschafft werden müssen (Art. 67 Abs. 1 Bst. a und c AuG). Dies führte zu einer Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) und bewirkte damit ein Einreiseverbot für das gesamte Gebiet der Schengen-Staaten. Diese Verfügung wurde der Beschwerdeführerin am 11. Oktober 2010 morgens um 08:50 Uhr eröffnet und gegen Empfangsbescheinigung ausgehändigt.

D.
Mit Beschwerde vom 14. Oktober 2010 lässt die Beschwerdeführerin beantragen, das von der Vorinstanz verhängte Einreiseverbot sei aufzuheben und auf ein neuerliches Gesuch hin sei ihr das Aufenthaltsrecht bzw. ein Einreisevisum für die Schweiz zu gewähren. Sie habe nicht gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstossen. Sie besitze das "Visum B . Nach dem Schreiben der Gemeinde O._______ vom 31. August 2010 hätten ihr Ehemann und sie die Schweiz freiwillig verlassen. Sie seien anständige Menschen, die ihre Arbeit im Restaurant C._______ in O._______ fortsetzen möchten. Ihr Ehemann sei Hilfskoch und könne diese Arbeit ab sofort selbständig ausführen. Auch eine Wohnmöglichkeit sei vorhanden. Ausserdem sei ein Verfahren betreffend Invalidenrente hängig. Der behandelnde Arzt Dr. med. A._______ bestätige, dass ihr Ehemann in der Schweiz bleiben müsse, weil er im Kosovo nicht integriert werden könne. Es lägen daher alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung des Einreisevisums bzw. des Aufenthaltsrechts vor.

E.
Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schreiben vom 14. Dezember 2010 sinngemäss die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege (Befreiung von der Pflicht zur Leistung eines Kostenvorschusses). Das Bundesverwaltungsgericht wies dieses Gesuch mit Zwischenverfügung vom 28. Januar 2011 zufolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde ab.

F.
Die Vorinstanz beantragt mit Vernehmlassung vom 22. März 2011 die Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdeschrift enthalte keine neuen erheblichen Tatsachen oder Beweismittel, die eine Änderung ihres Entscheids rechtfertigen könnten. Falls erforderlich, könne das Einreiseverbot für ärztliche Untersuchungen in der Schweiz auf begründetes Gesuch hin befristet suspendiert werden.

G.

Auf den weiteren Akteninhalt wird, soweit erheblich, in den nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

1.1 Gemäss Art. 31 des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (VGG, SR 173.32) beurteilt das Bundesverwaltungsgericht Beschwerden gegen Verfügungen im Sinne von Art. 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 (VwVG, SR 172.021), sofern keine Ausnahme nach Art. 32 VGG vorliegt. Als Vorinstanzen gelten die in Art. 33 VGG genannten Behörden. Dazu gehört auch das BFM, das mit der Anordnung eines Einreiseverbotes eine Verfügung im erwähnten
Sinne und daher ein zulässiges Anfechtungsobjekt erlassen hat. Eine Ausnahme nach Art. 32 VGG liegt nicht vor.

1.2 Das Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht richtet sich nach dem VwVG, soweit das Verwaltungsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt (Art. 37 VGG).

1.3 Die Beschwerdeführerin ist als Verfügungsadressatin zur Beschwerde legitimiert (Art. 48 Abs. 1 VwVG). Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (Art. 50 und 52 VwVG).

1.4 Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in der vorliegenden Angelegenheit endgültig (Art. 83 Bst. c Ziff. 1 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).

2.
Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes sowie - falls nicht eine kantonale Behörde als Beschwerdeinstanz verfügt hat - die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG an die Begründung der Begehren nicht gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend ist grundsätzlich die Sachlage zum Zeitpunkt seines Entscheides (vgl. BVGE 2011/1 E. 2).

3.

