TPF 2014 137, p.137

24. Auszug aus dem Beschluss der Beschwerdekammer in Sachen A. gegen Eidgenössische Steuerverwaltung vom 27. November 2014 (BV.2014.47, BP.2014.47)

Beschlagnahme von Vermögenswerten; Änderung des Zwecks der Beschlagnahme. Rechtliches Gehör.

Art. 46 Abs. 1
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 46 - 1 Vom untersuchenden Beamten sind mit Beschlag zu belegen:
1    Vom untersuchenden Beamten sind mit Beschlag zu belegen:
a  Gegenstände, die als Beweismittel von Bedeutung sein können;
b  Gegenstände und andere Vermögenswerte, die voraussichtlich der Einziehung unterliegen;
c  die dem Staate verfallenden Geschenke und anderen Zuwendungen.
2    Andere Gegenstände und Vermögenswerte, die zur Begehung der Widerhandlung gedient haben oder durch die Widerhandlung hervorgebracht worden sind, können beschlagnahmt werden, wenn es zur Verhinderung neuer Widerhandlungen oder zur Sicherung eines gesetzlichen Pfandrechtes als erforderlich erscheint.
3    Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr einer Person mit ihrem Anwalt dürfen nicht beschlagnahmt werden, sofern dieser nach dem Anwaltsgesetz vom 23. Juni 200052 zur Vertretung vor schweizerischen Gerichten berechtigt ist und im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt ist.53
VStrR, Art. 70 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 70 - 1 Das Gericht verfügt die Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine Straftat erlangt worden sind oder dazu bestimmt waren, eine Straftat zu veranlassen oder zu belohnen, sofern sie nicht dem Verletzten zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt werden.
1    Das Gericht verfügt die Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine Straftat erlangt worden sind oder dazu bestimmt waren, eine Straftat zu veranlassen oder zu belohnen, sofern sie nicht dem Verletzten zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt werden.
2    Die Einziehung ist ausgeschlossen, wenn ein Dritter die Vermögenswerte in Unkenntnis der Einziehungsgründe erworben hat und soweit er für sie eine gleichwertige Gegenleistung erbracht hat oder die Einziehung ihm gegenüber sonst eine unverhältnismässige Härte darstellen würde.
3    Das Recht zur Einziehung verjährt nach sieben Jahren; ist jedoch die Verfolgung der Straftat einer längeren Verjährungsfrist unterworfen, so findet diese Frist auch auf die Einziehung Anwendung.
4    Die Einziehung ist amtlich bekannt zu machen. Die Ansprüche Verletzter oder Dritter erlöschen fünf Jahre nach der amtlichen Bekanntmachung.
5    Lässt sich der Umfang der einzuziehenden Vermögenswerte nicht oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand ermitteln, so kann das Gericht ihn schätzen.
, 71 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 71 - 1 Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe, gegenüber einem Dritten jedoch nur, soweit dies nicht nach Artikel 70 Absatz 2 ausgeschlossen ist.
1    Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe, gegenüber einem Dritten jedoch nur, soweit dies nicht nach Artikel 70 Absatz 2 ausgeschlossen ist.
2    Das Gericht kann von einer Ersatzforderung ganz oder teilweise absehen, wenn diese voraussichtlich uneinbringlich wäre oder die Wiedereingliederung des Betroffenen ernstlich behindern würde.
3    ...117
StGB, Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV
Ändert sich im Verlaufe des Strafverfahrens der Zweck einer Beschlagnahme von Vermögenswerten, ist der ursprüngliche Beschlagnahmebefehl aufzuheben und ein neuer mit der geänderten Zweckbestimmung zu erlassen. Der Betroffene muss die Möglichkeit haben, sich gegen die geänderte Beschlagnahme mit einem Rechtsmittel zur Wehr setzen zu können (E. 3.4).
TPF 2014 137, p.138

Séquestre de valeurs patrimoniales; modification du but du séquestre. Droit d'être entendu.

