Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung I

A-1017/2012

Urteil vom 18. September 2012

Richter Markus Metz (Vorsitz),

Besetzung Richter Michael Beusch, Richter Daniel Riedo,

Gerichtsschreiber Jürg Steiger.

A._______,
Parteien
Beschwerdeführer,

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV, Hauptabteilung Mehrwertsteuer, Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern,

Vorinstanz.

Gegenstand Mehrwertsteuer, Restaurant, Umsatzschätzung (1. Quartal 2008 bis 4. Quartal 2009).

Sachverhalt:

A.
A._______ betrieb von 2008 bis Mitte 2010 ein Restaurant mit dem Namen "X._______" in Contone (Kanton Tessin). Er ist deshalb - und aufgrund weiterer Aktivitäten - seit dem 1. Januar 2008 im Register der Mehrwertsteuerpflichtigen bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) eingetragen. An verschiedenen Tagen in den Monaten März, April und Mai 2011 führte die ESTV eine Kontrolle durch, die sich auf die Steuerperioden vom 1. Quartal 2008 bis 4. Quartal 2009 erstreckte. Dabei stellte sie fest, das Verhältnis zwischen Materialeinkauf und Umsatz weiche stark von ihren Erfahrungszahlen für vergleichbare Restaurantbetriebe ab.

B.
Aufgrund ihrer Kontrolle nahm die ESTV eine Schätzung des Umsatzes vor. In der Folge forderte sie mit ihrer Einschätzungsmitteilung Nr. 452'441 vom 9. September 2011 für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2009 Fr. 22'800.-- Mehrwertsteuer zuzüglich Verzugszins nach. Dagegen erhob A._______ am 4. Oktober 2011 Einsprache und verlangte die Aufhebung der Einschätzungsmitteilung. Er habe alle Umsätze verbucht und deklariert. Es seien indessen in einem grossen Ausmass verdorbene Lebensmittel angefallen. Dies erkläre den relativ hohen Materialeinkauf und das Abweichen von den Erfahrungszahlen.

C.
Mit Einspracheentscheid vom 23. Januar 2012 wies die ESTV die Einsprache ab und erkannte, A._______ schulde ihr für die Steuerperioden vom 1. Quartal 2008 bis 4. Quartal 2009 Fr. 22'800.-- Mehrwertsteuer zuzüglich Verzugszins. Zur Begründung legte sie im Wesentlichen dar, die ausgewiesenen Umsätze der Jahre 2008 und 2009 stimmten offensichtlich nicht mit dem wirklichen Sachverhalt überein. Sie habe deshalb eine Schätzung vornehmen müssen. Aufgrund der Lieferantenrechnungen und der Getränkekarte habe sie die Zuschlagssätze für die Verkäufe von Wein (189%; wobei der Materialeinkauf 100% entspricht), Bier (246%), Spirituosen (330%) sowie Mineralwasser und Säfte (278%) individuell ermitteln können. Die Höhe dieser Zuschlagssätze entspreche ihren Erfahrungszahlen für die Kategorie "andere Restaurants". Für die Verkäufe von Speisen (Küche) sowie Kaffee habe sie keine individuellen Zuschlagssätze ermitteln können und deshalb die betreffenden Erfahrungszahlen der genannten Kategorie "andere Restaurants" angewendet. Für die Speisen sei sie von einem Zuschlag von 160% und für den Kaffee von einem solchen von 900% ausgegangen. Diese Kalkulation habe gesamthaft zu einem Materialaufwand von 32,7% (gemessen am Umsatz) geführt. Die Differenz zwischen dem auf diese Weise kalkulatorisch ermittelten und dem verbuchten Umsatz betrage insgesamt Fr. 300'000.--. Daraus resultiere eine Steuernachforderung von Fr. 22'800.--. Im Weiteren sei die Behauptung von A._______, die Differenz ergebe sich aufgrund von verdorbenen Lebensmitteln, nicht glaubhaft. Nach dieser Argumentation hätten vorliegend 60% der Lebensmitteleinkäufe entsorgt werden müssen. Dies sei absolut unrealistisch.

D.
Am 22. Februar 2012 führte A._______ (Beschwerdeführer) Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 23. Januar 2012 an das Bundesverwaltungsgericht. Er stellt folgende Rechtsbegehren: "(1) Der Einspracheentscheid der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 23. Januar 2012 betreffend MWST (1. Quartal 2008 bis 4. Quartal 2009; Umsatzschätzung) sei aufzuheben. (2) Die Einschätzungsmitteilung-Nr. 452 441 der ESTV Hauptabteilung MWST vom 9. September 2011 sei aufzuheben und auf die Steuerkorrektur von Fr. 22'800.-- zu verzichten. (3) Eventualiter seien der Einspracheentscheid und die Einschätzungsmitteilung aufzuheben und die Sache im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. (4) Unter Kosten- und Entschädigungsfolge zulasten der Eidgenössischen Steuerverwaltung".

Zur Begründung legte er im Wesentlichen dar, er habe das Restaurant eröffnet, ohne Erfahrung in der Gastronomie gehabt zu haben. Er habe eine Gerantin und einen Koch angestellt. Auch diese hätten indessen über keine relevante Erfahrung verfügt. Im ersten Betriebsjahr (2008) habe er einen Betriebsverlust von Fr. 458'318.-- und im zweiten Jahr (2009) einen solchen von Fr. 362'536.40 erzielt. Mitte 2010 habe er das Restaurant geschlossen. Hätte er den von der ESTV aufgerechneten Umsatz erzielt, hätte er den Betrieb wohl nicht mangels Erfolg schliessen müssen.

Die ESTV habe ihre Untersuchungspflicht verletzt, da sie nicht geprüft habe, ob besondere Verhältnisse vorlägen, welche die Abweichungen von ihren Erfahrungszahlen erklären könnten. Der Misserfolg mit dem Restaurant beruhe gerade auf einem Missverhältnis zwischen Materialeinsatz und Umsatz. Zudem seien noch weitere besondere Umstände dazugekommen, insbesondere zu viele Angestellte und zu hohe Löhne. Diesen besonderen Umständen sei die ESTV nicht nachgegangen. Sie habe namentlich die Tatsache der Schliessung des Betriebs in keiner Art und Weise berücksichtigt. Die von der ESTV herangezogenen Vergleichszahlen würden sich auf "andere Restaurants" beziehen, die offensichtlich überlebensfähig seien und Gewinne abwerfen würden. Die ESTV hätte Vergleichszahlen von Betrieben heranziehen müssen, die nur knapp zwei Jahre existierten und danach mangels Erfolg hätten geschlossen werden müssen. Im Übrigen habe er in der Promotionsphase die Essen viel zu billig abgegeben, in der Hoffnung auf diese Weise Gäste zu gewinnen.

Im Weiteren habe er Anspruch zu erfahren, wie und auf welcher Grundlage die ESTV die Einzelkalkulationen vorgenommen habe und zum Schluss gekommen sei, die Zuschlagssätze lägen "in der Bandbreite der Erfahrungszahlen". Die ESTV sei aufzufordern, die entsprechenden Daten offenzulegen. Im Übrigen widerspreche der Umstand, dass die ESTV für die Positionen "Küche" und "Kaffee" keine Einzelkalkulationen habe vornehmen können, der erwähnten Schlussfolgerung der ESTV.

E.
In ihrer Vernehmlassung vom 24. April 2012 schliesst die ESTV auf Abweisung der Beschwerde unter Kostenfolge zulasten des Beschwerdeführers. Die ESTV legt insbesondere dar, ihre Einzelkalkulationen der Getränke (ohne Kaffee) stützten sich ausschliesslich auf die Lieferantenrechnungen und die Getränkekarte des Beschwerdeführers. Die Einzelkalkulationen für Wein, Bier, Spirituosen sowie Mineral führten zu Zuschlagssätzen, die der Restaurantkategorie "andere Restaurants" entsprechen würden. Sie habe deshalb für die Kalkulation des Umsatzes mit Speisen und Kaffee ebenfalls Erfahrungszahlen der genannten Restaurantkategorie herangezogen, obwohl das Restaurant "X._______" vom Typ eher einem Landgasthof entspreche. Mit der Vernehmlassung reichte die ESTV ein "vertrauliches Dossier" mit Auswertungen zu Landgasthöfen im Tessin ein.

Auf die Eingaben der Parteien wird - soweit entscheidwesentlich - im Rahmen der nachfolgenden Erwägungen eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:

1.

1.1 Das Bundesverwaltungsgericht beurteilt gemäss Art. 31 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG, SR 173.32) Beschwerden gegen Verfügungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021), sofern keine Ausnahme nach Art. 32 VGG gegeben ist. Eine solche liegt hier nicht vor, und die Vorinstanz ist eine Behörde im Sinn von Art. 33 VGG. Das Bundesverwaltungsgericht ist demnach für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde sachlich zuständig.

1.2 Hinsichtlich der funktionalen Zuständigkeit ist Folgendes zu bemerken: Im vorliegenden Fall wurde eine als "Einspracheentscheid" bezeichnete Verfügung der Vorinstanz angefochten.

1.2.1

1.2.1.1 Die Einsprache ist das vom Gesetz besonders vorgesehene förmliche Rechtsmittel, mit dem eine Verfügung bei der verfügenden Verwaltungsbehörde zwecks Neuüberprüfung angefochten wird. Die Einsprache ist kein devolutives Rechtsmittel, das die Entscheidungszuständigkeit an eine Rechtsmittelinstanz übergehen lässt (vgl. BGE 132 V 368 E. 6.1, 131 V 407 E. 2.1.2.1; Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl., Zürich/St. Gallen 2010, N. 1815). Das Einspracheverfahren ermöglicht eine Abklärung komplexer tatsächlicher oder rechtlicher Verhältnisse und eine umfassende Abwägung der verschiedenen von einer Verfügung berührten Interessen (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-4506/2011 vom 30. April 2012 E. 1.2.1.1).

1.2.1.2 Im Bereich der Mehrwertsteuer ist das Einspracheverfahren in Art. 83 des Bundesgesetzes vom 12. Juni 2009 über die Mehrwertsteuer (MWSTG, SR 641.20) gesetzlich vorgesehen. Eine Ausnahme hierzu bildet die sog. "Sprungbeschwerde": Richtet sich die Einsprache gegen eine einlässlich begründete Verfügung der ESTV, so ist sie auf Antrag oder mit Zustimmung des Einsprechers als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht weiterzuleiten (Art. 83 Abs. 4 MWSTG).

1.2.2 Der Erlass eines Einspracheentscheids setzt ausführungsgemäss voraus, dass vorgängig eine Verfügung erging, welche überhaupt Gegenstand eines Einspracheverfahrens bilden kann. Die Vorinstanz sieht diese Verfügung in der Einschätzungsmitteilung vom 9. September 2011. Das Gesetz nennt die Einschätzungsmitteilung u.a. im Zusammenhang mit Kontrollen durch die ESTV bei der steuerpflichtigen Person. Eine solche Kontrolle wird mit einer Einschätzungsmitteilung abgeschlossen (vgl. Art. 78 Abs. 5 MWSTG). In der Lehre wird die Auffassung, die Einschätzungsmitteilung stelle eine Verfügung dar, wiederholt als unzutreffend kritisiert (vgl. Ivo P. Baumgartner/Diego Clavadetscher/Martin Kocher, Vom alten zum neuen Mehrwertsteuergesetz, Einführung in die neue Mehrwertsteuerordnung, Langenthal 2010, § 8 N. 39, § 10 N. 83 ff., die Autoren bezeichnen die Einschätzungsmitteilung als "Verfügungssurrogat"; Michael Beusch, in: MWSTG Kommentar, Schweizerisches Mehrwertsteuergesetz mit den Ausführungserlassen sowie Erlasse zum Zollwesen, Regine Schluckebier/Felix Geiger [Hrsg.], Zürich 2012 [nachfolgend: MWSTG Kommentar], N. 18 zu Art. 42; Beatrice Blum, Auswirkungen des neuen Verfahrensrechts für die steuerpflichtigen Personen, in: Schweizer Treuhänder [ST] 2010, S. 289, 291 f.; dieselbe, in: zsis) 2010 Best Case Nr. 7, Ziff. 3.3; dieselbe, in: MWSTG Kommentar, N. 35 zu Art. 78; Felix Geiger, in: MWSTG Kommentar, N. 5 zu Art. 82; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-5105/2011 vom 19. Juli 2012 E. 1.2.3).

