[AZA 0]
2P.313/1999/leb

II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG ***********************************

8. März 2000

Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Hartmann, Müller, und
Gerichtsschreiberin Arnold-Mutschler.

---------

In Sachen

A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Martin Schwaller, Obere Vorstadt 37, Aarau,

gegen

B.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Herbert C. Schlaubitz, Rigistrasse 1, Zug,
Obergericht des Kantons Zug, Der Präsident,

betreffend
Art. 4
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 4 Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit - (1) Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden.
a  eine Arbeit, die üblicherweise von einer Person verlangt wird, der unter den Voraussetzungen des Artikels 5 die Freiheit entzogen oder die bedingt entlassen worden ist;
b  eine Dienstleistung militärischer Art oder eine Dienstleistung, die an die Stelle des im Rahmen der Wehrpflicht zu leistenden Dienstes tritt, in Ländern, wo die Dienstverweigerung aus Gewissensgründen anerkannt ist;
c  eine Dienstleistung, die verlangt wird, wenn Notstände oder Katastrophen das Leben oder das Wohl der Gemeinschaft bedrohen;
d  eine Arbeit oder Dienstleistung, die zu den üblichen Bürgerpflichten gehört.
aBV, 8 EMRK
(Entbindung vom Anwaltsgeheimnis), hat sich ergeben:

A.-Rechtsanwalt C.________ erhob beim Bezirksgericht Laufenburg gegen A.________ Klage, mit der er eine Honorarforderung von Fr. 3'898. 30 nebst Zins geltend macht. Er ist vom Obergericht des Kantons Zug insoweit vom Anwaltsgeheimnis entbunden worden, als dessen Offenbarung für die Durchsetzung seiner Forderung erforderlich ist. Der Beklagte bestreitet die Forderung hauptsächlich mit der Begründung, das Mandat sei nicht von ihm persönlich, sondern von der inzwischen konkursamtlich liquidierten X.________ AG erteilt worden; an diese habe sich der Kläger daher zu halten; er sei lediglich deren einziger Verwaltungsrat und Geschäftsführer gewesen. Der Kläger behauptet demgegenüber, dass der Beklagte - auch in Anwesenheit von Rechtsanwalt B.________, dem früheren Anwalt des Beklagten bzw. der X.________ AG, - erklärt habe, er komme für alle Honorarnoten des Klägers persönlich auf, und beruft sich für seine Sachdarstellung auf das Zeugnis von Rechtsanwalt B.________. Mit Verfügung vom 7. Mai 1999 ordnete der Präsident des Bezirksgerichts Laufenburg die Einvernahme von Rechtsanwalt B.________ an. Der Beklagte weigerte sich jedoch, diesen vom Anwaltsgeheimnis zu entbinden. Mit Verfügung vom 30. August 1999 forderte der Gerichtspräsident
deshalb Rechtsanwalt B.________ auf, bei der zuständigen Behörde ein Gesuch betreffend die Entbindung vom Anwaltsgeheimnis einzureichen, wobei er präzisierte, dass sich die Entbindung auf zwei Punkte beschränken könne, nämlich die Mandatserteilung bzw. Mandatsübernahme von Rechtsanwalt B.________ einerseits und die Äusserungen des Beklagten bezüglich der persönlichen Übernahme der Honorarforderungen des Klägers anderseits.

B.- Mit Eingabe vom 28. September 1999 stellte der - im Kanton Zug praktizierende - Rechtsanwalt B.________ beim Obergericht dieses Kantons ein entsprechendes Gesuch, dem sich A.________ widersetzte. Mit Verfügung vom 12. Oktober 1999 entband der Obergerichtspräsident Rechtsanwalt B.________ insoweit vom Anwaltsgeheimnis, als dessen Offenbarung gemäss Verfügung des Gerichtspräsidiums Laufenburg im Verfahren in Sachen C.________ gegen A.________ erforderlich sei.

C.- Gegen diese Verfügung hat A.________ staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 4 Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit - (1) Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden.
a  eine Arbeit, die üblicherweise von einer Person verlangt wird, der unter den Voraussetzungen des Artikels 5 die Freiheit entzogen oder die bedingt entlassen worden ist;
b  eine Dienstleistung militärischer Art oder eine Dienstleistung, die an die Stelle des im Rahmen der Wehrpflicht zu leistenden Dienstes tritt, in Ländern, wo die Dienstverweigerung aus Gewissensgründen anerkannt ist;
c  eine Dienstleistung, die verlangt wird, wenn Notstände oder Katastrophen das Leben oder das Wohl der Gemeinschaft bedrohen;
d  eine Arbeit oder Dienstleistung, die zu den üblichen Bürgerpflichten gehört.
aBV und Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK erhoben. Er beantragt, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und es sei die Streitsache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen; eventuell sei das Gesuch Rechtsanwalt B.________ abzulehnen und dieser nicht vom Berufsgeheimnis zu befreien.

Rechtsanwalt B.________ beantragt die Abweisung der Beschwerde. Den gleichen Antrag stellt der Obergerichtspräsident.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.- Bei der angefochtenen Verfügung handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid, gegen den die staatsrechtliche Beschwerde zulässig ist (Art. 86 Abs. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
, Art. 87
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
OG). Der Beschwerdeführer, zu dessen Lasten der Beschwerdegegner vom Berufsgeheimnis entbunden wird, ist zu deren Erhebung legitimiert. Soweit der Beschwerdeführer mehr verlangt als die Aufhebung des angefochtenen Entscheids, kann jedoch auf die staatsrechtliche Beschwerde wegen der grundsätzlich rein kassatorischen Natur dieses Rechtsmittels nicht eingetreten werden (BGE 122 I 351 E. 1f S. 355, mit Hinweis).

2.- Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 4
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 4 Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit - (1) Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden.
a  eine Arbeit, die üblicherweise von einer Person verlangt wird, der unter den Voraussetzungen des Artikels 5 die Freiheit entzogen oder die bedingt entlassen worden ist;
b  eine Dienstleistung militärischer Art oder eine Dienstleistung, die an die Stelle des im Rahmen der Wehrpflicht zu leistenden Dienstes tritt, in Ländern, wo die Dienstverweigerung aus Gewissensgründen anerkannt ist;
c  eine Dienstleistung, die verlangt wird, wenn Notstände oder Katastrophen das Leben oder das Wohl der Gemeinschaft bedrohen;
d  eine Arbeit oder Dienstleistung, die zu den üblichen Bürgerpflichten gehört.
aBV und Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK sowie des Grundrechts der persönlichen Freiheit und macht geltend, die der angefochtenen Verfügung zugrunde liegende Auslegung kantonal- und bundesrechtlicher Bestimmungen zum Berufsgeheimnis sowie deren Anwendung sei willkürlich und verletze qualifiziert die genannten verfassungsmässigen Rechte.

a) Das Berufsgeheimnis der Anwälte ist regelmässig in der kantonalen Anwaltsgesetzgebung verankert (vgl. auch Art. 11 lit. c des bundesrätlichen Entwurfs des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte, BBl 1999 S. 6078 ff.). Seine Verletzung wird nach Art. 321
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 321 - 1. Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Patentanwälte, nach Obligationenrecht438 zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktoren, Apotheker, Hebammen, Psychologen, Pflegefachpersonen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Ernährungsberater, Optometristen, Osteopathen sowie ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben, werden, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.439
1    Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Patentanwälte, nach Obligationenrecht438 zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktoren, Apotheker, Hebammen, Psychologen, Pflegefachpersonen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Ernährungsberater, Optometristen, Osteopathen sowie ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben, werden, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.439
2    Der Täter ist nicht strafbar, wenn er das Geheimnis auf Grund einer Einwilligung des Berechtigten oder einer auf Gesuch des Täters erteilten schriftlichen Bewilligung der vorgesetzten Behörde oder Aufsichtsbehörde offenbart hat.
3    Vorbehalten bleiben die eidgenössischen und kantonalen Bestimmungen über die Melde- und Mitwirkungsrechte, über die Zeugnispflicht und über die Auskunftspflicht gegenüber einer Behörde.440
StGB als Vergehen bestraft, und prozessrechtlich ist es durch das Zeugnisverweigerungsrecht des Anwalts geschützt. Verfassungsrechtlich fällt das Anwaltsgeheimnis in den Schutzbereich des Grundrechts der persönlichen Freiheit bzw. des in Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK gewährleisteten Rechts auf Achtung des Privatlebens (BGE 117 Ia 341 E. 4 S. 345/346; 102 Ia 516 E. 3b S. 521; Urteil des Bundesgerichts vom 11. April 1996 i.S. K., E. 3a, publiziert in SJ 1996 S. 453).

b) Wie sich aus Art. 321 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 321 - 1. Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Patentanwälte, nach Obligationenrecht438 zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktoren, Apotheker, Hebammen, Psychologen, Pflegefachpersonen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Ernährungsberater, Optometristen, Osteopathen sowie ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben, werden, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.439
1    Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Patentanwälte, nach Obligationenrecht438 zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktoren, Apotheker, Hebammen, Psychologen, Pflegefachpersonen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Ernährungsberater, Optometristen, Osteopathen sowie ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben, werden, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.439
2    Der Täter ist nicht strafbar, wenn er das Geheimnis auf Grund einer Einwilligung des Berechtigten oder einer auf Gesuch des Täters erteilten schriftlichen Bewilligung der vorgesetzten Behörde oder Aufsichtsbehörde offenbart hat.
3    Vorbehalten bleiben die eidgenössischen und kantonalen Bestimmungen über die Melde- und Mitwirkungsrechte, über die Zeugnispflicht und über die Auskunftspflicht gegenüber einer Behörde.440
StGB ergibt, ist die Offenbarung des Berufsgeheimnisses unter anderem zulässig, wenn sie aufgrund einer schriftlichen Bewilligung der zuständigen Behörde erfolgt. Das zugerische Anwaltsgesetz sagt nicht, unter welchen Voraussetzungen die Entbindung vom Anwaltsgeheimnis bewilligt werden muss. In der kantonalen Praxis wird regelmässig das Vorliegen eines höheren Interesses verlangt. So kann sich der Anwalt nach Art. 41 des Gesetzes vom 6. Februar 1984 über die Fürsprecher des Kantons Bern von der Schweigepflicht entbinden lassen, "wenn seine persönlichen Interessen an der Bekanntgabe jene des Auftraggebers an der Geheimhaltung derart überwiegen, dass die Schweigepflicht nicht mehr zumutbar ist. Die Schweigepflicht ist insbesondere unzumutbar, wenn sie den Fürsprecher daran hindert, sich in einem gegen ihn geführten Straf- oder Disziplinarverfahren zu verteidigen, Angriffe gegen seine Ehre zurückzuweisen oder einen ungerechtfertigten erheblichen Vermögensnachteil abzuwenden". Es hat somit eine Interessenabwägung stattzufinden, wobei das Interesse des Klienten an der Wahrung des Geheimnisses dem persönlichen Interesse des Anwalts an dessen Offenbarung gegenüberzustellen ist. Die Preisgabe des
Anwaltsgeheimnisses muss dabei einem zwingenden Erfordernis entsprechen (Felix Wolffers, Der Rechtsanwalt in der Schweiz, Zürich 1986, S. 140; Handbuch über die Berufspflichten des Rechtsanwaltes im Kanton Zürich, 1988 herausgegeben vom Verein Zürcherischer Rechtsanwälte auf der Grundlage der 1969 erschienenen Dissertation von Paul Wegmann, S. 106 ff.; Martin Sterchi, Kommentar zum bernischen Fürsprecher-Gesetz, Bern 1992, N. 4 zu Art. 41; Lorenz Erni, Anwaltsgeheimnis und Strafverfahren, Zürich 1997, S. 16; Beat Brechbühl/Ernst Hauser/Urs Hofer, Der Anwalt als Zeuge, Zürich 1997, S. 55/56). Das Bundesgericht kann im Rahmen der Beurteilung einer staatsrechtlichen Beschwerde frei prüfen, ob die von der kantonalen Behörde vorgenommene Abwägung der gegenüberstehenden Interessen vor dem Grundrecht der persönlichen Freiheit bzw. des in Art. 8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
EMRK gewährleisteten Rechts auf Achtung des Privatlebens standhält.

c) Der Obergerichtspräsident hat seinen Entscheid damit begründet, dass nach konstanter zugerischer Praxis die Entbindung vom Berufsgeheimnis zwecks Durchsetzung von Honorarforderungen bewilligt werde, soweit dies notwendig erscheine; Rechtsanwalt C.________ sei zu diesem Zweck bereits vom Anwaltsgeheimnis entbunden worden; da die beiden Rechtsanwälte zunächst gemeinsam tätig gewesen seien, sei kein wesentlicher Grund ersichtlich, weshalb nur einem der beiden die Entbindung bewilligt werden solle.

d) Dass dem Anwalt die Entbindung vom Berufsgeheimnis bewilligt wird, um ihm die Durchsetzung seiner Honorarforderung gegen seinen Klienten zu ermöglichen, entspricht der Praxis der Kantone (Wolffers, a.a.O., S. 140 mit Hinweisen). Darum geht es im vorliegenden Fall indessen nicht. Der Beschwerdegegner will mit seiner Zeugenaussage nicht seine eigene Honorarforderung gegen den Beschwerdeführer durchsetzen, sondern er bezweckt damit, seinem damaligen Büronachbarn, Rechtsanwalt C.________, bei der Durchsetzung von dessen Honorarforderung Hilfe zu leisten. An der Durchsetzung dieser Forderung hat der Beschwerdegegner kein eigenes, persönliches Interesse, das demjenigen des Beschwerdeführers an der Wahrung des Anwaltsgeheimnisses gegenüberzustellen wäre. Die Entbindung vom Berufsgeheimnis ist regelmässig nicht gerechtfertigt, wenn sie nur dazu dienen soll, einen Dritten in einem Zivilprozess gegen einen ehemaligen Klienten des Anwalts zu unterstützen (Sterchi, a.a.O., N. 4a zu Art. 41). Dass der Beschwerdegegner und Rechtsanwalt C.________ nach gemeinsamer Darstellung beider Parteien während einer gewissen Zeit parallel für die X.________ AG tätig waren, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern, zumal es sich offenbar nicht um ein
gemeinschaftliches Mandat handelte und die beiden Anwälte keine Partnerschaft bildeten, sondern bloss Räumlichkeiten im gleichen Bürokomplex gemietet hatten. Das - private - Interesse von Rechtsanwalt C.________ an der Durchsetzung seiner Forderung hat bei der Abwägung der Interessen zwischen dem Beschwerdeführer und dem Beschwerdegegner grundsätzlich ausser acht zu bleiben. Im Übrigen wäre es dessen Sache gewesen, sich die für die Geltendmachung seines Anspruchs erforderlichen Beweise zu sichern. Eine andere Betrachtungsweise drängt sich auch im Hinblick auf die Höhe der streitigen Forderung nicht auf, selbst wenn es sich dabei nicht bloss um einen Bagatellbetrag handelt. Nicht von entscheidender Bedeutung ist schliesslich, dass der Beschwerdegegner nur über die Weitergabe des Mandats an Rechtsanwalt C.________ bzw. die Äusserungen des Beschwerdeführers betreffend die persönliche Übernahme der Honorarforderungen von Rechtsanwalt C.________ aussagen soll, denn die Wahrnehmungen, die er in diesem Zusammenhang gemacht hat, sind ebenfalls durch das Anwaltsgeheimnis gedeckt. Dieses erstreckt sich nicht nur auf eigentliche Geheimnisse, sondern auf alles, was der Anwalt aufgrund seines Mandats wahrnimmt und erfährt (BGE 97 I 831 E. 4 S.
838). Dazu gehören auch Feststellungen, die er bei Gelegenheit der Übergabe seines Mandats an einen Kollegen macht, selbst wenn dieses formell bereits abgeschlossen ist. Es handelt sich auch dabei um Tatsachen, die er in Ausübung seines Berufs und nicht als blosse Privatperson wahrgenommen hat (vgl. BGE 112 Ib 606).

3.- Die Entbindung vom Anwaltsgeheimnis ist somit nicht durch höherwertige Interessen gerechtfertigt, weshalb die Beschwerde gutzuheissen ist, soweit darauf eingetreten werden kann.

Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Kosten dem Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
, Art. 153
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
und Art. 153a
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
OG), der dem Beschwerdeführer überdies eine Parteientschädigung auszurichten hat (Art. 159 Abs. 2
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
OG). Über eine allfällige Parteientschädigung für das kantonale Verfahren hat der hierfür zuständige Obergerichtspräsident des Kantons Zug zu entscheiden (Art. 159 Abs. 6
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und die Verfügung des Präsidenten des Obergerichts des Kantons Zug vom 12. Oktober 1999 wird aufgehoben.

2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000. -- wird dem Beschwerdegegner auferlegt.

3.- Der Beschwerdegegner hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000. -- zu entschädigen.

4.- Dieses Urteil wird den Parteien sowie dem Präsidenten des Obergerichts des Kantons Zug schriftlich mitgeteilt.

______________

Lausanne, 8. März 2000

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident:

Die Gerichtsschreiberin:
Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : 2P.313/1999
Datum : 08. März 2000
Publiziert : 08. März 2000
Quelle : Bundesgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Grundrecht
Gegenstand : [AZA 0] 2P.313/1999/leb II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG


Gesetzesregister
EMRK: 4 
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 4 Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit - (1) Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden.
a  eine Arbeit, die üblicherweise von einer Person verlangt wird, der unter den Voraussetzungen des Artikels 5 die Freiheit entzogen oder die bedingt entlassen worden ist;
b  eine Dienstleistung militärischer Art oder eine Dienstleistung, die an die Stelle des im Rahmen der Wehrpflicht zu leistenden Dienstes tritt, in Ländern, wo die Dienstverweigerung aus Gewissensgründen anerkannt ist;
c  eine Dienstleistung, die verlangt wird, wenn Notstände oder Katastrophen das Leben oder das Wohl der Gemeinschaft bedrohen;
d  eine Arbeit oder Dienstleistung, die zu den üblichen Bürgerpflichten gehört.
8
IR 0.101 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)
EMRK Art. 8 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens - (1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
OG: 86  87  153  153a  156  159
StGB: 321
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 321 - 1. Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Patentanwälte, nach Obligationenrecht438 zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktoren, Apotheker, Hebammen, Psychologen, Pflegefachpersonen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Ernährungsberater, Optometristen, Osteopathen sowie ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben, werden, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.439
1    Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Patentanwälte, nach Obligationenrecht438 zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktoren, Apotheker, Hebammen, Psychologen, Pflegefachpersonen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Ernährungsberater, Optometristen, Osteopathen sowie ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben, werden, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.439
2    Der Täter ist nicht strafbar, wenn er das Geheimnis auf Grund einer Einwilligung des Berechtigten oder einer auf Gesuch des Täters erteilten schriftlichen Bewilligung der vorgesetzten Behörde oder Aufsichtsbehörde offenbart hat.
3    Vorbehalten bleiben die eidgenössischen und kantonalen Bestimmungen über die Melde- und Mitwirkungsrechte, über die Zeugnispflicht und über die Auskunftspflicht gegenüber einer Behörde.440
BGE Register
102-IA-516 • 112-IB-606 • 117-IA-341 • 122-I-351 • 97-I-831
Weitere Urteile ab 2000
2P.313/1999
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
rechtsanwalt • beschwerdegegner • bundesgericht • staatsrechtliche beschwerde • beklagter • persönliches interesse • persönliche freiheit • zeuge • achtung des privatlebens • entscheid • bundesgesetz über die freizügigkeit der anwältinnen und anwälte • geheimhaltung • honorar • privates interesse • begründung des entscheids • rechtsmittel • auftraggeber • voraussetzung • gesuch an eine behörde • aarau
... Alle anzeigen
BBl
1999/6078
SJ
1996 S.453