3.1 Auf den 1. Januar 2011 trat als Folge der Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes eine neue Fassung von Art. 67 AuG in Kraft (zum Ganzen vgl. BBl 2009 8881 und AS 2010 5925). Nach Art. 67 Abs. 1 AuG wird ein Einreiseverbot vom BFM unter Vorbehalt von Abs. 5 gegenüber weggewiesenen Ausländerinnen und Ausländern verfügt, wenn die Wegweisung nach Art. 64d Abs. 2 Bst. a - c AuG sofort vollstreckt wird (Art. 67 Abs. 1 Bst. a AuG) oder die betroffene Person der Ausreiseverpflichtung nicht innert Frist nachgekommen ist (Art. 67 Abs. 1 Bst. b AuG). Es kann nach Art. 67 Abs. 2 AuG sodann gegen ausländische Personen erlassen werden, die gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen haben oder diese gefährden (Art. 67 Abs. 2 Bst. a AuG), Sozialhilfekosten verursacht haben (Art. 67 Abs. 2 Bst. b AuG) oder in Vorbereitungs-, Ausschaffungs- oder Durchsetzungshaft genommen worden sind (Art. 67 Abs. 2 Bst. c AuG). Das Einreiseverbot wird für eine Dauer von höchstens fünf Jahren verhängt. Es kann für eine längere Dauer verfügt werden, wenn die betroffene Person eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt (Art. 67 Abs. 3 AuG). Schliesslich kann die verfügende Behörde aus humanitären oder anderen wichtigen Gründen von der Verhängung eines Einreiseverbots absehen oder ein Einreiseverbot vollständig oder
vorübergehend aufheben (Art. 67 Abs. 5 AuG).

3.2 Die Vorinstanz stützte das Einreiseverbot auf die Art. 67 Abs. 1 Bst. a und c AuG in der Fassung vom 1. Januar 2008 (AS 2007 5457). Die letztgenannte Bestimmung, nach der ein Einreiseverbot gegenüber einer Person verhängt werden konnte, welche ausgeschafft worden war, wurde im Zuge der Gesetzesrevision gestrichen. Dies geschah mit der Begründung, es müsse fortan gestützt auf den neuen Art. 67 Abs. 1 AuG "in diesen Fällen grundsätzlich immer ein Einreiseverbot verhängt werden (BBl 2009 8896 ad Art. 67 Abs. 2 in fine). Der neue Art. 67 Abs. 1 Bst. a AuG ist demnach anwendbar, wobei aufgrund des Rückwirkungsverbots die erst nach Erlass der angefochtenen Verfügung ins Gesetz aufgenommene starke Einschränkung des Entschliessungsermessens nicht vorgenommen werden darf (vgl. BBl 2009 8896 ad Art. 67 Abs. 1 AuG). Die zuvor in Art. 67 Abs. 1 Bst. a AuG geregelte Fernhaltung wegen Gefährdung oder Verletzung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wurde unverändert in Abs. 2 Bst. a der neuen Norm übernommen. Diesbezüglich kann vorbehaltlos auf das neue Recht abgestellt werden.

3.3 Der Bund kann ein Einreiseverbot gegenüber einer Person verfügen, die Sozialhilfekosten verursacht hat (vgl. Art. 67 Abs. 2 Bst. b AuG in der Fassung vom 1. Januar 2011 bzw. den gleich lautenden Art. 67 Abs. 1 Bst. b AuG in der Fassung vom 1. Januar 2008). Obwohl sich die Vorinstanz in der Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht auf diese Bestimmung gestützt hat, ist der Fernhaltegrund der Sozialhilfeabhängigkeit bei der Beurteilung der Rechtmässigkeit der angefochtenen Verfügung im Rahmen der Rechtsanwendung von Amtes wegen dennoch zu beachten. Gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG kann das Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen (zur Motivsubstitution vgl. Alfred Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, Rz. 677).

