Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal


Abteilung III
C-389/2006
{T 0/2}

Urteil vom 4. Juni 2007
Mitwirkung:
Richter Antonio Imoberdorf (Kammerpräsident), Blaise Vuille und Andreas Trommer; Gerichtsschreiberin Evelyne Sturm

A._______,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Jüsi,

gegen

Bundesamt für Migration (BFM), Quellenweg 6, 3003 Bern,
Vorinstanz,

betreffend
Kontrollentlassung (17 Abs. 2 ANAG).

Sachverhalt:
A. A._______ (nachfolgend: Beschwerdeführerin oder Rekurrentin) wurde als Tochter von in der Schweiz niedergelassenen türkischen Staatsangehörigen am (...) in Z.______ geboren. Sie lebte bis zu ihrem 19. Altersjahr in der Schweiz und kehrte 1996 zusammen mit ihrem Vater in die Türkei zurück. In der Folge erlosch ihre Niederlassungsbewilligung.
B. Während eines Besuchsaufenthaltes in der Schweiz ersuchte die Beschwerdeführerin im September 2001 den Kanton Zürich um Erteilung einer Niederlassungs- bzw. Aufenthaltsbewilligung. Nachdem die Beschwerdeführerin die Schweiz verlassen hatte, trat das Migrationsamt des Kantons Zürich mit Verfügung vom 11. Februar 2002 auf das Gesuch um Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nicht ein und wies zugleich das Begehren auf Einreise aus humanitären Gründen ab. Auf ein zweites Gesuch im Mai 2002 trat das Zürcher Migrationsamt mangels neuer wesentlicher Tatsachen nicht ein. Ebenso wurde auf das von der Beschwerdeführerin während eines weiteren Besuchsaufenthalts im Januar 2003 gestellte Wiedererwägungsgesuch nicht eingetreten. Einen dagegen erhobenen Rekurs wies der Regierungsrat des Kantons Zürich am 7. Mai 2003 ab, soweit er auf das Rechtsmittel eintrat. Daraufhin dehnte das Bundesamt für Migration mit Verfügung vom 22. Mai 2003 die kantonale Wegweisung auf das ganze Gebiet der Schweiz und des Fürstentums Liechtenstein aus und wies die Beschwerdeführerin an, die Schweiz bis zum 30. Juni 2003 zu verlassen.
C. Am 4. Juli 2003 heiratete die Rekurrentin den schweizerischen Staatsangehörigen B._______. Hierauf erteilte ihr der Kanton Zürich eine ordentliche Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei ihrem Ehegatten.
D. Mit Gesuch vom 17. Juni 2004 beantragte die Beschwerdeführerin beim Migrationsamt des Kantons Zürich die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung. Mit Schreiben vom 5. Juli 2004 trat das kantonale Migrationsamt auf das Gesuch nicht ein und teilte der Beschwerdeführerin mit, das Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung habe das Datum zur Kontrollentlassung auf den 3. Juli 2008 festgelegt, daher seien die zeitlichen Voraussetzungen zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung noch nicht erfüllt. Auf entsprechendes Begehren hin leitete das kantonale Migrationsamt das Gesuch am 18. August 2004 zum Entscheid an die Vorinstanz weiter.
E. Mit Verfügung vom 23. August 2004 lehnte die Vorinstanz die vorzeitige Entlassung der Rekurrentin aus der eidgenössischen Kontrolle ab und hielt fest, die nachgesuchte Niederlassungsbewilligung könne frühestens am 4. Juli 2008 erteilt werden. Zur Begründung wurde hauptsächlich angeführt, praxisgemäss würden türkische Staatsangehörige die Niederlassungsbewilligung nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von zehn Jahren erhalten. Als Ehegattin eines Schweizer Bürgers bestünde dagegen nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung. Zur Berechnung der Fünfjahresfrist seien jedoch weder vorübergehende Aufenthalte zu berücksichtigen, noch würden nach einem Unterbruch von sieben Jahren frühere Aufenthalte in der Schweiz angerechnet.