1.2.3 Ob es sich bei der Einschätzungsmitteilung um eine Verfügung handelt oder nicht, braucht vorliegend nicht abschliessend beurteilt zu werden. Unbestrittenermassen handelt es sich beim "Einspracheentscheid" um eine Verfügung gemäss Art. 5 VwVG. Indem der Beschwerdeführer gegen den "Einspracheentscheid" beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erhob, hat er einen allfälligen Verlust des Einspracheverfahrens (vgl. E. 1.2.1) zumindest in Kauf genommen. Seine vorbehaltlose Beschwerdeführung direkt beim Bundesverwaltungsgericht ist unter diesen Umständen - in analoger Anwendung von Art. 83 Abs. 4 MWSTG - als "Zustimmung" zur Durchführung des Verfahrens der Sprungbeschwerde (vgl. E. 1.2.1.2) zu werten, zumal der "Einspracheentscheid" einlässlich begründet ist (vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A 5154/2011 vom 24. August 2012 E. 1.2, A-5105/2011 vom 19. Juli 2012 E. 1.2.4, A 4506/2011 vom 30. April 2012 E. 1.2.3). Das Bundesverwaltungsgericht ist demnach für die Beurteilung der vorliegenden Beschwerde auch funktional zuständig.

1.2.4 Im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht bildet einzig der vorinstanzliche Entscheid das Anfechtungsobjekt, d.h. vorliegend der "Einspracheentscheid" der ESTV vom 23. Januar 2012. Soweit der Beschwerdeführer nicht nur materiell die Nachforderung gemäss dem "Einspracheentscheid" anficht, sondern formell die Aufhebung der Einschätzungsmitteilung beantragt, ist deshalb - unabhängig davon, ob es sich bei dieser um eine Verfügung handelt - darauf nicht einzutreten. Mit dieser Einschränkung ist auf die ansonsten frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde einzutreten.

1.3 Am 1. Januar 2010 ist das MWSTG in Kraft getreten. Der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt hat sich in den Jahren 2008 und 2009 zugetragen, also vor dem Inkrafttreten des MWSTG. Gemäss Art. 112 Abs. 1 MWSTG bleiben die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen sowie die gestützt darauf erlassenen Vorschriften grundsätzlich weiterhin auf alle während ihrer Geltungsdauer eingetretenen Tatsachen und entstandenen Rechtsverhältnisse anwendbar. Das vorliegende Verfahren untersteht deshalb in materieller Hinsicht dem (alten) Bundesgesetz vom 2. September 1999 über die Mehrwertsteuer (aMWSTG, AS 2000 1300) sowie der dazugehörigen Verordnung vom 29. März 2009 (aMWSTGV, AS 2000 1347).

Demgegenüber ist das neue mehrwertsteuerliche Verfahrensrecht im Sinn von Art. 113 Abs. 3 MWSTG auf sämtliche im Zeitpunkt des Inkrafttretens hängige und damit grundsätzlich auch auf das vorliegende Verfahren anwendbar. Allerdings ist Art. 113 Abs. 3 MWSTG insofern restriktiv zu handhaben, als gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung nur eigentliche Verfahrensnormen sofort auf hängige Verfahren anzuwenden sind und es dabei nicht zu einer Anwendung von neuem materiellen Recht auf altrechtliche Sachverhalte kommen darf (ausführlich: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1113/2009 vom 23. Februar 2010 E. 1.3). Kein Verfahrensrecht in diesem engen Sinn stellen im vorliegenden Fall etwa Themen wie die Buchführungspflicht, das Selbstveranlagungsprinzip oder die Ermessensveranlagung dar, sodass vorliegend diesbezüglich noch altes Recht anwendbar ist. Keine Anwendung finden deshalb beispielsweise die Art. 70 , 71 , 72 oder 79 MWSTG, obwohl sie unter dem Titel "Verfahrensrecht für die Inland- und die Bezugsteuer" stehen (statt vieler: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1447/2010 vom 11. November 2011 E. 1.3).

2.

2.1 Der Mehrwertsteuer unterliegen insbesondere die Umsätze, die durch steuerpflichtige Personen im Inland mit entgeltlich erbrachten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen getätigt werden (Art. 5 Bst. a und b aMWSTG).

2.2 Die Veranlagung und Entrichtung der Mehrwertsteuer erfolgt nach dem Selbstveranlagungsprinzip (Art. 46 f. aMWSTG; Ernst Blumenstein/Peter Locher, System des schweizerischen Steuerrechts, 6. Aufl., Zürich 2002, S. 421 ff.). Die leistungserbringende Person ist für die Feststellung ihrer Mehrwertsteuerpflicht selbst verantwortlich und hat sich gegebenenfalls unaufgefordert anzumelden (Art. 56 Abs. 1 aMWSTG; vgl. Urteile des Bundesgerichts 2C_356/2008 vom 21. November 2008 E. 3.2, 2A.109/2005 vom 10. März 2006 E. 2.1).

Bei festgestellter Steuerpflicht hat die steuerpflichtige Person sodann selbst und unaufgefordert über ihre Umsätze und Vorsteuern abzurechnen und innerhalb von 60 Tagen nach Ablauf der Abrechnungsperiode den geschuldeten Mehrwertsteuerbetrag (Steuer vom Umsatz abzüglich Vorsteuern) an die ESTV abzuliefern (Art. 46 aMWSTG). Die ESTV ermittelt die Höhe des geschuldeten Mehrwertsteuerbetrags nur dann an Stelle der steuerpflichtigen Person, wenn diese ihren Pflichten nicht nachkommt (BGE 137 II 136 E. 6.3; vgl. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A 2690/2011 vom 24. Januar 2012 E. 2.4, A-1447/2010 vom 11. November 2011 E. 2.3, A-2998/2009 vom 11. November 2010 E. 2.4; Alois Camenzind/Niklaus Honauer/Klaus A. Vallender, Handbuch zum Mehrwertsteuergesetz, 2. Aufl., Bern/Stuttgart/Wien 2003, Rz. 1680 ff.).

