Bundesverwaltungsgericht
Tribunal administratif fédéral
Tribunale amministrativo federale
Tribunal administrativ federal

Tribu na le a m mi ni st r at ivo fed er al e
Tribu na l ad m in is tr at iv fed er al

Abteilung I
A-4360/2008 und A-4415/2008
{T 0/2}

Urteil vom 4. März 2010

Besetzung

Richter Daniel Riedo (Vorsitz),
Richter Thomas Stadelmann, Richter Pascal Mollard, Gerichtsschreiberin Gabriela Meier.

Parteien

X. und Y._______,
Beschwerdeführer,
gegen
Eidgenössische Steuerverwaltung ESTV,
Hauptabteilung Mehrwertsteuer, Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern,
Vorinstanz.

Gegenstand

Zahnprothetiker; Ermessensveranlagung; Solidarhaftung.
A-4360/2008 und A-4415/2008

Sachverhalt:
A.
Die Zahnprothetiker X. und Y._______ führen in A._______ eine Praxis X. & Y._______ (einfache Gesellschaft), welche ab 1. Januar 1995 ins Register der Mehrwertsteuerpflichtigen eingetragen wurde. X. und Y._______ kamen ihrer Abrechnungspflicht für die Steuerperioden 1. Quartal 1996 bis 2. Quartal 2007 (Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis 30. Juni 2007) nicht nach. Sie lehnten eine Kontrolle vor Ort ab, reichten jedoch auf Verlangen der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) die Bilanzen und Erfolgsrechnungen für die Jahre 1996 bis 2006 und mit Schreiben vom 20. November 2007 Angaben zu den bis zu jenem Zeitpunkt in jenem Jahr erzielten Umsätzen ein. Die ESTV auferlegte ihnen (mit EA Nr. _______ vom 21. November 2007) für die Steuerperioden 1. Quartal 1996 bis 4. Quartal 2000 Steuern in der Höhe von Fr. 31'988.-- und (mit EA Nr. _______ vom 21. November 2007) für die Steuerperioden 1. Quartal 2001 bis 2. Quartal 2007 Steuern in der Höhe von Fr. 38'923.--, jeweils zuzüglich Verzugszins. In der Folge reichten sie einen "Rückweisungsbeschluss bezüglich Rechnungen einer nicht vorhandenen Firma X. & Y._______ (...)" vom 26. November 2007 ein und beantragten die rückwirkende Löschung aus dem Register der Mehrwertsteuerpflichtigen. B.
Die ESTV hielt mit ihren Entscheiden vom 25. März 2008 an ihren Steuerforderungen in der Höhe von Fr. 31'988.-- und Fr. 38'923.-(beide nebst Verzugszins) fest. C.
Dagegen erhoben X. und Y._______ mit Schreiben vom 29. März 2008 bei der ESTV Einsprache. Sie beantragten die Löschung ihres Unternehmens aus dem Register der Mehrwertsteuerpflichtigen und machten geltend, der Preis für die Zahnprotheselieferungen werde durch sie selber und nicht durch die ESTV bestimmt. Überdies sei der Umsatz in der Höhe von Fr. 12'000.-- immer deklariert worden. Schliesslich brachten sie vor, die Z.________ AG sei seit dem Jahr 1991 Mitbenutzerin der Räumlichkeiten und erledige die zahntechnischen Arbeiten.
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D.
Die ESTV (nachfolgend Vorinstanz) wies die Einsprachen mit den Einspracheentscheiden vom 20. Juni 2008 ab. Sie führte aus, X. und Y._______ hätten eine Kontrolle vor Ort zur Beurteilung der Steuerpflicht und zur Festlegung der steuerbaren Umsätze ab dem Jahr 1996 abgelehnt. Die ESTV habe in der Folge auf eine entsprechende Kontrolle verzichtet und aufgrund der eingereichten Unterlagen und Angaben entschieden. Beim Umsatz sei das Mietentgelt der Z._______ AG von Fr. 12'000.-- pro Jahr (für das Jahr 2007 Fr. 6'000.--) zu Gunsten der Steuerpflichtigen nicht berücksichtigt worden. Weiter seien die Umsätze gestützt auf die von X. und Y._______ eingereichten Unterlagen und Angaben für die Jahre 1996 bis 2007 ermessensweise festgesetzt worden.
E.
Gegen diese Einspracheentscheide gelangten X. und Y._______ (Beschwerdeführer) je mit gleichlautender und gemeinsamer Eingabe vom 25. Juni 2008 an das Bundesverwaltungsgericht und beantragten sinngemäss die Aufhebung der angefochtenen Entscheide. F.
Mit Zwischenverfügungen vom 3. Juli 2008 wurden die Beschwerdeführer zur Bezahlung eines Kostenvorschusses in der Höhe von je Fr. 2'500.-- aufgefordert und gleichzeitig wurde ihnen die Besetzung des Spruchkörpers bekannt gegeben.
Die Beschwerdeführer ersuchten mit Schreiben vom 8. Juli 2008 um Ausstand des Instruktionsrichters und der beiden mitwirkenden Richter sowie um Erlass des Kostenvorschusses.
G.
Mit
Zwischenentscheid
des
Bundesverwaltungsgerichts
vom
29. September 2008 erfolgte eine Abweisung der Ausstandsbegehren. Die Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den ebenfalls abweisenden Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts betreffend Bezahlung des Kostenvorschusses wurde mit Urteil des Bundesgerichts 2C.521/2008 vom 22. Juli 2008 abgewiesen, soweit darauf eingetreten wurde.
H.
Die Vorinstanz beantragte mit Vernehmlassung vom 19. Januar 2009 die kostenfällige Abweisung der Beschwerden und die Vereinigung der Verfahren A-4360/2008 und A-4415/2008.

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I.
Die Beschwerdeführer reichten mit unaufgeforderter Eingabe vom 26. Januar 2009 eine "Richtigstellung bezüglich Vernehmlassung der ESTV vom 19.01.09" ein.
Auf die Begründung der Eingaben ans Bundesverwaltungsgericht wird ­ soweit entscheidwesentlich ­ im Rahmen der Erwägungen näher eingegangen.