F. Die Rekurrentin beantragt mit Beschwerde vom 24. September 2004 die Aufhebung der vorinstanzlichen Verfügung und die Entlassung aus der eidgenössischen Kontrolle. Sie bringt im Wesentlichen vor, sie sei in der Schweiz aufgewachsen, habe die gesamte Schulzeit hier verbracht und hätte nie Anlass zu Klagen gegeben. Die Vorinstanz sei auf den Umstand, dass sie sich bis zum 19. Lebensjahr in die Schweiz aufgehalten habe, nicht gebührend eingegangen. Zudem sei ihre Ausreise in die Türkei auf Druck ihres Vaters erfolgt. Bereits Ende 2001 habe sie einen formellen Rückkehrversuch unternommen. Ihre anschliessenden Besuche in der Schweiz seien daher als Rückkehr in die Schweiz zu beurteilen, weshalb kein Unterbruch von sieben Jahren vorliegen würde.
G. In ihrer Vernehmlassung vom 8. November 2004 beantragt die Vorinstanz die Abweisung der Beschwerde und führt dazu aus, der frühere Aufenthalt der Beschwerdeführerin vermöge die nachgesuchte Ausnahmeregelung nicht zu rechtfertigen. Insbesondere könne bei der vorliegenden Abwesenheit von sieben Jahren nicht mehr von einer engen Verbundenheit mit der Schweiz gesprochen werden.
H. Mit Replik vom 13. Dezember 2004 macht die Rekurrentin dagegen geltend, sie sei nicht sieben Jahre auslandsabwesend gewesen, habe sie sich doch immer wieder zu Besuch in der Schweiz aufgehalten. Ausserdem sei der Bezug zur Schweiz in jener Zeit nicht abgebrochen. Sie habe zudem bereits früher versucht, eine Aufenthaltsbewilligung zu erhalten.
I. Mit Schreiben vom 18. April 2007 gab die Beschwerdeführerin bekannt, sie habe am 30. Juni 2005 den schweizerischen Staatsangehörigen C._______ geheiratet. Ferner teilte sie mit, sie verfüge über eine neue Arbeitsstelle und legte eine Kopie des Arbeitsvertrages bei.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1. Verfügungen des Bundesamtes für Migration (BFM; früher Bundesamtes für Zuwanderung, Integration und Auswanderung [IMES]) betreffend Entlassung aus der eidgenössischen Kontrolle unterliegen der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Art. 20 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer [ANAG, SR 142.20] sowie Art. 31 ff . des Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [VGG, SR 173.32]). Dessen Urteil ist endgültig, soweit nicht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig ist (Art. 1 Abs. 2 VGG i.V.m. Art. 83 Bst. c Ziff. 2 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]).
1.2. Das Bundesverwaltungsgericht übernimmt die bei Inkrafttreten des Verwaltungsgerichtsgesetzes bei Eidgenössischen Rekurs- oder Schiedskommissionen oder bei Beschwerdediensten der Departemente hängigen Rechtsmittel. Für die Beurteilung gilt das neue Verfahrensrecht (vgl. Art. 53 VGG). Das Verfahren richtet sich nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021), sofern das Verwaltungsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt (vgl. Art. 37 VGG).
1.3. Die Rekurrentin ist als Adressatin der angefochtenen Verfügung zur Beschwerde legitimiert (Art. 48 VwVG); auf die form- und fristgerechte Rechtsmitteleingabe ist daher einzutreten (Art. 49 - 52 VwVG).
2. Mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes sowie die Unangemessenheit gerügt werden (Art. 49 VwVG). Das Bundesverwaltungsgericht wendet im Beschwerdeverfahren das Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 62 Abs. 4 VwVG an die Begründung der Begehren nicht gebunden und kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen. Massgebend ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Entscheides (vgl. E. 1.2 des in BGE 129 II 215 teilweise publizierten Urteils des Bundesgerichts 2A.451/2002 vom 28. März 2003).
3. Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung steht in der Kompetenz der Kantone (vgl. Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 ANAG). Die kantonale Bewilligung darf indessen erst ausgestellt werden, wenn die Zustimmung des BFM vorliegt, ansonsten ist die Bewilligung ungültig (vgl. Art. 19 Abs. 5 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer [ANAV, SR 142.201]). Ist das BFM mit dem dauernden Verbleib einverstanden, so setzt es in seiner Zustimmungsverfügung den Tag fest, von dem an die Ausländerin bzw. der Ausländer aus der eidgenössischen Kontrolle entlassen wird. Damit bestimmt das BFM den Zeitpunkt, von wann an die Niederlassung erteilt werden kann, ohne dass eine nochmalige Einholung der Zustimmung erforderlich wäre (vgl. Art. 17 Abs. 1 ANAG und Art. 19 Abs. 3 ANAV). Obschon die Entlassung aus der eidgenössischen Kontrolle in der Regel eine notwendige Voraussetzung ist (Art. 11 Abs. 2 und Art. 19 Abs. 3 ANAV), räumt sie keinen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ein (vgl. BGE 125 II 633 E. 2b S. 637).
4. Soweit die gesetzlichen Vorschriften und die Verträge mit dem Ausland der Ausländerin bzw. dem Ausländer keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vermitteln, entscheidet die Behörde nach pflichtgemässen Ermessen (vgl. Art. 4 ANAG).
4.1. Die Beschwerdeführerin kann sich als türkische Staatsangehörige auf keine staatsvertragliche Ausnahmeregelung berufen, die ihr einen Anspruch auf Niederlassung verleihen würde. Der ausländischen Ehegattin eines Schweizers ist jedoch nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren eine Niederlassungsbewilligung zu erteilen (vgl. Art. 7 Abs. 1 ANAG). Für die Berechnung dieser Fünfjahresfrist ist einzig die Dauer massgebend, während der sich die Ausländerin als Ehegattin eines Schweizer Bürgers in der Schweiz aufhält. Der anrechbare Aufenthalt beginnt deshalb mit dem Datum der Heirat bzw. mit dem Datum der Einreise in die Schweiz, sofern die Ehe im Ausland geschlossen wurde oder mit der Einbürgerung des Ehegatten (vgl. BGE 130 II 49 E. 3.2.3 S. 54). Ein allfälliger Aufenthalt in der Schweiz vor der Eheschliessung bleibt dagegen im Rahmen von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 ANAG zur Berechnung der Fünfjahresfrist unbeachtlich (BGE 122 II 145 E. 3b S. 147 mit weiteren Hinweisen). Dementsprechend legte die Vorinstanz fest, die Beschwerdeführerin werde fünf Jahre nach ihrer Heirat aus der eidgenössischen Kontrolle entlassen und könne somit frühestens am 4. Juli 2008 eine Niederlassungsbewilligung erhalten.
4.2. Anzufügen ist, dass sich die Rekurrentin inzwischen scheiden liess und am 30. Juni 2005 zum zweiten Mal einen Schweizer Staatsbürger heiratete. Die Beschwerdeführerin erhält zwar dadurch erneut gestützt auf Art. 7 Abs. 1 Satz 2 ANAG einen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung. Vorausgesetzt bleibt jedoch der ordnungsgemässe und ununterbrochene fünfjährige Aufenthalt. Weil sich diese Fünfjahresfrist aber auf diejenige Ehe bezieht, aus welcher der Niederlassungsanspruch abgeleitet wird (dazu Verwaltungspraxis der Bundesbehörden [VPB] 59.27 Ziff. 8.1), hätte die Beschwerdeführerin demzufolge erst fünf Jahre nach ihrer zweiten Eheschliessung gestützt auf Art. 7 Abs. 1 Satz 2 ANAG ein Recht auf Entlassung aus der eidgenössischen Kontrolle.
4.3. Ein Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung und damit auf Entlassung aus der eidgenössischen Kontrolle besteht somit zum heutigen Zeitpunkt nicht.