3.4 Wird gegen eine Person, die nicht das Bürgerrecht eines Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzt (Drittstaatsangehörige), ein Einreiseverbot verhängt, wird diese Person gestützt auf Art. 94 Abs. 1 und Art. 96 des Übereinkommens vom 19. Juni 1990 zur Durchführung des Übereinkommens betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (Schengener Durchführungsübereinkommen [SDÜ], Abl. L 239 vom 22. September 2000, S. 19-62) und Art. 16 Abs. 2 und 4 des Bundesgesetzes vom 13. Juni 2008 über die polizeilichen Informationssysteme des Bundes (BPI, SR 361) in der Regel im Schengener Informationssystem ([SIS], vgl. Art. 92 ff. SDÜ) zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben. Diese Ausschreibung bewirkt grundsätzlich, dass der Person die Einreise in das Hoheitsgebiet der Schengen-Mitgliedstaaten verboten ist (vgl. Art. 5 Abs. 1 Bst d und Art. 13 Abs. 1 der Verordnung [EG] Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen [Schengener Grenzkodex bzw. SGK, Abl. L 105 vom 13. April 2006, S. 1-32]). Vorbehalten bleibt die Kompetenz der Mitgliedstaaten, einer solchen Person aus humanitären Gründen oder Gründen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen die Einreise in das eigene Hoheitsgebiet zu gestatten (Art. 13 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 4 Bst. c SGK) bzw. ihr zu diesem Zweck ein Schengen-Visum mit räumlich beschränkter Gültigkeit auszustellen (Art. 25 Abs. 1 Bst. a [ii] der Verordnung [EG] Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft [Visakodex], Abl. L 243 vom 15. September 2009).

4.

Das in Art. 67 AuG geregelte Einreiseverbot bildet eine Massnahme zur Abwendung einer künftigen Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (vgl. Botschaft zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März 2002 [nachfolgend: Botschaft], BBl 2002 3813). Die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 67 Abs. 2 Bst. a AuG bildet den Oberbegriff für die Gesamtheit der polizeilichen Schutzgüter; sie umfasst unter anderem die Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung und der Rechtsgüter Einzelner (Botschaft, a.a.O., 3809; vgl. auch Rainer J. Schweizer/Patrick Sutter/Nina Widmer, in: Rainer J. Schweizer [Hrsg.], Sicherheits- und Ordnungsrecht des Bundes, SBVR Bd. III/1, Basel 2008, Teil B, Rz. 12 und 13 mit Hinweisen). In diesem Sinne liegt nach Art. 80 Abs. 1 Bst. a
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
VZAE Art. 80
der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE, SR 142.201) ein Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung unter anderem dann vor, wenn gesetzliche Vorschriften oder behördliche Verfügungen missachtet werden. Widerhandlungen des Ausländerrechts fallen unter diese Begriffsbestimmung und können als solche ein Einreiseverbot nach sich ziehen (vgl. BBl 2002 3813). Die Verhängung eines Einreiseverbots knüpft an das Bestehen eines Risikos einer künftigen Gefährdung an. Es ist daher gestützt auf die gesamten Umstände des Einzelfalls eine entsprechende Prognose zu stellen. Dabei ist naturgemäss in erster Linie das vergangene Verhalten der betroffenen Person zu
berücksichtigen (vgl. dazu ausführlich das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C 820/2009 vom 9. März 2011 E. 5 mit Hinweisen).

5.