Das Bundesverwaltungsgericht zieht in Erwägung: 1.
1.1 Angefochten ist ein Einspracheentscheid der ESTV und damit eine Verfügung nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG, SR 172.021). Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständige Beschwerdeinstanz (Art. 31, Art. 32 e contrario und Art. 33 Bst. d des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht [Verwaltungsgerichtsgesetz, VGG, SR 173.32]). Das vorliegende Verfahren richtet sich nach dem VwVG, soweit das VGG nichts anderes bestimmt.
1.2 Am 1. Januar 2010 ist das Mehrwertsteuergesetz vom 12. Juni 2009 (MWSTG, SR 641.20) in Kraft getreten. Die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen sowie die darauf gestützt erlassenen Vorschriften bleiben grundsätzlich weiterhin auf alle während ihrer Geltungsdauer eingetretenen Tatsachen und entstandenen Rechtsverhältnisse anwendbar (Art. 112 Abs. 1 MWSTG). Soweit der Sachverhalt vom 1. Januar 2001 bis 30. Juni 2007 betroffen ist, untersteht das vorliegende Verfahren deshalb in materieller Hinsicht dem Bundesgesetz vom 2. September 1999 über die Mehrwertsteuer (aMWSTG, AS 2000 1300). Für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis 31. Dezember 2000 finden ferner die Bestimmungen der Verordnung vom 22. Juni 1994 über die Mehrwertsteuer (aMWSTV, AS 1994 1464) Anwendung (Art. 93 und 94 aMWSTG). Namentlich die Verjährung ist ein matriell-rechtliches Institut (vgl. dazu BGE 126 II 1 E. 2a mit weiteren Hinweisen). Die Frage nach der Verjährung der bis Ende des Jahres 2000 geschuldeten Steuer wird deshalb nach den Bestimmungen der aMWSTV beurteilt, für die Zeit danach gemäss dem aMWSTG (Art. 112 Abs. 1 letzter Satz MWSTG i.V.m. Art. 93 aMWSTG). Demgegenüber ist das neue mehrwertsteuerliche Verfahrensrecht im Sinne von Art. 113 Abs. 3 MWSTG auf sämtliche im Zeitpunkt des In-
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krafttretens hängige Verfahren anwendbar. Allerdings ist Art. 113 Abs. 3 MWSTG insofern restriktiv auszulegen, als gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung nur eigentliche Verfahrensnormen sofort auf hängige Verfahren anzuwenden sind, und es dabei nicht zu einer Anwendung von neuem materiellen Recht auf altrechtliche Sachverhalte kommen darf (ausführlich: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1113/2009 vom 23. Februar 2010 E. 1.3.3.2). Kein Verfahrensrecht in diesem engen Sinn stellen im vorliegenden Fall etwa die nachfolgend abgehandelten Themen wie die Buchführungspflicht, das Selbstveranlagungsprinzip, die Ermessensveranlagung oder gar der Verzugszins etc. dar, so dass vorliegend diesbezüglich noch altes Recht anwendbar ist. Keine Anwendung finden deshalb beispielsweise Art. 70 , 71 , 72 , 79 oder 87 MWSTG, obwohl sie unter dem Titel ,,Verfahrensrecht für die Inland- und die Bezugsteuer" stehen. 1.3 Jeder vorinstanzliche Entscheid bildet grundsätzlich ein selbständiges Anfechtungsobjekt und ist deshalb einzeln anzufechten. Von diesem Grundsatz kann jedoch abgewichen und die Anfechtung in einem gemeinsamen Verfahren mit einem einzigen Urteil zugelassen werden, wenn die einzelnen Sachverhalte in einem engen inhaltlichen Zusammenhang stehen und sich in allen Fällen gleiche oder ähnliche Rechtsfragen stellen. Unter denselben Voraussetzungen können auch getrennt eingereichte Beschwerden in einem Verfahren vereinigt werden (BGE 131 V 461 E. 1.2; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A1478/2006 vom 10. März 2008 E. 1.2). Ein solches Vorgehen dient der Verfahrensökonomie und liegt im Interesse aller Beteiligten (ANDRÉ MOSER/MICHAEL BEUSCH/LORENZ KNEUBÜHLER, Prozessieren vor dem Bundesverwaltungsgericht, Basel 2008, Rz. 3.17). Diese Voraussetzungen sind für die beiden vorliegenden Verfahren klar erfüllt; stellen sich doch die gleichen Rechtsfragen und ist derselbe Sachverhalt betroffen. Aus diesen Gründen sind die Verfahren A-4360/2008 und A-4415/2008 zusammenzulegen, was die ESTV im Übrigen ausdrücklich und die Beschwerdeführer mit ihrer gemeinsam unterzeichneten Beschwerde implizite beantragen.
1.4 Die Anfechtungs- oder Beschwerdeobjekte sind die Einspracheentscheide der ESTV vom 20. Juni 2008, in welchen die Steuerforderungen vom 1. Quartal 1996 bis 2. Quartal 2007 festgelegt wurden. Die Beschwerdeführer bringen vor, die Kontrolle vom 2. Mai 1996 könne nicht als Basis für die Eintragung vom 1. Januar 1995 "bezeichnet" werden. Soweit sie damit die Steuerpflicht oder die
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Steuernachforderung für den Zeitraum zwischen 1. Januar 1995 und 31. Dezember 1995 in Frage stellen wollen, ist festzuhalten, dass mit Urteil des Bundesgerichts 2A.455/2006 vom 1. März 2007 bereits rechtskräftig darüber entschieden worden ist. Auf diesen Punkt kann nicht eingetreten werden. Soweit die Rügen der Beschwerdeführer die Steuerperioden der Jahre 1996 bis 2007 betreffen, ist auf die grundsätzlich form- und fristgerecht (Art. 50 ff . VwVG) eingereichten Beschwerden einzutreten, insofern sie überhaupt sachbezogen sind. 1.5 Das Bundesverwaltungsgericht kann die angefochtenen Einspracheentscheide grundsätzlich in vollem Umfang überprüfen. Der Beschwerdeführer kann neben der Verletzung von Bundesrecht (Art. 49 Bst. a VwVG) und der unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 49 Bst. b VwVG) auch die Rüge der Unangemessenheit erheben (Art. 49 Bst. c VwVG; vgl. MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, a.a.O., Rz. 2.149; ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER/FELIX UHLMANN, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl., Zürich 2006, Rz. 1758 ff.).
2.
2.1 Mehrwertsteuerpflichtig ist, wer eine mit der Erzielung von Einnahmen verbundene gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, auch wenn die Gewinnabsicht fehlt, sofern seine Lieferungen, seine Dienstleistungen und sein Eigenverbrauch im Inland jährlich gesamthaft Fr. 75'000.-- übersteigen (Art. 17 aMWSTV, Art. 21 Abs. 1 aMWSTG). Der für die Feststellung der Steuerpflicht massgebende Umsatz bemisst sich bei den der Steuer unterliegenden Lieferungen und Dienstleistungen nach den vereinnahmten Entgelten (Art. 26 aMWSTV, Art. 21 Abs. 3 Bst. a aMWSTG). Von der Steuerpflicht ausgenommen sind Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen Fr. 75'000.-- und Fr. 250'000.--, sofern der nach Abzug der Vorsteuer verbleibende Mehrwertsteuerbetrag (sogenannte Steuerzahllast) regelmässig nicht mehr als Fr. 4'000.-- betragen würde (Art. 19 aMWSTV, Art. 25 Abs. 1 Bst. a aMWSTG).
Steuerpflichtig sind unter anderem Personengesamtheiten ohne Rechtsfähigkeit, welche unter gemeinsamer Firma Umsätze tätigen (Art. 17 Abs. 2 aMWSTV, Art. 21 aMWSTG). Dazu gehört auch die einfache Gesellschaft (Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1634/ 2006 vom 31. März 2009 E. 2.1.2, A-1544/2006 vom 11. September 2008 E. 2.1.2; GERHARD SCHAFROTH/DOMINIK ROMANG, mwst.com, Kommen-
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tar zum Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, Basel 2000, Rz. 17 zu Art. 21). Die Teilhaber an einer einfachen Gesellschaft haften solidarisch im Rahmen ihrer zivilrechtlichen Haftbarkeit mit dem Steuerpflichtigen (Art. 25 Abs. 1 Bst. a aMWSTV, Art. 32 Abs. 1 Bst. a aMWSTG).
2.2 Die im Inland gegen Entgelt erbrachten Lieferungen von Gegenständen unterliegen der Mehrwertsteuer, sofern sie nicht ausdrücklich von der Steuer ausgenommen sind (Art. 4 Bst. a aMWSTV, Art. 5 Bst. a aMWSTG). Von der Mehrwertsteuer ausgenommen (unecht befreit) sind unter anderem die von Zahnärzten oder Angehörigen ähnlicher Heil- und Pflegeberufe erbrachten Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin (Art. 14 Ziff. 3 aMWSTV, Art. 18 Ziff. 3 aMWSTG). Unter der Geltung der aMWSTV wird die Lieferung fester Prothesen und zahnprothetischer Apparate durch einen Zahnarzt als Teil der ärztlichen Heilbehandlung verstanden und deshalb von der Mehrwertsteuer ausgenommen. Hingegen wird die blosse Lieferung von Zahnprothesen explizit als steuerbar erklärt (Art. 14 Ziff. 3 aMWSTV; ISABEL HOMBERGER GUT, mwst.com, Kommentar zum Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, Basel 2000, Rz. 24 zu Art. 18 Ziff. 3). Das Bundesgericht hat in BGE 124 II 193 ff. ausgeführt, es entspreche Sinn und Zweck von Art. 14 Ziff. 3 aMWSTV, wenn die Lieferung von herausnehmbaren Zahnprothesen an Patienten, unabhängig von der Person des Lieferanten, nicht als eine von der Steuer ausgenommene Heilbehandlung gelte ­ im Unterschied zu festsitzendem Zahnersatz und kieferorthopädischen Apparaturen. Die Steuerbarkeit von Lieferungen von Zahnprothesen gemäss Art. 14 Ziff. 3 aMWSTV wurde ausserdem für verfassungskonform erklärt (vgl. dazu insbesondere BGE 124 II 193 E. 6 ff.). Im aMWSTG wird die Lieferung von Prothesen und orthopädischen Apparaten demgegenüber einheitlich der Steuer unterstellt. Deshalb sind auch Lieferungen von Prothesen, welche in eine ärztliche Heilbehandlung einfliessen, steuerbar (HOMBERGER GUT, a.a.O., Rz. 25 zu Art. 18 Ziff. 3).
2.3 Das Handeln wird mehrwertsteuerlich grundsätzlich demjenigen zugerechnet, der nach aussen, gegenüber Dritten in eigenem Namen auftritt (statt vieler: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1341/2006 vom 7. März 2007 E. 2.3.1).
2.4 Die Veranlagung und Entrichtung der Mehrwertsteuer erfolgt nach dem Selbstveranlagungsprinzip (vgl. ERNST BLUMENSTEIN/PETER LOCHER,
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System des schweizerischen Steuerrechts, 6. Aufl., Zürich 2002, S. 421 ff.). Dies bedeutet, dass der Mehrwertsteuerpflichtige selbst und unaufgefordert über seine Umsätze und Vorsteuern abzurechnen und innerhalb von 60 Tagen nach Ablauf der Abrechnungsperiode den geschuldeten Mehrwertsteuerbetrag (Steuer vom Umsatz abzüglich Vorsteuern) an die ESTV abzuliefern hat (Art. 37 f. aMWSTV, Art. 46 f. aMWSTG; ALOIS CAMENZIND/NIKLAUS HONAUER/KLAUS A. VALLENDER, Handbuch zum Mehrwertsteuergesetz [MWSTG], 2. Aufl., Bern 2003, Rz. 1579, JEAN-DANIEL ROUVINEZ, mwst.com, Kommentar zum Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer, Basel 2000, Rz. 1 ff. zu Art. 47 Abs. 1 und 2). Ein Verstoss des Steuerpflichtigen gegen diesen Grundsatz ist im alten Recht als schwerwiegend anzusehen, da er durch die Nichteinhaltung dieser Vorschrift die ordnungsgemässe Erhebung der Mehrwertsteuer gefährdet (Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A746/2007 vom 6. November 2009 E. 2.1, A-1560/2007 vom 20. Oktober 2009 E. 3.2, A-1636/2006 vom 2. Juli 2008 E. 2.1). Der Mehrwertsteuerpflichtige hat seine Geschäftsbücher ordnungsgemäss zu führen und so einzurichten, dass sich aus ihnen die für die Feststellung der Mehrwertsteuerpflicht sowie für die Berechnung der Steuer und der abziehbaren Vorsteuern massgebenden Tatsachen leicht und zuverlässig ermitteln lassen (Art. 47 Abs. 1 aMWSTV, Art. 58 Abs. 1 aMWSTG).
2.5
2.5.1 Die ESTV nimmt eine Schätzung nach pflichtgemässem Ermessen nur vor, wenn der Steuerpflichtige seine Abrechnungspflichten nicht erfüllt oder die ausgewiesenen Ergebnisse mit dem wirklichen Sachverhalt offensichtlich nicht übereinstimmen (Art. 48 aMWSTV, Art. 60 aMWSTG; CAMENZIND/HONAUER/VALLENDER, a.a.O., Rz. 1680). 2.5.2 Sind die Voraussetzungen für eine Ermessenstaxation erfüllt, ist die ESTV nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, eine solche vorzunehmen. Ihr Ermessen hat sie dabei pflichtgemäss auszuüben. In Ausübung dieses pflichtgemässen Ermessens hat die Verwaltung diejenige Schätzungsmethode zu wählen, die den individuellen Verhältnissen im Betrieb der Steuerpflichtigen soweit als möglich Rechnung trägt, auf plausiblen Angaben beruht und deren Ergebnis der wirklichen Situation möglichst nahe kommt (Urteil des Bundesgerichts 2C.426/2007 vom 22. November 2007; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-746/2007 vom 6. November 2009 E. 4.1, A-3678/2007 vom
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18. August 2009 E. 3.2 f., A-1527/2006 vom 6. März 2008 E. 2.3). In Betracht fallen einerseits Methoden, die auf eine Ergänzung oder Rekonstruktion der ungenügenden Buchhaltung hinauslaufen, andererseits Umsatzschätzungen aufgrund unbestrittener Teil-Rechnungsergebnisse in Verbindung mit Erfahrungssätzen (Urteil des Bundesgerichts vom 4. Mai 1983, veröffentlicht in Archiv für Schweizerisches Abgaberecht [ASA] 52 S. 234 E. 4; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1560/2007 vom 20. Oktober 2009 E. 4.4; vgl. zum Ganzen auch PASCAL MOLLARD, TVA et taxation par estimation, in ASA 69 S. 526 ff., 557). Die brauchbaren Teile der Buchhaltung und allenfalls vorhandene Belege sind soweit als möglich bei der Schätzung mitzuberücksichtigen. Sie können durchaus als Basiswerte der Ermessenstaxation fungieren (HANS GERBER, Die Steuerschätzung [Veranlagung nach Ermessen], in Steuer Revue [StR] 1980, S. 307). 2.5.3 Die ESTV ermittelt im Rahmen der Ermessenseinschätzung den pflichtwidrig nicht oder falsch deklarierten Umsatz des Steuerpflichtigen. Da es sich indes bei den Vorsteuern um steuermindernde Tatsachen handelt, obliegt der formgerechte Beweis für das Vorliegen der angefallenen Vorsteuern dem Mehrwertsteuerpflichtigen (BLUMENSTEIN/ LOCHER, a.a.O., S. 415, 453 f.; vgl. dazu auch unten E. 2.6.2); ihm ist es anheim gestellt, ob er davon Gebrauch machen will (Urteil des Bundesgerichts 2A.558/2005 vom 8. Mai 2006 E. 2.3; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1634/2006 vom 31. März 2009 E. 5.3, A1353/2006 vom 7. April 2008 E. 2.6, 3.1). Eine Schätzung der nicht nachgewiesenen Vorsteuern wird durch die ESTV nur ausnahmsweise vorgenommen (Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1374/2006 vom 21. Januar 2008 E. 3.2, A-1553/2006 vom 26. September 2007 E. 3.1). Ohne Bedeutung ist eine Schätzung der Vorsteuern jedoch im Rahmen der Ermessenstaxation bei jenen Steuerpflichtigen, welche nach Saldosteuersätzen abrechnen; hier hat die ESTV den Ausgangsumsatz zu schätzen und die Steuer sodann mittels des branchenkonformen Saldosteuersatzes, der die Vorsteuer pauschal berücksichtigt, zu berechnen (Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1549/2006 vom 16. Mai 2008 E. 4.4, A-1535/2006 vom 14. März 2007 E. 2.5.3). Die Voraussetzungen, welche für die Geltendmachung des Vorsteuerabzuges erfüllt sein müssen, sind dabei nicht zu prüfen (CAMENZIND/ HONAUER/VALLENDER, a.a.O., Rz. 1687).
Der im Einzelfall anzuwendende Saldosteuersatz ist nicht gesetzlich bestimmt, sondern wird von der ESTV aufgrund der branchenspezi-
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fischen Besonderheiten (anwendbarer Steuersatz, Anlageintensität, Personalaufwand, so CAMENZIND/HONAUER/VALLENDER, a.a.O., Rz. 1541) festgelegt. Der so ermittelte Saldosteuersatz widerspiegelt die Differenz zwischen dem Normalsteuersatz und dem ­ aus mittelfristiger Sicht ­ vermuteten Anteil an vorsteuerbelasteten Aufwendungen und Investitionen einer ganzen Branche bzw. einer Geschäftstätigkeit (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-2036/2008 vom 19. August 2009 E. 2.2.2).
2.6
2.6.1 Ob die Voraussetzungen für die Vornahme einer Ermessensveranlagung gegeben sind, überprüft das Bundesverwaltungsgericht uneingeschränkt. Bei der Kontrolle von zulässigerweise erfolgten Ermessensveranlagungen auferlegt es sich allerdings eine gewisse Zurückhaltung (Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1527/2006 vom 6. März 2008 E. 1.4, A-1531/2006 vom 10. Januar 2008 E. 2.1). Die Rechtmässigkeit dieser Praxis wurde höchstrichterlich bestätigt (Urteil des Bundesgerichts 2C.426/2007 vom 22. November 2007 E. 4.3). 2.6.2 Sind die Voraussetzungen einer Ermessenstaxation erfüllt, obliegt es der Steuerpflichtigen, den Beweis für die Unrichtigkeit der Schätzung zu erbringen. Erst wenn ihr der Nachweis gelingt, dass der Vorinstanz dabei erhebliche Ermessensfehler unterlaufen sind, nimmt das Bundesverwaltungsgericht eine Korrektur der vorinstanzlichen Schätzung vor (Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-746/2007 vom 6. November 2009 E. 5.2, A-1531/2006 vom 10. Januar 2008 E. 2.5.2). Insoweit erfolgt eine Abkehr von der allgemeinen Beweislastregel, wonach die Steuerbehörde die Beweislast für Tatsachen trägt, welche die Steuerpflicht als solche begründen oder die Steuerforderung erhöhen (sog. steuerbegründende und -mehrende Tatsachen), währenddem die Steuerpflichtige für die steueraufhebenden und -mindernden Tatsachen beweisbelastet ist, das heisst für solche Tatsachen, welche eine Steuerbefreiung oder Steuerbegünstigung bewirken (statt vieler: Urteil des Bundesgerichts vom 14. Juli 2005, veröffentlicht in ASA 75 S. 495 ff. E. 5.4; Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1503/2007 vom 5. Dezember 2007 E. 1.3, A-1373/2006 vom 16. November 2007 E. 2.1, je mit Hinweisen). 2.7 Die Mehrwertsteuerforderung verjährt fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden ist (Art. 40 Abs. 1 aMWSTV, Art. 49 Abs. 2 aMWSTG). Der Lauf der Verjährungsfrist wird durch jede
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Einforderungshandlung und jede Berichtigung durch die zuständige Behörde gegenüber allen Zahlungspflichtigen unterbrochen (Art. 40 Abs. 2 und 3 aMWSTV, Art. 49 Abs. 2 und 3 aMWSTG). Die aMWSTV selber kennt im Gegensatz zu Art. 49 Abs. 4 aMWSTG keine absolute Verjährungsfrist von fünfzehn Jahren.
2.8 Bei verspäteter Entrichtung der Mehrwertsteuer (vgl. oben E. 2.4) durch den Steuerpflichtigen oder diejenigen Personen, welche aus der Steuerforderung mithaften (BLUMENSTEIN/LOCHER, a.a.O., S. 485), ist ohne Mahnung und unabhängig vom Verschulden ein Verzugszins zu bezahlen (Art. 38 Abs. 2 aMWSTV, Art. 47 Abs. 2 aMWSTG; Kommentar des Eidgenössischen Finanzdepartements [EFD] zur Verordnung über die Mehrwertsteuer vom 22. Juni 1994, S. 38; ROUVINEZ, a.a.O., Rz. 4 zu Art. 47 Abs. 1 und 2). Dieser ist selbst dann geschuldet, wenn die Mehrwertsteuerforderung noch nicht rechtskräftig festgesetzt ist (Urteile des Bundesverwaltungsgerichts A-1475/2006 vom 20. November 2008 E. 7, A-1378/2006 vom 27. März 2008 E. 2.8; CAMENZIND/HONAUER/VALLENDER, a.a.O., Rz. 1601). Der Verzugszinssatz beläuft sich gemäss den entsprechenden Verordnungen des EFD auf 5% (Art. 81 Bst. a aMWSTV i.V.m. Art. 1 der Verordnung des EFD über die Verzinsung vom 14. Dezember 1994 [AS 1994 3170], Art. 90 Abs. 3 Bst. b aMWSTG i.V.m. Art. 1 der Verordnung des EFD über die Verzugs- und Vergütungszinssätze vom 20. Juni 2000 [AS 2000 2146]).
2.9 Art. 29 Abs. 1 BV gewährleistet als Mindestanforderung an ein rechtsstaatliches Verfahren den Erlass eines Entscheides innerhalb einer angemessenen Frist. Denselben Anspruch gewährt der auf das Steuerverfahren nicht anwendbare (STEFAN OESTERHELT, Anwendbarkeit von Art. 6 EMRK auf Steuerverfahren, in ASA 75 S. 593 ff.) Art. 6 Ziff. 1 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK, SR 0.101), wonach Streitigkeiten über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen innerhalb angemessener Frist zu behandeln sind (Urteil des Bundesgerichts vom 18. Oktober 2004, veröffentlicht in Die Praxis des Bundesgerichts [Pra] 2005 Nr. 58 S. 447 E. 2). Für die Frage, ob die Dauer des Verfahrens einem ordentlichen Geschäftsablauf entspricht, ist sinngemäss auf die zur Rechtsverzögerungsbeschwerde entwickelten Kriterien abzustellen (vgl. Urteil des Bundesgerichts 12T.1/2007 vom 29. Mai 2007 E. 3).

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Eine Gerichts- oder Verwaltungsbehörde muss jeden Entscheid binnen einer Frist fassen, die nach der Natur der Sache und nach den gesamten übrigen Umständen als angemessen erscheint. Die Angemessenheit der Dauer bestimmt sich nicht absolut. Sie ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der gesamten Umstände zu beurteilen und in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Dabei sind insbesondere die Natur sowie der Umfang und die Komplexität der Sache, das Verhalten der betroffenen Privaten und der Behörden, die Bedeutung für die Betroffenen sowie die für die Sache spezifischen Entscheidungsabläufe zu berücksichtigen (BGE 130 IV 54 E. 3.3.3, 124 I 139 E. 2c, Urteil des Bundesgerichts vom 18. Oktober 2004, veröffentlicht in Pra 2005 Nr. 58 S. 447 E. 2; MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, a.a.O., Rz. 5.28, GIOVANNI BIAGGINI, Kommentar zur Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Zürich 2007, Art. 29 N 13, JÖRG PAUL MÜLLER/MARKUS SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl., Bern 2008, S. 840 ff.). Ein weniger als zweieinhalb Jahre dauerndes Verfahren vor der Eidgenössischen Steuerrekurskommission (SRK) hat das Bundesgericht ohne nähere Begründung nicht beanstandet (vgl. Urteil des Bundesgerichts 2A.455/2006 vom 1. März 2007 E. 3.3.1). Für die Rechtsuchenden ist es unerheblich, auf welche Gründe eine übermässige Verfahrensdauer zurückzuführen ist; entscheidend ist ausschliesslich, dass die Behörde nicht oder nicht fristgerecht handelt. Bei der Feststellung einer übermässigen Verfahrensdauer ist daher zu prüfen, ob sich die Umstände, die zur Verlängerung des Verfahrens geführt haben, objektiv rechtfertigen lassen (BGE 125 V 188 E. 2a, 117 Ia 193 E. 1c, 108 V 13 E. 4c, 107 Ib 160 E. 3b, 103 V 190 E. 3c; MOSER/BEUSCH/KNEUBÜHLER, a.a.O., Rz. 5.28 f.). 3.
3.1 Im vorliegenden Fall ist vorab auf die Rügen einzugehen, welche die Beschwerdeführer wiederholt geltend machen und weitgehend bereits mit Urteil des Bundesgerichts 2A.455/2006 vom 1. März 2007 in Sachen X. & Y._______, aber für frühere Perioden, beurteilt wurden. Die Beschwerdeführer bestreiten zum einen dem Sinn nach, dass die Lieferung von Zahnprothesen durch Zahnprothetiker steuerbar sei (Steuerobjekt) und beanstanden zum anderen das Bestehen der einfachen Gesellschaft X. & Y._______ (Steuersubjekt) und die entsprechenden mehrwertsteuerrechtlichen Folgen. Im Weiteren rügen sie im gleichen Zusammenhang die Verletzung von verschiedenen Bestimmungen des Bundesprivatrechts und der Bundesverfassung (vor-
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liegend namentlich Art. 2 und 8 ZGB, Art. 8 , 9 , 29 BV; zur Rüge betreffend Verletzung von Art. 29 BV siehe E. 3.3 des Urteils des Bundesgerichts 2A.455/2006 vom 1. März 2007; vgl. dazu E. 2.9, 3.5). 3.1.1 Im Urteil des Bundesgerichts 2A.455/2006 vom 1. März 2007 wurden (in Anlehnung an BGE 124 II 193 ff.; vgl. dazu E. 2.2) die Lieferungen von Zahnprothesen unabhängig davon, ob diese von der X. & Y._______ selber hergestellt oder am Patienten direkt inkorporiert wurden, für steuerbar erklärt. Zudem bestätigte das Bundesgericht die einfache Gesellschaft X. & Y._______ als Steuersubjekt und führte schliesslich aus, es sei weder erstellt noch ersichtlich, inwieweit insbesondere Art. 2 und 8 ZGB, Art. 8 und 9 BV verletzt sein sollten. 3.1.2 Das Bundesgericht hat im besagten Urteil in Anwendung der aMWSTV entschieden. Die Bestimmungen des aMWSTG entsprechen zudem inhaltlich im hier relevanten Bereich der Lieferung von Zahnprothesen denjenigen der aMWSTV, weshalb vorliegend nicht nur für die in den Anwendungsbereich der aMWSTV fallenden Perioden (1. Quartal 1996 bis 4. Quartal 2000), sondern auch für die dem aMWSTG unterliegenden Steuerperioden (vorliegend 1. Quartal 2001 bis 2. Quartal 2007) auf das betreffende Bundesgerichtsurteil abzustützen ist (vgl. E. 2.1 f.). Das Bundesgericht hat sich in seinem Urteil 2A.455/2006 vom 1. März 2007 mit diesen auch vorliegend vorgebrachten Fragen befasst und die jeweiligen Vorbringen der Beschwerdeführer verworfen. Darauf ist hier zu verweisen, zumal die Beschwerdeführer nicht glaubhaft darzutun vermögen, dass sich ihre Situation bezüglich Mehrwertsteuerobjekt oder -subjekt seither massgeblich verändert hat. Andere Verletzungen von Bestimmungen des Bundesrechts sind überdies nicht erkennbar.
3.2
Ferner bringen die Beschwerdeführer vor, die Z._______ AG habe die fraglichen Zahnprothesen hergestellt bzw. geliefert und nicht sie selbst. Entsprechend hätten sie für diese Lieferungen kein Entgelt verlangt und die massgebliche Umsatzlimite nicht erreicht. Deshalb ist die Frage zu klären, wem das fragliche Handeln mehrwertsteuerlich zuzurechnen ist. Weiter ist in einem nächsten Schritt darüber zu befinden, ob die Grundlage für eine Ermessenseinschätzung durch die Vorinstanz gegeben war. Falls dies zu bejahen ist, gilt es zu überprüfen, ob die Ermessensveranlagung auch bezüglich Höhe der Steuerschuld
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bzw. bezüglich der Frage, ob die Umsatzlimite erreicht ist, rechtmässig erfolgt ist.
3.2.1 In mehrwertsteuerrechtlicher Hinsicht ist das Handeln desjenigen massgebend, welcher gegenüber Dritten in eigenem Namen auftritt (vgl. E. 2.3). Insofern ist den Beschwerdeführern nicht zu folgen, wenn sie vorbringen, die Herstellung und Lieferung der Zahnprothesen werde durch die Z._______ AG ausgeführt. Den amtlichen Akten ist nämlich zu entnehmen, dass einzig die einfache Gesellschaft X. & Y._______ mit Bezug auf die fraglichen zahnprothetischen Lieferungen unbestrittenermassen nach aussen erkennbar aufgetreten ist, dies namentlich gegenüber den mehrwertsteuerlichen Leistungsempfängern, den Patienten; damit sind ihr und nicht etwa der Z._______ AG die mehrwertsteuerlich relevanten Handlungen zuzurechnen. 3.2.2 Den Beschwerdeführern obliegt aufgrund des Selbstveranlagungsprinzips eine Abrechnungspflicht (vgl. E. 2.4). Die Beschwerdeführer reichten Mehrwertsteuerabrechnungen ohne Deklaration des relevanten Umsatzes ein ­ dies namentlich teilweise auch nachdem sie Kenntnis vom abweichenden Standpunkt der ESTV, dieser gestützt durch die SRK und das Bundesgericht, hatten ­ und haben damit ihre Abrechnungspflicht in schwerwiegender Weise verletzt. Die Vorinstanz hat infolgedessen zu Recht eine Veranlagung nach Ermessen vorgenommen (vgl. E. 2.5.1). 3.2.3 Die Vorinstanz hat anhand der von den Beschwerdeführern eingereichten Erfolgsrechnungen den jährlichen Umsatz ermessensweise berechnet. Das "Mietentgelt" der Z._______ AG in der Höhe von jährlich Fr. 12'000.-- (für die ersten beiden Quartale 2007 entsprechend Fr. 6'000.--) wurde zugunsten der Beschwerdeführer nicht in den massgeblichen Jahresumsatz einbezogen. Anhand des durch die Beschwerdeführer eingereichten "Muster für die Mehrwertsteuer" vom 22. September 2001 ermittelte die Vorinstanz das Verhältnis von steuerbaren gegenüber ausgenommenen Leistungen. Die von der Mehrwertsteuer ausgenommenen Leistungen machten bei einem Patienten zum Sozialtarif Fr. 2'970.10 (74.32%) und die steuerbaren Leistungen Fr. 1'026.-- (25.68%) aus, während sich bei einem Privatpatienten Erstere auf Fr. 3'516.70 (77.41%) und Letztere auf Fr. 1'026.-(22.59%) beliefen. Die Vorinstanz hat wiederum zugunsten der Beschwerdeführer ihren Berechnungen die Annahme zugrunde gelegt, es würden hauptsächlich Privatpatienten und nicht Patienten zum Sozial-
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tarif behandelt und ist in der Folge davon ausgegangen, 22.59% des Umsatzes entfalle auf steuerbare Leistungen. Der auf dieser Grundlage berechnete jährliche steuerbare Umsatz beläuft sich in den Jahren 1996 bis 2007 aber dennoch auf jeweils deutlich über Fr. 75'000.--. Die Vorinstanz hat die geschuldeten Mehrwertsteuern anschliessend anhand der Saldosteuersatzmethode berechnet und die Höhe der jeweiligen Saldosteuersätze gestützt auf die entsprechenden Spezialbroschüren der ESTV festgesetzt (Jahre 1996 bis 1998: 4.5% [Saldo-Steuersätze bei der Mehrwertsteuer, S. 10, herausgegeben im Mai 1995, Saldosteuersätze bei der Mehrwertsteuer, S. 21, gültig ab 1. Januar 1997]; Jahre 1999 und 2000: 5.1% [Mehrwertsteuer, Änderungen ab 1. Januar 1999, S. 28]; Jahre 2001 bis 2007: 5.2% [Spezialbroschüre Nr. 03, Saldosteuersätze, S. 46, Spezialbroschüre Nr. 03a Saldosteuersätze, S. 61, gültig ab 1. Juli 2004]; vgl. E. 2.5.3). Die Beschwerdeführer bringen gegen die Ermessenseinschätzung sinngemäss vor, der jährliche Umsatz der Zahnprotheselieferungen belaufe sich auf lediglich Fr. 12'000.-- und die Umsatzgrenze von Fr. 75'000.-- für die Festlegung der Steuerpflicht sei folglich nicht erreicht worden. Auch beanstanden sie den durch die Vorinstanz berechneten Anteil von 22.59% an steuerbaren Leistungen ("Laborleistungen"). Die Beschwerdeführer tragen ihre Vorhalte zur Ermessenseinschätzung allerdings lediglich pauschal und keineswegs substanziiert vor und bringen keine Beweismittel zur Stützung ihrer Behauptungen bei. Den Beweis der Unrichtigkeit der Schätzung der ESTV ist ihnen damit nicht gelungen (vgl. E. 2.6.2). Ihr Vorbringen, die steuerbaren Lieferungen seien nicht ihnen zuzuordnen, ist ohnehin bereits an anderer Stelle (E. 3.2.1) widerlegt worden. Im Weiteren hat die ESTV für ihre Schätzung die im Gesetz vorgesehenen Kriterien berücksichtigt und es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese auf einer rechtswidrigen Betätigung des Schätzungsermessens beruht. Entsprechend sind die vorinstanzlichen Umsatz- und Steuerberechnungen der Jahre 1996 bis 2007 zu bestätigen. Inwiefern die Vorinstanz den rechtserheblichen Sachverhalt rechtswidrig festgestellt haben soll, wie die Beschwerdeführer pauschal vorbringen, ist bei alledem nicht erfindlich. 3.3 Weiter bringen die Beschwerdeführer ohne weitere Begründung vor, die Mehrwertsteuerforderungen seien verjährt. Die absolute Verjährungsfrist von fünfzehn Jahren gelangt im zeitlichen Geltungs-
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bereich der aMWSTV nicht zur Anwendung (vgl. E. 1.2 und 2.7). Die sowohl in der aMWSTV wie auch im aMWSTG vorgesehene relative Verjährungsfrist von fünf Jahren wurde mit den Schreiben der Vorinstanz vom 11. April 2001 und 12. Dezember 2005 jeweils rechtzeitig unterbrochen; die Verjährung ist folglich nicht eingetreten. 3.4 Seitens der Beschwerdeführer wird überdies sinngemäss die Auferlegung des Verzugszinses durch die Vorinstanz gerügt. Da die Beschwerdeführer die Mehrwertsteuern nicht rechtzeitig entrichtet haben, ist ohne Rücksicht auf den Grund der Säumnis ein Verzugszins von 5% geschuldet (vgl. E. 2.8). Dieser läuft ab dem durch die Vorinstanz berechneten, unbestrittenen mittleren Verfalltag. 3.5 Schliesslich bringen die Beschwerdeführer vor, die Umsatzüberprüfung für den Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis 30. Juni 2007 sei erst am 21. November 2007 und folglich nicht innert angemessener Frist erfolgt; sinngemäss wird damit eine Verletzung von Art. 29 BV geltend gemacht (vgl. E. 2.9). Zudem wenden die Beschwerdeführer auch in diesem Zusammenhang sinngemäss ein, es dürfe kein Verzugszins auferlegt werden, da das Verfahren nicht innert angemessener Zeit durchgeführt worden sei.
Die vorliegend zu beurteilenden Mehrwertsteuerforderungen 1. Quartal 1996 bis 2. Quartal 2007 betreffen einen Zeitraum von beinahe zwölf Jahren. Zwar wurden die Verfahren vor der ESTV für alle diese Steuerforderungen gleichzeitig mit den Einspracheentscheiden vom 20. Juni 2008 abgeschlossen, hingegen haben sie vor der ESTV jeweils innerhalb der Verjährungsfrist der einzelnen Steuerperioden zu verschiedenen Zeitpunkten ihren Anfang genommen. Die Rüge, die Verfahrensdauer sei nicht angemessen, kann sich dementsprechend von vornherein nur auf die älteren Steuerperioden beziehen. Vorliegend ist davon auszugehen, dass die Vorinstanz das präjudizierende Urteil des Bundesgerichts (1. März 2007) in Sachen X. & Y._______ betreffend Mehrwertsteuerforderungen des Jahres 1995 abwartete, bevor sie einen anfechtbaren Einspracheentscheid über die nachfolgenden Steuerperioden erliess. Dieses Vorgehen macht sowohl im Interesse der Beschwerdeführer als auch in prozessökonomischer Hinsicht Sinn, auch wenn nicht ganz ersichtlich ist, weshalb die Verfahren durch die Vorinstanz nicht bis zum Vorliegen des Bundesgerichtsentscheids formell sistiert worden sind. Es fällt denn auch auf, dass die Vorinstanz die Verfahren nach Kenntnis des Bundesgerichts-
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urteils 2A.455/2006 vom 1. März 2007 beförderlich behandelt und bereits mit den Einspracheentscheiden vom 20. Juni 2008 zum Abschluss gebracht hat. In diesem Zusammenhang zu beachten ist im Weiteren das Selbstveranlagungsprinzip, welches den Beschwerdeführern die Obliegenheit auferlegt, innert den gesetzlich vorgesehenen Fristen selber und unaufgefordert über die Umsätze und Vorsteuern abzurechnen (vgl. E. 2.4); dies hätten sie bis zum Eintritt der Rechtskraft des von ihnen abweichenden Standpunktes der Vorinstanz und der SRK mit entsprechenden ausdrücklichen Vorbehalten tun können. Wie bereits in E. 3.2.2 ausgeführt sind die Beschwerdeführer ihrer Abrechnungspflicht nicht nachgekommen und haben damit zu weiteren Verzögerungen der Verfahren selber beigetragen. Ohnehin hätte eine allfällige Verletzung des Beschleunigungsgebots allein die entsprechende Feststellung zur Folge und kann nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung in Steuerangelegenheiten nicht dazu führen, dass die geschuldete Steuer nicht bezahlt werden müsste (vgl. dazu insbesondere Urteil des Bundesgerichts 2A.455/2006 vom 1. März 2007 E. 3.3.2; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts A-1653/ 2006 vom 22. Oktober 2008 E. 6). Das Gleiche gilt selbstredend auch für die Verzugszinsen.
Mit diesen Feststellungen hat es bezüglich der Rüge einer Verletzung von Art. 29 BV sein Bewenden.
4.
Ausgangsgemäss sind die Beschwerden abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Die Verfahrenskosten für das vereinigte Verfahren in der Höhe von insgesamt Fr. 5'000.-- sind den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit aufzuerlegen (Art. 63 Abs. 1 VwVG in Verbindung mit Art. 4
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 4 Gerichtsgebühr in Streitigkeiten mit Vermögensinteresse - In Streitigkeiten mit Vermögensinteresse beträgt die Gerichtsgebühr:
des Reglements vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht [VGKE, SR 173.320.2]) und mit den geleisteten Kostenvorschüssen in gleicher Höhe zu verrechnen.

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Demnach erkennt das Bundesverwaltungsgericht:
1.
Die Beschwerdeverfahren A-4360/2008 und A-4415/2008 werden vereinigt.
2.
Die Beschwerden werden abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 3.
Die Verfahrenskosten für das (vereinigte) Beschwerdeverfahren von Fr. 5'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt. Sie werden mit den geleisteten Kostenvorschüssen von gesamthaft Fr. 5'000.-- verrechnet.
4.
Dieses Urteil geht an:
- die Beschwerdeführer (Gerichtsurkunde)
- die Vorinstanz (Ref-Nr. _______; Gerichtsurkunde) Der vorsitzende Richter:

Die Gerichtsschreiberin:

Daniel Riedo

Gabriela Meier

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen nach Eröffnung beim Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten geführt werden (Art. 82 ff
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 4 Gerichtsgebühr in Streitigkeiten mit Vermögensinteresse - In Streitigkeiten mit Vermögensinteresse beträgt die Gerichtsgebühr:
., 90 ff. und 100 des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 [BGG, SR 173.110]). Die Rechtsschrift ist in einer Amtssprache abzufassen und hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift zu enthalten. Der angefochtene Entscheid und die Beweismittel sind, soweit sie die beschwerdeführende Partei in Händen hat, beizulegen (vgl. Art. 42
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 4 Gerichtsgebühr in Streitigkeiten mit Vermögensinteresse - In Streitigkeiten mit Vermögensinteresse beträgt die Gerichtsgebühr:
BGG).
Versand:

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Entscheidinformationen   •   DEFRITEN
Dokument : A-4415/2008
Datum : 04. März 2010
Publiziert : 12. März 2010
Quelle : Bundesverwaltungsgericht
Status : Unpubliziert
Sachgebiet : Indirekte Steuern
Gegenstand : Zahnprothetiker; Ermessensveranlagung; Solidarhaftung.


Gesetzesregister
BGG: 42  82
BV: 8  9  29
EMRK: 6
MWSTG: 70  71  72  79  93  112  113
VGG: 32e  33
VGKE: 4
SR 173.320.2 Reglement vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE)
VGKE Art. 4 Gerichtsgebühr in Streitigkeiten mit Vermögensinteresse - In Streitigkeiten mit Vermögensinteresse beträgt die Gerichtsgebühr:
VwVG: 5  49  50  63
ZGB: 2  8
BGE Register
103-V-190 • 107-IB-160 • 108-V-13 • 117-IA-193 • 124-I-139 • 124-II-193 • 125-V-188 • 126-II-1 • 130-IV-54 • 131-V-461
Weitere Urteile ab 2000
12T.1/2007 • 2A.455/2006 • 2A.558/2005 • 2C.426/2007 • 2C.521/2008
Stichwortregister
Sortiert nach Häufigkeit oder Alphabet
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AS
AS 2000/1300 • AS 2000/2146 • AS 1994/1464 • AS 1994/3170
Zeitschrift ASA
ASA 69,526 • ASA 69,557 • ASA 75,495 • ASA 75,593
Pra
94 Nr. 58