5. Unbeachtlich der Frage des Anspruches bleibt zu prüfen, ob die Niederlassungsbewilligung allenfalls im Rahmen des behördlichen Ermessens erteilt werden kann (vgl. Art. 4 ANAG).
5.1. Gemäss Art. 17 Abs. 1 ANAG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 ANAV ist Ausländer/innen, selbst wenn sie voraussichtlich dauerhaft in der Schweiz bleiben, zunächst nur eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Ihr Verhalten ist vor der Erteilung der Niederlassungsbewilligung nochmals eingehend zu prüfen (Art. 11 Abs. 1 ANAV). Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die Niederlassungsbewilligung - als diejenige Bewilligungsart, die der Ausländerin bzw. dem Ausländer die weitestgehende Rechtstellung vermittelt - eine schrittweise Verbesserung des Anwesenheitsrechts abschliessen soll. Zudem soll der Aufenthalt vor Erteilung einer Niederlassungsbewilligung Gewähr bieten, dass die Ausländerin/der Ausländer mit den hiesigen Verhältnissen vertraut und im Hinblick auf die weitreichenden Folgen eines unbefristeten Anwesenheitsrechts auch genügend integriert ist (dazu auch BGE 125 II 633 E. 2c S. 638).
5.2. Praxisgemäss wird die Niederlassung in der Regel nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von zehn Jahren erteilt (vgl. Peter Kottusch, Die Niederlassungsbewilligung gemäss Art. 6 ANAG, Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht [ZBL], 1986, S. 519 f.). Vorbehalten bleiben, wie unter Ziff. 4 ausgeführt, abweichende staatsvertragliche Regelungen sowie kürzere Fristen aufgrund eines Anspruches auf Niederlassung.
5.3. Eine Möglichkeit zur vorzeitigen Entlassung aus der eidgenössischen Kontrolle sieht Art. 3b Abs. 2 der Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländer (VIntA, SR 142.205) vor. Die Bestimmung ist zwar erst nach Erlass der hier angefochtenen Verfügung am 1. Februar 2006 in Kraft getreten. Weil für das Bundesverwaltungsgericht die Rechtslage zum Zeitpunkt des Entscheides massgebend ist (vgl. Ziff. 2), ist sie dennoch im vorliegenden Verfahren zur Beurteilung heranzuziehen. Nach Art. 3b Abs. 2 VIntA kann die Kontrollentlassung erteilt werden, wenn eine erfolgreiche Integration im Sinne der VIntA vorliegt und die Ausländerin oder der Ausländer seit fünf Jahren ununterbrochen eine Aufenthaltsbewilligung besitzt. Gemäss Rundschreiben der Vorinstanz sollen bei der Berechnung der Fünfjahresfrist frühere Aufenthalte in der Schweiz nicht berücksichtigt werden (Rundschreiben des BFM vom 1. Februar 2006 zur Teilrevision der Verordnung vom 13. September 2000 über die Integration von Ausländerinnen und Ausländer [VInta], Ziff. 4.1 Bst. c). Die Beschwerdeführerin könnte somit nach dieser behördlichen Praxis gestützt auf Art. 3b Abs. 2 VIntA nicht in den Genuss einer vorzeitigen Entlassung aus der eidgenössischen Kontrolle kommen, besitzt sie schliesslich ihre Aufenthaltsbewilligung zum jetzigen Zeitpunkt noch keine fünf Jahre. Ob jedoch, wie im Rundschreiben des BFM angeführt, die VIntA die Anrechnung früherer Aufenthalte ausschliesst, kann angesichts der nachfolgenden Erwägungen indessen offen bleiben.