2.3

2.3.1 Gemäss Art. 58 Abs. 1 aMWSTG hat die mehrwertsteuerpflichtige Person ihre Geschäftsbücher ordnungsgemäss zu führen und so einzurichten, dass sich aus ihnen die für die Feststellung der Mehrwertsteuerpflicht sowie für die Berechnung der Steuer und der abziehbaren Vorsteuern massgebenden Tatsachen leicht und zuverlässig ermitteln lassen. In der von der ESTV herausgegebenen Wegleitung 2001 zur Mehrwertsteuer (neu herausgegeben per 1. Januar 2008 als Wegleitung 2008 zur Mehrwertsteuer) sind genauere Angaben enthalten, wie eine derartige Buchhaltung auszugestalten ist (je Rz. 878 ff.; statt vieler: Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-2690/2011 vom 24. Januar 2012 E. 2.5.2, A 2998/2009 vom 11. November 2010 E. 2.5.1 und 2.5.3).

2.3.2 Liegen keine oder nur unvollständige Aufzeichnungen vor oder stimmen die ausgewiesenen Ergebnisse mit dem wirklichen Sachverhalt offensichtlich nicht überein, so nimmt die ESTV eine Schätzung nach pflichtgemässem Ermessen vor (Art. 60 aMWSTG). Diese Bestimmung unterscheidet somit zwei voneinander unabhängige Konstellationen, welche zu einer Ermessenstaxation führen. Die erste ist diejenige der ungenügenden Aufzeichnung (Konstellation 1). In diesem Fall hat eine Schätzung insbesondere auch dann zu erfolgen, wenn - bei feststehender Steuerpflicht - die Verstösse gegen die formellen Buchhaltungsvorschriften als derart gravierend zu qualifizieren sind, dass sie die materielle Richtigkeit der Buchhaltungsergebnisse in Frage stellen (statt vieler: BGE 105 Ib 181 E. 4a, Urteil des Bundesgerichts 2A.437/2005 vom 3. Mai 2006 E. 3.1; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-3678/2007 und A 3680/2007 vom 18. August 2009 E. 3.1, A-1578/2006 vom 2. Oktober 2008 E. 3.2). Zweitens kann selbst eine formell einwandfreie Buchführung die Durchführung einer Schätzung erfordern, wenn die ausgewiesenen Ergebnisse mit dem wirklichen Sachverhalt offensichtlich nicht übereinstimmen (Konstellation 2). Dies ist nach der Rechtsprechung der Fall, wenn die in den Büchern enthaltenen Geschäftsergebnisse von den von der Steuerverwaltung erhobenen branchenspezifischen Erfahrungszahlen (vgl. dazu unten E. 2.5) wesentlich abweichen, vorausgesetzt die kontrollierte Person ist nicht in der Lage, allfällige besondere Umstände, auf Grund welcher diese Abweichung erklärt werden kann, nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen (vgl. dazu näher unten E. 2.5.3; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1371/2012 vom 12. Juli 2012 E. 4.5.2, A-5938/2011 vom 4. Juli 2012 E. 2.5.2).

2.4

2.4.1 Sind die Voraussetzungen für eine Ermessenstaxation erfüllt, ist die ESTV nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, eine solche nach pflichtgemässem Ermessen vorzunehmen (statt vieler: Urteile des Bundesgerichts 2A.693/2006 vom 26. Juli 2007 E 3.2, 2A.552/2006 vom 1. Februar 2007 E. 3.2; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A 2690/2011 vom 24. Januar 2012 E. 2.7, A 2998/2009 vom 11. November 2010 E. 2.7.1).

2.4.2 Das Bundesverwaltungsgericht überprüft das Vorliegen der Voraussetzungen für die Vornahme einer Ermessenstaxation - als Rechtsfrage - uneingeschränkt. Als ausserhalb der Verwaltungsorganisation und Behördenhierarchie stehendes, von der richterlichen Unabhängigkeit bestimmtes Verwaltungsgericht auferlegt es sich trotz des möglichen Rügegrundes der Unangemessenheit bei der Überprüfung von zulässigerweise erfolgten Ermessensveranlagungen eine gewisse Zurückhaltung und reduziert dergestalt seine Prüfungsdichte. Grundsätzlich setzt das Bundesverwaltungsgericht nur dann sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der Vorinstanz, wenn dieser bei der Schätzung grössere Ermessensfehler unterlaufen sind (statt vieler: Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-2690/2011 vom 24. Januar 2012 E. 2.9.2, A 6299/2009 vom 21. April 2011 E. 5.5 f.). Diese Praxis des Bundesverwaltungsgerichts wurde mehrfach höchstrichterlich bestätigt (vgl. etwa Urteil des Bundesgerichts 2C_426/2007 vom 22. November 2007 E. 4.3).

2.5 Die Vorinstanz zieht bei ihrer Arbeit Erfahrungszahlen heran, sei es im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen der Ermessensveranlagung oder sei es für die Vornahme der Schätzung. Nach der Rechtsprechung ist das Abstellen auf Erfahrungszahlen grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. statt vieler: BVGE 2009/60 E. 2.8, Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A 3678/2007 und A-3680/2007 vom 18. August 2009 E. 3.1, 4.2).

2.5.1 Erfahrungszahlen sind Ergebnisse, die aus zuverlässigen Buchhaltungen gewonnen und nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten statistisch verarbeitet werden. Sie sind keine Rechtssätze und auch keine Beweismittel (solange sie nicht z.B. durch ein Sachverständigengutachten erwiesen sind), die den Geschäftsbüchern gleichgestellt wären (Martin Zweifel/Silvia Hunziker, Beweis und Beweislast im Steuerverfahren bei der Prüfung von Leistung und Gegenleistung unter dem Gesichtswinkel des Drittvergleichs ["dealing at arm's length"], veröffentlicht in Archiv für Schweizerisches Abgaberecht [ASA] 77 S. 658 ff., 665, 679 mit Hinweisen).