5.1 Die Vorinstanz stützt das Einreiseverbot primär auf Art. 67 Abs. 2 Bst. a AuG (Art. 67 Abs. 1 Bst. a in der Fassung vom 1. Januar 2008). Die Beschwerdeführerin habe sich nach der Wegweisung illegal in der Schweiz aufgehalten und damit gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstossen. Aus den Akten geht hervor, dass die Gemeinde O._______ nach dem negativen Entscheid des Bundesgerichts der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann mit Schreiben vom 23. Juni 2010 eine Ausreisefrist bis zum 31. August 2010 setzte. Diese liessen die Ausreisefrist jedoch ungenutzt verstreichen und wurden in der Folge am 11. Oktober 2010 polizeilich angehalten und ausgeschafft. Entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführerin ist demnach aktenmässig klar erstellt, dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann die Schweiz trotz behördlich verfügter Wegweisung nicht verliessen und sich vom 1. September 2010 bis zu ihrer Ausschaffung am 11. Oktober 2010 illegal in der Schweiz aufhielten. Auf diese Weise haben sie gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstossen (vgl. Art. 11 Abs. 1
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
VZAE Art. 80
und Art. 115 Abs. 1 Bst. b
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
VZAE Art. 80
AuG sowie Art. 80 Abs. 1
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
VZAE Art. 80
VZAE).

5.2 Die Beschwerdeführerin wurde am 11. Oktober 2010 gemeinsam mit ihrem Ehemann ausgeschafft (vgl. Sachverhalt Bst. B). Damit liegt ein weiterer Grund für die Verhängung einer Fernhaltemassnahme vor (vgl. Art. 67 Abs. 1 Bst. c
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
VZAE Art. 80
AuG in der Fassung vom 1. Januar 2008 bzw. Art. 67 Abs. 1 Bst. a AuG in der Fassung vom 1. Januar 2011).

5.3 Eine Fernhaltemassnahme kann sodann gegen ausländische Personen verhängt werden, welche bereits Sozialhilfekosten verursacht haben, da in diesen Fällen die Gefahr besteht, dass sie erneut auf sozialhilferechtliche Unterstützung angewiesen sein könnten (vgl. 67 Abs. 2 Bst. b AuG sowie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-4941/2008 vom 23. November 2009 E. 6.2 mit Hinweis). Dieser Fernhaltegrund ist vorliegend von Amtes wegen zu beachten (s. vorne, E. 3.3). Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann haben gemäss den vorinstanzlichen Akten bis März 2008 Sozialhilfeleistungen im Umfang von rund Fr. 252'000.- bezogen. Das Bundesgericht hielt überdies im Urteil 2C_74/2010 fest (E. 3.4), dass sie auch zu diesem Zeitpunkt in beträchtlichem Umfang Sozialhilfe bezogen, wobei nicht ersichtlich sei, dass sich ihre prekäre Einkommenssituation demnächst verbessern werde. Es steht daher fest, dass die Beschwerdeführerin Sozialhilfekosten verursacht hat. Die Wahrscheinlichkeit ist erheblich, dass sie im Falle einer Wiedereinreise wiederum von der Sozialhilfe unterstützt werden müsste. Damit liegt ein weiterer, alternativer Fernhaltegrund vor.

5.4 In Bezug auf die Einwendungen der Beschwerdeführerin ist festzuhalten, dass die gesetzten Fernhaltegründe aktenmässig klar erstellt sind. Die Behauptungen, die Ausreise sei freiwillig erfolgt und die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann hätten nach wie vor eine Aufenthalts- bzw. Niederlassungsbewilligung, sind unzutreffend. Die entsprechenden Bewilligungen wurden bereits vor geraumer Zeit wegen Sozialhilfeabhängigkeit widerrufen bzw. nicht erneuert, was das Bundesgericht am 10. Juni 2010 in letzter Instanz bestätigte. Der Gemeinderat der Stadt O._______ teilte dies dem Ehemann der Beschwerdeführerin auf dessen Anfrage hin mit Schreiben vom 19. August 2010 noch einmal schriftlich mit und wies ihn dabei ausdrücklich darauf hin, dass das Nichteinhalten der am 31. August 2010 endenden Ausreisefrist die Ausschaffung zur Folge haben werde.

5.5 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass mehrere hinreichende
Gründe für die Verhängung einer Fernhaltemassnahme vorliegen.

6.