6. Trotz der Regelung der vorzeitigen Entlassung im Rahmen der VIntA steht es den Behörden offen, die Niederlassungsbewilligung auch sofort und ohne vorgängigen Aufenthalt zu erteilen. Denn Art. 17 Abs. 1 ANAG (vgl. auch Art. 10 Abs. 1 ANAV) setzt den vorgängigen Aufenthalt nur "in der Regel" voraus. Die gesetzliche Bestimmung räumt den Behörden demnach ein über die VIntA hinausgehendes Ermessen ein, indem gänzlich auf die vorangehende Aufenthaltsdauer verzichtet und unmittelbar die Niederlassung bewilligt werden kann. Die Beschwerdeführerin verweist denn auch auf die Gesetzesbestimmung und die damit verbundene Möglichkeit der Ausnahmeregelung. In den Ausführungsbestimmungen ist diesbezüglich vorgesehen, dass ohne vorherige Aufenthaltsbewilligung insbesondere jenen Ausländer/innen die Niederlassung bewilligt werden kann, welche die Niederlassung früher schon während Jahren besessen haben und trotz ihrer Abwesenheit mit der Schweiz eng verbunden geblieben sind (vgl. Art. 10 Abs. 1 Satz 2 ANAV). Gemäss den Weisungen der Vorinstanz sind für die Anrechnung des früheren Aufenthalts dessen Dauer, die Dauer der Auslandabwesenheit sowie der Umstand massgebend, ob die Ausländerin oder der Ausländer vor der Ausreise bereits eine Niederlassungsbewilligung besessen hat (Weisungen und Erläuterungen des BFM über Einreise, Aufenthalt und Arbeitsmarkt, 3. Aufl., Bern 2006, Ziff. 343.41).
6.1. Soweit der frühere langjährige Besitz der Niederlassungsbewilligung vorausgesetzt wird, war die Beschwerdeführerin als Tochter von in der Schweiz niedergelassen Eltern seit ihrer Kindheit bis zum 19. Lebensjahr im Besitze einer Niederlassungsbewilligung und erfüllt folglich das Erfordernis der langjährigen früheren Niederlassung. Die Vorinstanz verneint jedoch den engen Bezug zur Schweiz, weil sich die Beschwerdeführerin während sieben Jahren in der Türkei aufgehalten habe. Die Rekurrentin bringt dagegen vor, sie habe bereits im Jahr 2001 wieder um Aufenthalt in die Schweiz ersucht. Ihre Bemühungen und die Besuchsaufenthalte seien als Rückkehrversuch mit zu berücksichtigen. Insofern die Beschwerdeführerin damit die siebenjährige Abwesenheit in Frage stellt, kann ihr nicht gefolgt werden. Trotz dem Bestreben während ihren Besuchen eine Aufenthaltsbewilligung zu erhalten, hielt sie sich mit dem Besuchervisum nur vorübergehend in der Schweiz auf. Solche Kurzaufenthalte vermögen jedoch die Dauer des Auslandsaufenthaltes nicht zu verkürzen, wäre es sonst möglich, mit regelmässigen Besuchsaufenthalten in der Schweiz, sich auch nach Jahren der Landesabwesenheit auf Art. 10 Abs. 1 ANAV berufen zu können. Somit bleibt einzig zu prüfen, ob angesichts des siebenjährigen Aufenthalts in der Türkei keine enge Verbundenheit mit der Schweiz mehr besteht.
6.2. Die Vorinstanz schliesst in allgemeiner Weise aufgrund der Dauer der Abwesenheit auf den Verlust des Bezuges zur Schweiz. In der Gesamtwürdigung kann die Abwesenheitsdauer zwar als Indiz auf die fehlende Verbundenheit hinweisen, in diesem Sinne wird auch in der Literatur ein nicht zu weit zurückliegender Aufenthalt verlangt (vgl. Peter Uebersax, Einreise und Anwesenheit, in: Peter Uebersax/Peter Münch/Thomas Geiser/Martin Arnold, Ausländerrecht, Ausländerinnen und Ausländer im öffentlichen Recht, Privatrecht, Steuerrecht und Sozialrecht, Basel/Genf/München 2002, S. 155 f.; Peter Kottusch, a.a.O., S. 544 f.). Eine siebenjährige Abwesenheit ist dementsprechend zu berücksichtigen, sie schliesst jedoch nicht ohne Weiteres einen engen Bezug zur Schweiz aus, weshalb sämtliche Umstände des konkreten Einzelfalles zu würdigen sind.