2.5.2 Erfahrungszahlen drücken Gesetzmässigkeiten in den Verdienstverhältnissen einzelner Branchen aus. Diese Funktion kommt ihnen aber nur dann zu, wenn sie auf einer sicheren Grundlage beruhen (vgl. Zweifel/Hunziker, a.a.O., S. 679). Sollen Erfahrungswerte Aufschluss über durchschnittliche Umsatzziffern geben, müssen sie deshalb breit abgestützt sein und sollten neben der Betriebsstruktur und den regionalen Gegebenheiten auch die Betriebsgrösse berücksichtigen. Mit anderen Worten müssen sie aufgrund umfassender, repräsentativer, homogener und aktueller Stichproben gewonnen werden. Das verlangt, dass sie aufgrund einer genügenden Anzahl von Fällen ermittelt werden. Der Stichprobenumfang lässt sich nicht in einer absoluten Zahl bestimmen, welche für alle Branchen gültig wäre. Die Wahl der Stichproben darf nicht einseitig nur günstige oder ungünstige Verhältnisse betreffen. Sie muss alle Verhältnisse in angemessener Anzahl umfassen, um repräsentative Ergebnisse ermitteln zu können (BVGE 2009/60 E. 2.8.1, Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-4506/2011 vom 30. April 2012 E. 2.5.2, A-2690/2011 vom 24. Januar 2012 E. 2.8.2, A-1447/2010 vom 11. November 2011 E. 2.7.2).

2.5.3 Statistische Erfahrungszahlen machen keine eindeutige Aussage über alle zu erwartenden Fälle. Es ist deshalb durchaus möglich, dass aus besonderen Gründen des Einzelfalls von den Erfahrungswerten abgewichen werden muss. Wird die materielle Richtigkeit einer formell richtig erstellten Buchhaltung bei erheblicher Abweichung ihres Ergebnisses von den Erfahrungszahlen angezweifelt, muss somit abgeklärt werden, ob beim Steuerpflichtigen bzw. bei derjenigen Person, deren Steuerpflicht fraglich ist, besondere Verhältnisse vorliegen, welche diese Abweichung erklären (Begründung der Abweichung). Bei dieser Abklärung haben sowohl die Steuerbehörde als auch die (allenfalls) steuerpflichtige Person mitzuwirken. Die Untersuchungspflicht (Art. 12 VwVG) fordert von der Behörde, dass sie den Gründen für die Abweichung nachgeht. Denn diese kennt die Erfahrungszahlen, deren Zustandekommen und Erhebungsbasis. Die Steuerbehörde hat dabei mit der steuerpflichtigen Person zusammenzuwirken. Die den Untersuchungsgrundsatz relativierenden, spezialgesetzlich vorgesehenen Mitwirkungspflichten (im Bereich der Mehrwertsteuer gilt - wie gesehen, vgl. E. 2.2 - das Selbstveranlagungsprinzip) verlangen von der (gegebenenfalls) pflichtigen Person zu begründen, warum ihre Buchhaltung von derjenigen anderer Unternehmen derselben Branche abweicht, da sie die besonderen Umstände ihrer Unternehmung besser kennt und daher am besten eine Erklärung für die erhebliche Abweichung liefern kann (vgl. Zweifel/Hunziker, a.a.O., S. 682 f.). Diese Abklärung der möglichen Abweichungsgründe bildet indes Bestandteil der Untersuchungspflicht und der Beweiswürdigung und ist nicht Gegenstand eines vom Steuerpflichtigen bzw. von der Person, deren Steuerpflicht noch nicht feststeht, zu erbringenden Gegenbeweises. Grundsätzlich ist der (allenfalls) steuerpflichtigen Person der Gegenbeweis erst dann zuzumuten, wenn sich die Behörde eine offensichtliche Abweichung der formell ordnungsgemäss geführten Buchhaltung von überzeugenden Erfahrungszahlen trotz Erfüllung ihrer Untersuchungspflicht nicht oder nicht genügend erklären kann. Wird aber ohne nähere Untersuchung der konkreten Umstände allein aufgrund der erheblichen Abweichung von den Erfahrungszahlen vermutet, die Buchhaltung sei materiell unrichtig und nicht ordnungsgemäss, wird der (gegebenenfalls) steuerpflichtigen Person nicht nur die Gegenbeweislast zugeschoben, sondern auch deren rechtliches Gehör verletzt (Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 [BV, SR 101]; vgl. BVGE 2009/60 E. 2.8.3; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A 3123/2008 vom 27. April 2010 E. 2.8.3).

2.5.4 Damit die (gegebenenfalls) steuerpflichtige Person ihrer Mitwirkungspflicht überhaupt nachkommen kann, obliegt der Steuerbehörde ausserdem die Pflicht, ihr die Grundlagen der Erfahrungszahlen kundzugeben (vgl. Zweifel/Hunziker, a.a.O., S. 682 f. mit zahlreichen Hinweisen). Dies folgt aus der aus dem rechtlichen Gehör abgeleiteten verfassungsrechtlichen Pflicht zur Begründung von Entscheiden (Art. 29 Abs. 2 BV). Die Behörde hat der steuerpflichtigen Person die Art und Weise, wie die Ermessensveranlagung zustande gekommen ist - beinhaltend auch die Zahlen und Erfahrungswerte - bekannt zu geben. Sie hat zu erläutern, dass die zum Vergleich herangezogenen Betriebe nicht nur der gleichen Branche entstammen wie das eingeschätzte (gegebenenfalls) steuerpflichtige Unternehmen, sondern auch in anderer Hinsicht vergleichbar sind, wie zum Beispiel betreffend Standort, Betriebsgrösse, Kundenkreis usw. Nur so ist es der steuerpflichtigen Person möglich, die Veranlagung sachgerecht anzufechten (Urteil des Bundesgerichts 2A.284/2000 vom 5. Dezember 2000 E. 3 mit Hinweisen; BVGE 2009/60 E. 2.8.4; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-4506/2011 vom 30. April 2012 E. 2.5.4). Rechtsfolge einer Verletzung der Begründungspflicht und somit des Anspruchs auf das rechtliche Gehör ist grundsätzlich die Aufhebung der angefochtenen Verfügung (Häfelin/Müller/Uhlmann, a.a.O., N. 1709 mit Hinweisen).