6.1 Zu prüfen bleibt, ob die Massnahme in richtiger Ausübung des
Ermessens ergangen und angemessen ist. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit steht dabei im Vordergrund. Unter diesem Gesichtspunkt ist eine wertende Abwägung vorzunehmen zwischen dem öffentlichen Interesse an der Massnahme einerseits und den von der Massnahme beeinträchtigten privaten Interessen der betroffenen Person andererseits. Die Stellung der verletzten oder gefährdeten Rechtsgüter, die Besonderheiten des ordnungswidrigen Verhaltens und die persönlichen Verhältnisse der Verfügungsbelasteten bilden dabei den Ausgangspunkt der Überlegungen (vgl. statt vieler Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2010, Rz. 613 ff.).

6.2 Die Beschwerdeführerin hat die Schweiz trotz behördlich verfügter Wegweisung nicht verlassen, sich mithin illegal im Land aufgehalten und musste ausgeschafft werden. Aus dem manifestierten Verhalten der Beschwerdeführerin ist auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu schliessen. Das Einreiseverbot hat in erster Linie präventiven Charakter, um einem künftigen illegalen Aufenthalt entgegenzuwirken. Den ausländerrechtlichen Normen kommt im Interesse einer funktionierenden Rechtsordnung grundsätzlich eine zentrale Bedeutung zu. Das generalpräventiv motivierte Interesse, die ausländerrechtliche Ordnung durch eine konsequente Massnahmenpraxis zu schützen, ist als gewichtig zu betrachten. Überdies liegt eine spezialpräventive Zielsetzung der Massnahme darin, dass sie die Betroffene ermahnt, bei einer allfälligen künftigen Wiedereinreise in die Schweiz nach Ablauf der Dauer des Einreiseverbots die für sie geltenden Regeln einzuhalten (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-2771/2010 vom 3. Februar 2012 E. 6.1). Die Vorinstanz war demnach berechtigt, zur Abwendung künftiger Störungen ein Einreiseverbot zu verhängen. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerin während ihrem Aufenthalt in der Schweiz in erheblicher Höhe Sozialhilfekosten verursacht hat. Dies lässt befürchten, dass sie im Falle einer Wiedereinreise erneut von der Sozialhilfe unterstützt werden müsste. Nach dem Gesagten besteht ein gewichtiges öffentliches Interesse an der
befristeten Fernhaltung der Beschwerdeführerin.

6.3 Die Beschwerdeführerin bringt als persönliches Interesse vor, sie wolle ihre Arbeit in einem Restaurant fortsetzen. Zudem sei sie in ärztlicher Behandlung und es sei ein IV-Verfahren hängig. In Bezug auf die Arbeit ist darauf hinzuweisen, dass ein mit Erwerbstätigkeit verbundener Aufenthalt in der Schweiz bewilligungspflichtig ist (Art. 11
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
VZAE Art. 80
AuG). Diese Bewilligung wurde jedoch nicht mehr erneuert, was das Bundesgericht im Jahr 2010 in letzter Instanz bestätigt hat (vgl. Sachverhalt Bst. A). Eine allfällige neuerliche Bewilligung ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, welches einzig das von der Vorinstanz verhängte Einreiseverbot
betrifft. Die Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen fällt grundsätzlich in die Zuständigkeit der Kantone, wobei im Falle einer Bewilligungserteilung auch das bestehende Einreiseverbot aufzuheben wäre (vgl. das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-4941/2008 E. 7.3 mit Hinweis). Ob derzeit wie behauptet noch ein IV-Verfahren rechtshängig ist, kann
sodann offen bleiben, zumal ein dauerhafter persönlicher Aufenthalt der
Beschwerdeführerin in der Schweiz deswegen nicht erforderlich ist. Die Beschwerdeführerin kann sich im Verfahren vertreten lassen oder ein
Zustellungsdomizil in der Schweiz bezeichnen (vgl. Art. 37
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
VZAE Art. 80
und Art. 55
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
VZAE Art. 80
des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts [ATSG, SR 830.1] sowie Art. 11b
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
VZAE Art. 80
VwVG). Sollte die Beschwerdeführerin für einzelne Verfahrenshandlungen (z.B. für medizinische Abklärungen) oder für besondere ärztliche Behandlungen zwingend in die Schweiz reisen müssen, steht ihr die Möglichkeit offen, aus wichtigen Gründen die zeitweilige Suspension der angeordneten Fernhaltemassnahme zu beantragen (Art. 67 Abs. 5 AuG). Dies gilt ebenso für allfällige Besuche bei ihrem erwachsenen Sohn, der in der Schweiz lebt und im Kanton Bern über eine Niederlassungsbewilligung verfügt.
Eine Suspension des Einreiseverbots wird jedoch praxisgemäss nur für eine kurze, klar begrenzte Zeit gewährt (vgl. das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts C-3304/2009 vom 18. Januar 2012 E. 7.2 in fine mit Hinweis und Urteil C-5426/2009 vom 5. Mai 2010 E. 5). Die Vorbringen der Beschwerdeführerin rechtfertigen es mithin nicht, von einem Einreiseverbot abzusehen. Das dargelegte öffentliche Interesse fällt hingegen stark ins Gewicht. Eine wertende Gewichtung der sich entgegenstehenden Interessen führt zum Ergebnis, dass das auf drei Jahre befristete
Einreiseverbot sowohl vom Grundsatz her als auch in Bezug auf seine Dauer eine verhältnismässige und angemessene Massnahme zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt.