6.3. Das Kriterium der Verbundenheit mit der Schweiz stellt einen vielfältigen Sachzusammenhang dar, welcher nebst den familiären Bezügen auch namentlich solche gesellschaftlicher, beruflicher und wirtschaftlicher Natur umfasst. Anhaltspunkte zur Beurteilung können sich insbesondere aus dem früheren Aufenthalt ergeben. Dagegen sind die Ausführungen der Rekurrentin zu ihren damaligen Schwierigkeiten in der Türkei eine Existenz aufzubauen und den damit verbundenen psychischen Folgen grundsätzlich unbeachtlich. Denn vorliegend steht nicht der Verbleib in der Schweiz in Frage, sondern die Art der fremdenpolizeilichen Regelung. Der Umstand, dass sich eine Person vorerst mit einer Aufenthaltsbewilligung begnügen muss, wird kaum das Ausmass einer Härte annehmen, dem gegenüber das öffentliche Integrationsinteresse zurückstehen müsste.
6.4. Die Beschwerdeführerin ist in der Schweiz geboren, absolvierte hier ihre gesamte Schulzeit und war nach eigenen Angaben bereits vor ihrer Ausreise als angelernte Laborantin in einem Fotofachgeschäft erwerbstätig. Die heute 29-jährige Beschwerdeführerin hat somit den prägenden und wesentlichen Teil ihres Lebens in der Schweiz verbracht. Obschon ihrem Aufenthalt in der Türkei aufgrund seiner zeitlichen Dauer eine gewisse Relevanz zukommt, gilt es diesen in Bezug zum 19-jährigen Aufenthalt in der Schweiz zu setzen. Dass die Beschwerdeführerin ihre gesamte Kindheit und Adoleszenz in der Schweiz verbrachte, relativiert die siebenjährige Abwesenheit und lässt auf eine enge Verbundenheit zur Schweiz schliessen. Zudem spricht auch der familiäre Bezug dafür, dass die Beschwerdeführerin während ihrer Abwesenheit mit der Schweiz verbunden blieb. Wie sich aus den Akten und den Angaben der Rekurrentin ergibt, kehrte sie zusammen mit ihrem Vater und ihrem jüngeren Bruder in die Türkei zurück. Ihre Mutter und ihr älterer Bruder blieben indessen in der Schweiz. Zu diesen nahen Familienangehörigen pflegte die Beschwerdeführerin im Rahmen von Besuchsaufenthalten weiterhin Kontakt. Nachdem ihr Vater und ihr Bruder im März 2002 wieder in die Schweiz zurückkehrten und aufgrund des Familiennachzuges eine Niederlassungsbewilligung erhielten, befanden sich von diesem Zeitpunkt an sämtliche nahen Familienangehörigen in der Schweiz. Der primäre familiäre Bezug scheint daher zur Schweiz gegeben. Ferner lassen die im kantonalen Bewilligungsverfahren beigebrachten Referenzen und Stellenangebote von Arbeitgebern, die zwar für sich gesehen den Bezug zur Schweiz nicht zu begründen vermögen, auf ein gewisses gesellschaftliches Beziehungsnetz in der Schweiz schliessen. Entgegen der vorinstanzlichen Verfügung ist somit im vorliegenden Fall trotz der siebenjährigen Landesabwesenheit von einer engen Verbundenheit mit der Schweiz auszugehen.
7.
7.1. Bei der Ausübung des Ermessens - namentlich zur der Erteilung der Niederlassungsbewilligung - ist jedoch auch der Integrationsgrad der Ausländerin bzw. des Ausländers zu berücksichtigen (vgl. Ziff. 5.1 sowie Art. 3b Abs. 1 VIntA). Dabei ist die heutige Sachlage massgebend (vgl. Ziff. 2). Die Beschwerdeführerin hält sich nunmehr seit vier Jahren wieder in der Schweiz auf und ist mit einem Schweizer Staatsbürger verheiratet. Insgesamt ist die 29-jährige Beschwerdeführerin nun 23 Jahre in der Schweiz wohnhaft. Nachdem ihr im Juli 2003 eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wurde, konnte sich die Rekurrentin zudem auch in beruflicher Hinsicht in der Schweiz integrieren und ist seit März 2004 teilzeitlich erwerbstätig. Aufgrund ihrer Schulzeit in der Schweiz erfüllt sie ausserdem die Anforderungen, welche an eine sprachliche Integration gestellt werden (vgl. dazu Rundschreiben des BFM vom 1. Februar 2006 zur Teilrevision der Verordnung vom 13. September 2000 über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern [VInta], Beilage [Weisung Ziff. 333.42]). Zwar hat die Beschwerdeführerin während ihrer Besuchsaufenthalte in den Jahren 2001 und 2003 die erlaubte Aufenthaltsdauer überschritten, um das kantonale Verfahren zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung einzuleiten. Sie kam indessen beide Male der nachträglich eingeräumten Frist zum Verlassen der Schweiz nach. Weitere Umstände, die gegen die Rekurrentin sprechen, sind nicht ersichtlich.
7.2. Aus diesen Gründen ist somit auch unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Situation die sofortige Entlassung der Beschwerdeführerin aus der eidgenössischen Kontrolle gerechtfertigt.
8. Indem die Vorinstanz wegen des siebenjährigen Auslandsaufenthalts von vornherein davon absah, die persönliche Situation der Beschwerdeführerin zu prüfen, hat sie den konkreten Umständen des Einzelfalls nicht ausreichend Rechnung getragen und verzichtete auf das ihr in Art. 10 Abs. 1 ANAV eingeräumte Ermessen. Folglich hat sie ihr zustehendes Ermessen nicht pflichtgemäss ausgeübt, weshalb die angefochtene Verfügung gegen Art. 49 Bst. a VwVG verstösst (vgl. Alfred Kölz/Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, Zürich 1998, S. 224).
9. Die Beschwerde ist somit gutzuheissen. Entsprechend dem Verfahrensausgang sind der Beschwerdeführerin keine Kosten aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG). Der geleistete Kostenvorschuss ist zurückzuerstatten.
10. Der Beschwerdeführerin, die während des grössten Teils des Verfahrens einen nichtanwaltlichen Vertreter beauftragte, ist eine Parteientschädigung in der Höhe von Fr. 800.-- (inkl. 7.6 % MwSt.) zuzusprechen (Art. 64 Abs. 1 VwVG i.V.m. Art. 7 Abs. 1, Art. 8
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 8 Parteientschädigung
1    Die Parteientschädigung umfasst die Kosten der Vertretung sowie allfällige weitere Auslagen der Partei.
2    Unnötiger Aufwand wird nicht entschädigt.
-10
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 10 Anwaltshonorar und Entschädigung für nichtanwaltliche berufsmässige Vertretung
1    Das Anwaltshonorar und die Entschädigung für eine nichtanwaltliche berufsmässige Vertretung werden nach dem notwendigen Zeitaufwand des Vertreters oder der Vertreterin bemessen.
2    Der Stundenansatz beträgt für Anwälte und Anwältinnen mindestens 200 und höchstens 400 Franken, für nichtanwaltliche Vertreter und Vertreterinnen mindestens 100 und höchstens 300 Franken. In diesen Stundenansätzen ist die Mehrwertsteuer nicht enthalten.
3    Bei Streitigkeiten mit Vermögensinteresse kann das Anwaltshonorar oder die Entschädigung für eine nichtanwaltliche berufsmässige Vertretung angemessen erhöht werden.
und Art. 14 Abs. 2
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 14 Festsetzung der Parteientschädigung
1    Die Parteien, die Anspruch auf Parteientschädigung erheben, und die amtlich bestellten Anwälte und Anwältinnen haben dem Gericht vor dem Entscheid eine detaillierte Kostennote einzureichen.
2    Das Gericht setzt die Parteientschädigung und die Entschädigung für die amtlich bestellten Anwälte und Anwältinnen auf Grund der Kostennote fest. Wird keine Kostennote eingereicht, so setzt das Gericht die Entschädigung auf Grund der Akten fest.
des Reglementes vom 11. Dezember 2006 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2].

*******
(Dispositiv S. 10)

Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen und die angefochtene Verfügung vom 23. August 2004 wird aufgehoben.
2. Die Vorinstanz wird angewiesen die Beschwerdeführerin sofort aus der eidgenössischen Kontrolle zu entlassen.
3. Es werden keine Verfahrenskosten auferlegt und der am 29. Oktober 2004 geleistete Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 600.-- wird der Beschwerdeführerin zurückerstattet.
4. Die Vorinstanz hat die Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht mit Fr. 800.-- (inkl. 7.6 % MwSt.) zu entschädigen.
5. Dieses Urteil wird eröffnet:
- der Beschwerdeführerin (eingeschrieben)
- der Vorinstanz (eingeschrieben, Akten Ref-Nr. [...] retour).

Der Kammerpräsident: Die Gerichtsschreiberin:

A. Imoberdorf E. Sturm

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Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : C-389/2006
Datum : 04. Juni 2007
Publiziert : 19. Juni 2007
Quelle : Bundesverwaltungsgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Bürgerrecht und Ausländerrecht
Gegenstand : Kontrollentlassung (17 Abs. 2 ANAG)


Gesetzesregister
ANAG: 4  6  7  15  17  18  20
ANAV: 10  11  19
BGG: 83
VGG: 1  31  37  53
VGKE: 8 
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 8 Parteientschädigung
1    Die Parteientschädigung umfasst die Kosten der Vertretung sowie allfällige weitere Auslagen der Partei.
2    Unnötiger Aufwand wird nicht entschädigt.
10 
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 10 Anwaltshonorar und Entschädigung für nichtanwaltliche berufsmässige Vertretung
1    Das Anwaltshonorar und die Entschädigung für eine nichtanwaltliche berufsmässige Vertretung werden nach dem notwendigen Zeitaufwand des Vertreters oder der Vertreterin bemessen.
2    Der Stundenansatz beträgt für Anwälte und Anwältinnen mindestens 200 und höchstens 400 Franken, für nichtanwaltliche Vertreter und Vertreterinnen mindestens 100 und höchstens 300 Franken. In diesen Stundenansätzen ist die Mehrwertsteuer nicht enthalten.
3    Bei Streitigkeiten mit Vermögensinteresse kann das Anwaltshonorar oder die Entschädigung für eine nichtanwaltliche berufsmässige Vertretung angemessen erhöht werden.
14
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 14 Festsetzung der Parteientschädigung
1    Die Parteien, die Anspruch auf Parteientschädigung erheben, und die amtlich bestellten Anwälte und Anwältinnen haben dem Gericht vor dem Entscheid eine detaillierte Kostennote einzureichen.
2    Das Gericht setzt die Parteientschädigung und die Entschädigung für die amtlich bestellten Anwälte und Anwältinnen auf Grund der Kostennote fest. Wird keine Kostennote eingereicht, so setzt das Gericht die Entschädigung auf Grund der Akten fest.
VIntA: 3b
VwVG: 48  49  52  62  63  64
BGE Register
122-II-145 • 125-II-633 • 129-II-215 • 130-II-49
Weitere Urteile ab 2000
2A.451/2002
Stichwortregister
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niederlassungsbewilligung • vorinstanz • aufenthaltsbewilligung • bundesverwaltungsgericht • ermessen • dauer • bundesamt für migration • integration • einreise • vater • ununterbrochener aufenthalt • weisung • frage • ausreise • wiese • weiler • ehegatte • rechtsmittel • beschwerde an das bundesverwaltungsgericht • bundesgesetz über die ausländerinnen und ausländer
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