Art. 46 al. 1 DPA, art. 70 al. 1, 71 al. 1 CP, art. 29 al. 2 Cst.
Si, au cours de la procédure pénale, le but du séquestre de valeurs patrimoniales est modifié, l'ordonnance de séquestre d'origine doit être annulée et remplacée par une nouvelle qui indique le nouveau but. La personne touchée par le séquestre doit être en mesure de recourir contre la nouvelle ordonnance (consid. 3.4).

Sequestro di valori; cambiamento della ragione del sequestro. Diritto di essere sentito.

Art. 46 cpv. 1 DPA, art. 70 cpv. 1, 71 cpv. 1 CP, art. 29 cpv. 2 Cost.
Se lo scopo di un sequestro di valori si trasforma nel corso della procedura penale, l'originale ordine di sequestro va modificato indicando la nuova ragione dello stesso. L'interessato deve avere la possibilità di ricorrere contro il sequestro modificato (consid. 3.4).

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) hat im Rahmen einer Strafuntersuchung gegen A. dessen Konten bei der Bank B. sperren lassen, mit der Begründung, dass die betreffenden Vermögenswerte voraussichtlich der Einziehung unterliegen würden. Im Beschwerdeverfahren, das von A. gegen die Kontosperre angestrengt worden ist, führt die ESTV aus, die Voraussetzungen einer Ersatzforderungsbeschlagnahme seien gegeben.
Die Beschwerdekammer hiess die Beschwerde gut und wies die Angelegenheit zum neuen Entscheid an die ESTV zurück.

Aus den Erwägungen:

3.4. Während die Beschwerdegegnerin zum Zeitpunkt der Beschlagnahme dem Wortlaut der Beschlagnahmeverfügung vom 3. Juli 2014 zufolge offensichtlich davon ausging, die gesperrten Vermögenswerte würden einer Einziehung nach Art. 46 Abs. 1
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 46 - 1 Vom untersuchenden Beamten sind mit Beschlag zu belegen:
1    Vom untersuchenden Beamten sind mit Beschlag zu belegen:
a  Gegenstände, die als Beweismittel von Bedeutung sein können;
b  Gegenstände und andere Vermögenswerte, die voraussichtlich der Einziehung unterliegen;
c  die dem Staate verfallenden Geschenke und anderen Zuwendungen.
2    Andere Gegenstände und Vermögenswerte, die zur Begehung der Widerhandlung gedient haben oder durch die Widerhandlung hervorgebracht worden sind, können beschlagnahmt werden, wenn es zur Verhinderung neuer Widerhandlungen oder zur Sicherung eines gesetzlichen Pfandrechtes als erforderlich erscheint.
3    Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr einer Person mit ihrem Anwalt dürfen nicht beschlagnahmt werden, sofern dieser nach dem Anwaltsgesetz vom 23. Juni 200052 zur Vertretung vor schweizerischen Gerichten berechtigt ist und im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt ist.53
VStrR (implizit i.V.m. Art. 70 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 70 - 1 Das Gericht verfügt die Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine Straftat erlangt worden sind oder dazu bestimmt waren, eine Straftat zu veranlassen oder zu belohnen, sofern sie nicht dem Verletzten zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt werden.
1    Das Gericht verfügt die Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine Straftat erlangt worden sind oder dazu bestimmt waren, eine Straftat zu veranlassen oder zu belohnen, sofern sie nicht dem Verletzten zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt werden.
2    Die Einziehung ist ausgeschlossen, wenn ein Dritter die Vermögenswerte in Unkenntnis der Einziehungsgründe erworben hat und soweit er für sie eine gleichwertige Gegenleistung erbracht hat oder die Einziehung ihm gegenüber sonst eine unverhältnismässige Härte darstellen würde.
3    Das Recht zur Einziehung verjährt nach sieben Jahren; ist jedoch die Verfolgung der Straftat einer längeren Verjährungsfrist unterworfen, so findet diese Frist auch auf die Einziehung Anwendung.
4    Die Einziehung ist amtlich bekannt zu machen. Die Ansprüche Verletzter oder Dritter erlöschen fünf Jahre nach der amtlichen Bekanntmachung.
5    Lässt sich der Umfang der einzuziehenden Vermögenswerte nicht oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand ermitteln, so kann das Gericht ihn schätzen.
StGB) unterliegen, begründet sie die angeordnete Kontosperre im vorliegenden Beschwerdeverfahren neu und fast ausschliesslich damit, dass
TPF 2014 137, p.139