7.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die angefochtene Verfügung Bundesrecht nicht verletzt und den rechtserheblichen Sachverhalt richtig und vollständig feststellt; sie ist auch angemessen (vgl. Art. 49 VwVG). Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

8.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die unterliegende Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 63 Abs. 1
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
VZAE Art. 80
VwVG). Die Verfahrenskosten sind auf Fr. 700.- festzusetzen (Art. 1
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 1 Verfahrenskosten
1    Die Kosten der Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (Gericht) setzen sich zusammen aus der Gerichtsgebühr und den Auslagen.
2    Mit der Gerichtsgebühr sind die Kosten für das Kopieren von Rechtsschriften und der für Dienstleistungen normalerweise anfallende Verwaltungsaufwand wie Personal-, Raum- und Materialkosten sowie Post-, Telefon- und Telefaxspesen abgegolten.
3    Auslagen sind insbesondere die Kosten für Übersetzungen und für die Beweiserhebung. Die Kosten für Übersetzungen werden nicht verrechnet, wenn es sich um Übersetzungen zwischen Amtssprachen handelt.
, Art. 2
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 2 Bemessung der Gerichtsgebühr
1    Die Gerichtsgebühr bemisst sich nach Umfang und Schwierigkeit der Streitsache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien. Vorbehalten bleiben spezialgesetzliche Kostenregelungen.
2    Das Gericht kann bei der Bestimmung der Gerichtsgebühr über die Höchstbeträge nach den Artikeln 3 und 4 hinausgehen, wenn besondere Gründe, namentlich mutwillige Prozessführung oder ausserordentlicher Aufwand, es rechtfertigen.2
3    Bei wenig aufwändigen Entscheiden über vorsorgliche Massnahmen, Ausstand, Wiederherstellung der Frist, Revision oder Erläuterung sowie bei Beschwerden gegen Zwischenentscheide kann die Gerichtsgebühr herabgesetzt werden. Der Mindestbetrag nach Artikel 3 oder 4 darf nicht unterschritten werden.
und Art. 3 Bst. b
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 3 Gerichtsgebühr in Streitigkeiten ohne Vermögensinteresse - In Streitigkeiten ohne Vermögensinteresse beträgt die Gerichtsgebühr:
a  bei einzelrichterlicher Streiterledigung: 200-3000 Franken;
b  in den übrigen Fällen: 200-5000 Franken.
des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]).