3.
Im vorliegenden Fall hat die ESTV im Rahmen der Kontrolle festgestellt, der Warenaufwand des Restaurants des Beschwerdeführers weiche mit durchschnittlich 49% des Umsatzes stark von ihren Erfahrungszahlen ab. Üblich seien Werte zwischen 30% bis 35%. Die ESTV ging deshalb davon aus, der Beschwerdeführer habe nicht den gesamten Umsatz verbucht und deklariert. In der Folge nahm sie eine ermessensweise Umsatzschätzung vor. Aufgrund von Einzelkalkulationen und Erfahrungszahlen schätzte sie den Warenaufwand auf 32,7% des Umsatzes. In der Folge rechnete sie die Differenz zwischen dem auf diese Weise kalkulatorisch ermittelten und dem tatsächlich verbuchten Umsatz auf. Unbestritten ist im Übrigen, dass der Beschwerdeführer die Buchhaltung ansonsten formell korrekt erstellt hat und auf den verbuchten Umsätzen die Mehrwertsteuer abgerechnet hat.

3.1 Die ESTV hat folglich eine Ermessenseinschätzung vorgenommen, weil sie davon ausging, die ausgewiesenen Ergebnisse stimmten mit dem wirklichen Sachverhalt offensichtlich nicht überein (Konstellation 2 von Art. 60 aMWSTG; E. 2.3.2). Zu diesem Schluss gelangte sie, da der in der Buchhaltung ausgewiesene Warenaufwand in Prozenten zum Umsatz von ihren Erfahrungszahlen wesentlich abwich. Sie zog ihre Erfahrungszahlen damit bereits im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen der Ermessensveranlagung bei (E. 2.5).

3.2

3.2.1 Grundsätzliche Voraussetzung für eine zulässige Ermessenseinschätzung ist, dass die ESTV ihrer Untersuchungspflicht nachgekommen ist. Die ESTV nahm eine Kontrolle vor Ort vor und ging auch allfälligen Gründen für ein Abweichen von den Erfahrungszahlen (insbesondere betreffend den Anteil an verdorbenen Esswaren) nach. Insoweit erfüllte sie ihre Untersuchungspflicht (E. 2.5.3). Damit der Beschwerdeführer indessen hätte begründen können, warum seine Buchhaltung von denjenigen Unternehmen abwich, von denen die Erfahrungszahlen stammten, oblag es der ESTV, ihm die Grundlagen ihrer Erfahrungswerte kundzugeben (E. 2.5.4). Nur so wäre es ihm möglich gewesen, die Veranlagung sachgerecht anzufechten (BVGE 2009/60 E. 2.8.4).

3.2.2 Dieser Pflicht zur Begründung ihrer Erfahrungszahlen ist die ESTV zumindest nicht rechtsgenügend nachgekommen. In ihrem Einspracheentscheid legte sie bloss dar, anlässlich der Kontrolle habe ihre Aussendienstmitarbeiterin festgestellt, "dass der ausgewiesene Materialanteil (von 49% im Schnitt) extrem von den Erfahrungszahlen (30%-35%) abwich. Aufgrund dessen, dass die Ergebnisse von Einzelkalkulationen in der Bandbreite der Erfahrungswerte der ESTV lagen, musste die ESTV davon ausgehen, dass nicht alle Umsätze verbucht worden waren". Sie habe deshalb eine Ermessenseinschätzung vornehmen müssen. Die Grundlage ihrer Erfahrungszahlen von 30% bis 35% hat die ESTV im Einspracheentscheid jedoch nicht näher dargelegt.

3.3

3.3.1 An der Verletzung der Begründungspflicht ändert nichts, dass die ESTV im Einspracheentscheid ihre Einzelkalkulationen für Wein, Bier, Spirituosen und Mineralwasser sowie Säfte aufgezeigt hat. Sie stützte sich dabei offensichtlich auf die Lieferantenrechnungen sowie die Getränkekarte und errechnete auf diese Weise Zuschlagssätze für die genannten Getränkesorten. Zum Beispiel ging sie bei Wein von einem (sog. gewichteten) Zuschlag von 189% vom Wareneinkauf aus und errechnete auf diese Weise den effektiven Verkaufserlös. Für Bier resultierte ein Zuschlag von 246%, für Spirituosen ein solcher von 330% und für Mineralwasser bzw. Säfte von 278%. Aufgrund dieser Werte zog die ESTV den Schluss, das Restaurant "X._______" entspreche der Kategorie "andere Restaurants". Darunter versteht die ESTV gemäss Fussnote 1 auf Seite 5 ihres Einspracheentscheids "alle gastgewerbliche Betriebe ohne Restaurants in 3-Stern-Hotels sowie in 4-Stern-Hotels, Quartierrestaurants, Landgasthöfe, italienische Restaurants sowie Pubs/Bars". In der Folge legte die ESTV aufgrund ihrer Erfahrungswerte für diese Kategorie "andere Restaurants" die Zuschlagssätze für Speisen auf 160% und für Kaffee auf 900% fest.

3.3.2 Nach konstanter Rechtsprechung hätte die ESTV indessen aufzeigen müssen, dass bzw. inwiefern die zum Vergleich herangezogenen Betriebe der Kategorie "andere Restaurants" der gleichen Branche entstammen wie das Restaurant "X._______" und jene auch in anderer Hinsicht mit diesem vergleichbar sind, wie zum Beispiel betreffend Standort, Betriebsgrösse, Kundenkreis usw. (vgl. E. 2.5.4). Entgegen der Ansicht der ESTV darf - zumindest nicht bloss - aus dem Umstand, dass der Betrieb des Beschwerdeführers offenbar hinsichtlich der Kalkulation von einzelnen Getränkesorten einer (nicht näher definierten) verwaltungsintern geführten Kategorie von Restaurants ("andere Restaurants") entspricht, nicht geschlossen werden, auch für die Kalkulation des Umsatzes mit den Speisen und dem Kaffee könnten die Erfahrungszahlen dieser Restaurantkategorie verwendet werden.