die Voraussetzungen einer Ersatzforderungsbeschlagnahme nach Art. 2
SR 313.0 Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR)
VStrR Art. 2 - Die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches4 gelten für Taten, die in der Verwaltungsgesetzgebung des Bundes mit Strafe bedroht sind, soweit dieses Gesetz oder das einzelne Verwaltungsgesetz nichts anderes bestimmt.
VStrR i.V.m. Art. 71 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 71 - 1 Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe, gegenüber einem Dritten jedoch nur, soweit dies nicht nach Artikel 70 Absatz 2 ausgeschlossen ist.
1    Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe, gegenüber einem Dritten jedoch nur, soweit dies nicht nach Artikel 70 Absatz 2 ausgeschlossen ist.
2    Das Gericht kann von einer Ersatzforderung ganz oder teilweise absehen, wenn diese voraussichtlich uneinbringlich wäre oder die Wiedereingliederung des Betroffenen ernstlich behindern würde.
3    ...117
StGB gegeben seien, ohne sich zu den Gründen der Zweckänderung zu äussern. Es kann sich im Verlauf eines Strafverfahrens unter Umständen herausstellen, dass ein beschlagnahmter Gegenstand oder Vermögenswert nicht für den angegebenen, aber zu einem anderen Zweck in Frage kommt. Eine solche Zweckänderung hat jedoch zur Folge, dass der ursprüngliche Beschlagnahmebefehl aufgehoben und ein neuer Beschlagnahmebefehl mit der nunmehr «neuen» Zweckbestimmung erlassen werden muss, mit der Möglichkeit, dass sich der Betroffene gegen die geänderte Beschlagnahme mit einem Rechtsmittel zur Wehr setzen kann (HEIMGARTNER, Strafprozessuale Beschlagnahme, Zürich/Basel/Genf 2011, S. 274). Dies gilt umso mehr, wenn selbst die gesetzliche Grundlage der Beschlagnahme sich verändert hat, also die Voraussetzungen einer jeglichen Grundrechtseinschränkung gemäss Art. 36 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 36 Einschränkungen von Grundrechten - 1 Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr.
1    Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage. Schwerwiegende Einschränkungen müssen im Gesetz selbst vorgesehen sein. Ausgenommen sind Fälle ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr.
2    Einschränkungen von Grundrechten müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein.
3    Einschränkungen von Grundrechten müssen verhältnismässig sein.
4    Der Kerngehalt der Grundrechte ist unantastbar.
BV, und in concreto der Eigentumsgarantie nach Art. 26
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 26 Eigentumsgarantie - 1 Das Eigentum ist gewährleistet.
1    Das Eigentum ist gewährleistet.
2    Enteignungen und Eigentumsbeschränkungen, die einer Enteignung gleichkommen, werden voll entschädigt.
BV (vgl. MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl., Bern 2008, S. 10211023; HEIMGARTNER, a.a.O., S. 2426). Erfährt der Betroffene wie vorliegend erst im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens vom geänderten Beschlagnahmezweck, wird er in seinem verfassungsmässig garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 29 Allgemeine Verfahrensgarantien - 1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
1    Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist.
2    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör.
3    Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand.
BV) verletzt. Dies wiegt vorliegend umso schwerer, als die Beschwerdegegnerin jegliche Begründung zur Zweckänderung der Beschlagnahme vermissen lässt. Eine ausnahmsweise Heilung der Verletzung des rechtlichen Gehörs kommt in Anbetracht der Schwere der Gehörsverletzung nicht in Betracht.

Nach dem Gesagten ist die Beschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs gutzuheissen und die Angelegenheit zwecks Erlasses einer neu begründeten Beschlagnahme oder Freigabe zurückzuweisen. Die Beschlagnahme ist bis dahin aufrechtzuerhalten. [...]

TPF 2014 137, p.140