Dispositiv S. 11

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Verfahrenskosten von Fr. 700.- werden der Beschwerdeführerin
auferlegt und mit dem am 8. Februar 2011 geleisteten Kostenvorschuss gleicher Höhe verrechnet.

3.
Dieses Urteil geht an:

- die Beschwerdeführerin (Einschreiben)

- die Vorinstanz (Ref-Nr. [...]; Akten retour)

- den Migrationsdienst der Stadt O.______ (Einschreiben; Akten retour)

- den Migrationsdienst des Kantons Bern

Die vorsitzende Richterin: Der Gerichtsschreiber:

Ruth Beutler Kilian Meyer

Versand:
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : C-7511/2010
Datum : 20. November 2012
Publiziert : 05. Dezember 2012
Quelle : Bundesverwaltungsgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Bürgerrecht und Ausländerrecht
Gegenstand : Einreiseverbot


Gesetzesregister
ATSG: 37  55
AuG: 11  64d  67  115
BGG: 83
BPI: 16
VGG: 31  32  33  37
VGKE: 1 
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 1 Verfahrenskosten
1    Die Kosten der Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (Gericht) setzen sich zusammen aus der Gerichtsgebühr und den Auslagen.
2    Mit der Gerichtsgebühr sind die Kosten für das Kopieren von Rechtsschriften und der für Dienstleistungen normalerweise anfallende Verwaltungsaufwand wie Personal-, Raum- und Materialkosten sowie Post-, Telefon- und Telefaxspesen abgegolten.
3    Auslagen sind insbesondere die Kosten für Übersetzungen und für die Beweiserhebung. Die Kosten für Übersetzungen werden nicht verrechnet, wenn es sich um Übersetzungen zwischen Amtssprachen handelt.
2 
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 2 Bemessung der Gerichtsgebühr
1    Die Gerichtsgebühr bemisst sich nach Umfang und Schwierigkeit der Streitsache, Art der Prozessführung und finanzieller Lage der Parteien. Vorbehalten bleiben spezialgesetzliche Kostenregelungen.
2    Das Gericht kann bei der Bestimmung der Gerichtsgebühr über die Höchstbeträge nach den Artikeln 3 und 4 hinausgehen, wenn besondere Gründe, namentlich mutwillige Prozessführung oder ausserordentlicher Aufwand, es rechtfertigen.2
3    Bei wenig aufwändigen Entscheiden über vorsorgliche Massnahmen, Ausstand, Wiederherstellung der Frist, Revision oder Erläuterung sowie bei Beschwerden gegen Zwischenentscheide kann die Gerichtsgebühr herabgesetzt werden. Der Mindestbetrag nach Artikel 3 oder 4 darf nicht unterschritten werden.
3
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 3 Gerichtsgebühr in Streitigkeiten ohne Vermögensinteresse - In Streitigkeiten ohne Vermögensinteresse beträgt die Gerichtsgebühr:
a  bei einzelrichterlicher Streiterledigung: 200-3000 Franken;
b  in den übrigen Fällen: 200-5000 Franken.
VZAE: 80
SR 142.201 Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE)
VZAE Art. 80
VwVG: 5  11b  48  49  50  52  62  63
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einreiseverbot • bundesverwaltungsgericht • vorinstanz • dauer • sachverhalt • bundesgericht • gewicht • betroffene person • niederlassungsbewilligung • sozialhilfe • frist • mitgliedstaat • ausschaffung • letzte instanz • gemeinde • aufenthaltsbewilligung • von amtes wegen • verhalten • schengen-besitzstand • einreise
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BVGE
2011/1
BVGer
C-2771/2010 • C-3304/2009 • C-4941/2008 • C-5426/2009 • C-7511/2010 • C-820/2009
AS
AS 2010/5925 • AS 2007/5457
BBl
2002/3813 • 2009/8881 • 2009/8896
EU Amtsblatt
2000 L239 • 2006 L105 • 2009 L243