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4. Auszug aus dem Entscheid der Strafkammer in Sachen Bundesanwaltschaft gegen A. vom 16. Dezember 2010 (SK.2010.16)
Telefonüberwachung; Beweisverwertbarkeit.

Art. 137 Abs. 3 BStP (Art. 107 Abs. 1
SR 312.0 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (Strafprozessordnung, StPO) - Strafprozessordnung
StPO Art. 107 Anspruch auf rechtliches Gehör - 1 Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör; sie haben namentlich das Recht:
1    Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör; sie haben namentlich das Recht:
a  Akten einzusehen;
b  an Verfahrenshandlungen teilzunehmen;
c  einen Rechtsbeistand beizuziehen;
d  sich zur Sache und zum Verfahren zu äussern;
e  Beweisanträge zu stellen.
2    Die Strafbehörden machen rechtsunkundige Parteien auf ihre Rechte aufmerksam.
StPO)

Die Verwertung von Protokollen der Telefonüberwachung setzt nicht voraus, dass die aufgezeichneten Gespräche dem Angeklagten vorgespielt wurden. Es genügt, dass der Angeklagte und die Verteidigung die Möglichkeit hatten, die entsprechenden Protokolle einzusehen und das Abhören der von ihnen bezeichneten Telefongespräche zu beantragen (E. 1.5.4).

Surveillance téléphonique; exploitation des moyens de preuve.
Art. 137 al. 3 PPF (art. 107 al. 1 CPP)

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L'utilisation de procès-verbaux de surveillance téléphonique ne présuppose pas que l'accusé ait eu l'occasion d'écouter les conversations enregistrées. Il suffit que l'accusé et la défense aient eu la possibilité de consulter les procès-verbaux et à solliciter l'audition des conversations téléphoniques qu'ils auront désignées (consid. 1.5.4).

Sorveglianza telefonica; utilizzabilità delle prove.
Art. 137 cpv. 3 PP (art. 107 cpv. 1 CPP)

L'utilizzabilità processuale dei controlli telefonici non presuppone che essi siano stati sottoposti all'imputato per l'ascolto, ma è sufficiente che questi nonché il suo difensore abbiano avuto la possibilità di consultare le relative trascrizioni e di richiedere l'ascolto delle registrazioni da essi indicate (consid. 1.5.4).

Zusammenfassung des Sachverhalts:

Die Bundesanwaltschaft ermittelte gegen A. und weitere Personen wegen qualifizierter Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz, ausgehend von einer kriminellen Organisation. In diesem Zusammenhang wurden Telefonüberwachungen durchgeführt und die dabei aufgezeichneten Telefongespräche, teils zusammenfassend, protokolliert.
Die Strafkammer bejahte die Verwertbarkeit der Protokolle der Telefonüberwachung und sprach A. (unter anderem) der mehrfachen qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz i.S.v. Art. 19 Ziff. 1 Abs. 3
SR 812.121 Bundesgesetz vom 3. Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz, BetmG) - Betäubungsmittelgesetz
BetmG Art. 19 - 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
1    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer:
a  Betäubungsmittel unbefugt anbaut, herstellt oder auf andere Weise erzeugt;
b  Betäubungsmittel unbefugt lagert, versendet, befördert, einführt, ausführt oder durchführt;
c  Betäubungsmittel unbefugt veräussert, verordnet, auf andere Weise einem andern verschafft oder in Verkehr bringt;
d  Betäubungsmittel unbefugt besitzt, aufbewahrt, erwirbt oder auf andere Weise erlangt;
e  den unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln finanziert oder seine Finanzierung vermittelt;
f  öffentlich zum Betäubungsmittelkonsum auffordert oder öffentlich eine Gelegenheit zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln bekannt gibt;
g  zu einer Widerhandlung nach den Buchstaben a-f Anstalten trifft.
2    Der Täter wird mit einer Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft, wenn er:92
a  weiss oder annehmen muss, dass die Widerhandlung mittelbar oder unmittelbar die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen kann;
b  als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Ausübung des unerlaubten Betäubungsmittelhandels zusammengefunden hat;
c  durch gewerbsmässigen Handel einen grossen Umsatz oder einen erheblichen Gewinn erzielt;
d  in Ausbildungsstätten vorwiegend für Jugendliche oder in ihrer unmittelbaren Umgebung gewerbsmässig Betäubungsmittel anbietet, abgibt oder auf andere Weise zugänglich macht.
3    Das Gericht kann in folgenden Fällen die Strafe nach freiem Ermessen mildern:
a  bei einer Widerhandlung nach Absatz 1 Buchstabe g;
b  bei einer Widerhandlung nach Absatz 2, wenn der Täter von Betäubungsmitteln abhängig ist und diese Widerhandlung zur Finanzierung des eigenen Betäubungsmittelkonsums hätte dienen sollen.
4    Nach den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 ist auch strafbar, wer die Tat im Ausland begangen hat, sich in der Schweiz befindet und nicht ausgeliefert wird, sofern die Tat auch am Begehungsort strafbar ist. Ist das Gesetz des Begehungsortes für den Täter das mildere, so ist dieses anzuwenden. Artikel 6 des Strafgesetzbuches93 ist anwendbar.
i.V.m. Ziff. 2 lit. a BetmG schuldig.

Aus den Erwägungen:

1.5.4 Vorab ist zu vermerken, dass die in den vorliegenden Protokollen der Telefonkontrolle (nachfolgend ,,TK-Protokolle") festgehaltenen Gespräche grösstenteils auf Albanisch, mithin in einer dem Angeklagten nicht verständlichen Sprache, geführt worden sind. Ein Abspielen im Original hätte bei dieser Sachlage nichts gebracht. Die abgehörten Telefongespräche mussten demnach übersetzt werden. Dass es sich bei den TK-Protokollen

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hauptsächlich um Zusammenfassungen von abgehörten Gesprächen handelt, gibt keinen Anlass zur Beanstandung, obliegt es doch den Ermittlungsbzw. Voruntersuchungsbehörden, die wesentlichen von unwesentlichen Erkenntnissen zu scheiden. Die Produktion der TK-Protokolle ist vorliegend aus ihrem Text heraus nachvollziehbar: Auf der so genannten Janus-JoListe ist der jeweils verantwortliche Dolmetscher mit den Anfangsbuchstaben seines Namens und der Erfasser des Textes mit einem Nummerncode angegeben und somit eruierbar. Der Angeklagte und die Verteidigung hatten im Rahmen der Vorbereitung der Hauptverhandlung das Recht, die Akten und damit sämtliche im Rahmen der Telefonüberwachung erstellten TK-Protokolle einzusehen (Art. 137 Abs. 3 BStP). Die Verteidigung machte von diesem Recht Gebrauch. Der Angeklagte und die Verteidigung hatten somit die Gelegenheit, zu spezifizieren, welche der aufgezeichneten Telefongespräche sie als beweiserheblich erachteten, und deren Anhören mit Übersetzung zu beantragen. Die Kontrollmöglichkeit des Angeklagten und der Verteidigung war diesbezüglich folglich gegeben.

Nach dem Gesagten sind die TK-Protokolle vollumfänglich verwertbar. Allfällige sich aus denselben ergebende Unklarheiten sind im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen.