VPB 55.34

(Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen vom 8. Juni 1990)

Radio und Fernsehen. Beanstandungsverfahren.

Art. 15 Abs. 1 BB UBI. Mehrere Sendungen können nur dann in einer einzigen Beschwerde gerügt werden, wenn die ihnen zugrundeliegenden Themen zusammenhängen; dies ist nicht durch den Umstand allein gegeben, dass die Sendungen im nämlichen Sendegefäss ausgestrahlt wurden.

Art. 14 Bst. a BB UBI. Betrifft eine Beanstandung mehrere nicht zusammenhängende Sendungen, so müssen für jede einzelne Sendung die Legitimationsvoraussetzungen erfüllt, beziehungsweise die vorgeschriebene Anzahl Unterschriften beigebracht werden.

Radio et télévision. Procédure de plainte.

Art. 15 al. 1er AF AIEP. Plusieurs émissions ne peuvent faire l'objet d'une seule et même plainte que si elles présentent un lien thématique; il ne suffit pas à cet égard qu'elles s'inscrivent dans la même catégorie d'émissions.

Art. 14 let. a AF AIEP. Lorsqu'une plainte vise plusieurs émissions qui n'ont aucun rapport entre elles, les conditions de légitimation doivent être remplies - et le nombre de signatures requises doit être apporté - pour chaque émission prise isolément.

Radio e televisione. Procedura di reclamo.

Art. 15 cpv. 1 DF AIER. Più emissioni possono essere censurate in un unico ricorso soltanto se i temi di base sono connessi; non è sufficiente il solo fatto che le emissioni siano state trasmesse in uno stesso blocco.

Art. 14 lett. a DF AIER. Se un reclamo concerne più emissioni che non hanno fra di loro alcuna relazione, per ogni singola emissione devono essere adempiute le condizioni di legittimazione, rispettivamente deve essere prodotto il numero prescritto di firme.

I

A.1. Am 13. Februar 1990 strahlte das Fernsehen DRS eine «Zischtigs-Club»-Sendung aus, die dem Thema «Renaissance der Kernenergie» gewidmet war. An dieser Diskussionssendung unter Leitung eines Moderators nahmen folgende Personen teil: Albert Wettstein, Umwelt- und Erdölfachmann der Firma «Shell», Ralph Gräub, Umweltspezialist, Autor von kernenergiekritischen Büchern, Michael Kohn, Kernenergiespezialist und Energiemanager, Thomas Flüeler, Energiespezialist (Schweizerische Energiestiftung), Margrit Huber, Rechtsanwältin, Präsidentin der Sektion Zürich des Konsumentinnenforums, Politikerin der Freisinnig-demokratischen Partei (FDP).

A.2. Die «Zischtigs-Club»-Sendung vom 20. Februar 1990 befasste sich unter dem Titel «Schnüffler, Fichen und Spione: wie viel Schutz braucht unser Staat?» mit der «Fichenaffäre». An der von einem Moderator geleiteten Diskussion beteiligten sich Rosmarie Bär, Nationalrätin der Grünen Partei der Schweiz (GPS), Mitglied der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK), Ernst Cincera, Nationalrat FDP, Thomas Fleiner, Professor für Staatsrecht an der Universität Freiburg, Jürg Frischknecht, Komitee «Schluss mit dem Schnüffelstaat», Rudolf Strahm, vormaliger Parteisekretär der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SPS), Grossrat, und Professor Hans Walder, Bundesanwalt von 1968 bis 1973.

A.3. Im Rahmen der «Tagesschau»-Ausgabe vom 24. Februar 1990 wurde ein Beitrag zur mündlichen Urteilseröffnung und -begründung des BGer im Strafverfahren gegen Frau alt Bundesrätin Kopp und Mitangeklagte ausgestrahlt. In den Beitrag eingebaut war ein Interview mit Professor Jörg Rehberg, der das Urteil des BGer einer kritischen strafrechtlichen Würdigung unterzog.

B. Die Ausstrahlung dieser drei Sendungen wurde von K. mit Schreiben vom 25. Februar 1990, das zunächst bei der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) eingereicht, von dieser indessen umgehend an die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) weitergeleitet wurde, beanstandet.

In seiner Eingabe macht K. geltend, in der energiepolitischen Debatte vom 13. Februar seien unter Einbezug des Moderators, vier Kernenergiekritikern nur zwei Kernenergiebefürworter gegenüber gestanden. In der Diskussion zur «Fichenaffäre» seien vier Personen aufgetreten, die eindeutig gegen eine politische Polizei votiert hätten und ausserdem habe sich auch der Diskussionsleiter in seinen Voten eher auf deren Linie bewegt. Bezüglich des Tagesschaubeitrages vom 23. Februar 1990 wird implizit geltend gemacht, durch den Beizug von Professor Rehberg, der dem BGer gewissermassen ein Fehlurteil unterstellt habe, habe sich der Zuschauer nicht ein ausgewogenes persönliches Bild über den Abschluss des Strafverfahrens machen können.

Unter Hinweis, dass seine Eingabe nicht in allen Punkten die Beschwerdevoraussetzungen des BB vom 7. Oktober 1983 über die unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (BB UBI, SR 784.45) erfülle, wurde K. eingeladen, seine Eingabe innert der laufenden Frist von 30 Tagen seit Ausstrahlung der Sendungen zu ergänzen.

Mit Schreiben vom 15. März 1990, Postaufgabe am 19. März 1990, hat K. seine Eingabe ergänzt und geltend gemacht, dass die drei inkriminierten Sendungen Art. 4 der Konzession für die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft vom 5. Oktober 1987 (Konzession SRG, BBl 1987 III 813 f.) verletzen. Gleichzeitig hat er dieser ergänzenden Eingabe, die im wesentlichen die Vorbringen der Beanstandung vom 25. Februar 1990 wiederholt, die Namen und Unterschriften von 21 Mitunterzeichnern/innen nachgereicht. Durch Zustellung von weiteren 11 Namen und Unterschriften seitens des Beschwerdeführers (Postaufgabe am 26. März 1990) erhöhte sich die Zahl der Mitunterzeichner/innen auf insgesamt 32 Personen.

...

II

1. Art. 15 Abs. 1 BB UBI verlangt, dass eine Beanstandung innert 30 Tagen seit der Ausstrahlung einzureichen ist. Bezieht sich die Beanstandung auf mehrere Sendungen, so läuft die Frist von der letzten beanstandeten Sendung an, wobei die erste der beanstandeten Sendungen nicht mehr als drei Monate vor der letzten zurückliegen darf.

Innert der laufenden Frist von 30 Tagen ist eine Beschwerdeergänzung jederzeit möglich.

Die Eingabe des Beschwerdeführers beanstandet, die Sendungen seien durch die personelle Zusammensetzung der Diskussionsteilnehmer unausgewogen gewesen beziehungsweise das Bundesgerichtsurteil sei aus einer einseitigen Optik kritisiert worden; in allen drei Sendungen sei die Parteilichkeit der verantwortlichen Journalisten und des Diskussionsleiters so stark erkennbar gewesen, dass nicht mehr von angemessener Darstellung der Vielfalt der Ansichten gesprochen werden könne, sondern eine einseitige politische Beeinflussung der Zuschauer vorliege.

Eine Prüfung verschiedener namentlich genannter Sendungen durch die UBI setzt voraus, dass eine Rüge vorliegt, die klar macht, worin die behauptete Einseitigkeit liegen soll; dies ist zum Beispiel möglich, wenn beanstandet wird, während eines bestimmten Zeitraums sei in einer thematisch klar definierten Kontroverse regelmässig nur eine Seite zur Darstellung gekommen.

Die vorliegende Beschwerde greift verschiedene Sendungen mit unterschiedlichen Themen auf. Es wird eher abstrakt der Vorwurf der Einseitigkeit erhoben und nicht konkret die unausgewogene Behandlung eines Themas gerügt, das Gegenstand der genannten Sendungen wäre.

Der Umstand allein, dass zwei der inkriminierten Sendungen im nämlichen Sendegefäss («Zischtigs-Club») ausgestrahlt wurden beziehungsweise dass es sich bei allen drei Ausstrahlungen um Informationssendungen gehandelt hat, vermag dem Erfordernis der einheitlichen Thematik als Voraussetzung einer Ausgewogenheitsprüfung nicht zu genügen; die drei den Sendungen zugrunde liegenden Themen standen offensichtlich in keinem Zusammenhang, wie ihn Art. 15 Abs. 1 BB UBI bei der Rüge mehrerer Sendungen in einer Beschwerde bei vernünftiger Auslegung voraussetzt.

Soweit die Eingabe somit eine gesamthafte Beurteilung der drei inkriminierten Sendungen verlangt, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.

2. Zu prüfen ist im folgenden, ob gegebenenfalls die Eingabe als Beschwerden gegen jede einzelne der gerügten Sendungen an die Hand zu nehmen ist.

2.1. ... Der Beschwerdeführer hat, nachdem er durch die UBI auf die ungenügenden Legitimationsvoraussetzungen hingewiesen worden war, seine Eingabe durch Nachreichung der Unterschriften von 21 Mitunterzeichnern/innen (Postaufgabe 19. März 1990) beziehungsweise 11 Mitunterzeichnern/innen (Postaufgabe 26. März 1990) ergänzt.

Die erste der inkriminierten Sendungen wurde am 13. Februar 1990 ausgestrahlt, so dass auf die Beanstandung gegen diese Sendung bereits zufolge Fristablaufes nicht eingetreten werden kann.

2.2. Es bleibt zu prüfen, ob eine gültige Beschwerde gegen die Sendung vom 20. Februar oder diejenige vom 24. Februar vorliege.

Gemeinsam konnten auch diese zwei Sendungen nicht gerügt werden, da auch zwischen ihnen der Sachzusammenhang fehlt, wie er bei der Rüge mehrerer Sendungen in einer Eingabe erstellt sein muss.

Geht man anderseits davon aus, die Beschwerde richte sich gegen zwei Einzelsendungen je für sich, so fehlt es an der Voraussetzung der 20 begleitenden Unterschriften für jede der beiden beanstandeten Sendungen. Die Beschwerdeinstanz kann nicht von sich aus die eingereichten Unterschriften der einen oder andern Sendung zuordnen. Könnte ein Beschwerdeführer mit den gleichen Unterschriften von Mitunterzeichnern beliebig viele Sendungen ohne thematischen Zusammenhang innerhalb eines Monats als konzessionswidrig rügen, wären die Konsequenzen unabsehbar und es würde die gesetzliche Legitimationsordnung des Art. 14 Bst. a BB UBI unterlaufen.

3. Zusammenfassend ist festzuhalten: Sind verschiedene Sendungen, die in sich weder ein geschlossenes Ganzes bilden noch einen thematischen Sachzusammenhang aufweisen, Gegenstand einer Beschwerde, so sind die Legitimationsvoraussetzungen nach Art. 14 BB UBI für jede einzelne der gerügten Sendungen zu erfüllen. Es genügt nicht, wenn eine Beanstandung, die mehrere Sendungen zu unterschiedlichen Themen zum Gegenstand hat, von 20 Mitunterzeichnern/innen unterstützt wird; für jede der inkriminierten Sendungen sind mithin 20 Mitunterzeichner/innen beizubringen.

Dokumente der UBI