3.4

3.4.1 Mit ihrer Vernehmlassung vom 24. April 2012 reichte die ESTV ein "vertrauliches Dossier" ein, das eine Auswertung von 26 Landgasthöfen im Tessin beinhalte. Zudem führte sie in der Vernehmlassung aus, aufgrund der Zuschlagssätze der Getränke (ohne Kaffee) habe sie das Restaurant des Beschwerdeführers der Kategorie "andere Restaurants" zugeordnet. Dies obwohl das Restaurant "X._______" vom "Typ" eher einem Landgasthof entspreche. Mangels Unterlagen habe sie dieses Vorgehen wählen müssen. Im Weiteren führte die ESTV in ihrer Vernehmlassung einen Vergleich der (gesamt schweizerischen) Zuschlagssätze für ihre verwaltungsintern geführten Kategorien "Landgasthof" und "andere Restaurants" auf. Schliesslich legte sie noch dar, der von ihr vorliegend ermittelte Warenaufwand von 32,7% des Umsatzes entspreche einem Bruttogewinn von 67,3%. Dieser liege leicht unter dem Mittelwert für Landgasthöfe im Tessin von 69.6%. Würde dieser Wert angewendet, dann resultiere für den Beschwerdeführer ein noch um Fr. 35'000.-- pro Jahr höherer Umsatz.

3.4.2 Zunächst ist festzuhalten, dass die ESTV selber darlegt, der vorliegende Restaurantbetrieb entspreche vom "Typ" eher der Kategorie "Landgasthof". Sie räumt damit selber ein, die Erfahrungszahlen der Kategorie "andere Restaurants" seien für den Beschwerdeführer zumindest nur beschränkt repräsentativ. Im Weiteren ist das Argument der ESTV, sie habe die Erfahrungszahlen der Kategorie "andere Restaurants" mangels Unterlagen heranziehen müssen, nicht stichhaltig. Es ist gerade Aufgabe der ESTV, repräsentative Erfahrungszahlen zu erheben. Im Übrigen ist sie - falls das Restaurant des Beschwerdeführers einem Landgasthof entspricht, wie sie behauptet - offenbar im Besitz solcher Zahlen, reichte sie doch ein "vertrauliches Dossier" mit entsprechenden Datensätzen ein.

3.4.3 Die ESTV führt in ihrer Vernehmlassungsschrift auch mit Bezug auf die Kategorie "Landgasthof" keine Begründung dafür an, dass ihre Erfahrungszahlen dieser Kategorie für den vorliegenden Betrieb repräsentativ sein sollten. In der Folge darf sie sich für die Ermessenseinschätzung auch nicht unbesehen auf diese Zahlen stützen. Im Übrigen vermag ein "vertrauliches Dossier" mit Datensätzen die fehlende Begründung im Einspracheentscheid, wie die Erfahrungszahlen zustande gekommen und weshalb die betreffenden Betriebe zum Vergleich herangezogen werden können, von vornherein nicht zu ersetzen. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer auf entsprechendes Gesuch hin - unter Berücksichtigung des Steuergeheimnisses - Einsicht in das vertrauliche Dossier hätte nehmen können (vgl. Martin Kocher, Einsichtnahme auch in ein vertrauliches "Spezialdossier" der ESTV - Neue Rechtspraxis erlaubt vertiefte Akteneinsicht - noch ungeklärte Aufdeckungspflicht, in: ST 2007/3 S. 201 ff.). Im Weiteren enthält dieses "vertrauliche Dossier" zwar Anhaltspunkte, weshalb es sich um vergleichbare Betriebe handeln könnte (vgl. Spalte "Bemerkungen" der Datensätze mit teilweisen Angaben zur Betriebsgrösse [Anzahl Stühle], Öffnungszeiten, Kosten der Mittagsmenüs etc.). Aus den vorliegenden Akten geht jedoch insbesondere nicht hervor, wie gross der Restaurantbetrieb (z.B. Anzahl Stühle aussen und innen) des Beschwerdeführers war. Ein Vergleich der Datensätze des "vertraulichen Dossiers" mit dem Betrieb des Beschwerdeführers wäre deshalb ohnehin nur beschränkt möglich. Bei diesem Resultat kann offen bleiben, ob die ESTV die Begründung für die Vergleichbarkeit des beschwerdeführerischen Betriebs mit den Betrieben ihrer Erfahrungszahlen überhaupt noch im Rahmen ihrer Vernehmlassung hätte "nachschieben" dürfen (vgl. zur Heilung der Gehörsverletzung: BGE 129 I 129 E. 2.2.3, 126 V 130 E. 2b, Urteil des Bundesgerichts 1A.234/2006 vom 8. Mai 2007 E. 2.2).

3.5 Als Folge der Verletzung der Begründungspflicht ist der Einspracheentscheid der ESTV vom 23. Januar 2012 aufzuheben (E. 2.5.4). Die Sache ist damit zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die ESTV zurückzuweisen. Es erübrigt sich, auf die weiteren Argumente des Beschwerdeführers einzugehen.

4.
Das Bundesverwaltungsgericht auferlegt die Verfahrenskosten in der Regel der unterliegenden Partei (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Unterliegt sie nur teilweise, so werden die Verfahrenskosten ermässigt (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Obsiegen und Unterliegen im Prozess ist grundsätzlich nach den Rechtsbegehren der Beschwerde führenden Partei, gemessen am Ergebnis der Anfechtung des vorinstanzlichen Entscheids, zu beurteilen (BGE 123 V 156 E. 3c und BGE 123 V 159 E. 4b). In der Verwaltungsrechtspflege des Bundes gilt die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu weiteren Abklärungen und neuem Entscheid (mit noch offenem Ausgang) praxisgemäss als volles Obsiegen der Beschwerde führenden Partei (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-7809/2010 vom 5. September 2011 E. 4). Der Beschwerdeführer gilt damit als obsiegend, weshalb ihm keine Verfahrenskosten aufzuerlegen sind. Das teilweise Nichteintreten auf die Beschwerde rechtfertigt keine Kostenauferlegung. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 3'000.-- wird ihm zurückerstattet. Die unterliegende Vorinstanz trägt als Bundesbehörde keine Verfahrenskosten (Art. 63 Abs. 2 VwVG). Die Vorinstanz hat dem obsiegenden Beschwerdeführer eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 64 Abs. 1 und 2 VwVG Art. 7 ff
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 7 Grundsatz
1    Obsiegende Parteien haben Anspruch auf eine Parteientschädigung für die ihnen erwachsenen notwendigen Kosten.
2    Obsiegt die Partei nur teilweise, so ist die Parteientschädigung entsprechend zu kürzen.
3    Keinen Anspruch auf Parteientschädigung haben Bundesbehörden und, in der Regel, andere Behörden, die als Parteien auftreten.
4    Sind die Kosten verhältnismässig gering, so kann von einer Parteientschädigung abgesehen werden.
5    Artikel 6a ist sinngemäss anwendbar.7
. des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]). Die Parteientschädigung wird in Anwendung von Art. 7 Abs. 1
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 7 Grundsatz
1    Obsiegende Parteien haben Anspruch auf eine Parteientschädigung für die ihnen erwachsenen notwendigen Kosten.
2    Obsiegt die Partei nur teilweise, so ist die Parteientschädigung entsprechend zu kürzen.
3    Keinen Anspruch auf Parteientschädigung haben Bundesbehörden und, in der Regel, andere Behörden, die als Parteien auftreten.
4    Sind die Kosten verhältnismässig gering, so kann von einer Parteientschädigung abgesehen werden.
5    Artikel 6a ist sinngemäss anwendbar.7
VGKE auf Fr. 4'500.-- (inkl. Auslagen und Mehrwertsteuer) festgesetzt.

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf eingetreten wird. Der Einspracheentscheid der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 23. Januar 2012 wird aufgehoben und die Sache zur Fällung eines neuen Entscheids im Sinn der Erwägungen an die Eidgenössische Steuerverwaltung zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Verfahrenskosten erhoben. Der Kostenvorschuss von Fr. 3'000.-- wird dem Beschwerdeführer nach Eintritt der Rechtskraft des vorliegenden Urteils zurückerstattet.

3.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 4'500.-- zu entrichten.

4.
Dieses Urteil geht an:

- den Beschwerdeführer (Gerichtsurkunde)

- die Vorinstanz (Ref-Nr. ...; Gerichtsurkunde)

Der vorsitzende Richter: Der Gerichtsschreiber:

Markus Metz Jürg Steiger

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 7 Grundsatz
1    Obsiegende Parteien haben Anspruch auf eine Parteientschädigung für die ihnen erwachsenen notwendigen Kosten.
2    Obsiegt die Partei nur teilweise, so ist die Parteientschädigung entsprechend zu kürzen.
3    Keinen Anspruch auf Parteientschädigung haben Bundesbehörden und, in der Regel, andere Behörden, die als Parteien auftreten.
4    Sind die Kosten verhältnismässig gering, so kann von einer Parteientschädigung abgesehen werden.
5    Artikel 6a ist sinngemäss anwendbar.7
., 90 ff. und 100 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie der Beschwerdeführer in Händen hat, beizulegen (Art. 42
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 7 Grundsatz
1    Obsiegende Parteien haben Anspruch auf eine Parteientschädigung für die ihnen erwachsenen notwendigen Kosten.
2    Obsiegt die Partei nur teilweise, so ist die Parteientschädigung entsprechend zu kürzen.
3    Keinen Anspruch auf Parteientschädigung haben Bundesbehörden und, in der Regel, andere Behörden, die als Parteien auftreten.
4    Sind die Kosten verhältnismässig gering, so kann von einer Parteientschädigung abgesehen werden.
5    Artikel 6a ist sinngemäss anwendbar.7
BGG).

Versand:
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : A-1017/2012
Datum : 18. September 2012
Publiziert : 27. September 2012
Quelle : Bundesverwaltungsgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Indirekte Steuern
Gegenstand : Mehrwertsteuer, Umsatzschätzung (1. Quartal 2008 bis 4. Quartal 2009)


Gesetzesregister
BGG: 42  82
BV: 29
MWSTG: 70  71  72  78  83  112  113
VGG: 31  32  33
VGKE: 7
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 7 Grundsatz
1    Obsiegende Parteien haben Anspruch auf eine Parteientschädigung für die ihnen erwachsenen notwendigen Kosten.
2    Obsiegt die Partei nur teilweise, so ist die Parteientschädigung entsprechend zu kürzen.
3    Keinen Anspruch auf Parteientschädigung haben Bundesbehörden und, in der Regel, andere Behörden, die als Parteien auftreten.
4    Sind die Kosten verhältnismässig gering, so kann von einer Parteientschädigung abgesehen werden.
5    Artikel 6a ist sinngemäss anwendbar.7
VwVG: 5  12  63
BGE Register
105-IB-181 • 123-V-156 • 123-V-159 • 126-V-130 • 129-I-129 • 131-V-407 • 132-V-368 • 137-II-136
Weitere Urteile ab 2000
1A.234/2006 • 2A.109/2005 • 2A.284/2000 • 2A.437/2005 • 2A.552/2006 • 2A.693/2006 • 2C_356/2008 • 2C_426/2007
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
bundesverwaltungsgericht • restaurant • einspracheentscheid • umsatz • mehrwertsteuer • kategorie • vorinstanz • kaffee • sachverhalt • bundesgericht • ermessensveranlagung • verfahrenskosten • stelle • zahl • wert • zweifel • spirituosen • bier • wein • richtigkeit
... Alle anzeigen
BVGE
2009/60
BVGer
A-1017/2012 • A-1113/2009 • A-1371/2012 • A-1447/2010 • A-1578/2006 • A-2690/2011 • A-2998/2009 • A-3123/2008 • A-3678/2007 • A-3680/2007 • A-4506/2011 • A-5105/2011 • A-5154/2011 • A-5938/2011 • A-6299/2009 • A-7809/2010
AS
AS 2000/1347 • AS 2000/1300